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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 19.05.1994
Aktenzeichen: C-29/93
Rechtsgebiete: EWG-Vertrag


Vorschriften:

EWG-Vertrag Art. 177
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Quotenkosten, die für den Erwerb von Exportkontingenten entstehen, gehören nicht zum Zollwert der in die Gemeinschaft importierten Waren im Sinne der Vorschriften der Verordnung Nr. 1224/80 über den Zollwert der Waren. Insoweit braucht nicht geprüft zu werden, ob die Exportlizenzen in dem betreffenden Exportland legal gehandelt werden können oder nicht, da zwischen diesen beiden Fällen wirtschaftlich kein Unterschied besteht. Allerdings ist es Sache des Importeurs, den Zollbehörden gemäß Artikel 10 Absatz 1 der Verordnung alle für die Ermittlung des Zollwerts erforderlichen Unterlagen und Informationen zur Verfügung zu stellen und damit den Nachweis zu erbringen, daß es sich bei den ihm entstandenen Kosten tatsächlich um Kosten für den Erwerb von Exportkontingenten handelt und nicht um Vermittlungsprovisionen, die zum Zollwert gehören.


URTEIL DES GERICHTSHOFES (DRITTE KAMMER) VOM 19. MAI 1994. - KG IN FIRMA OSPIG TEXTIL-GESELLSCHAFT W. AHLERS GMBH & CO. GEGEN HAUPTZOLLAMT BREMEN-FREIHAFEN. - ERSUCHEN UM VORABENTSCHEIDUNG: FINANZGERICHT BREMEN - DEUTSCHLAND. - ZOLLWERT DER WAREN - FRAGE DER EINBEZIEHUNG DER QUOTENKOSTEN. - RECHTSSACHE C-29/93.

Entscheidungsgründe:

1 Das Finanzgericht Bremen hat mit Beschluß vom 19. Januar 1993, beim Gerichtshof eingegangen am 1. Februar 1993, eine Frage nach der Auslegung der Verordnung (EWG) Nr. 1224/80 des Rates vom 28. Mai 1980 über den Zollwert der Waren (ABl. L 134, S. 1) gestellt.

2 Diese Frage stellt sich in einem Rechtsstreit zwischen der KG in Firma Ospig Textil-Gesellschaft W. Ahlers GmbH & Co. (im folgenden: Klägerin) und dem Hauptzollamt Bremen-Freihafen (im folgenden: Hauptzollamt) über dessen Entscheidung, die Kosten für den Erwerb von Exportkontingenten eines Dritten (im folgenden: Fremdquoten) in einem Drittland, mit dem die Gemeinschaft ein Abkommen über die Beschränkung der Ausfuhren geschlossen hat, in den Zollwert der Waren einzubeziehen.

3 Wie sich aus den Akten ergibt, ließ die Klägerin beim Hauptzollamt am 13. März 1989 1 000 Herrenblousons, die sie von der Bai Lucky Industrial Co. Ltd in Taiwan gekauft hatte, zum freien Verkehr abfertigen; als Zollwert meldete sie den um 7 000 DM Quotenkosten gekürzten Nettobetrag von 30 000 DM an. Als Nachweis für diese Kosten legte sie die an sie gerichtete und auf die eingeführten Waren bezogene Rechnung der Taipan Oceanic Co. Ltd, der taiwanesischen Exporteurin und Inhaberin der Quoten, vor.

4 Das Hauptzollamt war der Ansicht, daß die Quotenkosten in den Zollwert einzubeziehen seien, und forderte daher mit Bescheid vom 14. März 1989 von der Klägerin die Zahlung von 5 187,77 DM.

5 Der von der Klägerin gegen diesen Bescheid eingelegte Einspruch wurde vom Hauptzollamt mit der Begründung zurückgewiesen, die Quotenkosten stuenden in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Kauf der Ware und seien daher Teil des Warenpreises. Ferner ergebe sich aus dem Urteil des Gerichtshofes vom 9. Februar 1984 in der Rechtssache 7/83 (Ospig, Slg. 1984, 609), daß nur die Kosten für freie und nach dem Recht des Exportlandes übertragbare Fremdquoten nicht in den Zollwert einzubeziehen seien. In Taiwan sei die Überlassung von Quoten nicht rechtlich abgesichert, so daß die entstandenen Quotenkosten in den Zollwert der Waren einzubeziehen seien.

6 Die Klägerin erhob beim Finanzgericht Bremen Klage und machte geltend, der Zollwert betrage 30 000 DM; nur dieser Betrag sei für die eingeführten Waren entrichtet worden, und es sei der Betrag, den sie als Kaufpreis bezahlt hätte, wenn sie die Waren in ein Land eingeführt hätte, das nicht dem Selbstbeschränkungsabkommen für Textileinfuhren unterliege.

7 Aufgrund dessen hat das Finanzgericht Bremen mit Beschluß vom 29. Januar 1993 das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Gehören Quotenkosten, die für den Erwerb von Exportkontingenten entstehen, auch dann nicht zum Zollwert der in die Gemeinschaft importierten Waren im Sinne der Vorschriften der Verordnung (EWG) Nr. 1224/80 des Rates vom 28. Mai 1980 (ABl. L 134, S. 1), wenn in dem betreffenden Exportland - hier Taiwan - Exportlizenzen nicht legal gehandelt werden?

8 Das vorlegende Gericht äussert - gestützt auf ein Sachverständigengutachten - Zweifel hinsichtlich der Einbeziehung der Fremdquotenkosten in den Zollwert in den Fällen, in denen es im Exportland keinen legalen Quotenhandel gibt. Wirtschaftlich betrachtet unterscheide sich der legale Handel mit Exportlizenzen nicht vom Quotenhandel in den Ländern, in denen es keine Rechtsgrundlage für einen solchen Handel gebe. Im letztgenannten Fall würde die Einbeziehung der Quotenkosten in den Zollwert gegen das Erfordernis der Einheitlichkeit und der Neutralität der Zollregelung verstossen und Wettbewerbsverzerrungen zwischen den Gemeinschaftsimporteuren entstehen lassen.

9 Auf der anderen Seite könnte sich die Einbeziehung der Quotenkosten in den Zollwert im Fall des offiziell nicht erlaubten Quotenhandels dadurch rechtfertigen lassen, daß sich nur schwer nachweisen lasse, daß die geltend gemachten Quotenkosten tatsächlich Kosten für den Erwerb von Fremdquoten seien und keine im Rahmen eines Ausfuhrgeschäfts gezahlte Vermittlungsprovision, die gemäß Artikel 8 Absatz 1 Buchstabe a der Verordnung Nr. 1224/80 dem Zollwert hinzuzurechnen sei. Es stelle sich die Frage, ob der Gerichtshof seine in dem Urteil vom 28. März 1990 in der Rechtssache C-219/88 (Malt, Slg. 1990, I-1481) aufgrund der Feststellung, daß Echtheitsbescheinigungen für Rindfleisch anders als im Rahmen der Quotenregelung für Textilwaren nicht rechtmässigerweise Gegenstand eines Handels sein könnten, getroffene Entscheidung, die Quotenkosten nicht in den Zollwert einzubeziehen, nicht lediglich auf Exportlizenzen bezogen habe, die legal gehandelt würden.

10 Zunächst ist auf Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1224/80 hinzuweisen, in dem es heisst:

"Der nach diesem Artikel ermittelte Zollwert eingeführter Waren ist der 'Transaktionswert' , das heisst der für die Waren bei einem Verkauf zur Ausfuhr in das Zollgebiet der Gemeinschaft tatsächlich gezahlte oder zu zahlende Preis, gegebenenfalls nach Berichtigung gemäß Artikel 8..."

11 Artikel 3 Absatz 3 Buchstabe b der Verordnung Nr. 1224/80 in der Fassung der Verordnung (EWG) Nr. 3193/80 des Rates vom 8. Dezember 1980 (ABl. L 333, S. 1) bestimmt:

"Der tatsächlich gezahlte oder zu zahlende Preis ist die vollständige Zahlung, die der Käufer an den Verkäufer oder zu dessen Gunsten für die eingeführten Waren entrichtet oder zu entrichten hat, und schließt alle Zahlungen ein, die als Bedingung für das Kaufgeschäft über die eingeführten Waren vom Käufer an den Verkäufer oder vom Käufer an einen Dritten zur Erfuellung einer Verpflichtung des Verkäufers tatsächlich entrichtet werden oder zu entrichten sind. Die Zahlung muß nicht notwendigerweise in Form einer Geldübertragung vorgenommen werden. Sie kann auch durch Kreditbriefe oder verkehrsfähige Wertpapiere erfolgen; sie kann unmittelbar oder mittelbar durchgeführt werden."

12 Wie der Gerichtshof in dem Urteil Ospig (a. a. O.) festgestellt hat, ergibt sich aus Artikel 3 Absatz 1 in Verbindung mit dem geänderten Absatz 3 Buchstabe a der Verordnung Nr. 1224/80, daß der Zollwert alle Zahlungen einschließt, die als Bedingung für das Kaufgeschäft über die eingeführten Waren vom Käufer an den Verkäufer oder vom Käufer an einen Dritten zur Erfuellung einer Verpflichtung des Verkäufers tatsächlich entrichtet werden oder zu entrichten sind (Randnr. 11).

13 Festzuhalten ist ferner, daß nach Artikel 8 der Verordnung Nr. 1224/80, auf den der genannte Artikel 3 Absatz 1 verweist, "dem für die eingeführten Waren tatsächlich gezahlten oder zu zahlenden Preis" eine Reihe von Kosten, die wirtschaftlich betrachtet Zusatzkosten zu diesem Preis sind, hinzuzurechnen sind. Artikel 8 stellt ein erschöpfendes Verzeichnis der Kosten auf, die demgemäß zur Bestimmung des Zollwerts der Waren herangezogen werden können; die "Quotenkosten" sind in diesem Verzeichnis nicht enthalten (Randnr. 12).

14 Wie der Gerichtshof in diesem Urteil weiter ausgeführt hat, bezweckt die Gemeinschaftsregelung eine Kontrolle der aus bestimmten Drittländern eingeführten Mengen von Textilwaren und verfolgt damit ein ganz anderes Ziel als die geänderte Verordnung Nr. 1224/80, mit der ein gerechtes, einheitliches und neutrales System für die Bewertung von Waren im Hinblick auf die Anwendung des Gemeinsamen Zolltarifs errichtet werden sollte. Die Verordnung Nr. 1224/80 ist also ohne Bezugnahme auf die Regelung über das System der Export- und Importlizenzen anzuwenden (Randnr. 14). Aufgrund dessen hat der Gerichtshof entschieden, daß die mit dem Erwerb von Exportkontingenten im Rahmen der fraglichen Regelung verbundenen Quotenkosten für die Berechnung des Zollwerts der Waren auf der Grundlage der Verordnung Nr. 1224/80 nicht herangezogen werden können.

15 Ob die Exportlizenzen legal gehandelt werden oder nicht, ist für die Tragweite dieses Urteils ohne Bedeutung, da zwischen diesen beiden Fällen wirtschaftlich kein Unterschied besteht. In beiden Fällen müssen die Importeure einen bestimmten Betrag entrichten, um die Einfuhr vornehmen zu können, und die Höhe dieses Betrages hängt von der Lage auf dem betreffenden Markt ab. Die Einbeziehung der Kosten für Quoten, die nicht legal gehandelt werden, in den Zollwert würde daher eine ungerechtfertigte Unterscheidung zwischen Importeuren der Gemeinschaft vornehmen, obwohl diese sich in einer vergleichbaren Situation befinden, und damit dem durch die Verordnung Nr. 1224/80 eingeführten gerechten, einheitlichen und neutralen System für die Ermittlung des Zollwerts zuwiderlaufen.

16 Die Gefahr eines mißbräuchlichen Abzugs angeblicher Quotenkosten, bei denen es sich in Wirklichkeit um Vermittlungsprovisionen handelt, die dem Zollwert gemäß Artikel 8 Absatz 1 Buchstabe a der Verordnung Nr. 1224/80 hinzuzurechnen sind, steht diesem Ergebnis nicht entgegen. Es ist nämlich Sache des Importeurs, den Zollbehörden gemäß Artikel 10 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1224/80 alle für die Ermittlung des Zollwerts erforderlichen Unterlagen und Informationen zur Verfügung zu stellen und damit den Nachweis zu erbringen, daß es sich tatsächlich um Kosten für den Erwerb von Exportkontingenten handelt.

17 Es trifft zu, daß der Gerichtshof im Urteil Malt (a. a. O.) die Auffassung vertreten hat, daß die an den Verkäufer zusätzlich zu dem Preis der Ware gezahlten Beträge für die Echtheitsbescheinigungen, die für die abschöpfungsfreie Einfuhr im Rahmen eines Gemeinschaftszollkontingents für Rindfleisch erforderlich sind, als Teil des Zollwerts anzusehen sind und daß sie anders als im Rahmen der Quotenregelung für Textilwaren nicht rechtmässigerweise Gegenstand eines selbständigen Handelsgeschäfts sein können (Randnrn. 14 und 15). Mit dieser Bemerkung hat der Gerichtshof jedoch lediglich den Unterschied zwischen den für die Einfuhr von Rindfleisch erforderlichen Echtheitsbescheinigungen und den für Textilwaren erteilten Exportlizenzen hervorheben wollen. Letztere stehen nicht im Zusammenhang mit einem konkreten Kaufvertrag, sondern mit einer bestimmten Warenkategorie und können unabhängig von den Waren verkauft werden, wobei der zu zahlende Preis das selbständige und vom Kaufpreis der Ware getrennte Entgelt für das Recht zur Ausfuhr darstellt (Randnr. 13).

18 Auf die vom Finanzgericht Bremen vorgelegte Frage ist daher zu antworten, daß Quotenkosten, die für den Erwerb von Exportkontingenten entstehen, nicht zum Zollwert der in die Gemeinschaft importierten Waren im Sinne der Vorschriften der Verordnung (EWG) Nr. 1224/80 des Rates vom 28. Mai 1980 über den Zollwert der Waren gehören und daß daher nicht geprüft zu werden braucht, ob die Exportlizenzen in dem betreffenden Exportland legal gehandelt werden können.

Kostenentscheidung:

Kosten

19 Die Auslagen der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, die vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben hat, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)

auf die ihm vom Finanzgericht Bremen mit Beschluß vom 19. Januar 1993 vorgelegte Frage für Recht erkannt:

Quotenkosten, die für den Erwerb von Exportkontingenten entstehen, gehören nicht zum Zollwert der in die Gemeinschaft importierten Waren im Sinne der Vorschriften der Verordnung (EWG) Nr. 1224/80 des Rates vom 28. Mai 1980 über den Zollwert der Waren; es braucht daher nicht geprüft zu werden, ob die Exportlizenzen in dem betreffenden Exportland legal gehandelt werden können.

Ende der Entscheidung

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