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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 16.02.2006
Aktenzeichen: C-294/04
Rechtsgebiete: Richtlinie 76/207/EWG, Richtlinie 92/85/EWG, Richtlinie 96/34/EG


Vorschriften:

Richtlinie 76/207/EWG
Richtlinie 92/85/EWG
Richtlinie 96/34/EG
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

URTEIL DES GERICHTSHOFES (Zweite Kammer)

16. Februar 2006

"Richtlinie 76/207/EWG - Gleichbehandlung von Männern und Frauen - Mutterschaftsurlaub - Zugang zur Beamtenlaufbahn - Bedienstete auf Zeit im Mutterschaftsurlaub, die nach ihrer erfolgreichen Teilnahme an einem Auswahlverfahren in eine Dauerplanstelle eintritt - Berechnung des Dienstalters"

Parteien:

In der Rechtssache C-294/04

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Artikel 234 EG, eingereicht vom Juzgado de lo Social Nr. 30 Madrid (Spanien) mit Entscheidung vom 5. Juli 2004, beim Gerichtshof eingegangen am 12. Juli 2004, in dem Verfahren

Carmen Sarkatzis Herrero

gegen

Instituto Madrileño de la Salud (Imsalud)

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten C. W. A. Timmermans sowie der Richter J. Makarczyk, R. Schintgen, P. Kuris (Berichterstatter) und J. Klucka,

Generalanwältin: C. Stix-Hackl,

Kanzler: M. Ferreira, Hauptverwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 29. September 2005,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

- des Instituto Madrileño de la Salud (Imsalud), vertreten durch F. Peláez Albendea als Bevollmächtigten,

- der spanischen Regierung, vertreten durch E. Braquehais Conesa als Bevollmächtigten,

- der italienischen Regierung, vertreten durch I. M. Braguglia als Bevollmächtigten im Beistand von G. Albenzio, avvocato dello Stato,

- der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch E. O'Neill als Bevollmächtigte im Beistand von K. Smith, Barrister,

- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch I. Martínez del Peral und N. Yerrell als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 10. November 2005

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

1. Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Richtlinie 76/207/EWG des Rates vom 9. Februar 1976 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in Bezug auf die Arbeitsbedingungen (ABl. L 39, S. 40), der Richtlinie 92/85/EWG des Rates vom 19. Oktober 1992 über die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes von schwangeren Arbeitnehmerinnen, Wöchnerinnen und stillenden Arbeitnehmerinnen am Arbeitsplatz (zehnte Einzelrichtlinie im Sinne des Artikels 16 Absatz 1 der Richtlinie 89/391/EWG) (ABl. L 348, S. 1) und der Richtlinie 96/34/EG des Rates vom 3. Juni 1996 zu der von UNICE, CEEP und EGB geschlossenen Rahmenvereinbarung über Elternurlaub (ABl. L 145, S. 4).

2. Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Frau Sarkatzis Herrero und dem Instituto Madrileño de la Salud (Madrider Institut für Gesundheit, Imsalud) über den Zeitpunkt, der für die Berechnung des Dienstalters der Betroffenen in ihrer Eigenschaft als Beamtin zu berücksichtigen ist, wobei Frau Sarkatzis Herrero geltend macht, dass auf den Zeitpunkt ihrer Ernennung abzustellen sei, auch wenn sie zu diesem Zeitpunkt im Mutterschaftsurlaub gewesen sei, und nicht auf den Zeitpunkt ihres tatsächlichen Eintritts in den Dienst nach Ablauf dieses Urlaubs.

Rechtlicher Rahmen

Gemeinschaftsrecht

3. Die Richtlinie 76/207 bestimmt in Artikel 2:

"(1) Der Grundsatz der Gleichbehandlung im Sinne der nachstehenden Bestimmungen beinhaltet, dass keine unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung auf Grund des Geschlechts - insbesondere unter Bezugnahme auf den Ehe- oder Familienstand - erfolgen darf.

...

(3) Diese Richtlinie steht nicht den Vorschriften zum Schutz der Frau, insbesondere bei Schwangerschaft und Mutterschaft, entgegen.

..."

4. Artikel 3 Absatz 1 dieser Richtlinie lautet:

"Die Anwendung des Grundsatzes der Gleichbehandlung beinhaltet, dass bei den Bedingungen des Zugangs - einschließlich der Auswahlkriterien - zu den Beschäftigungen oder Arbeitsplätzen - unabhängig vom Tätigkeitsbereich oder Wirtschaftszweig - und zu allen Stufen der beruflichen Rangordnung keine Diskriminierung auf Grund des Geschlechts erfolgt."

5. Artikel 8 Absatz 1 der Richtlinie 92/85 bestimmt:

"Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass [der schwangeren Arbeitnehmerin, der Wöchnerin und der stillenden Arbeitnehmerin] ein Mutterschaftsurlaub von mindestens 14 Wochen ohne Unterbrechung gewährt wird, die sich entsprechend den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder Gepflogenheiten auf die Zeit vor und/oder nach der Entbindung aufteilen."

6. Artikel 11 - "Mit dem Arbeitsvertrag verbundene Rechte" - Nummer 2 der Richtlinie hat folgenden Wortlaut:

"In dem in Artikel 8 genannten Fall müssen gewährleistet sein:

a) die mit dem Arbeitsvertrag [der schwangeren Arbeitnehmerin, der Wöchnerin und der stillenden Arbeitnehmerin] verbundenen anderen Rechte als die unter dem nachstehenden Buchstaben b) genannten;

b) die Fortzahlung eines Arbeitsentgelts und/oder der Anspruch auf eine angemessene Sozialleistung für [die schwangere Arbeitnehmerin, die Wöchnerin und die stillende Arbeitnehmerin]."

7. Mit der Richtlinie 96/34 wird die am 14. Dezember 1995 zwischen den europäischen Sozialpartnern geschlossene Rahmenvereinbarung über Elternurlaub durchgeführt, die in ihrem Paragraph 2 Nummer 5 bestimmt: "Im Anschluss an den Elternurlaub hat der Arbeitnehmer das Recht, an seinen früheren Arbeitsplatz zurückzukehren oder, wenn das nicht möglich ist, entsprechend seinem Arbeitsvertrag oder Arbeitsverhältnis einer gleichwertigen oder ähnlichen Arbeit zugewiesen zu werden."

Nationales Recht

8. Aus der Vorlageentscheidung ergibt sich, dass nach den Bestimmungen des spanischen Rechts über die Vergabe von Beamtenstellen der Dienstantritt eine Voraussetzung für den Erwerb der mit diesem Status verbundenen Rechte ist. Das Statut des nicht im pflegerischen Bereich tätigen Personals des Gesundheitswesens (Estatuto de personal no sanitario al servicio de las Instituciones Sanitarias de la Seguridad Social), das mit der Verordnung vom 5. Juli 1971 (BOE Nr. 174 vom 22. Juli 1971, S. 12015) gebilligt wurde, sieht in dieser Hinsicht keine Ausnahme vor.

9. Das Instituto Nacional de la Salud (nationales Institut für Gesundheit, Insalud) führte auf der Grundlage eines Beschlusses vom 3. Dezember 1997 ein allgemeines Auswahlverfahren durch und erließ die gemeinsamen Grundlagen der Auswahlprüfungen für die Vergabe mehrerer offener Stellen verschiedener Besoldungsgruppen bei den diesem Institut zugeordneten Einrichtungen des Gesundheitswesens. Im Abschnitt über die Ernennung und den Dienstantritt sieht Punkt 9 Nummer 2 dieses Beschlusses vor, dass die ernannten Bewerber binnen Monatsfrist ab dem Tag nach der Veröffentlichung der Entscheidung über ihre Ernennung ihren Dienst antreten müssen. Nach Punkt 9 Nummer 3 verliert der Bewerber, der seinen Dienst nicht innerhalb der vorgeschriebenen Frist antritt, alle ihm aufgrund seiner Teilnahme an dem Auswahlverfahren zustehenden Rechte, sofern kein Rechtfertigungsgrund vorliegt, der der Beurteilung durch die Einrichtung unterliegt, die das Auswahlverfahren durchgeführt hat.

10. Das vorlegende Gericht bringt diese Regelung mit den Bestimmungen des Königlichen Dekrets Nr. 118/1991 vom 25. Januar 1991 über die Auswahl des beamteten Personals und die Besetzung der Stellen der Einrichtungen des Gesundheitswesens (Real Decreto sobre selección de personal estatutario y provisión de plazas en las Instituciones Sanitarias de la Seguridad Social, BOE Nr. 33 vom 7. Februar 1991, S. 4325) in Verbindung, nach dessen Artikel 12 Absatz 5 - außer im Fall höherer Gewalt - erfolgreiche Bewerber, die die in der Ausschreibung verlangten Unterlagen nicht innerhalb der vorgeschriebenen Frist vorgelegt haben, nicht ernannt werden können.

Das Ausgangsverfahren und die Vorabentscheidungsfragen

11. Frau Sarkatzis Herrero war als Bedienstete auf Zeit beim Insalud und danach infolge einer Übertragung von Zuständigkeiten und der betreffenden Dienstleistungen im Gesundheitswesen sowie einer damit verbunden Übertragung von Personal beim Imsalud beschäftigt.

12. Als sie noch beim Insalud beschäftigt war, führte dieses ein Auswahlverfahren zur Einstellung von fest angestelltem Personal durch. Da die Klägerin dieses Auswahlverfahren bestand, wurde sie mit am 20. Dezember 2002 veröffentlichter Entscheidung auf eine Beamtenstelle einer Verwaltungshilfskraft ernannt. Mit dieser Entscheidung wurde ihr eine Stelle zugewiesen, die sie binnen Monatsfrist antreten musste.

13. Frau Sarkatzis Herrero, die damals in Mutterschaftsurlaub war, beantragte umgehend, die Frist für den Dienstantritt bis zum Ende dieses Urlaubs zu verschieben und diesen Urlaub für die Berechnung ihres Dienstalters zu berücksichtigen. Das Imsalud gab ihrem Antrag auf Verschiebung der Frist mit einer Mitteilung vom 8. Januar 2003 statt, ohne jedoch auf die Frage der Berechnung des Dienstalters der Betroffenen einzugehen.

14. Am 12. September 2003 erhob Frau Sarkatzis Herrero beim vorlegenden Gericht Klage gegen das Imsalud und beantragte, dass ihr Dienstalter als Beamtin ab dem Zeitpunkt ihrer Ernennung und nicht ab dem Zeitpunkt, zu dem sie nach Ablauf ihres Mutterschaftsurlaubs tatsächlich ihren Dienst angetreten habe, berechnet werde.

15. Dieses Gericht hat mit Beschluss vom 20. November 2003 das Verfahren ausgesetzt und die Parteien aufgefordert, sich zu der Frage zu äußern, ob es sachdienlich sei, den Gerichtshof um Vorabentscheidung zu ersuchen. Dieses Gericht hat sodann die Vorlageentscheidung erlassen und dem Gerichtshof drei Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt.

16. Das vorlegende Gericht stellt erstens fest, dass der Dienstantritt des Beamten Voraussetzung für den Erwerb und die Inanspruchnahme der Rechte nach dem Statut sei, dass die innerstaatlichen Rechtsvorschriften keine Ausnahme vorsähen, die Situationen wie der der Klägerin Rechnung trüge, und dass die betreffenden Behörden im vorliegenden Fall die Mutterschaft einer Arbeitnehmerin als höhere Gewalt oder als einen Rechtfertigungsgrund, der die Verschiebung des Dienstantritts erlaube, angesehen hätten.

17. Es leitet daraus zum einen ab, dass die Verlängerung der für den Dienstantritt einer Arbeitnehmerin vorgeschriebenen Frist einen Antrag voraussetze und daher auch abgelehnt werden könne und dass zum anderen diese Arbeitnehmerin erst nach Ablauf des Mutterschaftsurlaubs ihre Rechte in vollem Umfang in Anspruch nehmen könne. Folglich entstünden die Ansprüche auf Entgelt und auf Sozialleistungen erst mit dem Dienstantritt, und der Aufstieg der Betroffenen nach dem Dienstalter verzögere sich entsprechend im Verhältnis zu dem der übrigen erfolgreichen Bewerber desselben Auswahlverfahrens, die ihren Dienst zum vorgesehenen Zeitpunkt angetreten hätten.

18. Zweitens stellt das vorlegende Gericht fest, dass die Klägerin, die bereits im Rahmen einer befristeten Beschäftigung für das Imsalud gearbeitet habe, mit ihrer Ernennung auf eine Dauerplanstelle befördert worden sei, auch wenn es sich formal um eine Neueinstellung gehandelt habe.

19. Aus alledem schließt es, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Entscheidung des Imsalud nicht mit Artikel 11 Nummer 2 Buchstabe a der Richtlinie 92/85 vereinbar sei.

20. Drittens meint das vorlegende Gericht, dass keine auf der traditionellen Regelung des Zugangs zum öffentlichen Dienst beruhende Erwägung den Rechten der Beamtin, die einen Mutterschaftsurlaub in Anspruch nehme, vorgehen und es rechtfertigen könne, dass ihre berufliche Situation beeinträchtigt oder es ihr erschwert werde, ihr Familienleben mit der normalen Entwicklung ihrer Laufbahn zu vereinbaren.

21. Schließlich ist nach Auffassung des vorlegenden Gerichts die Ungleichbehandlung von Frau Sarkatzis Herrero im Verhältnis zu den übrigen erfolgreichen Bewerbern desselben Auswahlverfahrens, die ihre Stelle normal hätten antreten können, mit dem Recht der in Mutterschaftsurlaub befindlichen Arbeitnehmerin unvereinbar, nach diesem Urlaub auf ihre Stelle oder eine gleichwertige Stelle unter Bedingungen zurückzukehren, die nicht weniger günstig für sie seien, und in den Genuss jeder Verbesserung der Arbeitsbedingungen zu gelangen, die während ihrer Abwesenheit erfolgt sei und die ihr hätte gewährt werden müssen; hierbei handele es sich um ein durch die Richtlinien 76/207 und 96/34 zuerkanntes Recht.

22. Daher hat das Juzgado de lo Social Nr. 30 Madrid beschlossen, das Verfahren auszusetzen, und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Sind die Gemeinschaftsvorschriften über den Mutterschaftsurlaub und die Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung dahin auszulegen, dass einer Frau, die sich im Mutterschaftsurlaub befindet und in dieser Lage eine Stelle im öffentlichen Dienst erhält, dieselben Rechte zustehen müssen wie den anderen Bewerbern, die erfolgreich am Auswahlverfahren für den Zugang zum öffentlichen Dienst teilgenommen haben?

2. Stellt unabhängig davon, was für den Fall gilt, dass das Dienstverhältnis einer Bediensteten, die zum ersten Mal Zugang zu einer Beschäftigung hat, zwar wegen des Mutterschaftsurlaubs suspendiert war, aber bereits bestand, der Zugang zur Stellung als zur Belegschaft gehörende Bedienstete oder als Festangestellte eines der Rechte auf Beförderung innerhalb der Beschäftigung dar, deren Wirksamwerden nicht dadurch beeinträchtigt werden darf, dass die betreffende Frau sich im Mutterschaftsurlaub befindet?

3. Hat die Bedienstete auf Zeit, die sich zu dem Zeitpunkt, zu dem sie eine Dauerplanstelle erhält, im Mutterschaftsurlaub befindet, dann, wenn im konkreten Fall die genannten Vorschriften, insbesondere die Vorschriften über die Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, Anwendung finden oder wenn bereits ein Beschäftigungsverhältnis besteht, einen Anspruch darauf, ihre Stelle anzutreten und verbeamtet zu werden, mit allen damit verbundenen Rechten, etwa dem Recht auf den Beginn ihrer Laufbahn und die Berechnung ihres Dienstalters ab diesem Zeitpunkt, und dies unter denselben Voraussetzungen wie die anderen Bewerber, die eine Stelle erhalten haben, unabhängig davon, dass nach den geltenden nationalen Rechtsvorschriften in ihrem Fall die Ausübung der mit der effektiven Leistung des Dienstes verbundenen Rechte bis zum tatsächlichen Dienstantritt ausgesetzt werden kann?

Zu den Vorabentscheidungsfragen

23. Da sich die vorgelegten Fragen allgemein auf die Gemeinschaftsrechtsvorschriften auf dem Gebiet des Mutterschaftsurlaubs und der Gleichbehandlung von Männern und Frauen beziehen, ist für ihre Beantwortung zunächst zu ermitteln, welche Gemeinschaftsvorschriften insoweit einschlägig sind.

24. Zunächst erwähnt das vorlegende Gericht in der Begründung seiner Entscheidung die Richtlinie 96/34 über den Elternurlaub.

25. Festzustellen ist jedoch, dass sich die Klägerin zum Zeitpunkt ihrer Ernennung als Beamtin im Mutterschafts- und nicht im Elternurlaub befand. Folglich ist die Richtlinie 96/34 für die Prüfung der vorgelegten Fragen nicht einschlägig.

26. Sodann soll die Situation der Klägerin anhand der Richtlinie 92/85 daraufhin geprüft werden, ob die Benachteiligung, die sie geltend macht, gegen die durch diese Richtlinie geschützten Rechte verstößt.

27. Aus den dem Gerichtshof vorgelegten Unterlagen ergibt sich jedoch nicht, dass die Klägerin die Verletzung dieser Rechte in ihrem bestehenden Arbeitsverhältnis geltend gemacht hätte.

28. Die Situation von Frau Sarkatzis Herrero, die durch das Entstehen eines neuen Arbeitsverhältnisses während ihres Mutterschaftsurlaubs gekennzeichnet ist, unterscheidet sich nämlich deutlich von der Wiederaufnahme einer früheren Beschäftigung oder der Aufnahme einer mit dieser gleichwertigen Beschäftigung nach einem Mutterschaftsurlaub.

29. Alle Beteiligten, die Erklärungen vor dem Gerichtshof abgegeben haben, räumen im Übrigen ein, dass ein wesentlicher Unterschied zwischen der Situation eines Bediensteten auf Zeit und der eines Beamten besteht.

30. Der Dienstantritt eines Beamten setzt nach der im vorliegenden Fall geltenden Regelung nämlich die erfolgreiche Teilnahme an einem Auswahlverfahren und eine Ernennungsentscheidung voraus. Der Umstand, dass Frau Sarkatzis Herrero bereits vor und nach ihrem Mutterschaftsurlaub bei derselben Einrichtung beschäftigt war, spielt insoweit keine Rolle.

31. Daher besteht keine rechtliche Kontinuität zwischen den beiden aufeinander folgenden Beschäftigungssituationen von Frau Sarkatzis Herrero, die demnach als eine Beschäftigte anzusehen ist, die eine neue Stelle angetreten hat, indem sie Beamtin wurde, nicht aber als eine solche, die wieder in ihre frühere Stelle eingewiesen wurde.

32. Folglich ist auch die Richtlinie 92/85 nicht einschlägig für die Beantwortung der vorgelegten Fragen. Daher braucht die zweite Vorabentscheidungsfrage nicht beantwortet zu werden.

33. Mit der ersten und der dritten Frage, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob das Gemeinschaftsrecht einer nationalen Regelung entgegensteht, wonach für die Berechnung des Dienstalters eines Beamten nur der Zeitpunkt des Dienstantritts des Betroffenen berücksichtigt wird, ohne dass eine Ausnahme für Frauen vorgesehen ist, die sich zu dem Zeitpunkt, zu dem sie aufgefordert werden, die Stelle anzutreten, auf die sie ernannt worden sind, im Mutterschaftsurlaub befinden.

34. Diese Fragen sind anhand von Artikel 2 Absätze 1 und 3 und Artikel 3 der Richtlinie 76/207 in ihrer auf den Sachverhalt des vorliegenden Falles anwendbaren Fassung zu prüfen, um festzustellen, ob, wenn sich eine Beamtin zum Zeitpunkt ihrer Ernennung im Mutterschaftsurlaub befindet, die Verschiebung des Beginns ihrer Laufbahn auf den Zeitpunkt ihres tatsächlichen Dienstantritts eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts darstellt.

35. Zunächst ist daran zu erinnern, dass der Gerichtshof entschieden hat, dass die Richtlinie 76/207 für öffentlich-rechtliche Dienstverhältnisse gilt. Diese Richtlinie hat, wie es in der Natur des in ihr niedergelegten Grundsatzes liegt, allgemeine Bedeutung (vgl. Urteil des Gerichtshofes vom 21. Mai 1985 in der Rechtssache 248/83, Kommission/Deutschland, Slg. 1985, 1459, Randnr. 16).

36. Wie die Generalanwältin in Nummer 34 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, verbietet Artikel 2 Absatz 1 der Richtlinie 76/207 jede Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, und die Artikel 3 ff. der Richtlinie umschreiben die Bereiche, in denen keine Diskriminierung erfolgen darf. So sind unmittelbare oder mittelbare Diskriminierungen bei den Bedingungen - einschließlich der Auswahlkriterien und Einstellungsbedingungen - für den Zugang zur Beschäftigung, beim Zugang zu allen Formen und allen Ebenen der Berufsberatung, der Berufsbildung, der beruflichen Weiterbildung und der Umschulung einschließlich der praktischen Berufserfahrung, bei den Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen und bei der Mitgliedschaft in einer Arbeitnehmerorganisation oder Ähnlichem verboten.

37. Frauen dürfen bei der Ausübung der Rechte, die ihnen nach Maßgabe des Artikels 2 Absatz 3 der Richtlinie 76/207 gewährt werden, beim Zugang zur Beschäftigung und bei den für sie geltenden Arbeitsbedingungen nicht benachteiligt werden, denn die Richtlinie zielt insoweit auf eine inhaltliche, nicht eine formelle Gleichheit ab (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 30. April 1998 in der Rechtssache C-136/95, Thibault, Slg. 1998, I-2011, Randnr. 26).

38. Deshalb darf die Anwendung der Vorschriften zum Schutz der werdenden Mutter für diese keine Nachteile beim Zugang zur Beschäftigung mit sich bringen und erlaubt einem Arbeitgeber nicht, die Einstellung einer schwangeren Bewerberin deshalb abzulehnen, weil er diese aufgrund eines aus der Schwangerschaft folgenden Beschäftigungsverbots auf dem auf unbestimmte Zeit zu besetzenden Arbeitsplatz nicht von Anfang an und für die Dauer ihrer Schwangerschaft beschäftigen darf (Urteil vom 3. Februar 2000 in der Rechtssache C-207/98, Mahlburg, Slg. 2000, I-549, Randnr. 27).

39. Hinsichtlich der Berücksichtigung der Dauer eines Mutterschaftsurlaubs für den Zugang zu einer höheren Stufe der beruflichen Rangordnung schließlich hat der Gerichtshof entschieden, dass eine Arbeitnehmerin in ihrem Arbeitsverhältnis vor jeder Benachteiligung geschützt ist, die auf der Tatsache beruht, dass sie im Mutterschaftsurlaub ist oder war, und dass eine Frau, die aufgrund ihrer durch den Mutterschaftsurlaub bedingten Abwesenheit benachteiligt wird, wegen ihrer Schwangerschaft und wegen dieses Urlaubs diskriminiert wird (vgl. Urteil vom 18. November 2004 in der Rechtssache C-284/02, Sass, Slg. 2004, I-11143, Randnrn. 35 und 36).

40. Wie jedoch die Regierung des Vereinigten Königreichs zutreffend in ihren Erklärungen in der Sitzung hervorgehoben hat, unterscheidet sich der dem Urteil Sass zugrunde liegende Sachverhalt deutlich dadurch von dem des vorliegenden Falles, dass der Mutterschaftsurlaub im Fall von Frau Sass mit einer Laufbahnentwicklung zusammentraf, da der Rechtsstreit eine Änderung der Vergütungsgruppe betraf. Dagegen ist im vorliegenden Fall Frau Sarkatzis Herrero während eines Mutterschaftsurlaubs in eine neue Beschäftigung eingetreten, wobei der Zeitpunkt ihres Dienstantritts auf das Ende dieses Urlaubs verschoben wurde.

41. Wie die Generalanwältin in Nummer 39 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, müssen aber, da die Richtlinie 76/207 eine inhaltliche und nicht eine formelle Gleichheit anstrebt, Artikel 2 Absätze 1 und 3 und Artikel 3 der Richtlinie dahin ausgelegt werden, dass sie jede Benachteiligung einer Arbeitnehmerin aufgrund oder im Zusammenhang mit der Inanspruchnahme eines Mutterschaftsurlaubs, der den Schutz der Schwangeren bezweckt, verbieten, und zwar ohne dass es dabei darauf ankommt, ob diese Benachteiligung ein bestehendes oder ein neues Arbeitsverhältnis betrifft.

42. Diese Auslegung wird durch die Ausführungen des Gerichtshofes in Randnummer 48 des Urteils Sass bestätigt, wonach das Gemeinschaftsrecht verlangt, dass die Inanspruchnahme dieses gesetzlichen Schutzurlaubs zum einen weder das Arbeitsverhältnis der betreffenden Frau noch die Anwendung der damit verknüpften Rechte unterbricht und zum anderen nicht zu einer Benachteiligung der Frau führt.

43. Es ist darauf hinzuweisen, dass sich weder anhand der Akten noch aufgrund der in der Sitzung von der spanischen Regierung gegebenen Informationen mit Gewissheit feststellen lässt, ob Bedienstete, die wie die Klägerin als Bedienstete auf Zeit beschäftigt waren, bevor sie zu Beamten ernannt wurden, bei ihrer Verbeamtung ihr auf einem früheren Posten erworbenes Dienstalter unter Einbeziehung etwaiger Mutterschaftsurlaube behalten und - bejahendenfalls - ob dieses Dienstalter für den Aufstieg dieser Bediensteten in den Dienstaltersstufen berücksichtigt wird.

44. Da zum einen zweifelhaft geblieben ist, wie sich das Gesetz Nr. 70/1978 vom 26. Dezember 1978 über die Anerkennung früherer Dienste in der öffentlichen Verwaltung (Ley de Reconocimiento de Servicios Previos en la Administración Pública, BOE Nr. 9 vom 10. Januar 1979, S. 464) und die Durchführungsverordnung Nr. 1181/89 vom 29. September 1989 (BOE Nr. 237 vom 3. Oktober 1989, S. 30952) sowie das Königliche Gesetzesdekret Nr. 3/1987 vom 11. September 1987 über die Vergütung der Beamten (Real Decreto-Ley de la Jefatura del Estado sobre retribuciones del personal estatutario del Instituto Nacional de la Salud, BOE Nr. 219 vom 12. September 1987, S. 27649), die vom Imsalud zitiert werden, auf die Situation von Frau Sarkatzis Herrero auswirken, und da zum anderen das Gesetz Nr. 55/2003 vom 16. Dezember 2003 zur Festlegung des Rahmenstatuts des Personals der Dienste des Gesundheitswesens (Ley des Estatuto Marco del Personal estatutario de los Servicios de Salud, BOE Nr. 301 vom 17. Dezember 2003, S. 44742) zum Zeitpunkt des Eintritts der Klägerin in die Laufbahn nicht in Kraft war, ist es Sache des vorlegenden Gerichts, zu ermitteln, ob Frau Sarkatzis Herrero tatsächlich benachteiligt worden ist.

45. Auf der Grundlage der in der Vorlageentscheidung dargelegten Prämissen ist davon auszugehen, dass die Verschiebung des Dienstantritts von Frau Sarkatzis Herrero als Beamtin, die Folge des Mutterschaftsurlaubs war, den die Betroffene in Anspruch genommen hat, eine Benachteiligung im Sinne der Richtlinie 76/207 darstellt.

46. Der Umstand, dass andere Personen, insbesondere auch Männer, aus anderen Gründen genauso behandelt werden können wie Frau Sarkatzis Herrero, wirkt sich nicht auf die Beurteilung ihrer Situation aus, da sich die Verschiebung des Zeitpunkts des Dienstantritts der Betroffenen ausschließlich aus dem von ihr in Anspruch genommenen Mutterschaftsurlaub ergab.

47. Nach alledem ist auf die erste und die dritte Frage zu antworten, dass die Richtlinie 76/207 einer nationalen Regelung entgegensteht, die einer Arbeitnehmerin im Mutterschaftsurlaub im Hinblick auf die Bedingungen für den Zugang zur Beamtenlaufbahn nicht dieselben Rechte zuerkennt wie die, die den übrigen erfolgreichen Bewerbern desselben Einstellungsauswahlverfahrens zuerkannt werden, indem der Dienstantritt dieser Arbeitnehmerin auf das Ende des Mutterschaftsurlaubs verschoben wird, ohne die Dauer dieses Urlaubs für die Berechnung ihres Dienstalters zu berücksichtigen.

Kostenentscheidung:

Kosten

48. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Tenor:

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zweite Kammer) für Recht erkannt:

Die Richtlinie 76/207/EWG des Rates vom 9. Februar 1976 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in Bezug auf die Arbeitsbedingungen steht einer nationalen Regelung entgegen, die einer Arbeitnehmerin im Mutterschaftsurlaub im Hinblick auf die Bedingungen für den Zugang zur Beamtenlaufbahn nicht dieselben Rechte zuerkennt wie die, die den übrigen erfolgreichen Bewerbern desselben Einstellungsauswahlverfahrens zuerkannt werden, indem der Dienstantritt dieser Arbeitnehmerin auf das Ende des Mutterschaftsurlaubs verschoben wird, ohne die Dauer dieses Urlaubs für die Berechnung ihres Dienstalters zu berücksichtigen.



Ende der Entscheidung

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