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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 19.02.2002
Aktenzeichen: C-295/00
Rechtsgebiete: Verordnung (EWG) Nr. 4055/86 des Rates vom 22. Dezember 1986 zur Anwendung des Grundsatzes des freien Dienstleistungsverkehrs auf die Seeschifffahrt zwischen Mitgliedstaaten sowie zwischen Mitgliedstaaten und Drittländern, G Nr. 82/1963 vom 9. Februar 1963 zur Änderung der Abgaben und Gebühren im Rahmen der Seeschifffahrt (Italien)


Vorschriften:

Verordnung (EWG) Nr. 4055/86 des Rates vom 22. Dezember 1986 zur Anwendung des Grundsatzes des freien Dienstleistungsverkehrs auf die Seeschifffahrt zwischen Mitgliedstaaten sowie zwischen Mitgliedstaaten und Drittländern Art. 1 Abs. 1
G Nr. 82/1963 vom 9. Februar 1963 zur Änderung der Abgaben und Gebühren im Rahmen der Seeschifffahrt (Italien)
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Eine nationale Regelung, nach der von den Reisenden eine Abgabe erhoben wird, die in drei Häfen des betreffenden Mitgliedstaats, von Häfen eines anderen Mitgliedstaats oder eines Drittlandes herkommend, von Bord gehen oder mit dem Ziel, zu einem solchen Hafen zu reisen, an Bord gehen, während eine solche Abgabe im Fall eines Transports zwischen zwei Häfen innerhalb des Staatsgebiets des ersten Mitgliedstaats nicht erhoben wird, ist als eine nach Artikel 59 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 49 EG) und Artikel 1 der Verordnung Nr. 4055/86 zur Anwendung des Grundsatzes des freien Dienstleistungsverkehrs auf die Seeschifffahrt zwischen Mitgliedstaaten sowie zwischen Mitgliedstaaten und Drittländern unzulässige Einschränkung der Dienstleistungsfreiheit im Seeverkehr anzusehen. Die in Artikel 59 EG-Vertrag niedergelegte Dienstleistungsfreiheit schließt nämlich die Anwendung einer nationalen Regelung aus, die die Erbringung von Dienstleistungen zwischen Mitgliedstaaten gegenüber der Erbringung von Dienstleistungen allein innerhalb eines Mitgliedstaats erschwert.

( vgl. Randnrn. 10, 14 und Tenor )


Urteil des Gerichtshofes (Dritte Kammer) vom 19. Februar 2002. - Kommission der Europäischen Gemeinschaften gegen Italienische Republik. - Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats - Verstoß gegen Artikel 1 der Verordnung (EWG) Nr. 4055/86 - Abgabe zu Lasten der Reisenden, die an oder von Bord eines Schiffes gehen - Abgabe, die nicht von Reisenden erhoben wird, die zwischen Häfen im Inland reisen. - Rechtssache C-295/00.

Parteien:

In der Rechtssache C-295/00

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch E. Traversa und B. Mongin als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Klägerin,

gegen

Italienische Republik, vertreten durch U. Leanza als Bevollmächtigten im Beistand von G. De Bellis, avvocato dello Stato, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Beklagte,

wegen Feststellung, dass die Italienische Republik dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Artikel 1 der Verordnung (EWG) Nr. 4055/86 des Rates vom 22. Dezember 1986 zur Anwendung des Grundsatzes des freien Dienstleistungsverkehrs auf die Seeschifffahrt zwischen Mitgliedstaaten sowie zwischen Mitgliedstaaten und Drittländern (ABl. L 378, S. 1) verstoßen hat, dass sie eine Abgabe zu Lasten derjenigen Reisenden aufrechterhalten hat, die in den Häfen von Genua, Neapel und Triest (Italien), von Häfen eines anderen Mitgliedstaats oder eines Drittlandes herkommend, von Bord gehen oder mit dem Ziel, zu einem solchen Hafen zu reisen, an Bord gehen, während eine solche Abgabe im Fall eines Transports zwischen zwei Häfen im Inland nicht erhoben wird,

erlässt DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin F. Macken sowie der Richter C. Gulmann und J.-P. Puissochet (Berichterstatter),

Generalanwalt: S. Alber

Kanzler: R. Grass

aufgrund des Berichts des Berichterstatters,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 25. Oktober 2001,

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

1 Mit Klageschrift, die am 1. August 2000 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, hat die Kommission der Europäischen Gemeinschaften gemäß Artikel 226 EG Klage auf Feststellung erhoben, dass die Italienische Republik dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Artikel 1 der Verordnung (EWG) Nr. 4055/86 des Rates vom 22. Dezember 1986 zur Anwendung des Grundsatzes des freien Dienstleistungsverkehrs auf die Seeschifffahrt zwischen Mitgliedstaaten sowie zwischen Mitgliedstaaten und Drittländern (ABl. L 378, S. 1) verstoßen hat, dass sie eine Abgabe zu Lasten derjenigen Reisenden aufrechterhalten hat, die in den Häfen von Genua, Neapel und Triest (Italien), von Häfen eines anderen Mitgliedstaats oder eines Drittlandes herkommend, von Bord gehen oder mit dem Ziel, zu einem solchen Hafen zu reisen, an Bord gehen, während eine solche Abgabe im Fall eines Transports zwischen zwei Häfen im Inland nicht erhoben wird.

Rechtlicher Rahmen

2 Artikel 1 Absatz 1 der Verordnung Nr. 4055/86 lautet:

"Der Grundsatz des freien Dienstleistungsverkehrs in der Seeschifffahrt zwischen Mitgliedstaaten sowie zwischen Mitgliedstaaten und Drittländern gilt für Staatsangehörige der Mitgliedstaaten mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat als dem Staat des Dienstleistungsnehmers."

3 Das italienische Gesetz Nr. 82/1963 vom 9. Februar 1963 zur Änderung der Abgaben und Gebühren im Rahmen der Seeschifffahrt (Legge "Revisione delle tasse e dei diritti marittimi", GURI Nr. 52 vom 23. Februar 1963, im Folgenden: Gesetz Nr. 82/1963) sieht eine spezielle Abgabe zu Lasten der Reisenden vor, die in den Häfen von Genua, Neapel und Triest von oder an Bord gehen. Diese Abgabe, deren Höhe je nach Komfortbedingungen und Zielort der Reise variiert, wird grundsätzlich von allen Reisenden geschuldet.

4 Von dieser Abgabe ausgenommen sind gemäß Artikel 32 Buchstabe d des Gesetzes Nr. 82/1963 jedoch "die Reisenden, die zu einem anderen inländischen Hafen reisen wollen oder von einem solchen Hafen herkommen". Seit der Änderung des Artikels 224 des italienischen Codice della navigazione (Schifffahrtsgesetzbuch) durch Artikel 7 des Decreto legge Nr. 457 vom 30. Dezember 1997, umgewandelt in ein Gesetz durch das Gesetz Nr. 30/1998 vom 27. Februar 1998 (GURI Nr. 49 vom 28. Februar 1998), mit der es Schiffen, die in einem anderen Mitgliedstaat als der Italienischen Republik registriert sind, gestattet wurde, Transporte zwischen italienischen Häfen durchzuführen, gilt diese Ausnahme gleichermaßen für diese Schiffe wie für italienische Schiffe.

Vorprozessuales Verfahren

5 Mit Aufforderungsschreiben vom 20. Januar 1998 teilte die Kommission der Italienischen Republik mit, dass die Erhebung von Abgaben zu Lasten der Reisenden, die in den Häfen von Genua, Neapel und Triest, von Häfen eines anderen Mitgliedstaats oder eines Drittlandes herkommend, von Bord gingen oder mit dem Ziel, zu einem solchen Hafen zu reisen, an Bord gingen, während eine solche Abgabe im Fall eines Transports zwischen zwei Häfen im Inland nicht erhoben werde, mit dem in Artikel 1 der Verordnung Nr. 4055/86 verankerten Grundsatz des freien Dienstleistungsverkehrs unvereinbar sei.

6 Nach einem Schriftwechsel zwischen der Italienischen Republik und der Kommission erließ die Kommission am 14. Dezember 1998 eine mit Gründen versehene Stellungnahme, in der sie die Italienische Republik aufforderte, binnen einer Frist von zwei Monaten ab Zustellung die Maßnahmen zu erlassen, die erforderlich sind, um dieser Stellungnahme nachzukommen.

7 Da die Kommission den Text der von den italienischen Behörden angekündigten Gesetzesänderung, mit der die Bestimmungen des Gesetzes Nr. 82/1963 mit der Verordnung Nr. 4055/86 in Einklang gebracht werden sollten, nicht erhalten hatte, hat sie die vorliegende Klage erhoben.

Begründetheit

8 Die italienische Regierung wendet sich nicht gegen die von der Kommission vorgebrachte Rüge. Sie trägt vor, die Regelung, die zur Beendigung der den Gegenstand dieser Rüge bildenden Diskriminierung erforderlich sei, solle in das Finanzgesetz für das Jahr 2001 integriert werden.

9 Durch die auf der Grundlage des Artikels 84 Absatz 2 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 80 Absatz 2 EG) erlassene Verordnung Nr. 4055/86 wurden die Maßnahmen zur Anwendung des in Artikel 59 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 49 EG) niedergelegten Grundsatzes des freien Dienstleistungsverkehrs auf die Seeschifffahrt erlassen. Der Gerichtshof hat im Übrigen bereits entschieden, dass Artikel 1 Absatz 1 dieser Verordnung diejenigen, denen der Grundsatz des freien Dienstleistungsverkehrs in der Seeschifffahrt zwischen Mitgliedstaaten und zwischen Mitgliedstaaten und Drittländern zugute kommt, im Wesentlichen mit den gleichen Worten definiert wie Artikel 59 EG-Vertrag (Urteil vom 5. Oktober 1994 in der Rechtssache C-381/93, Kommission/Frankreich, Slg. 1994, I-5145, Randnr. 10).

10 Die in Artikel 59 des Vertrages niedergelegte Dienstleistungsfreiheit schließt die Anwendung einer nationalen Regelung aus, die die Erbringung von Dienstleistungen zwischen Mitgliedstaaten gegenüber der Erbringung von Dienstleistungen allein innerhalb eines Mitgliedstaats erschwert (Urteil Kommission/Frankreich, Randnr. 17).

11 Folglich können die Dienstleistungen im Seeverkehr zwischen Mitgliedstaaten nicht strengeren Bedingungen unterworfen werden, als sie für die entsprechenden Dienstleistungen im Inland gelten (Urteil Kommission/Frankreich, Randnr. 18).

12 Im Übrigen ist das Vorliegen einer Vertragsverletzung anhand der Lage zu beurteilen, in der sich der Mitgliedstaat bei Ablauf der Frist befand, die in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzt wurde (vgl. u. a. Urteil vom 15. März 2001 in der Rechtssache C-147/00, Kommission/Frankreich, Slg. 2001, I-2387, Randnr. 26).

13 Im vorliegenden Fall steht fest und ist im Übrigen auch unstreitig, dass die Italienische Republik nicht die erforderlichen Maßnahmen ergriffen hat, um der mit Gründen versehenen Stellungnahme innerhalb der dafür gesetzten Frist nachzukommen.

14 Somit ist festzustellen, dass die Italienische Republik dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Artikel 1 der Verordnung Nr. 4055/86 verstoßen hat, dass sie eine Abgabe zu Lasten derjenigen Reisenden aufrechterhalten hat, die in den Häfen von Genua, Neapel und Triest (Italien), von Häfen eines anderen Mitgliedstaats oder eines Drittlandes herkommend, von Bord gehen oder mit dem Ziel, zu einem solchen Hafen zu reisen, an Bord gehen, während eine solche Abgabe im Fall eines Transports zwischen zwei Häfen im Inland nicht erhoben wird.

Kostenentscheidung:

Kosten

15 Gemäß Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Italienische Republik mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr gemäß dem entsprechenden Antrag der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

(Dritte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1. Die Italienische Republik hat dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Artikel 1 der Verordnung (EWG) Nr. 4055/86 des Rates vom 22. Dezember 1986 zur Anwendung des Grundsatzes des freien Dienstleistungsverkehrs auf die Seeschifffahrt zwischen Mitgliedstaaten sowie zwischen Mitgliedstaaten und Drittländern verstoßen, dass sie eine Abgabe zu Lasten derjenigen Reisenden aufrechterhalten hat, die in den Häfen von Genua, Neapel und Triest (Italien), von Häfen eines anderen Mitgliedstaats oder eines Drittlandes herkommend, von Bord gehen oder mit dem Ziel, zu einem solchen Hafen zu reisen, an Bord gehen, während eine solche Abgabe im Fall eines Transports zwischen zwei Häfen im Inland nicht erhoben wird.

2. Die Italienische Republik trägt die Kosten des Verfahrens.

Ende der Entscheidung

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