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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 30.05.2002
Aktenzeichen: C-296/00
Rechtsgebiete: Verordnung Nr. 3285/94/EWG, Verordnung Nr. 519/94/EWG


Vorschriften:

Verordnung Nr. 3285/94/EWG
Verordnung Nr. 519/94/EWG
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Die Verordnung Nr. 519/94 über die gemeinsame Regelung der Einfuhren aus bestimmten Drittländern und zur Aufhebung der Verordnungen Nrn. 1765/82, 1766/82 und 3420/83 sowie die Verordnung Nr. 3285/94 über die gemeinsame Einfuhrregelung und zur Aufhebung der Verordnung Nr. 518/94 enthalten keine Bestimmungen zum Inverkehrbringen der von ihnen erfassten Waren. Diese Verordnungen haben keine Auswirkungen auf die Regelung eines Mitgliedstaats über das Inverkehrbringen von Waren aus Drittländern.

( vgl. Randnrn. 33, 35 und Tenor )


Urteil des Gerichtshofes (Zweite Kammer) vom 30. Mai 2002. - Prefetto Provincia di Cuneo gegen Silvano Carbone als Alleingeschäftsführer der Expo Casa Manta Srl. - Ersuchen um Vorabentscheidung: Corte suprema di cassazione - Italien. - Verordnungen (EG) Nrn. 519/94 und 3285/94 - Anwendungsbereich - Inverkehrbringen von aus Drittländern stammenden schnurlosen Telefonapparaten. - Rechtssache C-296/00.

Parteien:

In der Rechtssache C-296/00

betreffend ein dem Gerichtshof nach Artikel 234 EG von der Corte Suprema di Cassazione (Italien) in dem bei dieser anhängigen Rechtsstreit

Prefetto Provincia di Cuneo

gegen

Silvano Carbone als Alleingeschäftsführer der Expo Casa Manta Srl

"vorgelegtes Ersuchen um Vorabentscheidung über die Auslegung der Verordnungen (EG) Nr. 519/94 des Rates vom 7. März 1994 über die gemeinsame Regelung der Einfuhren aus bestimmten Drittländern und zur Aufhebung der Verordnungen (EWG) Nrn. 1765/82, 1766/82 und 3420/83 (ABl. L 67, S. 89) sowie Nr. 3285/94 des Rates vom 22. Dezember 1994 über die gemeinsame Einfuhrregelung und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 518/94 (ABl. L 349, S. 53)

erlässt

DER GERICHTSHOF

(Zweite Kammer)

unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin N. Colneric (Berichterstatterin) sowie der Richter R. Schintgen und V. Skouris,

Generalanwalt: L. A. Geelhoed

Kanzler: R. Grass

unter Berücksichtigung der schriftlichen Erklärungen

- der italienischen Regierung, vertreten durch U. Leanza als Bevollmächtigten im Beistand von G. Aiello, avvocato dello Stato,

- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vetreten durch C. Bury und R. Amorosi als Bevollmächtigte,

aufgrund des Berichts des Berichterstatters,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 17. Januar 2002,

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

1 Die Corte Suprema di Cassazione hat mit Beschluss vom 18. April 2000, beim Gerichtshof eingegangen am 1. August 2000, gemäß Artikel 234 EG eine Frage nach der Auslegung der Verordnungen (EG) Nr. 519/94 des Rates vom 7. März 1994 über die gemeinsame Regelung der Einfuhren aus bestimmten Drittländern und zur Aufhebung der Verordnungen (EWG) Nrn. 1765/82, 1766/82 und 3420/83 (ABl. L 67, S. 89) sowie Nr. 3285/94 des Rates vom 22. Dezember 1994 über die gemeinsame Einfuhrregelung und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 518/94 (ABl. L 349, S. 53) zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2 Diese Frage stellt sich in einem Rechtsstreit zwischen dem Präfekten der Provinz Cuneo und Herrn Carbone in seiner Eigenschaft als Alleingeschäftsführer der Expo Casa Manta Srl (im Folgenden: Expo Casa Manta) über die verwaltungsrechtliche Einziehung von zwanzig nicht zugelassenen schnurlosen Telefonapparaten.

Rechtlicher Rahmen

Gemeinschaftsrecht

3 Artikel 9 Absatz 2 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 23 Absatz 2 EG) bestimmt:

"Kapitel 1 Abschnitt 1 und Kapitel 2 dieses Titels [über die Abschaffung der Zölle und die Beseitigung der mengenmäßigen Beschränkungen zwischen den Mitgliedstaaten] gelten für die aus den Mitgliedstaaten stammenden Waren sowie für diejenigen Waren aus dritten Ländern, die sich in den Mitgliedstaaten im freien Verkehr befinden."

4 Artikel 10 Absatz 1 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 24 EG) lautet:

"Als im freien Verkehr eines Mitgliedstaats befindlich gelten diejenigen Waren aus dritten Ländern, für die in dem betreffenden Mitgliedstaat die Einfuhr-Förmlichkeiten erfuellt sowie die vorgeschriebenen Zölle und Abgaben gleicher Wirkung erhoben und nicht ganz oder teilweise rückvergütet worden sind."

5 Artikel 1 Absatz 2 der Verordnung Nr. 519/94 bestimmt:

"Die Einfuhr der in Absatz 1 genannten Waren in die Gemeinschaft ist frei und unterliegt mithin keinen mengenmäßigen Beschränkungen, unbeschadet

- etwaiger Maßnahmen gemäß Titel V,

- mengenmäßiger Beschränkungen gemäß Anhang II."

6 Titel V dieser Verordnung betrifft Schutzmaßnahmen und ihr Anhang II bestimmte Waren mit Ursprung in China.

7 Artikel 1 Absatz 2 der Verordnung Nr. 3285/94 lautet:

"Die Einfuhr der in Absatz 1 genannten Waren in die Gemeinschaft ist frei und unterliegt mithin - unbeschadet etwaiger Schutzmaßnahmen gemäß Titel V - keinen mengenmäßigen Beschränkungen."

8 Titel V dieser Verordnung betrifft Schutzmaßnahmen.

9 Artikel 19 Absatz 2 Buchstabe a der Verordnung Nr. 519/94 und Artikel 24 Absatz 2 Buchstabe a der Verordnung Nr. 3285/94, die zu Titel VI (Schlussbestimmungen) der jeweiligen Verordnung gehören, bestimmen:

"Unbeschadet anders lautender Gemeinschaftsvorschriften steht diese Verordnung dem Erlass oder der Anwendung folgender einzelstaatlicher Maßnahmen nicht entgegen:

i) Verbote, mengenmäßige Beschränkungen oder Überwachungsmaßnahmen, die aus Gründen der öffentlichen Sittlichkeit, Sicherheit und Ordnung zum Schutz der Gesundheit und des Lebens von Menschen oder Tieren oder des Schutzes von Pflanzen, des nationalen Kulturguts von künstlerischem, geschichtlichem oder archäologischem Wert oder des gewerblichen oder kommerziellen Eigentums gerechtfertigt sind;

ii) besondere devisenrechtliche Formalitäten;

iii) Formalitäten, die aufgrund internationaler Übereinkünfte in Übereinstimmung mit dem Vertrag eingeführt wurden."

Nationales Recht

10 Artikel 398 des Dekrets Nr. 156 des Präsidenten der Italienischen Republik vom 29. März 1973 über die Genehmigung des koordinierten Wortlauts der Rechtsvorschriften über den Postdienst, den Postbankdienst und die Telekommunikation (GURI, Supplemento ordinario, Nr. 113 vom 3. Mai 1973) in der Fassung des Gesetzes Nr. 209 vom 22. Mai 1980 (GURI Nr. 155 vom 7. Juni 1980) (im Folgenden: Postgesetzbuch) bestimmt:

"Es ist verboten, elektrische oder radioelektrische Geräte und Anlagen oder Kabel für die Übertragung elektrischer Energie, die den Vorschriften zur Vermeidung von Rundfunkstörungen nicht entsprechen, herzustellen oder in das Staatsgebiet einzuführen, um diese zu Handelszwecken in den Verkehr zu bringen oder zu irgendeinem Zweck zu nutzen oder zu verwenden.

Die genannten Vorschriften, die auch für das Verfahren zur Feststellung der Übereinstimmung maßgebend sind, werden durch Dekret des Ministers für Post- und Fernmeldewesen im Einvernehmen mit dem Minister für Industrie, Handel und Handwerk in Übereinstimmung mit den Richtlinien der Europäischen Gemeinschaft erlassen.

Die in Absatz 1 genannten Geräte dürfen erst nach Ausstellung eines Zertifikats oder einer Bescheinigung über die Übereinstimmung oder nach Vorlage einer Erklärung über die Übereinstimmung, die im Einzelnen durch das in Absatz 2 bezeichnete Dekret festzulegen sind, zu Handelszwecken in den Verkehr gebracht oder eingeführt werden.

Das im Einvernehmen mit dem Minister für Industrie, Handel und Handwerk erlassene Dekret des Ministers für Post- und Fernmeldewesen bezeichnet die Stellen oder Personen, die die Kennzeichen oder Bescheinigungen über die Übereinstimmung gemäß Absatz 3 ausstellen."

11 Artikel 399 des Postgesetzbuches bestimmt:

"Jede Übertretung der Vorschriften des Artikels 398 wird mit einem Bußgeld in Höhe von 15 000 ITL bis 300 000 ITL bestraft. Ist der Täter Hersteller oder Importeur von elektrischen oder radioelektrischen Geräten oder Anlagen, wird neben der Einziehung der Waren oder Geräte, die der Bescheinigung über die Übereinstimmung gemäß Artikel 398 nicht entsprechen, ein Bußgeld in Höhe von 50 000 bis 1 000 000 ITL verhängt."

Das Ausgangsverfahren

12 Am 9. März 1995 beschlagnahmte die Guardia di Finanza zwanzig nicht zugelassene schnurlose Telefonapparate, die die Expo Casa Manta unter Verstoß gegen die Artikel 398 und 399 des Postgesetzbuches zum Zweck des Verkaufs in ihrem Besitz hatte. Diese Beschlagnahme wurde später durch Anordnung des Präfekten der Provinz Cuneo in eine verwaltungsrechtliche Einziehung umgewandelt.

13 Gegen diese Maßnahme erhob Herr Carbone in seiner Eigenschaft als Alleingeschäftsführer Widerspruch. Der mit der Sache befasste Pretore di Salluzzo (Italien) gab diesem Widerspruch statt und hob die Einziehung mit der Begründung auf, dass durch die Verordnungen Nrn. 519/94 und 3285/94, die u. a. die Einfuhr von schnurlosen Telefonapparaten liberalisierten, das Verbot des Artikels 398 des Postgesetzbuches entfallen sei, nicht zugelassene Apparate zum Zweck des Verkaufs zu besitzen.

14 Der Präfekt von Cuneo legte gegen dieses Urteil des Pretore Kassationsbeschwerde ein. Er trägt vor, das Urteil stelle eine unrichtige Anwendung des Artikels 19 Absatz 2 Buchstabe a der Verordnung Nr. 519/94 und des Artikels 24 Absatz 2 Buchstabe a der Verordnung Nr. 3285/94 dar, da zwar alle Einfuhrbeschränkungen für die im Ausgangsverfahren betroffenen Apparate abgeschafft worden seien, dies aber keine Auswirkungen auf die nationale Regelung ihres Inverkehrbringens gehabt habe, das demnach verboten bleibe.

15 Da die Corte Suprema di Cassazione in dem bei ihr anhängigen Rechtsstreit klären muss, ob diese beiden Verordnungen nur die Einfuhr oder sowohl die Einfuhr als auch das Inverkehrbringen der im Ausgangsverfahren betroffenen Waren liberalisiert haben, hat sie das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof die Rechtssache "zur Auslegung der Gemeinschaftsverordnungen Nrn. 519/94 und 3285/94" vorgelegt.

Vorbringen der Beteiligten

16 Die italienische Regierung trägt vor, dass die Artikel 19 der Verordnung Nr. 519/94 und 24 der Verordnung Nr. 3285/94 den Mitgliedstaaten die Möglichkeit vorbehielten, Verbote zu erlassen und anzuwenden, "die aus Gründen der öffentlichen Sittlichkeit, Sicherheit und Ordnung zum Schutz der Gesundheit und des Lebens von Menschen oder Tieren... gerechtfertigt sind".

17 Im vorliegenden Fall seien die Beschlagnahme und die Einziehung der schnurlosen Telefonapparate zur Vermeidung von Störungen der den italienischen Streitkräften zugeteilten Radiofrequenzen angeordnet worden, so dass diese Maßnahmen mit den Gemeinschaftsverordnungen vereinbar seien.

18 Die italienische Regierung ist deshalb der Meinung, dass die von der Corte Suprema di Cassazione vorgelegte Frage nicht beantwortet werden müsse. Das Ausgangsverfahren könne auf nationaler Ebene entschieden werden, wenn der Sachverhalt korrekt festgestellt werde, wofür der Gerichtshof nicht zuständig sei.

19 Die italienische Regierung trägt hilfsweise vor, die Verordnungen Nrn. 519/94 und 3285/94 hätten zwar die Beschränkungen bei der Einfuhr der streitigen Apparate aus Drittländern aufgehoben, aber nicht die Verpflichtung, für diese Apparate vor ihrem Inverkehrbringen eine Zulassung zu erwirken.

20 Die Kommission erklärt vorab, dass das vorlegende Gericht es unterlassen habe, bestimmte, zum besseren Verständnis der dem Gerichtshof vorgelegten Rechtsfrage wesentliche Tatsachen mitzuteilen, wie z. B. das Herkunftsland der streitigen Apparate und ihre Tarifklasse. Das Gericht habe auch keine präzise Frage gestellt. Der Gerichtshof verfüge jedoch über eine hinreichende Grundlage für eine der Entscheidung des Ausgangsrechtsstreits dienliche Antwort.

21 Die Kommission ist bezüglich des Zweckes der Verordnungen Nrn. 519/94 und 3285/94 der Meinung, dass sie nur die Liberalisierung der Einfuhren von Waren aus Drittländern in das Gebiet der Gemeinschaft beträfen und keinerlei Auswirkungen auf das spätere Inverkehrbringen von Waren in diesem Gebiet hätten, das deshalb von den nationalen Vorschriften oder anderen anwendbaren Gemeinschaftsvorschriften erfasst werde.

22 Einziges Ziel der Verordnungen Nrn. 519/94 und 3285/94 sei eine stärkere Vereinheitlichung der Einfuhrregelungen durch die Beseitigung von Ausnahmen und Abweichungen, die sich aus vor ihrem Erlass geltenden nationalen handelspolitischen Maßnahmen ergäben, insbesondere von mengenmäßigen Beschränkungen, die die Mitgliedstaaten aufgrund früherer Verordnungen aufrechterhalten hätten. Sie verfolgten dasselbe Ziel der Beseitigung mengenmäßiger Beschränkungen bei der Einfuhr wie Artikel XI des allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens von 1994 (im Folgenden: GATT 1994) (im Anhang 1A des Übereinkommens zur Errichtung der Welthandelsorganisation [WTO], genehmigt durch den Beschluss 94/800/EG des Rates vom 22. Dezember 1994 über den Abschluss der Übereinkünfte im Rahmen der multilateralen Verhandlungen der Uruguay-Runde [1986-1994] im Namen der Europäischen Gemeinschaft in Bezug auf die in ihre Zuständigkeiten fallenden Bereiche [ABl. L 336, S. 1]).

23 Mit den Artikeln 398 und 399 des Postgesetzbuches habe der italienische Gesetzgeber sicherstellen wollen, dass alle elektrischen oder radioelektrischen Geräte und alle Leitungen für die Übertragung von elektrischer Energie den Vorschriften zur Vermeidung und Behebung von Störungen von Radiosende- und -empfangsgeräten entsprächen.

24 Da diese Vorschriften sowohl auf inländische als auch auf eingeführte Waren anwendbar seien, widersprächen sie nicht dem Gemeinschaftsrecht.

Zur Zulässigkeit

25 Die Angaben des vorlegenden Gerichts zum tatsächlichen und rechtlichen Rahmen des Ausgangsverfahrens erlauben es dem Gerichtshof, die einschlägigen gemeinschaftlichen Bestimmungen im Hinblick auf den diesem Rechtsstreit zugrunde liegenden Sachverhalt auszulegen. Zwar wurde die Auslegungsfrage, über die der Gerichtshof zu entscheiden hat, nicht ausdrücklich gestellt, sie ergibt sich aber aus der Begründung des Vorlagebeschlusses.

26 Es ist Sache des nationalen Gerichts, zu beurteilen, ob eine Vorabentscheidung für die Entscheidung im Ausgangsverfahren erforderlich ist. Betreffen die vorgelegten Fragen die Auslegung des Gemeinschaftsrechts, so ist der Gerichtshof nach ständiger Rechtsprechung grundsätzlich gehalten, darüber zu befinden (vgl. insbesondere Urteile vom 13. März 2001 in der Rechtssache C-379/98, PreussenElektra, Slg. 2001, I-2099, Randnr. 38, vom 17. Mai 2001 in der Rechtssache C-340/99, TNT Traco, Slg. 2001, I-4109, Randnr. 30, und vom 6. Dezember 2001 in der Rechtssache C-472/99, Clean Car Autoservice, Slg. 2001, I-9687, Randnr. 13). Im vorliegenden Fall findet keine der in dieser Rechtsprechung entwickelten Ausnahmen von diesem Grundsatz Anwendung. Insbesondere lässt sich nicht sagen, dass die erbetene Auslegung des Gemeinschaftsrechts offensichtlich in keinem Zusammenhang mit der Realität oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht.

27 Das Vorabentscheidungsersuchen ist demnach zulässig.

Zur Vorabentscheidungsfrage

28 Das vorlegende Gericht möchte wissen, ob die Verordnungen Nrn. 519/94 und 3285/94 Auswirkungen auf die Regelung eines Mitgliedstaats über das Inverkehrbringen von Waren aus Drittländern haben.

29 Wie sich aus der Rechtsgrundlage dieser Verordnungen, nämlich Artikel 113 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 133 EG), ergibt, wurden sie im Rahmen der gemeinsamen Handelspolitik erlassen. Während die Verordnung Nr. 519/94 sich auf Einfuhren aus Staatshandelsländern bezieht, betrifft die Verordnung Nr. 3285/94 Einfuhren aus Ländern, die Mitglied der WTO sind.

30 Aus den Begründungserwägungen der beiden Verordnungen folgt, dass ihr Ziel die Liberalisierung der Einfuhr von Waren aus Drittländern in die Gemeinschaft ist. So heißt es in der vierten Begründungserwägung der Verordnung Nr. 519/94, dass es zur stärkeren Vereinheitlichung der Einfuhrregelung erforderlich sei, die Ausnahmen und Abweichungen aufgrund der noch geltenden handelspolitischen Maßnahmen der Mitgliedstaaten aufzuheben. Die dritte Begründungserwägung der Verordnung Nr. 3285/94 weist auf das Übereinkommen zur Errichtung der WTO sowie das GATT 1994 und das ebenfalls in seinem Anhang 1A enthaltene Übereinkommen über Schutzmaßnahmen hin. Nach der sechsten Begründungserwägung der Verordnung Nr. 3285/94 muss die gemeinsame Einfuhrregelung aufgrund dieser neuen multilateralen Regeln, insbesondere hinsichtlich der Anwendung der Schutzmaßnahmen, präzisiert und erforderlichenfalls geändert werden. In der fünften Begründungserwägung der Verordnung Nr. 519/94 und der siebten Begründungserwägung der Verordnung Nr. 3285/94 heißt es, dass die Liberalisierung der Einfuhren, d. h. der Verzicht auf mengenmäßige Beschränkungen, den Ausgangspunkt für die gemeinsame Einfuhrregelung bilde.

31 Das Inverkehrbringen ist eine nach der Einfuhr liegende Phase. So wie eine rechtmäßig in der Gemeinschaft hergestellte Ware nicht allein aus diesem Grund in den Verkehr gebracht werden kann, beinhaltet die rechtmäßige Einfuhr einer Ware nicht, dass sie automatisch auf dem Markt zugelassen ist.

32 Eine aus einem Drittland stammende Ware, die die Voraussetzungen des Artikels 10 Absatz 1 des Vertrages erfuellt, gilt als im einfuhr- und zollrechtlich freien Verkehr befindlich. Sie ist deshalb gemäß Artikel 9 Absatz 2 des Vertrages bezüglich der Abschaffung der Zölle und der Beseitigung der mengenmäßigen Beschränkungen zwischen den Mitgliedstaaten den aus diesen stammenden Waren gleichgestellt (vgl. Urteil vom 15. Dezember 1976 in der Rechtssache 41/76, Donckerwolke und Schou, Slg. 1976, 1921, Randnrn. 16 und 17). Soweit es keine gemeinschaftliche Regelung gibt, die die Voraussetzungen für das Inverkehrbringen der betreffenden Waren regelt, kann sich der Mitgliedstaat, in dem sie in den einfuhr- und zollrechtlich freien Verkehr verbracht worden sind, ihrem Inverkehrbringen widersetzen, wenn sie die hierfür nach nationalem Recht geltenden Voraussetzungen nicht erfuellen.

33 Die Verordnungen Nrn. 519/94 und 3285/94 enthalten keine Bestimmungen zum Inverkehrbringen der von ihnen erfassten Waren. Anders als die Richtlinie 1999/5/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. März 1999 über Funkanlagen und Telekommunikationsendeinrichtungen und die gegenseitige Anerkennung ihrer Konformität (ABl. L 91, S. 10), die auf der Grundlage von Artikel 100a EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 95 EG) nach den Ereignissen des Ausgangsrechtsstreits erlassen wurde, sehen sie keinerlei Angleichung der einschlägigen nationalen Bestimmungen vor.

34 Wenn die Verordnungen Nrn. 519/94 und 3285/94 in Artikel 19 Absatz 2 Buchstabe a bzw. Artikel 24 Absatz 2 Buchstabe a bestimmen, dass sie dem Erlass oder der Anwendung einzelstaatlicher Verbote, mengenmäßiger Beschränkungen oder Überwachungsmaßnahmen nicht entgegenstehen, die aus Gründen der öffentlichen Sittlichkeit, Sicherheit und Ordnung zum Schutz der Gesundheit und des Lebens von Menschen oder Tieren oder des Schutzes von Pflanzen, des nationalen Kulturguts von künstlerischem, geschichtlichem oder archäologischem Wert oder des gewerblichen oder kommerziellen Eigentums gerechtfertigt sind, so bezieht sich dieser Vorbehalt auf die Einfuhr und nicht auf das Inverkehrbringen der erfassten Waren. Diese Bestimmungen betreffen den äußeren Aspekt des Gemeinsamen Marktes. In diesem Zusammenhang gestatten sie Ausnahmen, die denjenigen des Artikels 36 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 30 EG) vergleichbar sind, der den inneren Aspekt des Gemeinsamen Marktes betrifft.

35 Nach alledem ist dem vorlegenden Gericht zu antworten, dass die Verordnungen Nrn. 519/94 und 3285/94 keine Auswirkungen auf die Regelung eines Mitgliedstaats über das Inverkehrbringen von Waren aus Drittländern haben.

Kostenentscheidung:

Kosten

36 Die Auslagen der italienischen Regierung und der Kommission, die Erklärungen vor dem Gerichtshof abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

(Zweite Kammer)

auf die ihm von der Corte Suprema di Cassazione mit Beschluss vom 18. April 2000 vorgelegte Frage für Recht erkannt:

Die Verordnung (EG) Nr. 519/94 des Rates vom 7. März 1994 über die gemeinsame Regelung der Einfuhren aus bestimmten Drittländern und zur Aufhebung der Verordnungen (EWG) Nrn. 1765/82, 1766/82 und 3420/83 sowie die Verordnung (EG) Nr. 3285/94 des Rates vom 22. Dezember 1994 über die gemeinsame Einfuhrregelung und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 518/94 haben keine Auswirkungen auf die Regelung eines Mitgliedstaats über das Inverkehrbringen von Waren aus Drittländern.

Ende der Entscheidung

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