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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 21.02.2008
Aktenzeichen: C-296/06
Rechtsgebiete: Richtlinie 97/13/EG


Vorschriften:

Richtlinie 97/13/EG Art. 6
Richtlinie 97/13/EG Art. 11
Richtlinie 97/13/EG Art. 22
Richtlinie 97/13/EG Art. 25
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Dritte Kammer)

21. Februar 2008

"Telekommunikationsdienste - Richtlinie 97/13/EG - Art. 6, 11, 22 und 25 - Gebühren und Abgaben für Allgemein- und Einzelgenehmigungen - Dem früheren Inhaber eines ausschließlichen Rechts auferlegte Verpflichtung - Zeitweilige Fortdauer"

Parteien:

In der Rechtssache C-296/06

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Tribunale amministrativo regionale del Lazio (Italien) mit Entscheidung vom 10. Mai 2006, beim Gerichtshof eingegangen am 3. Juli 2006, in dem Verfahren

Telecom Italia SpA

gegen

Ministero dell'Economia e delle Finanze,

Ministero delle Comunicazioni

erlässt

DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Rosas, der Richter U. Lõhmus, J. Klucka und A. Ó Caoimh sowie der Richterin P. Lindh (Berichterstatterin),

Generalanwalt: D. Ruiz-Jarabo Colomer,

Kanzler: L. Hewlett, Hauptverwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 4. Oktober 2007,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

- der Telecom Italia SpA, vertreten durch F. Satta, F. Lattanzi, C. Tesauro und C. Santacroce, avvocati,

- der italienischen Regierung, vertreten durch I. M. Braguglia als Bevollmächtigten im Beistand von P. Gentili, avvocato dello Stato,

- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch E. Traversa und M. Shotter als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 25. Oktober 2007

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 11, 22 und 25 der Richtlinie 97/13/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 10. April 1997 über einen gemeinsamen Rahmen für Allgemein- und Einzelgenehmigungen für Telekommunikationsdienste (ABl. L 117, S. 15).

2 Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Telecom Italia SpA (im Folgenden: Telecom Italia) einerseits und dem Ministero dell'Economia e delle Finanze (Ministerium für Wirtschaft und Finanzen) sowie dem Ministero delle Comunicazioni (Ministerium für Kommunikation) andererseits wegen der Telecom Italia auferlegten Verpflichtung, eine auf der Grundlage ihres Umsatzes bemessene Abgabe für ein Jahr ab dem letzten für die Umsetzung der Richtlinie 97/13 in innerstaatliches Recht vorgesehenen Termin zu zahlen.

Rechtlicher Rahmen

Gemeinschaftsrecht

3 Die Art. 6 und 11 Abs. 1 der Richtlinie 97/13, die Gebühren bei den Verfahren für Allgemeingenehmigungen bzw. Gebühren und Abgaben für Einzelgenehmigungen betreffen, sehen vor, dass die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass von den Unternehmen im Rahmen der Genehmigungsverfahren nur die Gebühren erhoben werden, die die für die Ausstellung, Verwaltung, Kontrolle und Durchsetzung der jeweiligen Allgemeingenehmigung oder der jeweiligen Einzelgenehmigung anfallenden Verwaltungskosten abdecken.

4 Die allgemeine Frist für die Umsetzung der Richtlinie 97/13 ergibt sich aus deren Art. 25 Abs. 1, der folgenden Wortlaut hat:

"Die Mitgliedstaaten setzen die Rechts- und Verwaltungsvorschriften, die erforderlich sind, um dieser Richtlinie nachzukommen, so rasch wie möglich, spätestens aber bis zum 31. Dezember 1997 in Kraft; ebenso verfahren sie bei der Veröffentlichung der an die Genehmigungen geknüpften Auflagen und Verfahren. Sie setzen die Kommission unverzüglich davon in Kenntnis."

5 Art. 22 der Richtlinie 97/13 enthält eine spezielle Vorschrift für bei Inkrafttreten dieser Richtlinie bestehende Genehmigungen:

"(1) Die Mitgliedstaaten unternehmen alle erforderlichen Bemühungen, damit die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Richtlinie geltenden Genehmigungen spätestens ab 1. Januar 1999 mit dieser Richtlinie im Einklang stehen.

(2) Führt die Anwendung dieser Richtlinie zu Änderungen bei den Bestimmungen bestehender Genehmigungen, so dürfen die Mitgliedstaaten die Geltung solcher Bestimmungen verlängern, sofern damit die Rechte anderer Unternehmen nach dem Gemeinschaftsrecht, einschließlich dieser Richtlinie, nicht beeinträchtigt werden; ausgenommen sind Bestimmungen, mit denen besondere oder ausschließliche Rechte eingeräumt werden, die nach Gemeinschaftsrecht beendet worden sind oder beendet werden müssen. Die Mitgliedstaaten unterrichten die Kommission über die zu diesem Zweck ergriffenen Maßnahmen und begründen diese.

(3) Unbeschadet des Absatzes 2 werden Auflagen in den zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Richtlinie bestehenden Genehmigungen, die nicht bis 1. Januar 1999 mit dieser Richtlinie in Einklang gebracht worden sind, unwirksam.

In begründeten Fällen kann die Kommission dem Mitgliedstaat auf dessen Antrag die Aufschiebung dieses Zeitpunkts gestatten."

Nationales Recht

Das Post- und Fernmeldegesetzbuch

6 Bis zur Umsetzung der Richtlinie 97/13 waren die öffentlichen Telekommunikationsdienste in Italien gemäß Art. 1 Abs. 1 des Post- und Fernmeldegesetzbuchs (Codice postale e delle telecomunicazioni, im Folgenden: Codice postale) im Anhang des Dekrets des Präsidenten der Republik Nr. 156 über die Genehmigung des Gesetzes über den Postdienst, den Postbankdienst und die Telekommunikation (Approvazione del testo unico delle disposizioni legislative in materia postale, di bancoposta e di telecomunicazioni) vom 29. März 1973 (GURI Nr. 113 vom 3. Mai 1973, Supplemento ordinario) dem Staat vorbehalten.

7 Nach Art. 188 des Codice postale "[ist der] Konzessionär ... verpflichtet, eine jährliche Abgabe nach Maßgabe des vorliegenden Dekrets, der Verordnung oder des Konzessionsakts an den Staat zu zahlen". Diese Abgabe wurde nach den Bruttoeinnahmen oder -erlösen aus den von der Konzession erfassten Diensten unter Abzug der an die Konzessionärin des öffentlichen Netzes bezahlten Beträge berechnet.

Das Dekret des Präsidenten der Republik Nr. 318

8 Die Richtlinie 97/13 wurde insbesondere durch das Dekret des Präsidenten der Republik Nr. 318 zur Durchführung der Gemeinschaftsrichtlinien auf dem Gebiet der Telekommunikation (Regolamento per l'attuazione di direttive comunitarie nel settore delle telecomunicazioni) vom 19. September 1997 (GURI Nr. 221 vom 22. September 1997, Supplemento ordinario, im Folgenden: Dekret Nr. 318/1997) umgesetzt.

9 Art. 2 Abs. 3 bis 6 dieses Dekrets bestimmt:

"(3) Die besonderen und ausschließlichen Rechte zur Erbringung von Sprachtelefondiensten und zur damit verbundenen Einrichtung und Bereitstellung öffentlicher Telekommunikationsnetze werden bis zum 1. Januar 1998 aufrechterhalten. ...

(4) Die Konzessionen zum Gemeingebrauch und die in Art. 184 Abs. 1 des Codice postale genannten Genehmigungen, die bei Inkrafttreten dieser Verordnung bestanden, werden auf Initiative der [nationalen Regulierungsbehörde] vor dem 1. Januar 1999 geändert, um sie an die Bestimmungen dieser Verordnung anzupassen.

(5) Hat die Anwendung dieser Verordnung Änderungen der Bestimmungen der bestehenden Konzessionen und Genehmigungen zur Folge, bleiben unbeschadet der Rechte, die den anderen Unternehmen insbesondere nach dem Gemeinschaftsrecht zustehen, die Bestimmungen mit Ausnahme derjenigen gültig, mit denen besondere oder ausschließliche Rechte gewährt werden, die nach dieser Verordnung aufgehoben worden sind oder aufgehoben werden müssen.

(6) Sofern in den Abs. 4 und 5 nichts anderes bestimmt ist, werden die Auflagen, die sich aus den zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Verordnung bestehenden Konzessionen und Genehmigungen ergeben, die den Bestimmungen dieser Verordnung nicht entsprechen, am 1. Januar 1999 unwirksam."

10 Art. 6 Abs. 20 des Dekrets Nr. 318/1997 sieht vor:

"... die Gebühr, die die Unternehmen für das Einzelgenehmigungsverfahren zu entrichten haben, dient ausschließlich dazu, die Verwaltungskosten zu decken, die mit der Bearbeitung der Sache, der Kontrolle des Dienstes und der Einhaltung der in den Genehmigungen vorgesehenen Bedingungen verbunden sind. ..."

11 Art. 21 Abs. 2 des Dekrets Nr. 318/1997 lautet:

"Soweit in dieser Verordnung nicht ausdrücklich anders bestimmt, sind die im Telekommunikationsbereich geltenden Bestimmungen weiter anwendbar. Insbesondere sind zu den in Art. 6 Abs. 20 und 21 genannten Zwecken bis zu einer gegenteiligen Entscheidung der [nationalen Regulierungsbehörde] die in Art. 188 des Codice postale genannten Bestimmungen weiter anwendbar."

Das Gesetz Nr. 448

12 Art. 20 Abs. 3 des Gesetzes Nr. 448 über die steuerlichen Maßnahmen zu Stabilität und Entwicklung (Misure di finanza pubblica per la stabilizzazione e lo sviluppo) vom 23. Dezember 1998 (GURI Nr. 302 vom 29. Dezember 1998, Supplemento ordinario) (im Folgenden: Gesetz Nr. 448/1998) lautet:

"Ab dem 1. Januar 1999 sind die Bestimmungen des Art. 188 des [Codice postale] nicht mehr auf die Erbringer von Telekommunikationsdiensten für die Allgemeinheit anwendbar."

13 Gemäß Art. 20 Abs. 4 dieses Gesetzes ist Art. 21 Abs. 2 des Dekrets Nr. 318/1997 aufgehoben.

Ausgangsverfahren und Vorlagefrage

14 Telecom Italia, eine Gesellschaft des italienischen Rechts, war früher Inhaberin eines ausschließlichen Rechts in Form einer ausschließlichen Konzession für die öffentlichen Telekommunikationsdienste in Italien. Sie wendet sich vor dem Tribunale amministrativo regionale del Lazio (Regionales Verwaltungsgericht Latium) gegen die Fortdauer der Erhebung der im Codice postale vorgesehenen jährlichen Abgabe in Höhe von 385 Millionen Euro für das Jahr 1998 und fordert die Erstattung dieses Betrags. Die Gesellschaft macht geltend, dass mit der Öffnung des Telekommunikationsmarkts für den Wettbewerb am 1. Januar 1998 die ausschließlichen Rechte auf diesem Gebiet aufgehoben worden seien. Ab diesem Zeitpunkt könnten Telekommunikationsunternehmen mit Einzelgenehmigung nur die in Art. 11 der Richtlinie 97/13 vorgesehenen finanziellen Belastungen auferlegt werden, wie der Gerichtshof im Urteil vom 18. September 2003, Albacom und Infostrada (C-292/01 und C-293/01, Slg. 2003, I-9449), bestätigt habe.

15 Auch das vorlegende Gericht bringt Zweifel im Hinblick auf die Gültigkeit der Telecom Italia für das Jahr 1998 auferlegten jährlichen Abgabe zum Ausdruck, wobei es die Frage stellt, ob Art. 22 der Richtlinie 97/13, der eine Übergangsbestimmung für Genehmigungen enthält, die, wie die Telecom Italia gewährte Genehmigung, bei Inkrafttreten dieser Richtlinie schon bestanden haben, nicht dahin ausgelegt werden könne, dass diese Vorschrift eine solche Abgabe für dieses eine Jahr zulasse. Trotzdem neigt das Gericht ebenso wie Telecom Italia zu der Auffassung, dass Art. 22 keine Übergangsbestimmung in Bezug auf Art. 11 der Richtlinie enthalte, der die für Einzelgenehmigungen geltenden Belastungen betrifft, und damit die Auferlegung einer finanziellen Belastung wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden nicht erlaube.

16 Vor diesem Hintergrund hat das Tribunale amministrativo regionale del Lazio beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:

Ist Art. 20 Abs. 3 des Gesetzes Nr. 448/1998 mit den Art. 11, 22 und 25 der Richtlinie 97/13 vereinbar?

Zur Vorlagefrage

17 Vorab ist darauf hinzuweisen, dass es im Rahmen eines Verfahrens nach Art. 234 EG nicht Sache des Gerichtshofs ist, über die Vereinbarkeit von Normen des innerstaatlichen Rechts mit den Vorschriften des Gemeinschaftsrechts zu entscheiden. Dagegen ist der Gerichtshof befugt, dem nationalen Gericht alle Hinweise zur Auslegung des Gemeinschaftsrechts zu geben, die es diesem ermöglichen, über die Frage der Vereinbarkeit nationaler Rechtsvorschriften mit dem Gemeinschaftsrecht zu entscheiden (vgl. u. a. Urteile vom 7. Juli 1994, Lamaire, C-130/93, Slg. 1994, I-3215, Randnr. 10, sowie vom 19. September 2006, Wilson, C-506/04, Slg. 2006, I-8613, Randnrn. 34 und 35).

18 Auch wenn das vorlegende Gericht seine Frage ihrer Form nach auf die Auslegung der Art. 11, 22 und 25 der Richtlinie 97/13 beschränkt hat, hindert dies den Gerichtshof nicht daran, diesem Gericht alle Hinweise zur Auslegung des Gemeinschaftsrechts zu geben, die ihm bei der Entscheidung des bei ihm anhängigen Verfahrens von Nutzen sein können, und zwar unabhängig davon, ob es bei seiner Fragestellung darauf Bezug genommen hat (vgl. u. a. Urteil vom 26. April 2007, Alevizos, C-392/05, Slg. 2007, I-3505, Randnr. 64 und die dort angeführte Rechtsprechung).

19 Da aus der dem Gerichtshof vorgelegten Akte hervorgeht, dass Telecom Italia über eine Allgemeingenehmigung verfügt, ist auch Art. 6 der Richtlinie 97/13 zu berücksichtigen, der Allgemeingenehmigungen betrifft.

20 Somit ist die Vorlagefrage dahin zu verstehen, dass gefragt wird, ob die Art. 6 und 11 in Verbindung mit den Art. 22 und 25 der Richtlinie 97/13 einen Mitgliedstaat daran hindern, von einem Anbieter, der früher Inhaber eines ausschließlichen Rechts in Bezug auf öffentliche Telekommunikationsdienste war und Inhaber einer Allgemeingenehmigung geworden ist, für ein Jahr ab dem für die Umsetzung dieser Richtlinie in innerstaatliches Recht vorgesehenen letzten Termin, d. h. bis zum 31. Dezember 1998, die Zahlung einer finanziellen Belastung wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Abgabe zu verlangen, die dem zuvor als Gegenleistung für das ausschließliche Recht geforderten Betrag entspricht.

Gegenüber dem Gerichtshof abgegebene Erklärungen

21 Telecom Italia und die Kommission der Europäischen Gemeinschaften machen geltend, eine solche Abgabe stehe im Gegensatz zu Art. 11 der Richtlinie 97/13 in seiner Auslegung durch den Gerichtshof, und ihre weitere Erhebung für ein Jahr ab dem für die Umsetzung dieser Richtlinie in innerstaatliches Recht vorgesehenen letzten Termin sei nicht nach Art. 22 dieser Richtlinie gestattet. Diese Vorschrift erlaube die Aufrechterhaltung der Bestimmungen der bei Inkrafttreten der Richtlinie 97/13 bestehenden Genehmigungen, sofern mit diesen Bestimmungen keine besonderen oder ausschließlichen Rechte eingeräumt würden. Die Verpflichtung zur Zahlung der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Abgabe sei aber die Gegenleistung für die Gewährung eines ausschließlichen Rechts. Sie sei daher als nicht mit Art. 22 vereinbar anzusehen.

22 Die italienische Regierung unterscheidet zwischen Art. 22 Abs. 2 der Richtlinie 97/13, wonach die Geltung von Bestimmungen, mit denen besondere oder ausschließliche Rechte eingeräumt werden, nicht über den Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Richtlinie hinaus verlängert werden könne, und Art. 22 Abs. 3 der Richtlinie, wonach die Geltung von Auflagen in den zu diesem Zeitpunkt bestehenden Genehmigungen bis zum 31. Dezember 1998 verlängert werden könne. Die besonderen und ausschließlichen Rechte seien in Übereinstimmung mit der Richtlinie 97/13 zum 31. Dezember 1997 aufgehoben worden. Im Übrigen habe die Italienische Republik von dem in Art. 22 Abs. 3 eingeräumten Recht Gebrauch gemacht, bestimmte Auflagen während eines Jahres aufrechtzuerhalten. Die Zahlung der dem früheren Inhaber des ausschließlichen Rechts auferlegten Abgabe gehöre zu diesen Auflagen und stehe daher mit dieser Richtlinie in Einklang.

Antwort des Gerichtshofs

23 Der Gerichtshof hat die Vereinbarkeit einer einem Telekommunikationsunternehmen auferlegten, auf der Grundlage seines Umsatzes bemessenen jährlichen finanziellen Belastung mit der Richtlinie 97/13 bereits im Urteil Albacom und Infostrada geprüft. In Randnr. 41 dieses Urteils hat der Gerichtshof festgestellt, dass eine solche Belastung den vom Gemeinschaftsgesetzgeber verfolgten Zielen zuwiderläuft und den durch die Richtlinie 97/13 geschaffenen gemeinsamen Rahmen verlässt. Aus den Randnrn. 33 und 42 dieses Urteils ergibt sich im Übrigen, dass eine solche Belastung nach Art. 11 dieser Richtlinie verboten ist, der bestimmt, dass von einem Unternehmen im Rahmen der Genehmigungsverfahren nur die Gebühren erhoben werden, die die für die Ausstellung, Verwaltung, Kontrolle und Durchsetzung der Einzelgenehmigungen anfallenden Verwaltungskosten abdecken. Da die nach Art. 6 der Richtlinie erhobenen Gebühren in der gleichen Weise begrenzt sind, gilt für diese Bestimmung dasselbe.

24 Gemäß Art. 25 der Richtlinie 97/13 waren Art. 6 und 11 wie alle Bestimmungen dieser Richtlinie spätestens bis zum 31. Dezember 1997 umzusetzen.

25 Art. 22 der Richtlinie 97/13 enthält allerdings abweichende Bestimmungen für bei Inkrafttreten dieser Richtlinie bestehende Genehmigungen, wonach solche Genehmigungen vor dem 1. Januar 1999 oder bis spätestens ein Jahr nach dem in Art. 25 vorgesehenen Zeitpunkt mit der Richtlinie in Einklang zu bringen waren.

26 Somit stellt sich die Frage, ob Art. 22 der Richtlinie 97/13 ausnahmsweise und nur für ein Jahr die Aufrechterhaltung einer finanziellen Belastung wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Abgabe für einen Anbieter erlaubt, dem vor Inkrafttreten der Richtlinie ein ausschließliches Recht erteilt worden war.

27 Dieser Art. 22 gewährt nicht nur in Abs. 1 eine am 31. Dezember 1998 endende weitere Frist dafür, die bei Inkrafttreten der Richtlinie 97/13 bestehenden Genehmigungen mit dieser Richtlinie in Einklang zu bringen, sondern sieht darüber hinaus in Abs. 2 die Möglichkeit vor, die Geltung von mit den bestehenden Genehmigungen verbundenen Bestimmungen zu verlängern, allerdings unter dem Vorbehalt, dass mit diesen Bestimmungen keine besonderen oder ausschließlichen Rechte gewährt werden und dass mit dieser Verlängerung die Rechte anderer Unternehmen nach dem Gemeinschaftsrecht nicht beeinträchtigt werden. Abs. 3 der Vorschrift bezieht sich auf die Auflagen, die mit den bei Inkrafttreten dieser Richtlinie bestehenden Genehmigungen verknüpft sind. Dieser Absatz, der vorbehaltlich der Bestimmungen des Abs. 2 anwendbar ist, sieht vor, dass die angesprochenen Auflagen vor dem 1. Januar 1999 mit dieser Richtlinie in Einklang gebracht worden sein müssen, wenn die Kommission dem betreffenden Mitgliedstaat nicht auf seinen Antrag hin eine Aufschiebung dieses Zeitpunkts gestattet hat.

28 Art. 22 der Richtlinie 97/13 behandelt somit nicht ausdrücklich die finanziellen Belastungen für Telekommunikationsunternehmen, die Inhaber einer Genehmigung, sei es einer Allgemeingenehmigung oder einer Einzelgenehmigung, sind. Nur die Art. 6 und 11 der Richtlinie sind ausdrücklich dieser Frage gewidmet.

29 Bei der Prüfung, ob Art. 22 dennoch auf finanzielle Belastungen wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Abgabe anwendbar sein kann, ist diese Vorschrift nicht nur unter Bezugnahme auf ihren Wortlaut, sondern auch im Hinblick auf ihren Zweck und ihre Stellung im Kontext der Richtlinie 97/13 in ihrer Gesamtheit auszulegen.

30 Der 26. Erwägungsgrund der Richtlinie gibt Aufschluss über den Zweck des Art. 22. Der Gemeinschaftsgesetzgeber hat in diesem Erwägungsgrund festgestellt, dass einige Telekommunikationslizenzen von den Mitgliedstaaten über den 1. Januar 1999 hinaus erteilt worden seien. Um Kompensationsansprüche zu vermeiden, wurde es für notwendig gehalten, den Mitgliedstaaten zu erlauben, die Geltung von Bestimmungen zu verlängern, sofern darin keine besonderen oder ausschließlichen Rechte eingeräumt werden. Diese Rechte waren, vorbehaltlich von der Kommission erteilter Genehmigungen, vor allem gemäß der Richtlinie 90/388/EWG der Kommission vom 28. Juni 1990 über den Wettbewerb auf dem Markt für Telekommunikationsdienste (ABl. L 192, S. 10) zu widerrufen.

31 Zweck des Art. 22 der Richtlinie 97/13 ist somit die Vermeidung von Streitigkeiten, indem die Fortdauer der zwischen den Mitgliedstaaten und den Telekommunikationsunternehmen vor Inkrafttreten der Richtlinie geknüpften Vertragsbeziehungen über den 1. Januar 1999 hinaus ermöglicht wird, wobei den Staaten eine Frist nur bis zu diesem Termin gewährt wird, um den Inhalt der in Rede stehenden Verträge der Richtlinie anzupassen.

32 Diesem im Licht des 26. Erwägungsgrundes festgestellten Zweck des Art. 22 der Richtlinie 97/13 ist demnach die Aufrechterhaltung einer mit einem früheren ausschließlichen Recht verbundenen finanziellen Belastung fremd.

33 Die Analyse des Wortlauts dieser Bestimmung bestätigt diese Feststellung.

34 Erstens schließt nämlich Art. 22 Abs. 2 der Richtlinie 97/13 im Fall eines Mitgliedstaats, der keine Erlaubnis der Kommission zur Aufrechterhaltung besonderer oder ausschließlicher Rechte im Telekommunikationsbereich erhalten hat, die Aufrechterhaltung von Bestimmungen, mit denen solche Rechte gewährt werden, über den 31. Dezember 1997 hinaus aus. Wie der Generalanwalt in Nr. 37 seiner Schlussanträge festgestellt hat, muss die Beseitigung eines ausschließlichen Rechts aber normalerweise Auswirkungen auf die finanzielle Belastung haben, die die Gegenleistung für dieses Recht ist.

35 Zweitens geht aus dem Wortlaut von Art. 22 Abs. 3 der Richtlinie 97/13 hervor, dass diese Bestimmung unbeschadet des Art. 22 Abs. 2 gilt. Da dieser Bestimmungen ausschließt, mit denen besondere oder ausschließliche Rechte eingeräumt werden, kann Art. 22 Abs. 3 nicht auf mit solchen Bestimmungen verbundene Auflagen bezogen sein, so dass er nicht so verstanden werden kann, dass er deren Fortbestand bis zum 31. Dezember 1998 erlaubte.

36 Folglich fällt eine Auflage in Form einer an ein früheres ausschließliches Recht geknüpften Abgabe nicht in den Anwendungsbereich der Auflagen, auf die sich Art. 22 Abs. 3 der Richtlinie 97/13 bezieht, und eine solche Abgabe kann gemäß Art. 25 der Richtlinie nicht über den 31. Dezember 1997 hinaus aufrechterhalten werden.

37 In der mündlichen Verhandlung hat die italienische Regierung jedoch vorgetragen, dass die Zahlung der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Abgabe nicht an die Gewährung eines ausschließlichen Rechts geknüpft sei, das im Übrigen widerrufen worden sei. Mit dieser Abgabe sei tatsächlich bezweckt worden, der Italienischen Republik den Übergang zum Wettbewerb zu erleichtern. Da dieser Mitgliedstaat das von ihm errichtete System der ausschließlichen Rechte und die Mittel, die ihm dieses System garantiere, habe aufgeben müssen, stelle die Fortdauer der Erhebung der Abgabe für ein Jahr einen finanziellen Beitrag dar, der es ihm ermögliche, sich schrittweise an das neue System anzupassen. Der Begriff "Auflagen" in Art. 22 Abs. 3 der Richtlinie 97/13 unterscheide sich vom in Abs. 2 verwendeten Begriff der "Bestimmungen" und sei unabhängig von diesem zu lesen. Er erlaube somit einem Mitgliedstaat, eine finanzielle Belastung wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende aus finanziellen Gründen bis zum 31. Dezember 1998 aufzuerlegen.

38 Hierzu ist festzustellen, dass es Sache des nationalen Gerichts ist, festzustellen, ob die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Abgabe, von der feststeht, dass sie auf Art. 188 des Codice postale beruht, an das Telecom Italia vor Inkrafttreten der Richtlinie 97/13 gewährte ausschließliche Recht in Bezug auf öffentliche Telekommunikationsdienste geknüpft ist.

39 Sollte eine finanzielle Belastung wie diese Abgabe nicht an ein vor Inkrafttreten der Richtlinie 97/13 gewährtes ausschließliches Recht geknüpft sein, muss geprüft werden, ob sie eine Auflage im Sinne von Art. 22 Abs. 3 der Richtlinie 97/13 ist, für die die in dieser Vorschrift vorgesehene Ausnahme gelten kann.

40 In dieser Hinsicht beruht die Auslegung der italienischen Regierung auf der Prämisse, der in Art. 22 Abs. 3 genannte Begriff der "Auflagen" sei von dem der "Bestimmungen" in Art. 22 Abs. 2 verschieden. Letzterer beziehe sich allein auf die dem Unternehmen in seinem Interesse gewährten Vorteile, während der Begriff "Auflagen" die dem Unternehmen auferlegten Belastungen umfasse, einschließlich derjenigen, die ihm wie im Ausgangsverfahren nur wegen des finanziellen Interesses des betreffenden Mitgliedstaats, unabhängig von den "Bestimmungen" der Genehmigung auferlegt worden seien.

41 Dieser Auffassung kann jedoch nicht gefolgt werden. Erstens ergibt sich aus der Systematik von Art. 22 Abs. 2 und 3 sowie aus der Verwendung des Begriffs "Auflagen" insbesondere in den Art. 3, 4 und 8 der Richtlinie 97/13 und im Anhang der Richtlinie zur Beschreibung der Auflagen, die an Genehmigungen geknüpft werden dürfen, dass der Begriff "Auflagen" im Sinne von Art. 22 Abs. 3 dieser Richtlinie im erstgenannten Begriff aufgeht. Die im Anhang der Richtlinie genannten Auflagen, die an Genehmigungen geknüpft werden dürfen, schließen zahlreiche Auflagen im Sinne von Art. 22 Abs. 3 ein, darunter die in Nr. 4.3 dieses Anhangs erwähnten Umweltschutz- und Raumplanungsauflagen.

42 Zweitens ist darauf hinzuweisen, dass nur die Art. 6 und 11 der Richtlinie 97/13 die finanziellen Belastungen behandeln, die für Unternehmen gelten, die Inhaber von Genehmigungen im Bereich Telekommunikationsdienste sind (vgl. in diesem Sinne Urteil Albacom und Infostrada, Randnr. 26). Für Einzelgenehmigungen sieht Art. 11 Abs. 1 dieser Richtlinie vor, dass die Gebühren, die die Mitgliedstaaten den Unternehmen auferlegen, die Inhaber dieser Genehmigungen sind, nur die Verwaltungskosten decken sollen, die für die durch die Erteilung dieser Genehmigungen verursachte Arbeit anfallen (Urteile Albacom und Infostrada, Randnr. 25, und vom 19. September 2006, i-21 Germany, C-392/04 und C-422/04, Slg. 2006, I-8559, Randnr. 28). Dasselbe gilt für die von den Mitgliedstaaten für Allgemeingenehmigungen erhobenen Gebühren nach Art. 6 der Richtlinie 97/13, der im Übrigen nur eine einzige andere Form finanzieller Beiträge vorsieht, nämlich die an die Erbringung des Universaldienstes geknüpften Beiträge.

43 Folglich bezieht sich der Begriff "an Genehmigungen geknüpfte Auflagen" im Sinne der Richtlinie 97/13 auf verschiedene Rechte und Auflagen, umfasst jedoch nicht die finanziellen Belastungen, die Telekommunikationsunternehmen, die Inhaber von Genehmigungen sind, auferlegt werden.

44 Hieraus folgt, dass sich der Begriff "Auflagen" im Sinne von Art. 22 Abs. 3 der Richtlinie 97/13 nicht auf eine finanzielle Belastung wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Abgabe bezieht, die einem Telekommunikationsunternehmen ohne Bezug zu den Bedingungen für die Ausübung der ihm erteilten Genehmigung allein zu dem Zweck auferlegt wird, dem betreffenden Mitgliedstaat finanziell zu helfen.

45 In Anbetracht der vorstehenden Erwägungen ist auf die vorgelegte Frage zu antworten, dass es die Art. 6, 11, 22 und 25 der Richtlinie 97/13 einem Mitgliedstaat verwehren, von einem Anbieter, der früher Inhaber eines ausschließlichen Rechts in Bezug auf öffentliche Telekommunikationsdienste war und Inhaber einer Allgemeingenehmigung geworden ist, für ein Jahr ab dem für die Umsetzung dieser Richtlinie in innerstaatliches Recht vorgesehenen letzten Termin, d. h. bis zum 31. Dezember 1998, die Zahlung einer finanziellen Belastung wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Abgabe zu verlangen, die dem zuvor als Gegenleistung für die Gewährung des ausschließlichen Rechts geforderten Betrag entspricht.

Kostenentscheidung:

Kosten

46 Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Tenor:

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Dritte Kammer) für Recht erkannt:

Die Art. 6, 11, 22 und 25 der Richtlinie 97/13/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 10. April 1997 über einen gemeinsamen Rahmen für Allgemein- und Einzelgenehmigungen für Telekommunikationsdienste verwehren es einem Mitgliedstaat, von einem Anbieter, der früher Inhaber eines ausschließlichen Rechts in Bezug auf öffentliche Telekommunikationsdienste war und Inhaber einer Allgemeingenehmigung geworden ist, für ein Jahr ab dem für die Umsetzung dieser Richtlinie in innerstaatliches Recht vorgesehenen letzten Termin, d. h. bis zum 31. Dezember 1998, die Zahlung einer finanziellen Belastung wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Abgabe zu verlangen, die dem zuvor als Gegenleistung für die Gewährung des ausschließlichen Rechts geforderten Betrag entspricht.



Ende der Entscheidung

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