Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 21.03.1996
Aktenzeichen: C-297/94
Rechtsgebiete: Richtlinie 81/851/EWG, Richtlinie 90/676/EWG


Vorschriften:

Richtlinie 81/851/EWG Art. 4
Richtlinie 90/676/EWG
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Im Rahmen des Verfahrens nach Artikel 177 des Vertrages ist es allein Sache der nationalen Gerichte, bei denen ein Rechtsstreit anhängig ist und die die Verantwortung für die zu erlassende gerichtliche Entscheidung tragen, unter Berücksichtigung der Besonderheiten der jeweiligen Rechtssache sowohl die Erforderlichkeit einer Vorabentscheidung für den Erlaß ihres Urteils als auch die Erheblichkeit der von ihnen dem Gerichtshof vorgelegten Fragen zu beurteilen.

2. Das durch Artikel 4 der Richtlinie 81/851 über Tierarzneimittel in ihrer ursprünglichen und in der durch die Richtlinie 90/676 geänderten Fassung ausgesprochene Verbot sowohl des Inverkehrbringens als auch der Verabreichung eines Arzneimittels im Gebiet eines Mitgliedstaats, wenn nicht die zuständige Behörde dieses Staates zuvor eine Genehmigung erteilt hat, umfasst das Verbot seiner Einfuhr, wenn diese zu einem der beiden genannten Zwecke erfolgt. Daher gilt diese Bestimmung auch für die Einfuhr eines in diesem Staat von einem Tierarzt zur Deckung eines besonderen Bedarfs verschriebenen Arzneimittels durch einen Apotheker dieses Staates.

In diesem Zusammenhang stellt sich die Richtlinie 81/851 zwar nach ihrer elften Begründungserwägung als "eine Stufe bei der Verwirklichung des freien Handels mit Tierarzneimitteln" dar, doch lässt sich daraus nicht ableiten, daß sie bei den Arzneimitteln, die in ihren Anwendungsbereich fallen, Platz für die Anwendung der Artikel 30 und 36 des Vertrages ließe. Nach dem Willen des Gesetzgebers bedeutet diese Wendung nämlich nur, daß die ursprünglich durch die Richtlinie 81/851 eingeführte Regelung des Nebeneinanders nationaler Genehmigungen für das Inverkehrbringen dazu bestimmt war, durch eine Regelung der Berücksichtigung der in anderen Mitgliedstaaten erteilten Genehmigungen (Richtlinie 90/676) und später durch eine Regelung der grundsätzlichen gegenseitigen Anerkennung dieser Genehmigungen (Richtlinie 93/40) ersetzt zu werden.


Urteil des Gerichtshofes (Erste Kammer) vom 21. März 1996. - Dominique Bruyère und andere gegen Belgischer Staat. - Ersuchen um Vorabentscheidung: Conseil d'Etat - Belgien. - Tierarzneimittel - Richtlinien 81/851/EWG und 90/676/EWG. - Rechtssache C-297/94.

Entscheidungsgründe:

1 Der belgische Conseil d' État hat mit Urteil vom 12. Oktober 1994, beim Gerichtshof eingegangen am 4. November 1994, gemäß Artikel 177 EG-Vertrag zwei Fragen nach der Auslegung von Artikel 4 Absatz 2 der Richtlinie 81/851/EWG des Rates vom 28. September 1981 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Tierarzneimittel (ABl. L 317, S. 1; im folgenden: Richtlinie 81/851) in seiner ursprünglichen Fassung und in der Fassung der Richtlinie 90/676/EWG des Rates vom 13. Dezember 1990 (ABl. L 373, S. 15; im folgenden: Richtlinie 90/676) zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2 Die Richtlinie 81/851 dient der Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Tierarzneimittel und insbesondere der Voraussetzungen für die Erteilung der Genehmigungen für das Inverkehrbringen. Nach ihrer ersten Begründungserwägung müssen alle Rechts- und Verwaltungsvorschriften auf dem Gebiet der Herstellung und des Vertriebs von Tierarzneimitteln in erster Linie dem Schutz der Volksgesundheit dienen. Der elften Begründungserwägung zufolge bildet die Richtlinie nur eine Stufe bei der Verwirklichung des freien Handels mit Tierarzneimitteln, wozu sich neue Maßnahmen unter Berücksichtigung der erworbenen Erfahrungen als notwendig erweisen werden, um die noch bestehenden Hemmnisse des freien Handels zu beseitigen.

3 Diese Richtlinie wurde geändert durch die Richtlinie 90/676, mit der es insbesondere ermöglicht werden soll, daß ein in einem Mitgliedstaat auf der Grundlage der angeglichenen Vorschriften hergestelltes und in den Verkehr gebrachtes Tierarzneimittel unter gebührender Berücksichtigung der ursprünglichen Genehmigung in den anderen Mitgliedstaaten zugelassen wird (vierte Begründungserwägung), und sodann durch die Richtlinie 93/40/EWG des Rates vom 14. Juni 1993 zur Änderung der Richtlinien 81/851/EWG und 81/852/EWG (ABl. L 214, S. 31), die parallel zur Verordnung (EWG) Nr. 2309/93 des Rates vom 22. Juli 1993 zur Festlegung von Gemeinschaftsverfahren für die Genehmigung und Überwachung von Human- und Tierarzneimitteln und zur Schaffung einer europäischen Agentur für die Beurteilung von Arzneimitteln (ABl. L 214, S. 1) erlassen wurde. Nach der Richtlinie 93/40 sollte eine Genehmigung für das Inverkehrbringen eines Tierarzneimittels in einem Mitgliedstaat grundsätzlich von den zuständigen Behörden der anderen Mitgliedstaaten anerkannt werden (dritte Begründungserwägung).

4 Artikel 4 der Richtlinie 81/851 lautete ursprünglich:

"(1) Ein Tierarzneimittel darf in einem Mitgliedstaat erst dann in Verkehr gebracht werden, wenn die zuständige Behörde dieses Mitgliedstaats die Genehmigung dafür erteilt hat.

(2) Ein Tierarzneimittel darf Tieren erst dann verabreicht werden, wenn die oben vorgesehene Genehmigung erteilt ist; ausgenommen sind Fälle von Tierarzneimittelversuchen gemäß Artikel 5 Nummer 10."

5 Dieser Artikel wurde durch Artikel 1 Nr. 4 der Richtlinie 90/676 wie folgt geändert:

"(1) Ein Tierarzneimittel darf in einem Mitgliedstaat erst dann in [den] Verkehr gebracht werden, wenn die zuständige Behörde dieses Mitgliedstaats die Genehmigung dafür erteilt hat.

Wenn die gesundheitlichen Verhältnisse es jedoch erfordern, kann ein Mitgliedstaat die Vermarktung oder die Verabreichung von Tierarzneimitteln genehmigen, die von einem anderen Mitgliedstaat gemäß dieser Richtlinie genehmigt worden sind.

Im Falle einer schweren Epidemie können die Mitgliedstaaten in Ermangelung angemessener Arzneimittel vorläufig die Verwendung immunologischer Tierarzneimittel ohne Genehmigung für das Inverkehrbringen gestatten, nachdem sie die Kommission im einzelnen über die Verwendungsbedingungen informiert haben.

...

(3) Ein Tierarzneimittel darf Tieren erst verabreicht werden, wenn die Genehmigung nach Absatz 1 erteilt ist; ausgenommen sind Tierarzneimittelversuche...

...

(5) Abweichend von Absatz 3 stellen die Mitgliedstaaten sicher, daß Tierärzte, die in einem anderen Mitgliedstaat Dienste erbringen, kleine, den täglichen Bedarf nicht übersteigende Mengen gebrauchsfertiger Tierarzneimittel, ausgenommen immunologische Tierarzneimittel, zur Verabreichung an Tiere mitführen dürfen, die in dem Mitgliedstaat der Dienstleistung (Gastmitgliedstaat) nicht verwendet werden dürfen, sofern folgende Voraussetzungen erfuellt sind:

..."

6 In Belgien sind die für Arzneimittel geltenden Regelungen im Arzneimittelgesetz vom 25. März 1964 (MB vom 17. April 1964) enthalten; Artikel 6 Absatz 2 dieses Gesetzes bestimmt:

"[Jedes] Arzneimittel [ist], bevor es in den Verkehr gebracht wird, beim Ministerium für Gesundheit und Familie unter den vom König geregelten Voraussetzungen und nach den Modalitäten zu registrieren."

7 In Artikel 6bis § 2 dieses Gesetzes ist folgendes bestimmt:

"Zur Ausführung einer ärztlichen Verschreibung kann ein nicht registriertes Arzneimittel von einem niedergelassenen Apotheker eingeführt werden. Die Voraussetzungen und Modalitäten für die Einführung dieses Arzneimittels sowie etwaige Beschränkungen regelt der König."

8 In Durchführung dieser zuletzt genannten Bestimmung erließ der König die Verordnung vom 29. Januar 1987 (MB vom 4. April 1987), mit der in die Königliche Verordnung vom 6. Juni 1960 über die Herstellung, die Zubereitung, den Großhandelsvertrieb und die Abgabe von Arzneimitteln (MB vom 22. Juni 1960) ein Artikel 48bis eingefügt wurde. In diesem Artikel 48bis ist bestimmt:

"Ein nicht registriertes Arzneimittel für den tierheilkundlichen Gebrauch darf von einem niedergelassenen Apotheker nur unter folgenden Voraussetzungen eingeführt werden:

1. Auf dem Markt für Arzneimittel darf keine Zusammenstellung mit gleichen Wirkstoffen oder mit gleichartiger therapeutischer Wirkung existieren;

2. das Arzneimittel muß von einem Tierarzt verschrieben worden sein, der zur Ausübung der Tiermedizin in Belgien berechtigt ist;

3. das Rezept muß von dem verschreibenden Tierarzt mit Datum versehen und unterzeichnet worden sein und folgende Angaben enthalten:..."

9 Mit Verordnung vom 20. Dezember 1989 (MB vom 3. Februar 1990) hob der König diesen Artikel 48bis mit Wirkung vom 1. März 1990 auf (MB vom 15. März 1990). Eine Königliche Verordnung vom 14. Februar 1990, die ebenfalls am 1. März 1990 in Kraft trat, führte jedoch wieder eine Einfuhrmöglichkeit ein. In Artikel 1 dieser Königlichen Verordnung heisst es nämlich:

"Ein niedergelassener Apotheker kann zur Ausführung einer in seinem Besitz befindlichen ärztlichen Verschreibung, die von einem Tierarzt mit Datum versehen und unterzeichnet worden ist, nicht registrierte Arzneimittel unter der Voraussetzung einführen, daß sie als einzigen oder Hauptwirkstoff enthalten:

[die Verordnung führt sechs chemische Inhaltsstoffe auf]."

Diese Königliche Verordnung wurde durch eine Königliche Verordnung vom 16. Januar 1992 (MB vom 18. März 1992) geändert, die der Aufzählung weitere acht chemische Stoffe hinzufügte.

10 Bei den Klägern des Ausgangsverfahrens handelt es sich um Tierärzte, niedergelassene Apotheker, eine Vereinigung ohne Gewinnzweck mit der Bezeichnung "Union syndicale vétérinaire belge" sowie ein Unternehmen, das Tierarzneimittel, die nicht in Belgien, sondern in Frankreich registriert sind, an belgische niedergelassene Apotheker auf Verschreibung belgischer Tierärzte liefert. Sie haben beim Conseil d' État verschiedene Klagen auf Aufhebung der Königlichen Verordnung vom 20. Dezember 1989, die den Grundsatz des vollständigen Verbots der Einfuhr eines nicht registrierten Arzneimittels enthält, der Königlichen Verordnung vom 14. Februar 1990, die eine Ausnahme von diesem Grundsatz für sechs Inhaltsstoffe vorsieht, und der Königlichen Verordnung vom 16. Januar 1992 erhoben, mit der diese Zahl auf vierzehn erhöht worden ist.

11 Nach Verbindung der verschiedenen Rechtssachen hat der Conseil d' État das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof die beiden folgenden Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Ist die Richtlinie 81/851 des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom 28. September 1981 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Tierarzneimittel, insbesondere ihr Artikel 4 Absatz 2, so auszulegen, daß darin das Verbot enthalten ist, ein Arzneimittel ohne Genehmigung der zuständigen Behörde eines Mitgliedstaats zu verabreichen, und ist sie somit so auszulegen, daß sie das Verbot enthält, dieses Arzneimittel einzuführen, wenn es in diesem Mitgliedstaat nicht in den Verkehr gebracht und daher nicht zuvor von der Behörde dieses Mitgliedstaats zugelassen worden ist?

2. Ist die Richtlinie 81/851 des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom 28. September 1981 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Tierarzneimittel, insbesondere ihr Artikel 4 in der Fassung der Richtlinie 90/676 des Rates vom 13. Dezember 1990, so auszulegen, daß sie das Verbot enthält, ein Arzneimittel ohne Genehmigung der zuständigen Behörde eines Mitgliedstaats zu verabreichen; und ist sie somit so auszulegen, daß sie das Verbot enthält, dieses Arzneimittel einzuführen, wenn es in diesem Mitgliedstaat nicht in den Verkehr gebracht und daher nicht zuvor von der Behörde dieses Mitgliedstaats und auch nicht in einem anderen Mitgliedstaat zugelassen worden ist?

12 Beide Fragen betreffen das Problem, ob ein Mitgliedstaat die Einfuhr eines Arzneimittels verbieten kann, dessen Inverkehrbringen nicht zuvor von der zuständigen Behörde genehmigt worden ist. Daher sind sie gemeinsam zu untersuchen.

13 Die Kläger des Ausgangsverfahrens bestreiten nicht die Vereinbarkeit der Königlichen Verordnungen mit Artikel 4 der Richtlinie 81/851, selbst nach dessen Änderung durch die Richtlinie 90/676. Sie machen jedoch geltend, daß diese Verordnungen unter dem Gesichtspunkt der Artikel 30 und 36 EG-Vertrag zu untersuchen seien, da die Richtlinie 81/851, die nur eine Stufe bei der Verwirklichung des Zieles des freien Handels mit Tierarzneimitteln bilde, keine vollständige Harmonisierung aller nationalen Maßnahmen vorsehe und damit Platz für die Anwendung der Artikel 30 und 36 des Vertrages lasse. Ferner fielen bestimmte Tierarzneimittel, wie Seren, nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie 81/851; diese regele nur das Inverkehrbringen der Arzneimittel, also ihren Vertrieb durch Pharmaunternehmen, nicht aber die Einfuhr eines in Belgien nicht registrierten Arzneimittels auf Verschreibung eines belgischen Tierarztes durch einen niedergelassenen Apotheker. Schließlich seien die Tierhalter vom guten Willen der Pharmaunternehmen abhängig, die wegen der Formalitäten und der Kosten im Zusammenhang mit dem Genehmigungsantrag und wegen der geringen Gewinne, die sie auf einem so engen Markt wie Belgien erwarten könnten, darauf verzichteten, bestimmte Tierarzneimittel auf diesen Markt zu bringen. Das Verbot, bestimmte Arzneimittel einzuführen, für die es auf diesem Markt nichts Gleichwertiges gebe, gefährde somit die Gesundheit sowohl der Tiere als auch ° wegen der Gefahr der Übertragung bestimmter Krankheiten ° der Menschen.

14 Sowohl der belgische Staat als auch die Kommission sind der Ansicht, daß der Wortlaut des Artikels 4 der Richtlinie 81/851 eindeutig sei, indem er einen Mitgliedstaat ermächtige, das Inverkehrbringen, die Verabreichung und somit auch die Einfuhr eines nicht zuvor genehmigten Arzneimittels zu verbieten.

15 Zum Hinweis auf die Artikel 30 und 36 des Vertrages vertritt die Kommission die Ansicht, daß der Conseil d' État zu Recht gemäß dem Grundsatz "lex specialis generalibus derogat" nur die Auslegung der Richtlinie 81/851 begehre, die der Harmonisierung der Voraussetzungen für das Inverkehrbringen und die Verabreichung von Arzneimitteln zu tierärztlichem Gebrauch diene, indem sie die Genehmigung durch die zuständigen Behörden des betreffenden Mitgliedstaats vorschreibe. Nur auf Arzneimittel, die von der Richtlinie 81/851 nicht erfasst würden, könne Artikel 30 Anwendung finden; in diesem Fall sei dann zu prüfen, ob die nationale Regelung aus einem der in Artikel 36 erwähnten Gründe gerechtfertigt sei.

16 Die belgische Regierung äussert sich nicht zur Frage der Vereinbarkeit der belgischen Regelung mit den Artikeln 30 und 36 des Vertrages.

17 Dem Vorbringen der Kläger des Ausgangsverfahrens kann nicht gefolgt werden.

18 Die Richtlinie 81/851 stellt sich zwar als "eine Stufe bei der Verwirklichung des freien Handels mit Tierarzneimitteln" dar (elfte Begründungserwägung), doch lässt sich daraus nicht ableiten, daß sie bei den Arzneimitteln, die in ihren Anwendungsbereich fallen, Platz für die Anwendung der Artikel 30 und 36 des Vertrages ließe. Wie nämlich die Entwicklung des Gemeinschaftsrechts gezeigt hat, bedeutet diese Wendung nur, daß die ursprünglich durch die Richtlinie 81/851 eingeführte Regelung des Nebeneinanders nationaler Genehmigungen für das Inverkehrbringen dazu bestimmt war, durch eine Regelung der Berücksichtigung der in anderen Mitgliedstaaten erteilten Genehmigungen (Richtlinie 90/676) und später durch eine Regelung der grundsätzlichen gegenseitigen Anerkennung dieser Genehmigungen (Richtlinie 93/40) ersetzt zu werden.

19 Was Arzneimittel betrifft, die möglicherweise nicht von der Richtlinie 81/851 erfasst werden und auf die die Artikel 30 und 36 des Vertrages anzuwenden wären, so ist es allein Sache der nationalen Gerichte, bei denen ein Rechtsstreit anhängig ist und die die Verantwortung für die zu erlassende gerichtliche Entscheidung tragen, unter Berücksichtigung der Besonderheiten der jeweiligen Rechtssache sowohl die Erforderlichkeit einer Vorabentscheidung für den Erlaß ihres Urteils als auch die Erheblichkeit der von ihnen dem Gerichtshof vorgelegten Fragen zu beurteilen (inbes. Urteil vom 7. Dezember 1995 in der Rechtssache C-472/93, Spano u. a., noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 15); die Parteien können die Fassung dieser Fragen nicht ändern (Urteil vom 15. Juni 1972 in der Rechtssache 5/72, Grassi, Slg. 1972, 443, Randnr. 4).

20 Da der Conseil d' État nicht um Auslegung der Artikel 30 und 36 des Vertrages ersucht hat, ist hierüber nicht zu entscheiden.

21 Die Tragweite von Artikel 4 der Richtlinie 81/851, auf den somit für die von dieser erfassten Arzneimittel abzustellen ist, ist eindeutig, da er sowohl das Inverkehrbringen als auch die Verabreichung eines Arzneimittels im Gebiet eines Mitgliedstaats davon abhängig macht, daß die zuständige Behörde dieses Staates zuvor eine Genehmigung erteilt hat. Das Verbot, ein Arzneimittel in den Verkehr zu bringen und zu verabreichen, umfasst das Verbot seiner Einfuhr, wenn diese zu einem dieser Zwecke erfolgt. Daher gilt diese Bestimmung auch für die Einfuhr eines in diesem Staat von einem Tierarzt zur Deckung eines besonderen Bedarfs verschriebenen Arzneimittels durch einen Apotheker dieses Staates.

22 Wie der Generalanwalt in Nummer 17 seiner Schlussanträge hervorhebt, wäre die für den dienstleistenden Tierarzt mit Artikel 4 Absatz 5 durch die Richtlinie 90/676 geschaffene Abweichung überfluessig, wenn die Einfuhr eines Arzneimittels zum Zweck seiner Verabreichung nicht grundsätzlich verboten wäre. Im übrigen würde die Zulassung der Einfuhr eines nicht zuvor genehmigten Arzneimittels zum Zweck des Inverkehrbringens oder der Verabreichung das durch die Richtlinie geschaffene System zerstören.

23 Dem kann nicht entgegengehalten werden, daß der Gerichtshof in seinen Urteilen vom 7. März 1989 in der Rechtssache 215/87 (Schumacher, Slg. 1989, 617) und vom 8. April 1992 in der Rechtssache C-62/90 (Kommission/Deutschland, Slg. 1992, I-2575), die zu den Artikeln 30 und 36 des Vertrages ergangen sind, die Einfuhr von Arzneimitteln in einen Mitgliedstaat für zulässig erklärt hat. In diesen beiden Urteilen ging es nämlich um im Einfuhrmitgliedstaat zugelassene Arzneimittel, die von Einzelpersonen, die sie selbst in einer Apotheke eines anderen Mitgliedstaats gekauft hatten, für ihren persönlichen Bedarf eingeführt worden waren.

24 Zu den Argumenten der Kläger, sie seien vom guten Willen der Pharmaunternehmen abhängig und das Verbot der Einfuhr bestimmter Arzneimittel, für die es nichts Gleichwertiges gebe, gefährde die Gesundheit sowohl von Tieren als auch von Menschen, genügt die Feststellung, daß der belgische Staat beim Erlaß der angefochtenen Königlichen Verordnungen innerhalb des Zuständigkeitsbereichs gehandelt hat, den ihm das Gemeinschaftsrecht zubilligt. Daher könnte die Politik auf dem Gebiet des Gesundheitswesens gegebenenfalls nur nach den Bestimmungen des nationalen Rechts beurteilt werden.

25 Nach alledem ist Artikel 4 der Richtlinie 81/851 in seiner ursprünglichen Fassung und in der Fassung der Richtlinie 90/676 so auszulegen, daß er es verbietet, ein von dieser Richtlinie erfasstes Arzneimittel in einen Mitgliedstaat einzuführen, um es dort in den Verkehr zu bringen oder zu verabreichen, ohne daß die zuständige Behörde dieses Mitgliedstaats zuvor eine Genehmigung erteilt hat.

Kostenentscheidung:

Kosten

26 Die Auslagen der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, die vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben hat, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem nationalen Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

auf die ihm vom belgischen Conseil d' État mit Urteil vom 12. Oktober 1994 vorgelegten Fragen für Recht erkannt:

Artikel 4 der Richtlinie 81/851/EWG des Rates vom 28. September 1981 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Tierarzneimittel in seiner ursprünglichen Fassung und in der Fassung der Richtlinie 90/676/EWG des Rates vom 13. Dezember 1990 ist so auszulegen, daß er es verbietet, ein von dieser Richtlinie erfasstes Arzneimittel in einen Mitgliedstaat einzuführen, um es dort in den Verkehr zu bringen oder zu verabreichen, ohne daß die zuständige Behörde dieses Mitgliedstaats zuvor eine Genehmigung erteilt hat.

Ende der Entscheidung

Zurück