Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 16.07.1998
Aktenzeichen: C-298/96
Rechtsgebiete: EGV, Verordnung Nr. 136/66/EWG


Vorschriften:

EGV Art. 177
Verordnung Nr. 136/66/EWG Art. 27 Abs. 1
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Das Gemeinschaftsrecht steht grundsätzlich einer nationalen Regelung nicht entgegen, die den Ausschluß der Rückforderung zu Unrecht gezahlter Gemeinschaftsbeihilfen zulässt und hierfür auf Kriterien wie den Wegfall der Bereicherung abstellt, wenn bei einer Beihilfe für die Verarbeitung von Ölsaaten

- der Empfänger bereits zum Zeitpunkt der Bewilligung der Beihilfe den sich daraus ergebenden Vermögensvorteil durch die Zahlung des nach Gemeinschaftsrecht vorgesehenen Richtpreises an seine Lieferanten weitergegeben hat und

- ein eventueller Regressanspruch gegen seine Lieferanten wertlos wäre.

Dies setzt jedoch voraus,

- daß zunächst der gute Glaube des Empfängers nachgewiesen ist und

- daß insoweit die gleichen Voraussetzungen gelten wie bei der Rückforderung rein nationaler finanzieller Leistungen.

Was insbesondere die den guten Glauben des Empfängers betreffende Voraussetzung angeht, verliert ein Wirtschaftsteilnehmer, der eine Erklärung abfasst und einreicht, um Beihilfen zu erlangen, nicht schon aufgrund der Tatsache, daß er die Erklärung abgegeben hat, das Recht sich auf seinen guten Glauben zu berufen, wenn die Erklärung ausschließlich auf Angaben Dritter beruht, es ist jedoch Sache des nationalen Gerichts, zu prüfen, ob unter den Umständen des Falles bestimmte Indizien den Wirtschaftsteilnehmer nicht dazu hätten veranlassen müssen, die Richtigkeit dieser Angaben zu prüfen.


Urteil des Gerichtshofes (Fünfte Kammer) vom 16. Juli 1998. - Oelmühle Hamburg AG und Jb. Schmidt Söhne GmbH & Co. KG gegen Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung. - Ersuchen um Vorabentscheidung: Verwaltungsgericht Frankfurt am Main - Deutschland. - Zu Unrecht gezahlte Gemeinschaftsbeihilfen - Rückforderung - Anwendung des nationalen Rechts - Voraussetzungen und Grenzen. - Rechtssache C-298/96.

Entscheidungsgründe:

1 Das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main hat mit Beschluß vom 27. August 1996, beim Gerichtshof eingegangen am 11. September 1996, gemäß Artikel 177 EG-Vertrag eine Frage nach den gemeinschaftsrechtlichen Grundsätzen, die im Rahmen von Klagen nationaler Behörden auf Rückzahlung einer zu Unrecht gezahlten Gemeinschaftsbeihilfe gelten, zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2 Diese Frage stellt sich in zwei Rechtsstreitigkeiten zwischen den Ölmühlen Ölmühle Hamburg AG (im folgenden: Ölmühle Hamburg) zum einen und der Jb. Schmidt Söhne GmbH & Co. KG (im folgenden: Schmidt) zum anderen und der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (im folgenden: BLE) über die teilweise Rückforderung von Beihilfen, die für die Verarbeitung von Raps gewährt worden waren.

3 Die Gewährung einer Beihilfe für in der Gemeinschaft geerntete und verarbeitete Ölsaaten ist in Artikel 27 Absatz 1 der Verordnung Nr. 136/66/EWG des Rates vom 22. September 1966 über die Errichtung einer gemeinsamen Marktorganisation für Fette (ABl. 1966, Nr. 172, S. 3025) vorgesehen. Diese Vorschrift bestimmt:

"Ist der für eine bestimmte Saatenart geltende Richtpreis höher als der gemäß Artikel 29 ermittelte Weltmarktpreis dieser Art, so wird für in der Gemeinschaft geerntete und verarbeitete Ölsaaten dieser Art eine Beihilfe gewährt; vorbehaltlich der... Ausnahmen ist diese Beihilfe gleich dem Unterschied zwischen diesen Preisen."

4 Die Grundsätze für die Gewährung dieser Beihilfe waren zu der für die Ausgangsverfahren maßgeblichen Zeit durch die Verordnung (EWG) Nr. 1594/83 des Rates vom 14. Juni 1983 über die Beihilfe für Ölsaaten (ABl. L 163, S. 44) und durch die Verordnung (EWG) Nr. 2681/83 der Kommission vom 21. September 1983 mit Durchführungsbestimmungen zur Beihilferegelung für Ölsaaten (ABl. L 266, S. 1) geregelt.

5 Um sicherzustellen, daß die Beihilfen nur für die Saaten gewährt werden, die Gegenstand der Beihilfe sein können, wurde durch Artikel 4 der Verordnung Nr. 1594/83 in seiner durch die Verordnung (EWG) Nr. 935/86 des Rates vom 25. März 1986 (ABl. L 87, S. 5) geänderten Fassung eine zweiteilige Gemeinschaftsbeihilfebescheinigung eingeführt, deren einer Teil den Nachweis erbringen sollte, daß die in der Gemeinschaft geernteten Saaten in einer Ölmühle oder in einem Futtermittelherstellungsbetrieb identifiziert worden waren (ID-Teil), und deren anderer Teil gegebenenfalls die Vorausfestsetzung des Beihilfebetrags bescheinigen sollte (AP-Teil).

6 Nach Artikel 3 der Verordnung Nr. 1594/83 in seiner durch die Verordnung Nr. 935/86 geänderten Fassung wird die "Identifizierung" der Saaten der zuständigen Stelle des Mitgliedstaats übertragen, bei dem die Beihilfe beantragt wird.

7 Die Entstehung des Anspruchs auf Beihilfe und deren Zahlung sind in Artikel 10 derselben Verordnung in ihrer geänderten Fassung wie folgt geregelt:

"(1) Der Anspruch auf Beihilfe entsteht

a) bei Raps- und Rübsensamen und Sonnenblumenkernen, die zum Zweck der Ölgewinnung verarbeitet werden, zum Zeitpunkt der Verarbeitung,

b) bei Raps- und Rübsensamen, die Futtermitteln beigemischt werden, zum Zeitpunkt der Beimischung.

(2) Die Beihilfe wird dem Inhaber des die Identifizierung betreffenden Teils der Bescheinigung gemäß Artikel 4 in dem Mitgliedstaat, in dem die Ölsaaten unter Kontrolle gestellt werden, ausgezahlt:

- für die in Absatz 1 Buchstabe a) genannten Saaten, wenn der Nachweis für die Verarbeitung erbracht ist,

- für die in Absatz 1 Buchstabe b) genannten Saaten, wenn der Nachweis für die Beimischung erbracht ist.

..."

8 Die Beihilfe entspricht der Differenz zwischen dem für eine bestimmte Saatenart geltenden Richtpreis und dem Weltmarktpreis. Gemäß Artikel 33 Absatz 1 der Verordnung Nr. 2681/83 wird sie von der Kommission, "so oft es die Marktlage erfordert, in der Weise festgesetzt, daß sie mindestens einmal in der Woche angewandt werden kann".

9 Die Kommission setzt zunächst die "Brutto"-Beihilfe in Ecu fest. Dieser Betrag wird dann in die nationalen Währungen umgerechnet und um einen Berichtigungsbetrag erhöht oder vermindert ("endgültige" Beihilfe); schließlich wird der Betrag nach den Kassa- und Terminkursen des Ecu in den nationalen Währungen in die Währung des Mitgliedstaats umgerechnet, in dem die Saat verarbeitet worden ist, wenn dieser nicht der Erzeugerstaat ist. Die Beihilfe ist daher von einem Staat zum anderen je nach der Währungssituation der Mitgliedstaaten unterschiedlich.

10 In dem ersten Rechtsstreit ergibt sich aus den Akten, daß die Firma Ölmühle Hamburg 1988 von einem französischen Lieferanten mehrere Partien Raps erwarb.

11 In der Warenrechnung des französischen Lieferanten, einem Garantieschreiben, dem Versicherungszertifikat, dem Versandkontrollbeleg und den Untersuchungsberichten eines Hamburger Laboratoriums waren die streitigen Rapspartien als Waren irischen Ursprungs ausgewiesen. Die BLE erteilte der Ölmühle Hamburg daher Identifizierungsbescheinigungen (im folgenden: ID-Bescheinigungen) für Raps irischen Ursprungs und bewilligte ihr mit drei Bescheiden vom 20. Mai 1989 auf der Grundlage des Beihilfesatzes für Raps irischen Ursprungs Beihilfen für die Verarbeitung von insgesamt 1 167 858 kg Raps.

12 In der Folge stellte die irische Zollfahndung fest, daß 389 400 kg des Rapses nicht aus der Irischen Republik, sondern vielmehr aus Nordirland und damit aus dem Vereinigten Königreich stammten. Demzufolge hob die BLE die erteilten ID-Bescheinigungen und die drei Beihilfebewilligungsbescheide auf und forderte die Rückzahlung der Beihilfen.

13 Nachdem ihr Widerspruch gegen diesen Bescheid mit Bescheid vom 17. Februar 1994 zurückgewiesen worden war, erhob die Ölmühle Hamburg am 17. März 1994 Klage beim Verwaltungsgericht Frankfurt am Main. Erstens bestreitet sie, daß der Raps aus Nordirland stamme. Zweitens macht sie geltend, daß ein Teil ihrer Bereicherung weggefallen sei, weil sie den erlangten Vermögensvorteil dadurch an ihre Lieferanten weitergegeben habe, daß sie diesen den über dem normalen Marktpreis liegenden Richtpreis bezahlt habe, und weil die Durchsetzung von Regressansprüchen gegen die Lieferanten äusserst unsicher sei.

14 Den Akten des zweiten Rechtsstreits zufolge erwarb die Firma Schmidt in den Jahren 1984 bis 1986 eine bestimmte Menge Raps, die sie teilweise von einer Vorerwerberin bezog.

15 Auf der Grundlage der Angaben der Firma Schmidt, wonach der Raps in Deutschland geerntet worden sei, erteilte die BLE ID-Bescheinigungen für Raps deutschen Ursprungs und bewilligte mit sieben Bescheiden in der Zeit vom November 1984 bis Januar 1987 die dafür vorgesehenen Beihilfen.

16 Aufgrund von Ermittlungen gegen die Vorerwerberin stellte die Zollverwaltung fest, daß eine Teilmenge der subventionierten Rapslieferungen aus Frankreich eingeführt worden war. Die BLE hob daraufhin die der Firma Schmidt erteilten ID-Bescheinigungen sowie die Beihilfebewilligungsbescheide auf und forderte die Rückzahlung der zu Unrecht gewährten Beträge.

17 Nachdem der Widerspruch gegen den Bescheid der BLE am 3. Juni 1991 zurückgewiesen worden war, erhob die Firma Schmidt am 25. Juli 1991 ebenfalls Klage vor dem Verwaltungsgericht Frankfurt am Main. Erstens bestreitet sie, daß der Raps französischen Ursprungs sei. Zweitens macht sie geltend, ein Teil ihrer Bereicherung sei weggefallen, weil sie den erlangten Vermögensvorteil durch die Zahlung des Richtpreises bereits an ihre Lieferanten weitergegeben habe und weil die Regressansprüche, die sie gegen diese geltend machen könne, entweder wegen Verjährung oder wegen Zahlungsunfähigkeit der Lieferanten praktisch wertlos seien.

18 Das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main hat die beiden Rechtsstreitigkeiten verbunden. Die BLE beantragt die Abweisung beider Klagen mit der Begründung, daß sich ein Subventionsempfänger nicht auf den Wegfall der Bereicherung berufen könne, wenn er die Subvention zwar über den von ihm gezahlten Preis an seine Lieferanten weitergegeben habe, die Ursache für den Entzug dieser Subvention aber in seiner Risikosphäre liege.

19 Das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main stellt fest, daß rechtswidrige begünstigende Bescheide im deutschen Recht zwar grundsätzlich zurückzunehmen seien, daß die Rückforderung zu Unrecht gewährter Beihilfen aber ausgeschlossen sein könne, wenn die Beihilfeempfänger den Wegfall der Bereicherung geltend machen könnten (§ 10 Absatz 1 des Gesetzes durch Durchführung der gemeinsamen Marktorganisationen i. d. F. der Bekanntmachung vom 27. August 1986, der auf § 48 Absätze 2 bis 4 und auf § 49a Absatz 1 Satz 1 und Absatz 2 des Verwaltungsverfahrensgesetzes [VwVfG] sowie auf § 818 Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuches [BGB] verweist). Auf den Wegfall der ungerechtfertigten Bereicherung könne sich der Erstattungspflichtige jedoch nicht berufen, soweit er die Umstände, die die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes begründet hätten, gekannt habe oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht gekannt habe (§ 49a Absatz 2 Satz 2 VwVfG).

20 Aufgrund dieser Vorschriften neigt das Verwaltungsgericht zu der Auffassung, daß der Wegfall der Bereicherung im vorliegenden Fall zu bejahen sei und daß demzufolge die Rückforderungsbescheide der BLE aufzuheben seien. Es hat jedoch Bedenken, ob das auf den Wegfall der Bereicherung gestützte Vorbringen unter den Voraussetzungen des vorliegenden Falles mit der Rechtsprechung des Gerichtshofes vereinbar sei, wie sie sich u. a. aus dem Urteil vom 21. September 1983 in den verbundenen Rechtssachen 205/82 bis 215/82 (Deutsche Milchkontor u. a., Slg. 1983, 2633) ergebe. Nach dieser Rechtsprechung dürfe die gemeinschaftsrechtlich vorgeschriebene Rückforderung nicht praktisch unmöglich sein und müsse das Gemeinschaftsinteresse voll berücksichtigt werden.

21 Das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main hat daher das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Ist es mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar, wenn das nationale deutsche Recht die Rückforderung von zu Unrecht gewährten Beihilfen für die Verarbeitung von Raps ausschließt, wenn der Begünstigte, der die Umstände, die die Rechtswidrigkeit des Bewilligungsbescheides begründet haben, nicht kannte und auch nicht infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte (§ 48 Absatz 2 Satz 7 VwVfG a. F. = § 49a Absatz 2 Satz 2 VwVfG n. F.), sich auf § 48 Absatz 2 Satz 6 VwVfG (= § 49a Absatz 2 VwVfG n. F.) i. V. m. § 818 Absatz 3 BGB auf den Wegfall der Bereicherung berufen kann, wobei der Wegfall der Bereicherung in den Fällen, in denen der Begünstigte den Vermögensvorteil der Beihilfe bereits im Zeitpunkt der Bewilligung der Beihilfe durch Zahlung des gemeinschaftsrechtlich vorgesehenen Richtpreises weitergegeben hat und keinen oder nur einen wertlosen Regressanspruch gegen die Zulieferer des verarbeiteten Rapses erlangt hat, regelmässig zu bejahen ist?

22 Diese Frage des vorlegenden Gerichts geht im wesentlichen dahin, ob das Gemeinschaftsrecht einer nationalen Regelung entgegensteht, die den Ausschluß der Rückforderung von zu Unrecht gezahlten Gemeinschaftsbeihilfen zulässt und hierfür unter der Voraussetzung, daß die Gutgläubigkeit des Beihilfeempfängers nachgewiesen ist, auf Kriterien wie den Wegfall der Bereicherung in einem Fall abgestellt wird, in dem der Empfänger bereits zum Zeitpunkt der Bewilligung der Beihilfe den sich daraus ergebenden Vermögensvorteil durch die Zahlung des nach Gemeinschaftsrecht vorgesehenen Richtpreises weitergegeben hat und in dem ein eventueller Regressanspruch gegen seine Lieferanten wertlos wäre.

23 Gemäß Artikel 5 EG-Vertrag ist es Sache der Mitgliedstaaten, in ihrem Hoheitsgebiet für die Durchführung der Gemeinschaftsregelungen, namentlich im Rahmen der gemeinsamen Agrarpolitik, zu sorgen. So haben sie auch nach Artikel 8 Absatz 1 der Verordnung (EWG) Nr. 729/70 des Rates vom 21. April 1970 über die Finanzierung der gemeinsamen Agrarpolitik (ABl. L 94, S. 13) die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um die infolge von Unregelmässigkeiten oder Versäumnissen abgeflossenen Beträge wiedereinzuziehen. Die Ausübung eines Ermessens hinsichtlich der Frage, ob die Rückforderung der zu Unrecht oder vorschriftswidrig gewährten Gemeinschaftsmittel zweckmässig ist, wäre mit dieser Verpflichtung unvereinbar (Urteil Deutsche Milchkontor u. a., Randnrn. 17, 18 und 22).

24 Des weiteren ergibt sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofes, daß die nationalen Gerichte Rechtsstreitigkeiten über die Wiedereinziehung von zu Unrecht aufgrund des Gemeinschaftrechts geleisteten Zahlungen in Ermangelung gemeinschaftlicher Vorschriften nach ihrem nationalen Recht entscheiden müssen, jedoch vorbehaltlich der durch das Gemeinschaftsrecht gezogenen Grenzen; danach dürfen die im nationalen Recht vorgesehenen Modalitäten nicht darauf hinauslaufen, daß die Verwirklichung der Gemeinschaftsregelung praktisch unmöglich oder übermässig schwierig wird, und das nationale Recht muß ohne Diskriminierung im Vergleich zu den Verfahren, in denen über gleichartige, rein nationale Streitigkeiten entschieden wird, angewandt werden (vgl. insbesondere Urteil Deutsche Milchkontor u. a., Randnr. 19, und Urteil vom 12. Mai 1998 in der Rechtssache C-366/95, Steff-Houlberg Export, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 15, sowie hinsichtlich des nationalen Verfahrensrechts Urteile vom 14. Dezember 1995 in der Rechtssache C-312/93, Peterbröck, Slg. 1995, I-4599, Randnr. 12, und in den verbundenen Rechtssachen C-430/93 und C-431/93, Van Schijndel und Van Veen, Slg. 1995, I-4705, Randnr. 17). Wenn das nationale Recht die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsakts von der Beurteilung der verschiedenen in Rede stehenden Interessen, also des öffentlichen Interesses an der Rücknahme des Verwaltungsakts einerseits und des Vertrauensschutzes für seinen Adressaten andererseits, abhängig macht, muß den Interessen der Gemeinschaft in vollem Umfang Rechnung getragen werden (Urteil Deutsche Milchkontor u. a., Randnr. 32).

25 Im Urteil Deutsche Milchkontor u. a. hat der Gerichtshof aufgrund dieser Gesichtspunkte für Recht erkannt, daß das Gemeinschaftsrecht nationalen Rechtsvorschriften nicht entgegensteht, die für den Ausschluß einer Rückforderung zu Unrecht gezahlter Beihilfen auf Kriterien wie den Wegfall der ungerechtfertigten Bereicherung abstellen.

26 Die Klägerinnen des Ausgangsverfahrens tragen vor, unter den Umständen des vorliegenden Falles entspreche ihre Berufung auf den Wegfall der Bereicherung den vom Gerichtshof aufgestellten Bedingungen. Das Interesse der Gemeinschaft könne nämlich nur in einem ganz geringen Masse berührt sein, da das Ziel der Maßnahme der gemeinsamen Agrarpolitik, nämlich die Gewährung von Beihilfen an die Erzeuger von in der Gemeinschaft geernteten und verarbeiteten Ölsaaten im wesentlichen erreicht worden sei, als die Ölmühlen die Beihilfe über den Verkaufspreis an die Erzeuger oder die Lieferanten weitergegeben hätten. Eine Rückzahlung sei um so weniger gerechtfertigt, als die Ölmühlen die Beihilfen für Rechnung der Gemeinschaft auf die einzelnen Erzeuger von Ölsaaten aufteilten. Man dürfe ihnen daher nicht Risiken aufbürden, die in Wirklichkeit in die Sphäre der Gemeinschaft fielen.

27 Die deutsche Regierung schließt sich diesem Ergebnis an und macht geltend, die vorliegende Rechtssache betreffe die nationale Vorschrift, um die es auch in dem Rechtsstreit gegangen sei, der zu dem bereits zitierten Urteil Deutsche Milchkontor u. a. geführt habe. Wie in jener Rechtssache beeinträchtige die Anwendung dieser Vorschrift auf die Rückforderung der Beihilfe unter den Umständen des vorliegenden Falles weder die Tragweite noch die Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts.

28 Die Kommission ist dagegen der Ansicht, die Vorabentscheidungsfrage sei zu verneinen. Sie meint insbesondere, die Zulassung der Berufung auf den Wegfall der ungerechtfertigten Bereicherung, wenn der Empfänger der Beihilfe auf die Richtigkeit der Ursprungsangaben vertraut habe, laufe den Bedingungen für die Gewährung der Beihilfen für die Verarbeitung von Ölsaaten zuwider und stelle damit die Wirksamkeit dieses Beihilfesystems in seiner Gesamtheit in Frage. Ausserdem setze die Gewährung der Beihilfe voraus, daß der Empfänger bestimmte Angaben mache, die sich insbesondere auf den Ursprung der Ölsaaten bezögen und für die er allein verantwortlich sei. Den Empfänger der Beihilfe treffe daher eine objektive Einstandspflicht, die ausschließe, daß er sich später auf den Wegfall der ungerechtfertigten Bereicherung berufen könne.

29 Hierzu ist zunächst festzustellen, daß sich die Ölmühlen der Rückforderung der Beihilfen nur widersetzen können, wenn sie hinsichtlich der Übereinstimmung der Ware mit der von ihnen zur Erlangung der Beihilfen eingereichten Erklärung guten Glaubens waren. Ob diese Voraussetzung erfuellt ist, hängt erstens davon ab, ob die Ölmühlen Gutgläubigkeit geltend machen können, obwohl sie die Erklärung mit der Angabe über den Ursprung der Ware selbst abgegeben haben, um die Beihilfen zu erhalten, und zweitens davon, ob sie Untersuchungen in bezug auf den Ursprung der Ware hätten vornehmen müssen, um sich auf ihren guten Glauben berufen zu können.

30 Im vorliegenden Fall ist die Rückzahlung von Beihilfen, die auf der Grundlage von Dokumenten gezahlt wurden, die sich anschließend als nicht der Realität entsprechend erwiesen, in keiner Gemeinschaftsbestimmung geregelt. Insbesondere in den Verordnungen Nr. 136/66, Nr. 1594/83 und Nr. 2681/83 ist von einer Rückzahlung nicht die Rede. Unter solchen Umständen verliert ein Wirtschaftsteilnehmer, der eine Erklärung abfasst und einreicht, um Beihilfen zu erlangen, nicht schon aufgrund der Tatsache, daß er die Erklärung abgegeben hat, das Recht, sich auf seinen guten Glauben zu berufen, wenn die Erklärung ausschließlich auf Angaben Dritter beruht. Es ist jedoch Sache des nationalen Gerichts, zu prüfen, ob unter den Umständen des Falles bestimmte Indizien den Wirtschaftsteilnehmer nicht dazu hätten veranlassen müssen, die Richtigkeit dieser Angaben zu prüfen.

31 Soweit das nationale Gericht zu dem Ergebnis gelangt, daß die Ölmühlen gutgläubig waren, steht das Gemeinschaftsrecht einer Berufung auf den Wegfall der Bereicherung nicht entgegen. Da dieser Grundsatz nämlich auch zur Gemeinschaftsrechtsordnung gehört, kann es nicht als Verstoß gegen diese Rechtsordnung angesehen werden, wenn er nach nationalen Rechtsvorschriften auf einem Gebiet wie dem der Rückforderung zu Unrecht gezahlter Gemeinschaftsbeihilfen angewendet wird.

32 Bei dem Umstand, daß der Empfänger einer Beihilfe bereits zum Zeitpunkt der Bewilligung der Beihilfe den sich daraus ergebenden Vermögensvorteil durch die Zahlung des Richtpreises an den Erzeuger weitergegeben hat, handelt es sich, wie der Generalanwalt in Nummer 44 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, um eine Besonderheit des für Beihilfen zur Verarbeitung von Ölsaaten geschaffenen Gemeinschaftssystems; mit den Folgen von Funktionsstörungen dieses Systems dürfen nicht die Verarbeitungsunternehmen belastet werden.

33 Die Kommission macht geltend, in einem Fall wie dem des Ausgangsverfahrens seien die Regressansprüche, über die die Beihilfeempfänger gegenüber den Erzeugern oder ihren Lieferanten verfügten, im allgemeinen wertlos, so daß die Rückforderung der Beihilfen praktisch unmöglich im Sinne des Urteils in der Rechtssache Deutsche Milchkontor sei.

34 Hierzu ist festzustellen, daß eine der Voraussetzungen für die Berufung auf den Wegfall der Bereicherung darin besteht, daß das nationale Gericht im konkreten Fall feststellt, daß der Wirtschaftsteilnehmer keinerlei Regreßmöglichkeit gegenüber seinen Lieferanten hat.

35 Aus den Angaben des vorlegenden Gerichts geht nämlich hervor, daß nach dem im nationalen Recht geltenden allgemeinen Grundsatz die zu Unrecht gezahlten Beihilfen zurückzuzahlen sind und daß die Berufung auf den Wegfall der Bereicherung nur ausnahmsweise zulässig ist, wenn sich ergibt, daß eine Entschädigung durch Dritte nicht möglich ist. Unter diesen Umständen genügt die blosse Vermutung, daß die Erzeuger sich in einer allgemein beklagenswerten finanziellen Lage befinden, wie die Kommission anscheinend geltend macht, nicht für den Nachweis, daß die Rückforderung praktisch unmöglich im Sinne des Urteils in der Rechtssache Deutsche Milchkontor ist.

36 Schließlich weist die Kommission auf das Urteil vom 20. März 1997 in der Rechtssache C-24/95 (Alcan Deutschland, Slg. 1997, I-1591, Randnr. 50) hin, das eine rechtswidrig gewährte staatliche Beihilfe betrifft und in dem der Gerichtshof entschieden hat, daß der Einwand des Wegfalls der Bereicherung die gemeinschaftsrechtlich gebotene Rückforderung praktisch unmöglich machen würde.

37 Diese im Rahmen des Artikels 93 EG-Vertrag getroffene Feststellung lässt sich jedoch nicht auf die Rückforderung zu Unrecht gezahlter Gemeinschaftsbeihilfen übertragen. Wie sich aus den Nummern 47 bis 51 der Schlussanträge des Generalanwalts ergibt, sind diese beiden Sachverhalte nämlich unterschiedlich gelagert; insbesondere fehlt bei den Gemeinschaftsbeihilfen im Bereich der gemeinsamen Agrarpolitik der den nationalen Unternehmen eingeräumte Wettbewerbsvorteil, der die staatlichen Beihilfen kennzeichnet.

38 Nach alledem ist auf die Vorabentscheidungsfrage zu antworten, daß das Gemeinschaftsrecht grundsätzlich einer nationalen Regelung nicht entgegensteht, die den Ausschluß der Rückforderung zu Unrecht gezahlter Gemeinschaftsbeihilfen zulässt und hierfür auf Kriterien wie den Wegfall der Bereicherung abstellt, wenn

- der Empfänger bereits zum Zeitpunkt der Bewilligung der Beihilfe den sich daraus ergebenden Vermögensvorteil durch die Zahlung des nach Gemeinschaftsrecht vorgesehenen Richtpreises weitergegeben hat und

- ein eventueller Regressanspruch gegen seine Lieferanten wertlos wäre.

Dies setzt jedoch voraus,

- daß zunächst der gute Glaube des Empfängers nachgewiesen ist und

- daß insoweit die gleichen Voraussetzungen gelten wie bei der Rückforderung rein nationaler finanzieller Leistungen.

Kostenentscheidung:

Kosten

39 Die Auslagen der deutschen Regierung und der Kommission, die vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien der Ausgangsverfahren ist das Verfahren ein Zwischenstreit in den bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreitigkeiten; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

(Fünfte Kammer)

auf die ihm vom Verwaltungsgericht Frankfurt am Main mit Beschluß vom 27. August 1996 vorgelegte Frage für Recht erkannt:

Das Gemeinschaftsrecht steht grundsätzlich einer nationalen Regelung nicht entgegen, die den Ausschluß der Rückforderung zu Unrecht gezahlter Gemeinschaftsbeihilfen zulässt und hierfür auf Kriterien wie den Wegfall der Bereicherung abstellt, wenn

- der Empfänger bereits zum Zeitpunkt der Bewilligung der Beihilfe den sich daraus ergebenden Vermögensvorteil durch die Zahlung des nach Gemeinschaftsrecht vorgesehenen Richtpreises weitergegeben hat und

- ein eventueller Regressanspruch gegen seine Lieferanten wertlos wäre.

Dies setzt jedoch voraus,

- daß zunächst der gute Glaube des Empfängers nachgewiesen ist und

- daß insoweit die gleichen Voraussetzungen gelten wie bei der Rückforderung rein nationaler finanzieller Leistungen.

Ende der Entscheidung

Zurück