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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 29.02.1996
Aktenzeichen: C-300/94
Rechtsgebiete: Verordnung (EWG) Nr. 3033/80 vom 11. November 1980, EG-Vertrag


Vorschriften:

Verordnung (EWG) Nr. 3033/80 vom 11. November 1980 Artikel 5
EG-Vertrag Artikel 177
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Während des Zeitraums der Anwendbarkeit des Protokolls Nr. 2 zur Akte über den Beitritt Spaniens und Portugals auf die Kanarischen Inseln fiel der bewegliche Teilbetrag der Abgabe auf landwirtschaftliche Verarbeitungserzeugnisse im Sinne von Artikel 5 der Verordnung Nr. 3033/80 zur Festlegung der Handelsregelung für bestimmte aus landwirtschaftlichen Erzeugnissen hergestellte Waren unter die allgemeine Regelung des Artikels 1 Absätze 1 und 3 dieses Protokolls, wonach alle Waren mit Ursprung auf den Kanarischen Inseln bei ihrer Abfertigung zum freien Verkehr im Zollgebiet der Gemeinschaft den gemeinschaftlichen Zollbestimmungen für den Aussenhandel unterlagen und für sie nicht die Zollbefreiung gemäß Artikel 2 des Protokolls für Waren mit Ursprung auf den Kanarischen Inseln bei ihrer Abfertigung zum freien Verkehr in dem Teil Spaniens galt, der zum Zollgebiet der Gemeinschaft gehört.

Denn der Begriff "Zölle", der Gegenstand der Ausnahme von der genannten allgemeinen Regel ist, ist eng und im Lichte des Artikels 1 Absatz 2 Buchstabe d der Verordnung Nr. 2144/87 über die Zollschuld auszulegen, aus dessen Wortlaut klar hervorgeht, daß "Zölle" einen Unterbegriff des Begriffes "Eingangsabgaben" darstellen, der als allgemeiner Begriff auch die "Abschöpfungen" und sonstigen bei der Einfuhr erhobenen Abgaben umfasst, die im Rahmen der gemeinsamen Agrarpolitik und aufgrund der auf bestimmte landwirtschaftliche Verarbeitungserzeugnisse anwendbaren spezifischen Regelungen vorgesehen sind.


Urteil des Gerichtshofes (Erste Kammer) vom 29. Februar 1996. - Tirma SA gegen Administración General del Estado. - Ersuchen um Vorabentscheidung: Tribunal Superior de Justicia de Andalucía - Spanien. - Protokoll Nr. 2 zur Beitrittsakte Spaniens und Portugals - Kanarische Inseln - Zollgebiet der Gemeinschaft - Landwirtschaftliche Verarbeitungserzeugnisse - Befreiung von Zöllen - Artikel 5 der Verordnung (EWG) Nr. 3033/80 - Variabler oder beweglicher Teilbetrag. - Rechtssache C-300/94.

Entscheidungsgründe:

1 Das Tribunal Superior de Justicia Andalusien hat mit Beschluß vom 23. September 1994, beim Gerichtshof eingegangen am 9. November 1994, gemäß Artikel 177 EG-Vertrag eine Frage nach der Auslegung der Verordnung (EWG) Nr. 3033/80 des Rates vom 11. November 1980 zur Festlegung der Handelsregelung für bestimmte aus landwirtschaftlichen Erzeugnissen hergestellte Waren (ABl. L 323, S. 1) in bezug auf den beweglichen Teilbetrag der Abgabe auf aus landwirtschaftlichen Erzeugnissen hergestellte Waren zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2 Diese Frage stellt sich in einem Rechtsstreit der Tirma SA (Klägerin) gegen die Zollverwaltung Cádiz um die Entrichtung des beweglichen Teilbetrags der Zölle aufgrund der Verordnung Nr. 3033/80.

3 Gemäß Artikel 5 Absatz 1 der Verordnung Nr. 3033/80 unterliegt die Einfuhr aus landwirtschaftlichen Erzeugnissen hergestellter Waren in die Gemeinschaft einer Abgabe, die sich zusammensetzt aus einem Wertzoll, der den festen Teilbetrag dieser Abgabe darstellt, und einem beweglichen Teilbetrag, mit dem für die Mengen der betreffenden Grunderzeugnisse, von denen unterstellt wird, daß sie bei der Herstellung der Waren verwendet worden sind, die Auswirkung der Unterschiede zwischen den Preisen dieser Erzeugnisse in der Gemeinschaft und ihren Preisen bei der Einfuhr aus dritten Ländern ausgeglichen werden soll, wenn die Gesamtkosten dieser Grunderzeugnismengen in der Gemeinschaft höher sind.

4 Das Protokoll Nr. 2 zur Akte über den Beitritt des Königreichs Spanien und der Portugiesischen Republik (ABl. 1985, L 302, S. 400; im folgenden: Protokoll) bestimmt in Artikel 1 Absatz 3, daß die Rechtsakte der Gemeinschaftsorgane über Zollbestimmungen für den Aussenhandel unter denselben Bedingungen für den Warenverkehr zwischen dem Zollgebiet der Gemeinschaft und den Kanarischen Inseln gelten, sofern in dem Protokoll nichts anderes bestimmt ist. Artikel 1 Absatz 5 enthält die gleiche Regelung für die unter Anhang II des EWG-Vertrags fallenden Erzeugnisse, sofern in der Beitrittsakte einschließlich des Protokolls nicht etwas anderes bestimmt ist.

5 Gemäß Artikel 2 Absätze 1 und 2 des Protokolls sind Waren mit Ursprung auf den Kanarischen Inseln bei ihrer Abfertigung zum freien Verkehr in dem Teil Spaniens, der zum Zollgebiet der Gemeinschaften gehört, von Zöllen befreit.

6 Nach Artikel 1 Absatz 2 Buchstabe d der Verordnung (EWG) Nr. 2144/87 des Rates vom 13. Juli 1987 über die Zollschuld (ABl. L 201, S. 15), nunmehr Artikel 4 Nr. 10 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (ABl. L 302, S. 1), umfassen Eingangsabgaben "Zölle, Abgaben gleicher Wirkung, Abschöpfungen und sonstige bei der Einfuhr erhobene Abgaben, die im Rahmen der gemeinsamen Agrarpolitik oder aufgrund der auf bestimmte landwirtschaftliche Verarbeitungserzeugnisse anwendbaren spezifischen Regelungen vorgesehen sind".

7 1989 führte die Klägerin bestimmte Partien "caramelos" (Karamellen) von den Kanarischen Inseln ein, die zum freien Verkehr im Zollgebiet der Gemeinschaft abgefertigt werden sollten und für die die Zollverwaltung Cádiz die Entrichtung des beweglichen Teilbetrags der Zölle im Sinne der Verordnung Nr. 3033/80 verlangte.

8 Die Klägerin legte gegen die Berechnungen der Zollverwaltung Einsprüche ein, die mit vier Entscheidungen des Tribunal Económico Administrativo Regional Andalusien vom 2. und 12. Dezember 1991 zurückgewiesen wurden. Das Tribunal war der Ansicht, daß der bewegliche Teilbetrag der Zölle auf landwirtschaftliche Verarbeitungserzeugnisse den Währungsausgleichsbeträgen der gemeinsamen Agrarpolitik entspreche, so daß Artikel 5 Absatz 1 der Verordnung Nr. 3033/80 auf die Einfuhr von Karamellen von den Kanarischen Inseln in das Zollgebiet der Gemeinschaft anwendbar sei.

9 Die Klägerin war der Ansicht, daß der Grundsatz des freien Warenverkehrs auf den innergemeinschaftlichen Handelsverkehr der Kanarischen Inseln anwendbar sei, soweit Artikel 1 und 2 des Protokolls keine Ausnahmen vorsähen. Diese Ausnahmen erfassten die landwirtschaftlichen Verarbeitungserzeugnisse nicht, da diese nicht in Anhang II des Vertrages aufgeführt seien. Sie legte daher gegen diese Entscheidungen beim Tribunal Superior de Justicia Andalusien ein Verwaltungsrechtsmittel ein.

10 Das vorlegende Gericht ist der Ansicht, daß die Rechtssache ein Problem der Auslegung des Gemeinschaftsrechts aufwirft; es hat daher das Verfahren ausgesetzt und den Gerichtshof um Vorabentscheidung über folgende Frage ersucht:

Findet auf den beweglichen Teilbetrag der Zölle für landwirtschaftliche Verarbeitungserzeugnisse gemäß den Gemeinschaftsverordnungen (EWG) Nr. 3033/80, 3034/80 und 3035/80 die Regelung in Artikel 1 Absatz 5 des Protokolls Nr. 2 zur Akte über den Beitritt Spaniens und Portugals Anwendung, obwohl diese Verarbeitungserzeugnisse nicht unter Anhang II des Vertrages fallen, oder wird auf sie die Ausnahme des Artikels 2 des Protokolls Nr. 2 zur Beitrittsakte angewandt, oder aber gilt, wenn auf den beweglichen Teilbetrag keine der beiden Alternativen anwendbar ist, für den Handelsverkehr mit landwirtschaftlichen Verarbeitungserzeugnissen zwischen den Kanarischen Inseln und dem Zollgebiet der Gemeinschaft das Grundprinzip des freien Warenverkehrs?

11 Die Kanarischen Inseln gehörten bis zum Inkrafttreten der Verordnung (EWG) Nr. 1911/91 des Rates vom 26. Juni 1991 über die Anwendung der Vorschriften des Gemeinschaftsrechts auf die Kanarischen Inseln (ABl. L 171, S. 1) nicht zum Zollgebiet der Gemeinschaft, so daß das Protokoll auf sie anwendbar war.

12 Wie der Generalanwalt in den Nummern 2 und 5 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, sind die in Rede stehenden Karamellen, die als Zuckerwaren ohne Kakaogehalt anzusehen sind, weiter nicht im Verzeichnis der unter Anhang II des Vertrages fallenden landwirtschaftlichen Erzeugnisse aufgeführt, auf die sich Artikel 1 Absatz 5 des Protokolls bezieht.

13 Das Protokoll sieht in Artikel 1 Absätze 1, 2 und 3 vor, daß alle Waren mit Ursprung auf den Kanarischen Inseln bei ihrer Abfertigung zum freien Verkehr im Zollgebiet der Gemeinschaft den gemeinschaftlichen Zollbestimmungen für den Aussenhandel und somit der Verordnung Nr. 3033/80 unterliegen, die die Handelsregelung für bestimmte aus landwirtschaftlichen Erzeugnissen hergestellte Waren enthält, sofern im Protokoll selbst nichts anderes bestimmt ist.

14 Als Vorschrift, die "in diesem Protokoll... etwas anderes bestimmt", sieht Artikel 2 Absätze 1 und 2 des Protokolls eine Befreiung von "Zöllen" für Waren mit Ursprung auf den Kanarischen Inseln bei ihrer Abfertigung zum freien Verkehr in dem Teil Spaniens vor, der zum Zollgebiet der Gemeinschaft gehört.

15 Der Begriff "Zölle", der Gegenstand der Ausnahme von der allgemeinen Regel des Artikels 1 Absätze 1, 2 und 3 des Protokolls ist, ist eng und im Lichte des Artikels 1 Absatz 2 Buchstabe d der Verordnung Nr. 2144/87 auszulegen. Aus dem Wortlaut dieser Bestimmung geht klar hervor, daß "Zölle" einen Unterbegriff des Begriffes "Eingangsabgaben" darstellen, der als allgemeiner Begriff auch die "Abschöpfungen" und sonstigen bei der Einfuhr erhobenen Abgaben umfasst, die im Rahmen der gemeinsamen Agrarpolitik oder aufgrund der auf bestimmte landwirtschaftliche Verarbeitungserzeugnisse anwendbaren spezifischen Regelungen vorgesehen sind.

16 Im übrigen soll durch den beweglichen Teilbetrag im Sinne des Artikels 5 der Verordnung Nr. 3033/80 "für die Mengen der betreffenden Grunderzeugnisse, von denen unterstellt wird, daß sie bei der Herstellung der Waren verwendet worden sind, die Auswirkung der Unterschiede zwischen den Preisen dieser Erzeugnisse in der Gemeinschaft und ihren Preisen bei der Einfuhr aus dritten Ländern ausgeglichen werden, wenn die Gesamtkosten dieser Grunderzeugnismengen in der Gemeinschaft höher sind".

17 Dieser bewegliche Teilbetrag entspricht daher den Abschöpfungen des Artikels 1 Absatz 2 Buchstabe d der Verordnung Nr. 2144/87, mit denen in diesem Bereich genau wie bei anderen früheren Verordnungen bezweckt ist, die Märkte zu stabilisieren (vgl. in diesem Sinn Urteil vom 22. Januar 1976 in der Rechtssache 60/75, Russo, Slg. 1976, 45).

18 Daher schließt die Befreiung von "Zöllen" im Sinne von Artikel 2 Absätze 1 und 2 nicht den beweglichen Teilbetrag der Abgabe im Sinne von Artikel 5 der Verordnung Nr. 3033/80 ein.

19 Auf die Frage des Tribunal Superior de Justicia Andalusien ist daher zu antworten, daß der bewegliche Teilbetrag der Abgabe auf landwirtschaftliche Verarbeitungserzeugnisse im Sinne von Artikel 5 der Verordnung Nr. 3033/80 unter die Regelung des Artikels 1 Absätze 1 und 3 des Protokolls, nicht aber unter die Befreiung nach Artikel 2 dieses Protokolls fällt.

Kostenentscheidung:

Kosten

20 Die Auslagen der spanischen Regierung und der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, die vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem nationalen Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

auf die ihm vom Tribunal Superior de Justicia Andalusien mit Beschluß vom 23. September 1994 vorgelegte Frage für Recht erkannt:

Der bewegliche Teilbetrag der Abgabe auf landwirtschaftliche Verarbeitungserzeugnisse im Sinne von Artikel 5 der Verordnung (EWG) Nr. 3033/80 des Rates vom 11. November 1980 zur Festlegung der Handelsregelung für bestimmte aus landwirtschaftlichen Erzeugnissen hergestellte Waren fällt unter die Regelung des Artikel 1 Absätze 1 bis 3 des Protokolls Nr. 2 zur Akte über den Beitritt des Königreichs Spanien und der Portugiesischen Republik, nicht aber unter die Befreiung nach Artikel 2 dieses Protokolls.

Ende der Entscheidung

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