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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 12.12.1996
Aktenzeichen: C-302/95
Rechtsgebiete: EG-Vertrag, Richtlinie 91/271


Vorschriften:

EG-Vertrag Art. 169
Richtlinie 91/271 Art. 19 Abs. 1
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Im Rahmen eines Verfahrens nach Artikel 169 des Vertrages ist das Vorliegen einer Vertragsverletzung anhand der Situation zu beurteilen, in der sich der Mitgliedstaat bei Ablauf der Frist, die in der mit Gründen versehenen Stellungnahme festgesetzt wurde, befand; später eingetretene Veränderungen können vom Gerichtshof nicht berücksichtigt werden.


Urteil des Gerichtshofes (Fünfte Kammer) vom 12. Dezember 1996. - Kommission der Europäischen Gemeinschaften gegen Italienische Republik. - Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats - Richtlinie 91/271/EWG - Behandlung von kommunalem Abwasser. - Rechtssache C-302/95.

Entscheidungsgründe:

1 Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften hat mit Klageschrift, die am 25. September 1995 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 169 EG-Vertrag Klage erhoben auf Feststellung, daß die Italienische Republik dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus der Richtlinie 91/271/EWG des Rates vom 21. Mai 1991 über die Behandlung von kommunalem Abwasser (ABl. L 135, S. 40) und dem EG-Vertrag verstossen hat, daß sie die erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften, um dieser Richtlinie nachzukommen, nicht erlassen oder jedenfalls der Kommission nicht mitgeteilt hat.

2 Gemäß Artikel 19 Absatz 1 der Richtlinie 91/271 hatten die Mitgliedstaaten die erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften zu erlassen, um ihr bis zum 30. Juni 1993 nachzukommen, und die Kommission unverzueglich davon in Kenntnis zu setzen.

3 Da die Kommission keine Mitteilung über Maßnahmen zur Umsetzung der Richtlinie 91/271 in die italienische Rechtsordnung erhalten hatte und auch über keine anderen Informationen verfügte, aus denen sie schließen konnte, daß die Italienische Republik ihren Verpflichtungen nachgekommen war, forderte sie die Italienische Republik mit Schreiben vom 9. August 1993 auf, sich innerhalb von zwei Monaten zu äussern. Dieses Schreiben enthielt den Hinweis, daß die italienische Regierung auch dann, wenn sie der Ansicht sein sollte, daß die in Kraft befindlichen nationalen Vorschriften bereits mit der Richtlinie 91/271 in Einklang stuenden, diese der Kommission mitteilen müssten.

4 Da dieses Aufforderungsschreiben unbeantwortet blieb, übersandte die Kommission der Italienischen Republik gemäß Artikel 169 des Vertrages eine mit Gründen versehene Stellungnahme vom 27. Dezember 1994, mit der sie sie aufforderte, die zur Erfuellung der Verpflichtungen aus der Richtlinie 91/271 erforderlichen Maßnahmen innerhalb von zwei Monaten nach der Übermittlung der Stellungnahme zu treffen.

5 Da die italienische Regierung auf diese mit Gründen versehene Stellungnahme nicht antwortete, hat die Kommission die vorliegende Klage erhoben.

6 Die italienische Regierung trägt in ihrer Klagebeantwortung vor, das in der Richtlinie 91/271 behandelte Gebiet sei in Italien im Gesetz Nr. 319 vom 10. Mai 1976 zum Schutz des Wassers gegen Verunreinigung (im folgenden: Gesetz Nr. 319/76) geregelt. Die in der Richtlinie vorgesehenen Hauptmaßnahmen zur Verhinderung der Beeinträchtigung der Umwelt und speziell der Wasserquellen seien in diesem Gesetz bereits enthalten. Die Durchführung der Bestimmungen dieses Gesetzes erfolge durch Vorschriften der Regionen, die für das Wasserrecht die Gesetzgebungs- und Verwaltungszuständigkeit hätten.

7 Die italienische Regierung räumt jedoch ein, daß die vollständige Umsetzung der Richtlinie 91/271 noch eine Anpassung dieser innerstaatlichen Vorschriften erfordere, insbesondere hinsichtlich der Bestimmungen in den Anhängen der Richtlinie. Diese Umsetzung dürfte aber innerhalb kürzester Zeit durch den Erlaß eines Decreto-legge erfolgen.

8 Die italienische Regierung fügt hinzu, für die Übergangszeit bis zur endgültigen Durchführung der Richtlinie 91/271 habe sie die Regionen durch Decreto-legge Nr. 79 vom 17. März 1995 (GURI Nr. 132 vom 8. Juni 1995) aufgefordert, die Grundsätze und Kriterien dieser Richtlinie bei den Durchführungsvorschriften im Bereich der Einleitungen in die öffentliche Kanalisation und der Einleitungen privater Einrichtungen, die nicht in die öffentliche Kanalisation flössen, zu beachten. Unter diesen Umständen sei die Italienische Republik der Ansicht, daß sie ihrer Umsetzungspflicht zumindest teilweise nachgekommen sei, und verpflichte sich zur vollständigen Umsetzung der Richtlinie 91/271.

9 Die Kommission macht in ihrer Erwiderung geltend, das Gesetz Nr. 319/76 und das Decreto-legge, von denen die italienische Regierung gesprochen habe, stellten keine Maßnahmen zur Umsetzung der Richtlinie 91/271 dar. Im Gesetz Nr. 319/76 in seiner geänderten Fassung würden nämlich nur Grundregeln über Einleitungen aufgestellt, und es bleibe den Regionen und Provinzen überlassen, sowohl die ergänzende Regelung zu schaffen als auch die im Gesetz vorgesehenen Kriterien und allgemeinen Vorschriften anzuwenden. Ausserdem seien ihr die regionalen Regelungen zur Durchführung dieses Gesetzes nicht mitgeteilt worden; folglich könne sie sich nicht vergewissern, daß die Italienische Republik die Richtlinie eingehalten habe.

10 Hierzu ist festzustellen, daß die Italienische Republik nicht bestreitet, daß sie bei Ablauf der in der Richtlinie 91/271 festgelegten Frist nicht die erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften erlassen hatte, um ihr nachzukommen.

11 Was die durch das Decreto-legge Nr. 79 vom 17. März 1995, das die Regionen zur Beachtung der Grundsätze und Kriterien der Richtlinie 91/271 verpflichtet, vorgenommenen Änderungen des Gesetzes Nr. 319/76 anbelangt, so räumt die italienische Regierung ein, daß die vollständige Umsetzung noch weitere Maßnahmen erfordere.

12 Diese 1995 vorgenommenen Änderungen können bei der Prüfung des Vorliegens einer Vertragsverletzung ohnehin nicht berücksichtigt werden. Das Decreto-legge Nr. 79 vom 17. März 1995 ist nämlich nach Ablauf der Frist von zwei Monaten erlassen worden, die in der mit Gründen versehenen Stellungnahme, die der italienischen Regierung nach den Akten spätestens am 11. Januar 1995 übermittelt wurde, gewährt worden war.

13 Nach ständiger Rechtsprechung ist das Vorliegen einer Vertragsverletzung aber anhand der Situation zu beurteilen, in der sich der Mitgliedstaat bei Ablauf der Frist, die in der mit Gründen versehenen Stellungnahme festgesetzt wurde, befand; später eingetretene Veränderungen können vom Gerichtshof nicht berücksichtigt werden (vgl. u. a. Urteil vom 17. September 1996 in der Rechtssache C-289/94, Kommission/Italien, Slg. 1996, I-0000, Randnr. 20).

14 Folglich ist festzustellen, daß die Italienische Republik dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Artikel 19 der Richtlinie 91/271 verstossen hat, daß sie nicht die erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften erlassen hat, um dieser Richtlinie nachzukommen.

Kostenentscheidung:

Kosten

15 Gemäß Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Die Kommission hat die Verurteilung der Italienischen Republik zur Tragung der Kosten beantragt. Da die Italienische Republik mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr die Kosten aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1. Die Italienische Republik hat dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Artikel 19 der Richtlinie 91/271/EWG des Rates vom 21. Mai 1991 über die Behandlung von kommunalem Abwasser verstossen, daß sie nicht die erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften erlassen hat, um dieser Richtlinie nachzukommen.

2. Die Italienische Republik trägt die Kosten des Verfahrens.

Ende der Entscheidung

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