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Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 21.03.1991
Aktenzeichen: C-305/89
Rechtsgebiete: EWGV, Entscheidung 89/661/EWG vom 31.05.1989
Vorschriften:
EWGV Art. 92 | |
EWGV Art. 92 Abs. 1 | |
EWGV Art. 92 Abs. 3 | |
EWGV Art. 93 Abs. 2 | |
EWGV Art. 222 | |
Entscheidung 89/661/EWG vom 31.05.1989 |
1. Bei der Feststellung, ob eine Beihilfe als staatliche Beihilfe im Sinne des Artikels 92 Absatz 1 EWG-Vertrag angesehen werden kann, ist nicht danach zu unterscheiden, ob sie unmittelbar durch den Staat oder durch von ihm zur Durchführung der Beihilferegelung errichtete oder beauftragte öffentliche oder private Einrichtungen gewährt wird.
2. Bei der Feststellung, ob Kapitalzuweisungen der öffentlichen Hand, in welcher Form auch immer, an Unternehmen den Charakter staatlicher Beihilfen im Sinne von Artikel 92 EWG-Vertrag haben, ist zu prüfen, ob ein privater Investor von vergleichbarer Grösse wie die Verwaltungseinrichtungen des öffentlichen Sektors in vergleichbarer Lage hätte veranlasst werden können, Kapitalhilfen dieses Umfangs zu gewähren.
Bei dem Verhalten des privaten Investors, mit dem die Intervention des wirtschaftspolitische Ziele verfolgenden öffentlichen Investors verglichen werden muß, muß es sich nicht zwangsläufig um das Verhalten eines gewöhnlichen Investors handeln, der Kapital zum Zweck seiner mehr oder weniger kurzfristigen Rentabilisierung anlegt, sondern wenigstens um das Verhalten einer privaten Holding oder einer privaten Unternehmensgruppe, die eine globale oder sektorale Strukturpolitik verfolgt und sich von längerfristigen Rentabilitätsaussichten leiten lässt.
3. Sofern ein Unternehmen in einem Sektor tätig ist, der durch überschüssige Produktionskapazitäten gekennzeichnet ist und in dem ein tatsächlicher Wettbewerb zwischen Herstellern aus verschiedenen Mitgliedstaaten stattfindet, ist jede Beihilfe, die diesem Unternehmen von der öffentlichen Hand gewährt wird, geeignet, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen und den Wettbewerb zu verfälschen, da das Aufrechterhalten dieses Unternehmens auf dem Markt die Mitbewerber aus den anderen Mitgliedstaaten daran hindert, ihren Marktanteil zu vergrössern, und ihre Möglichkeiten, ihre Ausfuhren in den betreffenden Mitgliedstaat zu erhöhen, verringert.
4. Die Pflicht zur Rückforderung einer für rechtswidrig erklärten staatlichen Beihilfe ist die logische Folge der Feststellung ihrer Rechtswidrigkeit durch die Kommission.
URTEIL DES GERICHTSHOFES VOM 21. MAERZ 1991. - ITALIENISCHE REPUBLIK GEGEN KOMMISSION DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN. - STAATLICHE BEIHILFEN - EINBRINGUNG VON KAPITAL - KRAFTFAHRZEUGSEKTOR. - RECHTSSACHE C-305/89.
Entscheidungsgründe:
1 Die Italienische Republik hat mit Klageschrift, die am 5. Oktober 1989 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 173 Absatz 1 EWG-Vertrag beantragt, die Entscheidung 89/661/EWG der Kommission vom 31. Mai 1989 über eine Beihilfe der italienischen Regierung an Alfa Romeo (Unternehmen im Kraftfahrzeugsektor) (ABl. L 394, S. 9) für nichtig zu erklären.
2 Artikel 1 dieser Entscheidung lautet:
"Die Beihilfe in Form von Kapitaleinlagen in Höhe von insgesamt 615,1 Milliarden LIT, die von der italienischen Regierung durch die staatlichen Holdinggesellschaften IRI und Finmeccanica zugunsten von Alfa Romeo gewährt wurde, ist gemäß Artikel 92 Absatz 1 EWG-Vertrag mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar, da sie entgegen den Verfahrensvorschriften des Artikels 93 Absatz 3 vergeben wurde. Die Beihilfe ist auch deshalb mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar, weil sie die Voraussetzungen für die Ausnahmeregelung nach Artikel 92 Absatz 3 nicht erfuellt."
3 Artikel 2 Absatz 1 dieser Entscheidung bestimmt:
"Die italienische Regierung ist gehalten, die in Artikel 1 genannten Beihilfen abzuschaffen und somit Finmeccanica aufzufordern, sie innerhalb von zwei Monaten nach der Bekanntgabe dieser Entscheidung zurückzuzahlen."
4 In den Begründungserwägungen der streitigen Entscheidung führt die Kommission aus, daß Alfa Romeo, der zweitgrösste italienische Kfz-Hersteller, der zu der öffentlichen Holding IRI (Istituto per la ricostruzione industriale, Institut für den industriellen Wiederaufbau) gehöre, während der auf die erste Erdölkrise 1973/74 folgenden vierzehn Jahre regelmässig Verluste verzeichnet habe. Der im Jahre 1980 beschlossene strategische Zehnjahresplan habe sich als unwirksam erwiesen und habe Ende 1983/Anfang 1984 geändert werden müssen, was eine drastische Verschlechterung der Finanzergebnisse in den Jahren 1984/85 nicht verhindert habe. Ein neuer, 1984/85 beschlossener dreijähriger Investitionsplan habe nicht dazu beigetragen, die grundlegenden strukturellen Probleme der Gesellschaft zu lösen, die in überschüssigen Produktionskapazitäten sowie in hohen Produktions- und Allgemeinkosten bestanden hätten.
5 Auf ein Auskunftsersuchen der Kommission bestätigte die italienische Regierung im November 1986, daß Alfa Romeo von Finmeccanica und IRI im Jahre 1985 206,2 Milliarden LIT zugewiesen worden seien, um die 1984 und im ersten Halbjahr 1985 entstandenen Verluste zu decken. Die Mittel stammten aus Haushaltsmitteln, die den Einrichtungen zugunsten der zur Verwaltung der staatlichen Beteiligungen, unter anderem dem IRI, aufgrund des Haushaltsgesetzes 1985 Nr. 887/84 vom 22. Dezember 1984 (GURI 1984, Nr. 356, Suppl. ord.) zur Verfügung gestellt worden waren und deren Aufteilung Gegenstand einer Entscheidung des Comitato interministeriale per la programmazione economica (interministerieller Ausschuß für die Wirtschaftsplanung, CIPE) vom 3. April 1985 war (GURI 1985, Nr. 163).
6 Am 29. Juli 1987 leitete die Kommission ein Verfahren nach Artikel 93 Absatz 2 EWG-Vertrag ein. Während dieses Verfahrens stellte sie fest, daß weitere 408,9 Milliarden LIT Kapital für Alfa Romeo von Finmeccanica bereitgestellt worden waren. Die Mittel stammten aus Anleihen, die IRI aufgrund des Decreto-legge Nr. 547/85 vom 19. Oktober 1985 (GURI 1985, Nr. 248), umgewandelt durch das Gesetz Nr. 749 vom 20. Dezember 1985 (GURI 1985, Nr. 299), durch das die öffentlichen Einrichtungen (darunter IRI) ermächtigt wurden, Schuldverschreibungen auszugeben, deren Zinsen zu Lasten des Staates gingen und deren Ertrag am 28. November 1985 vom CIPE aufgeteilt wurde (GURI 1986, Nr. 6), sowie aufgrund des Haushaltsgesetzes Nr. 41/86 für 1986 vom 28. Februar 1986 (GURI 1986, Nr. 49, Suppl. ord. Nr. 1) aufgenommen hatte.
7 Am 10. Mai 1988 erweiterte die Kommission das 1987 eröffnete Verfahren, um auch die in dieser zweiten Bereitstellung von Kapital enthaltenen Beihilfeelemente zu erfassen.
8 Im November 1986 führten die Schritte, die seit Anfang des Jahres im Hinblick auf eine Veräusserung der Kfz-Tätigkeiten des Alfa-Romeo-Konzerns an einen anderen Kfz-Hersteller unternommen worden waren, zu einem Kaufvertrag zwischen Finmeccanica und Fiat, aufgrund dessen alle Aktiva von Alfa Romeo mit einem Gesamtwert von 1 024,6 Milliarden LIT an Fiat übertragen wurden. Fiat übernahm über eine neue Gesellschaft namens Alfa-Lancia, deren Eigentümer sie ist,
die Verantwortung für die Finanzverbindlichkeiten des ehemaligen Alfa-Romeo-Konzerns in Höhe von 700 Milliarden LIT. Die noch verbleibenden Aktiva und Passiva, die nicht von Fiat übernommen wurden, wurden an Finmeccanica übertragen.
9 Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts, des Verfahrensablaufs und des Vorbringens der Parteien wird auf den Sitzungsbericht verwiesen. Der Akteninhalt ist im folgenden nur insoweit wiedergegeben, als die Begründung des Urteils dies erfordert.
10 Die Italienische Republik stützt ihre Klage auf eine Reihe von Gründen, mit denen sie das Nichtvorliegen einer staatlichen Beihilfe im Sinne von Artikel 92 Absatz 1 EWG-Vertrag geltend macht. Hilfsweise führt sie verschiedene Gründe für das angeblich rechtswidrige Verhalten der Kommission sowie für die Vereinbarkeit der Beihilfen mit dem Gemeinsamen Markt an. Schließlich beanstandet sie, daß die Verpflichtung, die Beihilfen zurückzuzahlen, Finmeccanica auferlegt worden sei.
Zum Nichtvorliegen einer den Wettbewerb beeinträchtigenden staatlichen Beihilfe im Sinne von Artikel 92 Absatz 1 EWG-Vertrag
11 Die Italienische Republik führt dazu drei Gründe an: Es handele sich um keine staatlichen Kapitaleinlagen, man habe es mit dem normalen Verhalten eines privaten Investors zu tun und der innergemeinschaftliche Wettbewerb sei nicht beeinträchtigt.
12 Zum ersten macht die Italienische Republik geltend, die Kommission sehe die fraglichen Kapitaleinlagen zu Unrecht als staatliche Beihilfen an, obwohl sie auf von IRI oder Finmeccanica getroffenen autonomen Entscheidungen wirtschaftlicher Natur beruhten. Die Kommission habe insbesondere nicht dargetan, daß die vom Staat für IRI durch Gesetz bereitgestellten Haushaltsmittel für die Kapitaleinlagen verwandt worden seien.
13 Nach ständiger Rechtsprechung (siehe insbesondere Urteil vom 2. Februar 1988 in den verbundenen Rechtssachen 67/85, 68/85 und 70/85, Van der Kooy, Slg. 1988, 219, Randnr. 35) ist nicht danach zu unterscheiden, ob die Beihilfe unmittelbar durch den Staat oder durch von ihm zur Durchführung der Beihilferegelung errichtete oder beauftragte öffentliche oder private Einrichtungen gewährt wird. In der vorliegenden Rechtssache wird aus den Akten mehrfach deutlich, daß Kapitaleinlagen das Ergebnis einer dem italienischen Staat zuzurechnenden Verhaltensweise sind.
14 Insoweit ist festzustellen, daß der italienische Staat nach dem Decreto legislativo Nr. 51 vom 12. Februar 1948, das das neue Statut des IRI enthält (GURI 1948, Nr. 44) und durch das Gesetz Nr. 561 vom 17. April 1956 (GURI 1956, Nr. 156) ratifiziert wurde, dem IRI einen Ausstattungsfonds zugewiesen hat und daß IRI im übrigen das Kapital von Finmeccanica kontrolliert. Ausserdem bestellt die italienische Regierung die Mitglieder des Leitungsorgans von IRI, das seinerseits die Mitglieder des Leitungsorgans von Finmeccanica bestellt. Schließlich ist darauf hinzuweisen, daß IRI zwar gehalten ist, nach wirtschaftlichen Kriterien vorzugehen, jedoch keine volle Autonomie besitzt, da es sich an die Richtlinien des CIPE halten muß. Aus diesen Gesichtspunkten, im Zusammenhang betrachtet, ergibt sich, daß IRI und Finmeccanica im wesentlichen unter der Kontrolle des italienischen Staates tätig werden.
15 Selbst wenn die IRI oder Finmeccanica zugewiesenen Mittel nicht speziell für die fraglichen Kapitaleinlagen verwendet worden wären, könnte nicht bezweifelt werden, daß die streitigen Kapitaleinlagen mit Hilfe öffentlicher Mittel, die für wirtschaftliche Interventionen bestimmt waren, vorgenommen worden sind.
16 Diese Feststellungen lassen den Schluß zu, daß die streitigen Kapitaleinlagen das Ergebnis eines Verhaltens des italienischen Staates sind und somit unter den Begriff der staatlichen Beihilfen im Sinne von Artikel 92 Absatz 1 EWG-Vertrag fallen können.
17 Die Italienische Republik wirft der Kommission zweitens vor, nicht angegeben zu haben, weshalb die streitigen Kapitaleinlagen für einen privaten Investor unter Berücksichtigung der besonderen Merkmale des betroffenen Sektors und der fraglichen Investitionen nicht akzeptabel gewesen wären. Zwar stelle in einem gemischtwirtschaftlichen System die Bereitstellung eines Ausstattungsfonds für Verwaltungseinrichtungen des öffentlichen Sektors durch den Staat eine wirtschaftspolitische Entscheidung dar; die Interventionen von Einrichtungen wie IRI oder von Gesellschaften wie Finmeccanica richteten sich jedoch nach langfristigen Rentabilitätsgesichtspunkten unter Berücksichtigung der sektoralen Besonderheiten. Die Kommission habe dadurch, daß sie die Kapitaleinlagen als staatliche Beihilfen angesehen habe, weil die Mittel aus öffentlichen Zuwendungen stammten, gegen Artikel 222 EWG-Vertrag verstossen.
18 Nach ständiger Rechtsprechung können Kapitalzuweisungen der öffentlichen Hand, in welcher Form auch immer, an Unternehmen staatliche Beihilfen darstellen, wenn die Voraussetzungen des Artikels 92 EWG-Vertrag erfuellt sind.
19 Um festzustellen, ob solche Maßnahmen den Charakter staatlicher Beihilfen haben, ist zu prüfen, ob ein privater Investor von vergleichbarer Grösse wie die Verwaltungseinrichtungen des öffentlichen Sektors in vergleichbarer Lage hätte veranlasst werden können, Kapitalhilfen dieses Umfangs zu gewähren.
20 Bei dem Verhalten des privaten Investors, mit dem die Intervention des wirtschaftspolitische Ziele verfolgenden öffentlichen Investors verglichen werden muß, muß es sich nicht zwangsläufig um das Verhalten eines gewöhnlichen Investors handeln, der Kapital zum Zweck seiner mehr oder weniger kurzfristigen Rentabilisierung anlegt, sondern wenigstens um das Verhalten einer privaten Holding oder einer privaten Unternehmensgruppe, die eine globale oder sektorale Strukturpolitik verfolgt und sich von längerfristigen Rentabilitätsaussichten leiten lässt.
21 Im vorliegenden Fall ergibt sich aus den Akten, daß Alfa Romeo seit dem ersten Erdölschock der Jahre 1973 und 1974 insbesondere aufgrund überschüssiger Produktionskapazitäten und zu hoher Produktionskosten ständig Betriebsverluste erlitten hat, die in den Jahren 1979 bis 1986 den Gesamtbetrag von 1 484,5 Milliarden LIT erreichten. Angesichts der Verschlechterung der Finanzergebnisse von Alfa Romeo in den Jahren 1984 und 1985, die in einer raschen Erhöhung der Verluste während dieser Jahre, einer Erhöhung der Nettoverschuldung und einer negativen Bruttofinanzierungsmarge bestanden, konnte die Kommission zu Recht zu der Auffassung gelangen, daß ein privater Investor, und zwar auch ein im Rahmen eines Konzerns in einem weiten wirtschaftlichen Zusammenhang tätiger, unter normalen marktwirtschaftlichen Bedingungen selbst längerfristig nicht mit einer annehmbaren Rentabilität des investierten Kapitals, das 1986 die Gesamtsumme von 1 387,5 Milliarden LIT erreicht hat, hätte rechnen können.
22 Die Italienische Republik kann sich nicht darauf berufen, daß die Kapitaleinlagen an die Durchführung eines Umstrukturierungsplans des Unternehmens gebunden gewesen seien, da der 1980 beschlossene Zehnjahres-Investitionsplan sich trotz einer Änderung 1983/84 zu dem Zeitpunkt, als die streitigen Kapitaleinlagen vorgenommen wurden, als zur Sanierung der finanziellen Lage der Firma Alfa Romeo ungeeignet erwies. In Ermangelung eines wirklichen Umstrukturierungsplans, der insbesondere eine Verringerung der im gesamten Kfz-Sektor bestehenden überschüssigen Produktionskapazitäten, eine Verbesserung der Produktivität der verbleibenden Kapazitäten und eine deutliche Senkung der Herstellungskosten vorsah, konnte die Kommission zu Recht davon ausgehen, daß die streitigen Kapitaleinlagen nur dazu bestimmt waren, die Schulden des begünstigten Unternehmens zu begleichen, um sein Überleben sicherzustellen.
23 Unter diesen Umständen durfte die Kommission zu Recht annehmen, daß ein privater Investor, selbst wenn er eine langfristige Gesamtpolitik verfolgte und keine sofortige Rentabilität erstrebte, unter normalen marktwirtschaftlichen Bedingungen nicht bereit gewesen wäre, die von Finmeccanica vorgenommenen Kapitaleinlagen zu gewähren; sie durfte diese Einlagen somit zu Recht als staatliche Beihilfen ansehen.
24 Die Kommission hat auch nicht dadurch gegen Artikel 222 EWG-Vertrag, wonach dieser Vertrag die Eigentumsordnung in den verschiedenen Mitgliedstaaten unberührt lässt, verstossen, daß sie die Kapitaleinlagen, die der italienische Staat Alfa Romeo über die öffentliche Einrichtung IRI und die Gesellschaft Finmeccanica gewährt hat, als mit dem Gemeinsamen Markt nicht zu vereinbarende Beihilfen angesehen hat. Indem sie unter diesen Umständen die durch eine öffentliche Einrichtung vorgenommenen Kapitaleinlagen als mit dem
Gemeinsamen Markt nicht zu vereinbarende Beihilfe behandelt hat, hat sie die Ordnung des öffentlichen Eigentums keineswegs verletzt, sondern lediglich öffentliche und private Eigentümer eines Unternehmens gleich behandelt.
25 Die Italienische Republik trägt schließlich vor, die gewährten Kapitaleinlagen hätten den innergemeinschaftlichen Wettbewerb nicht beeinträchtigt. Der Anteil von Alfa Romeo am Gemeinschaftsmarkt sei unbedeutend, und die streitigen Interventionen hätten keine Verringerung der Marktanteile der Konkurrenzunternehmen bewirkt.
26 Sofern jedoch ein Unternehmen in einem Sektor tätig ist, der durch überschüssige Produktionskapazitäten gekennzeichnet ist und in dem ein tatsächlicher Wettbewerb zwischen Herstellern aus verschiedenen Mitgliedstaaten stattfindet, ist jede Beihilfe, die diesem Unternehmen von der öffentlichen Hand gewährt wird, geeignet, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen und den Wettbewerb zu verfälschen, da das Aufrechterhalten dieses Unternehmens auf dem Markt die Mitbewerber daran hindert, ihren Marktanteil zu vergrössern, und ihre Möglichkeiten, ihre Ausfuhren zu erhöhen, verringert. Insoweit genügt der Hinweis, daß der Anteil von Alfa Romeo allein am italienischen Markt im Jahre 1986 14,6 % betrug.
27 Daraus folgt, daß die streitigen Kapitalhilfen geeignet waren, den innergemeinschaftlichen Wettbewerb zu beeinträchtigen.
28 Deshalb ist das Hauptvorbringen der Italienischen Republik, es liege keine den Wettbewerb beeinträchtigende staatliche Beihilfe im Sinne von Artikel 92 Absatz 1 EWG-Vertrag vor, zurückzuweisen.
Zur Rechtswidrigkeit des Verhaltens der Kommission
29 Zum angeblich rechtswidrigen Verhalten der Kommission führt die Italienische Republik aus, die Kommission sei lange Zeit untätig geblieben, habe den Gleichheitsgrundsatz verletzt und die streitige Entscheidung nicht begründet.
30 Was den Vorwurf betrifft, die Kommission habe das Verfahren nach Artikel 93 Absatz 2 EWG-Vertrag erst im Juli 1987 eröffnet, während das Haushaltsgesetz, das Haushaltsmittel zugunsten von IRI vorgesehen habe, 1984 erlassen worden sei, ist festzustellen, daß - wie die Kommission zu Recht im Verfahren geltend gemacht hat - diese Verspätungen auf dem Verhalten der Italienischen Republik beruhten, die die Beihilfen nicht schon während des Planungsstadiums angemeldet und im administrativen Prüfungsverfahren nicht aktiv mitgearbeitet hat. Dieser Vorwurf ist somit unbegründet.
31 Dasselbe gilt für die Rüge, es bestehe ein Widerspruch zwischen der Haltung der Kommission im vorliegenden Verfahren und derjenigen, die sie im Hinblick auf gleichartige Maßnahmen im EGKS-Bereich eingenommen habe. Das auf den EGKS-Vertrag gestützte Vorbringen ist nämlich, wie die Kommission vorträgt, im Bereich der Artikel 92 und 93 EWG-Vertrag unerheblich. Die Italienische Republik hat sich ohnehin nicht auf die besonderen Verfahrensregeln über die Beihilfen zugunsten der EGKS-Umstellungsreviere berufen.
32 Hinsichtlich des Vorwurfs, die Kommission habe den Gleichbehandlungsgrundsatz verletzt, indem sie die der Firma Alfa Romeo gewährten Beihilfen beanstandet, anderen europäischen Kfz-Herstellern gewährte Beihilfen jedoch als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar angesehen habe, ergibt sich aus den Akten, daß die Kommission in den von der Italienischen Republik herangezogenen Fällen das Vorliegen von Umstrukturierungsprogrammen berückichtigt hat, die bedeutende, in einem angemessenen Verhältnis zum Betrag der Beihilfen stehende Senkungen der Produktionskapazitäten vorsahen. Da im Falle von Alfa Romeo ein solcher Umstrukturierungsplan, der eine Weiterführung der Tätigkeiten des Unternehmens unter normalen Wettbewerbsbedingungen gewährleistet hätte, nicht vorlag, hat die Kommission bei ihrer wirtschaftlichen Beurteilung der Vereinbarkeit der Beihilfen mit dem Gemeinsamen Markt den Gleichbehandlungsgrundsatz nicht verletzt.
33 Auch der Klagegrund der mangelnden Begründung der angefochtenen Entscheidung ist zurückzuweisen. Die Begründungserwägungen enthalten eine ausführliche Darlegung der Gründe, die die Kommission veranlasst haben zu entscheiden, daß die fraglichen Kapitalbeihilfen mit dem Gemeinsamen Markt nicht zu vereinbarende Beihilfen darstellten.
Zur Vereinbarkeit der Beihilfen mit dem Gemeinsamen Markt
34 Die Italienische Republik vertritt weiter die Auffassung, die streitigen Beihilfen seien mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar, da sie an einen Umstrukturierungsplan gebunden seien und die Voraussetzungen von Artikel 92 Absatz 3 Buchstaben a und c EWG-Vertrag erfuellten.
35 Zu dem Vorwurf, die Kommission habe die Kapitaleinlagen nicht als die Umstrukturierung und Veräusserung von Alfa Romeo flankierende Hilfen angesehen, ist, wie die Kommission zu Recht bemerkt hat, festzustellen, daß die fraglichen Kapitaleinlagen Sanierungsbeihilfen darstellten, die nicht die in der Mitteilung der Kommission an die Mitgliedstaaten vom 24. Januar 1979 genannten Voraussetzungen erfuellten, weil sie insbesondere nicht an ein Umstrukturierungsprogramm gebunden waren. Soweit geltend gemacht wird, zwischen den Kapitaleinlagen und der späteren Übernahme sowie der Umstrukturierung von Alfa Romeo durch Fiat bestehe ein Zusammenhang, genügt die Feststellung, daß dieses Argument nicht durchgreift, da die Kapitalhilfen ohne Zusammenhang mit irgendeinem Übernahme- oder Umstrukturierungsplan gewährt worden sind.
36 Die Italienische Republik trägt ferner vor, die fraglichen Beihilfen fielen unter Artikel 92 Absatz 3 Buchstabe a, da sie zur Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung von Gebieten - hier des Mezzogiorno - bestimmt seien, in denen eine erhebliche Unterbeschäftigung herrsche, oder unter Artikel 92 Absatz 3 Buchstabe c, da sie zur Förderung der Entwicklung gewisser Wirtschaftszweige oder Wirtschaftsgebiete bestimmt seien. Diesem Vorbringen kann nicht gefolgt werden, da die beanstandeten Kapitalhilfen, wie die Kommission zu Recht in der streitigen Entscheidung ausgeführt hat, Sanierungsbeihilfen darstellten, die mangels eines wirklichen Umstrukturierungsplans nicht geeignet waren, das Ziel einer dauerhaften Entwicklung von Gebieten, in denen eine erhebliche Unterbeschäftigung herrscht, oder gewisser Wirtschaftszweige oder Wirtschaftsgebiete zu erreichen.
37 Unter diesen Umständen ist auch das Hilfsvorbringen der Italienischen Republik, das Verhalten der Kommission sei rechtswidrig und die Beihilfen seien mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar, zurückzuweisen.
Zur Rückzahlung der streitigen Beihilfen
38 Die Italienische Republik führt aus, Artikel 93 Absatz 2 EWG-Vertrag fordere nicht die Rückzahlung der Beihilfe, sondern ermächtige die Kommission allenfalls, diese Sanktion auszusprechen, vorausgesetzt, daß sie sie begründe und beweise, daß sie zur Wiederherstellung der Marktlage erforderlich sei. Im vorliegenden Fall sei die Finmeccanica auferlegte Verpflichtung, die fragliche Beihilfe zurückzuzahlen, nicht begründet worden und auch nicht geeignet, das Gleichgewicht des Marktes wiederherzustellen.
39 Die Rüge der mangelnden Begründung greift nicht durch. Die Kommission legt nämlich in Abschnitt XI der Begründungserwägungen der angefochtenen Entscheidung im einzelnen die Gründe dar, die sie veranlasst haben, die Rückzahlung der Beihilfe von Finmeccanica als der Gesellschaft zu fordern, die für alle Schulden von Alfa Romeo, die über die von Fiat übernommenen Verpflichtungen hinausgingen, haftet und Alleinbegünstigte aller Erlöse aus der Veräusserung ihrer Vermögenswerte ist.
40 Zu dem Argument der Italienischen Republik, die Verpflichtung zur Rückzahlung der Beihilfe habe nicht Finmeccanica auferlegt werden dürfen, die das fragliche Unternehmen an einen Wirtschaftsteilnehmer des privaten Sektors veräussert habe, genügt es, festzustellen, daß Finmeccanica als Holding, zu der Alfa Romeo zur entscheidungserheblichen Zeit gehörte, als durch die streitigen Beihilfen Begünstigte anzusehen ist. Als solche ist sie verpflichtet, die Beihilfen zurückzuzahlen.
41 Zu dem Argument, durch eine Rückforderung könne das Gleichgewicht des Marktes nicht wiederhergestellt werden, ist darauf hinzuweisen, daß nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes (siehe zuletzt Urteil vom 21. März 1990 in der Rechtssache C-142/87, Kommission/Belgien, Slg. 1990, 959, Randnr. 66) die Aufhebung einer rechtswidrigen Beihilfe durch Rückforderung die logische Folge der Feststellung ihrer Rechtswidrigkeit ist.
42 Nach alledem ist auch das Vorbringen, die Finmeccanica auferlegte Verpflichtung, die streitigen Beihilfen zurückzuzahlen, sei rechtswidrig, zurückzuweisen.
43 Da keiner der von der Italienischen Republik geltend gemachten Klagegründe durchgreift, ist die Klage abzuweisen.
Kostenentscheidung:
Kosten
44 Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung hat die unterliegende Partei die Kosten zu tragen. Da die Italienische Republik mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr die Kosten aufzuerlegen.
Tenor:
Aus diesen Gründen
hat
DER GERICHTSHOF
für Recht erkannt und entschieden:
1) Die Klage wird abgewiesen.
2) Die Italienische Republik trägt die Kosten des Verfahrens.
Ende der Entscheidung
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