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Gericht: Europäischer Gerichtshof
Beschluss verkündet am 21.12.1995
Aktenzeichen: C-307/95
Rechtsgebiete: EG-Vertrag
Vorschriften:
EG-Vertrag Art. 177 |
Die Notwendigkeit, zu einer für das nationale Gericht sachdienlichen Auslegung des Gemeinschaftsrechts zu gelangen, gebietet es, daß dieses Gericht den tatsächlichen und rechtlichen Rahmen umreisst, in den sich die gestellten Fragen einfügen, oder daß es zumindest die tatsächlichen Annahmen erläutert, auf denen diese Fragen beruhen.
Insoweit sollen die in den Vorlageentscheidungen erteilten Informationen und gestellten Fragen nicht nur dazu dienen, dem Gerichtshof sachdienliche Antworten zu erlauben, sondern auch den Regierungen der Mitgliedstaaten und den anderen Beteiligten die Möglichkeit geben, gemäß Artikel 20 der Satzung des Gerichtshofes Erklärungen abzugeben.
Der Gerichtshof hat in Anbetracht der Tatsache, daß den Beteiligten nach der vorgenannten Vorschrift nur die Vorlageentscheidungen zugestellt werden, dafür zu sorgen, daß diese Möglichkeit erhalten bleibt.
Das Ersuchen eines vorlegenden Gerichts, dessen Vorlagebeschluß keine klaren Fragen enthält, erlaubt es nicht, zuverlässig die Fragen zu erkennen, zu denen es eine Vorabentscheidung des Gerichtshofes wünscht, und keine ausreichenden Angaben enthält, um den vorgenannten Anforderungen zu genügen, ist daher offensichtlich unzulässig, da es dem Gerichtshof nicht ermöglicht, eine sachdienliche Auslegung des Gemeinschaftsrechts zu geben.
Beschluss des Gerichtshofes vom 21. Dezember 1995. - Max Mara Fashion Group Srl gegen Ufficio del Registro di Reggio Emilia. - Ersuchen um Vorabentscheidung: Commissione tributaria di primo grado di Reggio Emilia - Italien. - Vorabentscheidungsersuchen - Unzulässigkeit. - Rechtssache C-307/95.
Entscheidungsgründe:
1 Die Commissione tributaria di primo grado Reggio Emilia ersucht mit Beschluß vom 15. Juni 1995, beim Gerichtshof eingegangen am 27. September 1995, gemäß Artikel 177 EG-Vertrag um Auslegung der Richtlinie 69/335/EWG des Rates vom 17. Juli 1969 betreffend die indirekten Steuern auf die Ansammlung von Kapital (ABl. L 249, S. 25) in der durch die Richtlinie 85/303/EWG des Rates vom 10. Juni 1985 (ABl. L 156, S. 23) geänderten Fassung.
2 Das vorlegende Gericht ist mit einem Rechtsstreit zwischen der Max Mara Fashion Group Srl (im folgenden: Max Mara) und dem Ufficio del registro di Reggio Emilia befasst. Max Mara verlangt u. a. die Rückzahlung von 2 388 722 000 LIT, die sie am 30. März 1990 als Eintragungsgebühr für Fusionsverträge gezahlt hatte.
3 Nach Mitteilung des vorlegenden Gerichts macht die Klägerin geltend, daß "aus den Bestimmungen der genannten Richtlinien insgesamt klar hervorgeht, daß keine Gesellschaftsteuer gefordert werden kann, wenn eine Kapitalgesellschaft bei einer anderen eine Einlage leistet, eine Situation, die auch beim Zusammenschluß von Gesellschaften gegeben ist".
4 Mit Schreiben vom 10. November 1995, beim Gerichtshof eingegangen am 13. November 1995, führt das vorlegende Gericht in Ergänzung des Vorlagebeschlusses aus, es ersuche den Gerichtshof, ihm die Hinweise zu geben, die es ihm erlaubten, der Klage möglicherweise stattzugeben, indem er angebe, ob die Besteuerungsgrundlagen der Gesellschaftsteuer im Steuerrecht der verschiedenen Mitgliedstaaten harmonisiert seien. Das Gericht scheint sich sodann die Frage nach der unmittelbaren Wirkung der Gemeinschaftsrichtlinien zu stellen, insbesondere danach, ob der in Italien anwendbare Gesellschaftsteuersatz mit den einschlägigen Richtlinien vereinbar ist.
5 Es ist daran zu erinnern, daß der Gerichtshof nach Artikel 177 EG-Vertrag nicht befugt ist, im Wege der Vorabentscheidung über die Auslegung der Vorschriften des innerstaatlichen Rechts zu befinden. Die Zuständigkeit des Gerichtshofes beschränkt sich auf die Prüfung der Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts (vgl. insbesondere Urteile vom 19. März 1964 in der Rechtssache 75/63, Unger, Slg. 1964, 347, und vom 18. Oktober 1990 in den verbundenen Rechtssachen C-297/88 und C-197/89, Dzodzi, Slg. 1990, I-3763).
6 Die Notwendigkeit, zu einer für das nationale Gericht sachdienlichen Auslegung des Gemeinschaftsrechts zu gelangen, gebietet es nach ständiger Rechtsprechung, daß dieses Gericht den tatsächlichen und rechtlichen Rahmen umreisst, in den sich die gestellten Fragen einfügen, oder daß es zumindest die tatsächlichen Annahmen erläutert, auf denen diese Fragen beruhen (vgl. insbesondere Urteil vom 26. Januar 1993 in den verbundenen Rechtssachen C-320/90, C-321/90 und C-322/90, Telemarsicabruzzo u. a., Slg. 1993, I-393, Randnr. 6; Beschlüsse vom 19. März 1993 in der Rechtssache C-157/92, Banchero, Slg. 1993, I-1085, Randnr. 4, vom 23. März 1995 in der Rechtssache C-458/93, Saddik, Slg. 1995, I-511, Randnr. 12, und vom 7. April 1995 in der Rechtssache C-167/94, Grau Gomis u. a., Slg. 1995, I-1023, Randnr. 8).
7 Hierzu ist zu bemerken, daß die in den Vorlageentscheidungen erteilten Informationen und gestellten Fragen nicht nur dazu dienen sollen, dem Gerichtshof sachdienliche Antworten zu erlauben, sondern auch den Regierungen der Mitgliedstaaten und den anderen Beteiligten die Möglichkeit geben sollen, gemäß Artikel 20 der EG-Satzung des Gerichtshofes Erklärungen abzugeben.
8 Der Gerichtshof hat in Anbetracht der Tatsache, daß den Beteiligten nach der vorgenannten Vorschrift nur die Vorlageentscheidungen zugestellt werden, dafür zu sorgen, daß diese Möglichkeit erhalten bleibt (Urteil vom 1. April 1982 in den verbundenen Rechtssachen 141/81, 142/81 und 143/81, Holdijk u. a., Slg. 1982, 1299, Randnr. 6, und Beschlüsse Saddik, Randnr. 13, und Grau Gomis u. a., Randnr. 10, a. a. O.).
9 Es ist festzustellen, daß der Vorlagebeschluß keine an den Gerichtshof gerichteten klaren Fragen enthält, daß er es nicht erlaubt, zuverlässig die Fragen zu erkennen, zu denen das vorlegende Gericht eine Vorabentscheidung des Gerichtshofes wünscht, und daß er keine ausreichenden Angaben enthält, um den vorgenannten Anforderungen zu genügen. Der Vorlagebeschluß ermöglicht es dem Gerichtshof daher nicht, eine sachdienliche Auslegung des Gemeinschaftsrechts zu geben.
10 Unter diesen Umständen ist gemäß den Artikeln 92 und 103 der Verfahrensordnung schon in diesem Verfahrensstadium festzustellen, daß das Ersuchen des vorlegenden Gerichts offensichtlich unzulässig ist.
Kostenentscheidung:
Kosten
11 Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.
Tenor:
Aus diesen Gründen
hat
DER GERICHTSHOF
beschlossen:
Das von der Commissione tributaria di primo grado Reggio Emilia mit Beschluß vom 15. Juni 1995 vorgelegte Vorabentscheidungsersuchen ist unzulässig.
Luxemburg, den 21. Dezember 1995
Ende der Entscheidung
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