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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 29.04.2004
Aktenzeichen: C-308/01
Rechtsgebiete: Sechste Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage, EGV, Section 31 des Value Added Tax Act (Mehrwertsteuergesetz) 1994 (Vereinigtes Königreich), Sections 48 bis 74 des Finance Act 1994 (Vereinigtes Königreich), Section 21 des Finance Act 1997 (Vereinigtes Königreich)


Vorschriften:

Sechste Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage Art. 13 Teil B Buchst. a
Sechste Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage Art. 27
Sechste Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage Art. 33 Abs. 1
EGV Art. 87
EGV Art. 88
Section 31 des Value Added Tax Act (Mehrwertsteuergesetz) 1994 (Vereinigtes Königreich)
Sections 48 bis 74 des Finance Act 1994 (Vereinigtes Königreich) Part III
Section 21 des Finance Act 1997 (Vereinigtes Königreich)
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Urteil des Gerichtshofes (Fünfte Kammer) vom 29. April 2004. - GIL Insurance Ltd und andere gegen Commissioners of Customs & Excise. - Ersuchen um Vorabentscheidung: VAT and Duties Tribunal, London - Vereinigtes Königreich. - Sechste Mehrwertsteuerrichtlinie - Versicherungsprämiensteuer - Erhöhter Satz für bestimmte Versicherungsverträge - Versicherungen im Zusammenhang mit der Vermietung oder dem Verkauf von Haushaltsgeräten - Staatliche Beihilfen. - Rechtssache C-308/01.

Parteien:

In der Rechtssache C-308/01

betreffend ein dem Gerichtshof nach Artikel 234 EG vom VAT and Duties Tribunal, London (Vereinigtes Königreich), in den bei diesem anhängigen Rechtsstreitigkeiten

GIL Insurance Ltd,

UK Consumer Electronics Ltd,

Consumer Electronics Insurance Co. Ltd,

Direct Vision Rentals Ltd,

Homecare Insurance Ltd,

Pinnacle Insurance plc

gegen

Commissioners of Customs & Excise

vorgelegtes Ersuchen um Vorabentscheidung über die Auslegung der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1) und der Artikel 87 EG und 88 EG

erlässt

DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Richters C. W. A. Timmermans in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Fünften Kammer sowie der Richter A. Rosas (Berichterstatter) und S. von Bahr,

Generalanwalt: L. A. Geelhoed,

Kanzler: M. Múgica Arzamendi, Hauptverwaltungsrätin,

unter Berücksichtigung der schriftlichen Erklärungen

- der Gil Insurance Ltd, der UK Consumer Electronics Ltd, der Consumer Electronics Insurance Co. Ltd, der Direct Vision Rentals Ltd, der Homecare Insurance Ltd und der Pinnacle Insurance plc, vertreten durch D. Vaughan, QC, C. McDonnell, Barrister, und C. Simpson, Barrister, beauftragt durch P. Steiner und S. Ager, Solicitors,

- der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch J. E. Collins als Bevollmächtigten im Beistand von K. P. E. Lasok, QC, A. Robertson und T. Ward, Barristers,

- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch R. Lyal und J. Flett als Bevollmächtigte,

aufgrund des Sitzungsberichts,

nach Anhörung der mündlichen Ausführungen der Gil Insurance Ltd, der UK Consumer Electronics Ltd, der Consumer Electronics Insurance Co. Ltd, der Direct Vision Rentals Ltd, der Homecare Insurance Ltd und der Pinnacle Insurance plc, vertreten durch D. Vaughan, C. McDonnell und C. Simpson, des Königreichs der Niederlande, vertreten durch S. Terstal als Bevollmächtigte, der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch R. Caudwell als Bevollmächtigte und K. P. E. Lasok, und der Kommission, vertreten durch R. Lyal und J. Flett, in der Sitzung vom 19. Juni 2003,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom

18. September 2003,

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

1. Mit Beschluss vom 24. Juli 2001, beim Gerichtshof eingegangen am 6. August 2001, hat das VAT and Duties Tribunal London gemäß Artikel 234 EG fünf Fragen nach der Auslegung der Artikel 27 und 33 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1, im Folgenden: Sechste Richtlinie) und der Artikel 87 EG und 88 EG zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2. Diese Fragen stellen sich in Rechtsstreitigkeiten zwischen der GIL Insurance und weiteren wie sie im Vereinigten Königreich gegründeten Gesellschaften einerseits und den Commissioners of Customs and Excise (für die Mehrwertsteuer zuständige Behörde) andererseits über die Erhebung einer Versicherungsprämiensteuer auf Versicherungsverträge im Zusammenhang mit bestimmten Dienstleistungen, die mit einem höheren als dem für sonstige Versicherungsprämien geltenden Satz angesetzt wird.

Rechtlicher Rahmen

Gemeinschaftsrecht

3. Artikel 13 Teil B Buchstabe a der Sechsten Richtlinie bestimmt:

Unbeschadet sonstiger Gemeinschaftsvorschriften befreien die Mitgliedstaaten unter den Bedingungen, die sie zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehungen, Steuerumgehungen und etwaigen Missbräuchen festsetzen, von der Steuer:

a) die Versicherungs und Rückversicherungsumsätze einschließlich der dazugehörigen Dienstleistungen, die von Versicherungsmaklern und vertretern erbracht werden.

4. In Artikel 27 Absätze 1 und 2 der Sechsten Richtlinie heißt es:

(1) Der Rat kann auf Vorschlag der Kommission einstimmig jeden Mitgliedstaat ermächtigen, von dieser Richtlinie abweichende Sondermaßnahmen einzuführen, um die Steuererhebung zu vereinfachen oder Steuerhinterziehungen oder umgehungen zu verhüten. Die Maßnahmen zur Vereinfachung der Steuererhebung dürfen den Betrag der im Stadium des Endverbrauchs fälligen Steuer nur in unerheblichem Maße beeinflussen.

(2) Der Mitgliedstaat, der die in Absatz 1 bezeichneten Maßnahmen einführen möchte, befasst die Kommission damit...

5. Schließlich bestimmt Artikel 33 Absatz 1 der Sechsten Richtlinie:

Unbeschadet anderer Gemeinschaftsbestimmungen, insbesondere der geltenden Gemeinschaftsbestimmungen über das allgemeine System, den Besitz, die Beförderung und die Kontrolle von verbrauchsteuerpflichtigen Waren, hindern die Bestimmungen dieser Richtlinie einen Mitgliedstaat nicht daran, Abgaben auf Versicherungsverträge, Abgaben auf Spiele und Wetten, Verbrauchsteuern, Grunderwerbsteuern sowie ganz allgemein alle Steuern, Abgaben und Gebühren, die nicht den Charakter von Umsatzsteuern haben, beizubehalten oder einzuführen, sofern diese Steuern, Abgaben und Gebühren im Verkehr zwischen den Mitgliedstaaten nicht mit Formalitäten beim Grenzübergang verbunden sind.

Nationales Recht

6. Nach Section 31 und Group 2 des Anhangs 9 des Value Added Tax Act (Mehrwertsteuergesetz) 1994, die im Vereinigten Königreich Artikel 13 Teil B Buchstabe a der Sechsten Richtlinie umsetzen, ist die Erbringung von Versicherungsdienstleistungen und damit zusammenhängenden Dienstleistungen im Vereinigten Königreich von der Mehrwertsteuer befreit.

7. 1994 wurde im Vereinigten Königreich eine Versicherungsprämiensteuer (Insurance Premium Tax, im Folgenden: IPT) zum Satz von 2,5 % eingeführt (Part III, Sections 48 bis 74 des Finance Act [Finanzgesetz] 1994). Die IPT ist eine Steuer auf die Einnahme von Prämien im Rahmen von Versicherungsverträgen durch einen Versicherer oder einen steuerpflichtigen Versicherungsvertreter.

8. Gemäß Section 21 des Finance Act 1997 wurde der Regelsatz der IPT von 2,5 % auf 4 % erhöht und ein neuer, so genannter erhöhter Satz der IPT in Höhe von 17,5 % eingeführt.

9. Allgemein gilt der Regelsatz. Der erhöhte Satz, der zur Zeit des Sachverhalts des Ausgangsverfahrens dem Regelsatz der Mehrwertsteuer im Vereinigten Königreich entsprach, gilt nur für Versicherungsprämien für Haushaltsgeräte, Kraftfahrzeuge und Reisen.

10. In Bezug auf Reisen gilt der erhöhte Satz nur für die über ein Reisebüro abgeschlossenen Reiseversicherungen. Für unmittelbar durch die Versicherer abgeschlossene Reiseversicherungen gilt der Regelsatz. Im Urteil R gegen Commissioners of Customs and Excise, ex parte Lunn Poly Limited and another, [1999] STC 350, entschied der Court of Appeal (England & Wales) (Civil Division) (Vereinigtes Königreich), dass unterschiedliche Steuersätze für Reiseversicherungen eine staatliche Beihilfe im Sinne des Artikels 87 Absatz 1 EG darstellten.

11. In den Akten finden sich keine näheren Angaben zur Geltung des erhöhten IPTSatzes für Kraftfahrzeuge.

12. Bei Haushaltsgeräten gilt der erhöhte Satz nur, wenn eine Verbindung zwischen dem Versicherer und dem Lieferanten des Gerätes besteht oder die Versicherung über den Lieferanten abgeschlossen wird oder dieser eine Provision für den Abschluss eines Versicherungsvertrags erhält. Für vergleichbare Versicherungen, die über einen Versicherungsmakler oder unmittelbar durch die Versicherungsgesellschaft abgeschlossen werden, gilt dagegen der Regelsatz.

13. Insbesondere hinsichtlich des Haushaltsgerätesektors sind die Umstände von Bedeutung, unter denen der erhöhte IPTSatz eingeführt worden ist.

14. Die IPT wurde 1994 für grundsätzlich alle Versicherungsverträge zu einem Einheitssatz eingeführt. Das Ziel dieser Steuer war es, dem Hang namentlich der Lieferanten von Haushaltsgeräten entgegenzuwirken, der Mehrwertsteuer zum Regelsatz von 17,5 % unterliegende Verträge über die Dienstleistungen der Reparatur und Wartung vermieteter oder verkaufter Geräte nach und nach durch zu den Miet oder Kaufverträgen akzessorische Versicherungsverträge zu ersetzen, um in den Genuss der Mehrwertsteuerbefreiung für Versicherungsumsätze zu kommen.

15. Die Einführung der IPT zu einem sehr viel niedrigeren Satz als dem Mehrwertsteuerregelsatz vermochte diese Tendenz jedoch nicht umzukehren. So wurden 1994 Versicherungen gegen mechanische Fehler von Haushaltsgeräten ganz überwiegend über die Lieferanten dieser Geräte abgeschlossen. Diese Versicherungen werden als verbundene Versicherungen bezeichnet. Nur ein geringer Teil der Versicherungen wurde unmittelbar zwischen Versicherern und Verbrauchern abgeschlossen.

16. Dies hatte für die Finanzverwaltung Mehrwertsteuermindereinnahmen zur Folge, weshalb 1997 ein zweiter, nur für die im Rahmen von verbundenen Versicherungsverträgen vereinnahmten Prämien geltender IPTSatz in Höhe des Mehrwertsteuerregelsatzes eingeführt wurde. Als Grund für die Einführung des erhöhten Satzes wurde die Verhinderung von Wertverlagerungen (valueshifting) angegeben, da die Lieferanten von Haushaltsgeräten nach Ansicht der Finanzverwaltung durch die Manipulation der Preise der Geräte und der dazugehörigen Versicherungen Vorteile aus der Mehrwertsteuerbefreiung für die Erbringung von Versicherungsdienstleistungen ziehen konnten.

17. Diese Maßnahme bewirkte eine Änderung des Verhaltens der Lieferanten, die sich hinsichtlich der gelieferten Geräte wieder gewöhnlicher Dienstleistungsverträge bedienten. Außerdem stieg der Anteil der Direktversicherungen.

Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

18. Die im Ausgangsverfahren klagenden Gesellschaften (im Folgenden: Klägerinnen) sind im Vereinigten Königreich tätig und erbringen Versicherungsdienstleistungen oder damit zusammenhängende Dienstleistungen in Bezug auf Haushaltsgeräte. Einige von ihnen sind Versicherungsgesellschaften. Die übrigen sind Vermietungs und Einzelhandelsgesellschaften, die als steuerpflichtige Versicherungsvertreter auftreten. Die Beklagten des Ausgangsverfahrens sind die Commissioners of Customs and Excise, die für die Verwaltung, die Erhebung und die Rückerstattung der IPT und der Mehrwertsteuer im Vereinigten Königreich zuständig sind.

19. Die Klägerinnen entrichteten den erhöhten IPTSatz für zusammen mit dem Kauf oder der Vermietung von Haushaltsgeräten abgeschlossene Versicherungen. Nach dem Urteil des Court of Appeal in der Rechtssache R gegen Commissioners of Customs and Excise, ex parte Lunn Poly Ltd and another forderten sie von den Beklagten die Erstattung der von ihnen gezahlten Beträge. Nachdem diese Forderungen zurückgewiesen wurden, erhoben die Klägerinnen Klage beim vorlegenden Gericht.

20. Vor diesem Gericht machen die Klägerinnen geltend, der erhöhte Satz sei auf sie nicht anwendbar, und fordern die Erstattung der zum erhöhten IPTSatz gezahlten Beträge mit folgenden Argumenten:

- Der erhöhte Satz sei eine von der Sechsten Richtlinie abweichende Sondermaßnahme und bedürfe deshalb einer vorherigen Ermächtigung nach Artikel 27, die weder beantragt noch erteilt worden sei;

- der erhöhte Satz könne als nach Artikel 33 der Sechsten Richtlinie verbotene Umsatzsteuer eingestuft werden;

- der Unterschied zwischen dem Regelsatz und dem erhöhten Satz der IPT stelle eine staatliche Beihilfe im Sinne des Artikels 87 EG dar, von der die Kommission der Europäischen Gemeinschaften nicht gemäß Artikel 88 EG unterrichtet worden sei.

21. Die Beklagten des Ausgangsverfahrens treten diesen Behauptungen entgegen.

22. Das vorlegende Gericht hat deshalb das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Ist Artikel 27 der Sechsten Richtlinie dahin auszulegen, dass die vorherige Ermächtigung durch den Rat der Europäischen Union vor Einführung eines erhöhten Satzes der Versicherungsprämiensteuer erforderlich war, mit der die Befreiung für Versicherungsdienstleistungen nach Artikel 13 der Richtlinie aufgehoben werden sollte, deren Satz dem Mehrwertsteuerregelsatz entsprach, die in derselben Weise gehandhabt wurde wie die Mehrwertsteuer und die gemeinsam mit der Mehrwertsteuer Teil eines untrennbaren Ganzen sein sollte, wenn weder eine Steuerhinterziehung noch eine Steuerumgehung vorlag?

2. Ist Artikel 33 der Sechsten Richtlinie dahin auszulegen, dass ein Mitgliedstaat daran gehindert ist, eine Steuer auf Versicherungsprämien einzuführen, die anhand der erbrachten Dienstleistungen berechnet wird, die proportional zum Preis der erbrachten Dienstleistungen ist, die auf der letzten Stufe des Verkaufs an den Verbraucher in Rechnung gestellt wird, die in einer für die Mehrwertsteuer charakteristischen Weise auf den Endverbraucher abgewälzt wird, so dass dieser die Steuerlast zu tragen hat, und die im gesamten Hoheitsgebiet des Vereinigten Königreichs angewandt wird, aber nicht allgemein für alle Umsätze mit Gegenständen und Dienstleistungen gilt?

3. Ist Artikel 87 Absatz 1 EG dahin auszulegen, dass eine Beihilfe nur dann den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigt, wenn sie eine nennenswerte Auswirkung auf den Handel zwischen Mitgliedstaaten hat oder haben kann? Welches sind bejahendenfalls die Kriterien für die Feststellung, ob eine Maßnahme eine derartige Auswirkung hat?

4. Ist Artikel 87 Absatz 1 EG dahin auszulegen, dass eine Beihilfe den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigt, wenn als Folge dieser Beihilfe a) Händler in einem Mitgliedstaat ihre Einfuhren dieser Gegenstände aus anderen Mitgliedstaaten reduzieren oder b) bei einem Händler, der in einem Mitgliedstaat Haushaltsgeräte an Kunden vermietet, eine Reihe von Mietverträgen beendet wird und er diese Geräte in einem anderen Mitgliedstaat veräußert oder c) Versicherungsgesellschaften in einem Mitgliedstaat, die Versicherungen in Verbindung mit dem Verkauf von Haushaltsgeräten anbieten, Wettbewerbsnachteile gegenüber Gesellschaften haben, die Versicherungen direkt verkaufen und von denen einige Tochtergesellschaften von in anderen Mitgliedstaaten ansässigen Gesellschaften sind?

5. Ist Artikel 88 EG, wenn nach den Antworten auf die Fragen 3 und 4 der erhöhte Satz der Versicherungsprämiensteuer eine staatliche Beihilfe im Sinne des Artikels 87 Absatz 1 EG darstellt, dahin auszulegen, dass, wenn die Kommission nicht vom Vorhaben, eine solche Beihilfe zu gewähren, unterrichtet wird, die gesetzlichen Bestimmungen zur Einführung der Beihilfe unangewandt bleiben müssen und die nach diesen Bestimmungen entrichteten Steuern zu erstatten sind?

Zu den ersten beiden Vorlagefragen

Zur zweiten Frage

23. Mit seiner zuerst zu prüfenden zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob eine Versicherungsprämiensteuer wie die im Ausgangsverfahren fragliche mit Artikel 33 der Sechsten Richtlinie vereinbar ist.

Vor dem Gerichtshof abgegebene Erklärungen

24. Die Klägerinnen weisen darauf hin, dass es nur um die IPT zum erhöhten Satz gehe. Es handele sich um eine Sondersteuer auf die Erbringung von Versicherungsleistungen (und die versicherungsbezogenen Dienstleistungen), wenn diese in besonderer Weise mit der Lieferung von Gegenständen oder der Erbringung von Dienstleistungen, die der Mehrwertsteuer unterlägen, verbunden sei. Diese Sondersteuer sei eingeführt worden, um der Steuerumgehung entgegenzuwirken, zu der es nach Ansicht der Finanzverwaltung gekommen sei. Sie müsse somit als Steuer angesehen werden, die sich von der IPT zum Regelsatz, die mit Artikel 33 der Sechsten Richtlinie vereinbar sei, unterscheide.

25. Für die Klägerinnen stellt die IPT zum erhöhten Satz eine nach Artikel 33 der Sechsten Richtlinie verbotene Umsatzsteuer dar, weil sie in ausreichendem Maß alle wesentlichen Merkmale der Mehrwertsteuer aufweise, so auch das Merkmal der allgemeinen Anwendbarkeit.

26. Zwar gelte der erhöhte IPTSatz nicht für alle wirtschaftlichen Vorgänge im Vereinigten Königreich, da er auf eine Umsatzart beschränkt sei, nämlich auf die Erbringung von Versicherungsleistungen für der Mehrwertsteuer unterliegende Gegenstände und Dienstleistungen. Gleichwohl müsse die IPT zum erhöhten Satz als eine allgemeine Steuer angesehen werden, da sie allgemein auf die Versicherung einer sehr großen Vielzahl verschiedener Gegenstände erhoben werde, die einen wichtigen Bestandteil der Volkswirtschaft darstellten.

27. Außerdem gehöre die IPT zum erhöhten Satz nicht zu den nach Artikel 33 der Sechsten Richtlinie zugelassenen Abgaben auf Versicherungsverträge. Lediglich die IPT zum Regelsatz stelle eine solche Abgabe dar.

28. Die IPT zum erhöhten Satz sei untrennbar mit der Mehrwertsteuer verbunden. Sie belaste spezifisch den Abschluss von Versicherungen, der durch die Verkäufer von Haushaltsgeräten erfolge und mit der Lieferung von der Mehrwertsteuer zum Regelsatz unterliegenden Gegenständen verbunden sei. Die Verbindung zwischen der Versicherung und der zum Regelsatz besteuerten Lieferung sei eine wesentliche Voraussetzung der Steuererhebung. Eine solche Steuer solle naturgemäß Auswirkungen auf das gemeinsame Mehrwertsteuersystem haben. In Anbetracht ihres Zweckes und ihrer Auswirkungen gefährde sie das Funktionieren des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems in einem solchen Maß, dass sie für mit Artikel 33 der Sechsten Richtlinie unvereinbar erklärt werden müsse.

29. Das Vereinigte Königreich und die Kommission machen geltend, die IPT stelle keinesfalls eine nach Artikel 33 der Sechsten Richtlinie verbotene Umsatzsteuer dar, sondern vielmehr eine nach dieser Vorschrift ausdrücklich zulässige Abgabe auf Versicherungsverträge.

Antwort des Gerichtshofes

30. Entgegen der Auffassung der Klägerinnen ist eine Steuer wie die IPT als Ganze in ihrer Anwendung sowohl zum Regelsatz als auch zum erhöhten Satz auf ihre Vereinbarkeit mit Artikel 33 der Sechsten Richtlinie hin zu prüfen, da es sich um ein und dieselbe Steuer mit zwei Steuersätzen handelt.

31. Nach ständiger Rechtsprechung dürfen die Mitgliedstaaten nach Artikel 33 der Sechsten Richtlinie keine Steuern, Abgaben und Gebühren einführen oder beibehalten, die den Charakter von Umsatzsteuern haben (Urteile vom 3. März 1988 in der Rechtssache 252/86, Bergandi, Slg. 1988, 1343, Randnrn. 10 und 11, vom 13. Juli 1989 in den Rechtssachen 93/88 und 94/88, Wisselink u. a., Slg. 1989, 2671, Randnrn. 13 und 14, vom 31. März 1992 in der Rechtssache C200/90, Dansk Denkavit und Poulsen Trading, Slg. 1992, I2217, Randnr. 10, und vom 17. September 1997 in der Rechtssache C28/96, Fricarnes, Slg. 1997, I4939, Randnr. 36).

32. Steuern, Abgaben und Gebühren, die die wesentlichen Merkmale der Mehrwertsteuer aufweisen, sind in jedem Fall als solche Maßnahmen anzusehen, auch wenn sie sich nicht in allen Punkten mit der Mehrwertsteuer decken (vgl. u. a. Urteil Fricarnes, Randnr. 37).

33. Dabei handelt es sich um folgende Merkmale: Die Mehrwertsteuer gilt ganz allgemein für alle sich auf Gegenstände und Dienstleistungen beziehenden Geschäfte, sie ist, unabhängig von der Anzahl der getätigten Geschäfte, proportional zum Preis dieser Gegenstände und Dienstleistungen, sie wird auf jeder Stufe der Erzeugung und des Vertriebes erhoben, und sie bezieht sich schließlich auf den Mehrwert der Gegenstände und Dienstleistungen, d. h., die bei einem Geschäft fällige Steuer wird unter Abzug der Steuer berechnet, die bei dem vorhergehenden Geschäft schon entrichtet worden ist (vgl. u. a. Urteile Bergandi, Randnr. 15, vom 7. Mai 1992 in der Rechtssache C347/90, Bozzi, Slg. 1992, I2947, Randnr. 12, und vom 17. September 1997 in der Rechtssache C130/96, SolisnorEstaleiros Navais, Slg. 1997, I5053, Randnr. 14).

34. Dagegen steht Artikel 33 der Sechsten Richtlinie nicht der Beibehaltung oder Einführung einer Steuer entgegen, die keines der wesentlichen Merkmale der Mehrwertsteuer aufweist (Urteil SolisnorEstaleiros Navais, Randnrn. 19 und 20).

35. Insoweit steht fest, dass eine Steuer, wie sie das vorlegende Gericht beschreibt, keine allgemeine Steuer ist, da sie nicht darauf abzielt, die Gesamtheit der wirtschaftlichen Vorgänge in dem betreffenden Mitgliedstaat zu erfassen (vgl. in diesem Sinne Urteile SolisnorEstaleiros Navais, Randnr. 17, und vom 16. Dezember 1992 in der Rechtssache C208/91, Beaulande, Slg. 1992, I6709, Randnr. 16). Die IPT gilt nämlich nur für eine spezifische Dienstleistung, die Erbringung von Versicherungsleistungen, weil sie auf die Einnahme von Prämien im Rahmen von Versicherungsverträgen zum Regelsatz anfällt und nur auf Versicherungsprämien im Zusammenhang mit Kraftfahrzeugen, Haushaltsgeräten und Reisen zum erhöhten Satz erhoben wird, wenn der Versicherungsvertrag im Fall der beiden letztgenannten Sektoren bestimmte Merkmale aufweist.

36. Jedenfalls fällt die IPT nicht auf jeder Stufe der Erzeugung und des Vertriebes an, da sie nur einmal, bei Abschluss des Versicherungsvertrags, erhoben wird und sich nicht auf den Mehrwert der Gegenstände und Dienstleistungen bezieht.

37. Folglich ist auf die zweite Frage zu antworten, dass eine Versicherungsprämiensteuer wie die im Ausgangsverfahren fragliche mit Artikel 33 der Sechsten Richtlinie vereinbar ist.

Zur ersten Frage

38. Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Artikel 13 Teil B Buchstabe a der Sechsten Richtlinie, nach dem Versicherungsumsätze von der Mehrwertsteuer befreit sind, der Einführung eines dem Mehrwertsteuerregelsatz entsprechenden besonderen Satzes einer Versicherungsprämiensteuer wie der im Ausgangsverfahren fraglichen entgegensteht, so dass das nach Artikel 27 der Sechsten Richtlinie vorgesehene Verfahren, nach dem jeder Mitgliedstaat, der von dieser Richtlinie abweichende Sondermaßnahmen einführen möchte, eine vorherige Ermächtigung beim Rat beantragen muss, vor Einführung des genannten Satzes hätte eingehalten werden müssen.

Vor dem Gerichtshof abgegebene Erklärungen

39. Die Klägerinnen machen geltend, die britischen Behörden hätten beim Rat die Ermächtigung zur Einführung eines erhöhten IPTSatzes gemäß Artikel 27 der Sechsten Richtlinie beantragen müssen. Eine solche Steuer weiche nämlich von dieser Richtlinie ab, weil sie unter Angabe des Zieles der Bekämpfung der Steuerumgehung eingeführt worden sei, um die Wirkungen der Befreiung nach Artikel 13 Teil B Buchstabe a der Richtlinie zunichte zu machen. Das Vereinigte Königreich habe aber unstreitig die Ermächtigung zur Einführung des erhöhten IPTSatzes weder beantragt noch erhalten.

40. Nach Ansicht des Vereinigten Königreichs müssen sich die Autoren der Sechsten Richtlinie der Mehrwertsteuerbefreiung für Versicherungsumsätze nach Artikel 13 Teil B Buchstabe a bewusst gewesen sein. Sie hätten die Möglichkeit für die Mitgliedstaaten vorgesehen, trotz der Mehrwertsteuerbefreiung für Versicherungsumsätze eine Steuer wie die IPT zu erheben, da die Sechste Richtlinie die Mitgliedstaaten nach ihrem Artikel 33 ausdrücklich nicht daran hindere, Abgaben auf Versicherungsverträge, die keine Umsatzsteuern seien, beizubehalten oder einzuführen.

41. Die Sechste Richtlinie müsse also dahin ausgelegt werden, dass sie die Mitgliedstaaten ermächtige, den Einnahmeverlust aus der nach ihrem Artikel 13 Teil B Buchstabe a vorgesehenen Mehrwertsteuerbefreiung dadurch auszugleichen, dass sie auf Versicherungsumsätze eine Steuer erhöben, die keine Mehrwertsteuer oder irgendeine andere Form einer Umsatzsteuer sei, ohne gemäß Artikel 27 Absatz 1 dieser Richtlinie eine Ermächtigung beim Rat beantragen zu müssen.

42. Auch die Kommission ist der Ansicht, dass die IPT, da sie nicht den Charakter einer Umsatzsteuer habe, nach Artikel 33 der Sechsten Richtlinie ausdrücklich zulässig und nicht mit der Mehrwertsteuerbefreiung nach Artikel 13 Teil B Buchstabe a dieser Richtlinie unvereinbar sei. Ihre Einführung habe deshalb nicht von einer vorherigen Ermächtigung gemäß Artikel 27 Absatz 1 der Sechsten Richtlinie abgehangen.

Antwort des Gerichtshofes

43. Versicherungsleistungen sind zwar nach Artikel 13 Teil B Buchstabe a der Sechsten Richtlinie von der Mehrwertsteuer befreit, sie können aber nach Artikel 33 dieser Richtlinie anderen indirekten Steuern unterworfen werden, solange diese nicht den Charakter von Umsatzsteuern haben. Jeder Mitgliedstaat ist also befugt, unter diesen Bedingungen eine Steuer auf Versicherungsverträge beizubehalten oder einzuführen und differenzierte Sätze für diese Steuer vorzusehen.

44. Nach der Antwort auf die zweite Vorlagefrage stellt eine Steuer wie die IPT keine nach Artikel 33 der Sechsten Richtlinie verbotene Umsatzsteuer dar.

45. Ihre Erhebung ist somit nicht mit der in Artikel 13 Teil B Buchstabe a der Sechsten Richtlinie vorgesehenen Mehrwertsteuerbefreiung für Versicherungsleistungen unvereinbar.

46. Somit kann eine solche Steuer nicht als eine von Artikel 13 Teil B Buchstabe a der Sechsten Richtlinie abweichende Maßnahme angesehen werden, und für die Behörden des Vereinigten Königreichs bestand keine Notwendigkeit, auf das Verfahren nach Artikel 27 der Sechsten Richtlinie zurückzugreifen.

47. Folglich ist auf die erste Vorlagefrage zu antworten, dass Artikel 13 Teil B Buchstabe a der Sechsten Richtlinie, nach dem Versicherungsumsätze von der Mehrwertsteuer befreit sind, der Einführung eines dem Mehrwertsteuerregelsatz entsprechenden besonderen Satzes einer Versicherungsprämiensteuer wie der im Ausgangsverfahren fraglichen nicht entgegensteht, da diese Steuer mit Artikel 33 der Sechsten Richtlinie vereinbar ist, so dass das in Artikel 27 der Sechsten Richtlinie vorgesehene Verfahren, nach dem jeder Mitgliedstaat, der von dieser Richtlinie abweichende Sondermaßnahmen einführen möchte, eine vorherige Ermächtigung beim Rat beantragen muss, vor Einführung des genannten Satzes nicht eingehalten werden muss.

Zur dritten bis zur fünften Vorlagefrage

48. Mit seinen Fragen drei bis fünf möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob das Bestehen verschiedener Sätze einer Versicherungsprämiensteuer wie der im Ausgangsverfahren fraglichen Wettbewerbsverfälschungen im Sinne des Artikels 87 Absatz 1 EG verursachen kann; dabei stellt sich dem vorlegenden Gericht insbesondere die Frage, wie das Kriterium der Beeinträchtigung des innergemeinschaftlichen Handels zu verstehen ist. Gegebenenfalls möchte es wissen, welche Folgen für die Steuerpflichtigen, für die der erhöhte Steuersatz gilt, aus einer etwa unterbliebenen Unterrichtung der Kommission von dieser Maßnahme erwachsen.

49. Diese Fragen beruhen auf der Annahme, dass das Bestehen zweier verschiedener Sätze einer Steuer wie der IPT eine staatliche Beihilfe im Sinne des Artikels 87 Absatz 1 EG impliziert, die mit dem Gemeinschaftsrecht unvereinbar wäre.

50. Wie der Generalanwalt in Nummer 53 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, sind die Fragen drei bis fünf, falls diese Annahme nicht zutrifft, hypothetisch und vom Gerichtshof nicht zu beantworten.

51. Folglich ist vor Prüfung der letzten drei vom vorlegenden Gericht gestellten Fragen zu ermitteln, ob die IPTRegelung aufgrund des Bestehens zweier Sätze eine staatliche Beihilfe im Sinne des Artikels 87 Absatz 1 EG darstellt.

Vor dem Gerichtshof abgegebene Erklärungen

52. Nach Auffassung der Klägerinnen enthält die IPTRegelung aufgrund des Bestehens zweier verschiedener Sätze eine staatliche Beihilfe im Sinne des Artikels 87 Absatz 1 EG für Unternehmen, für die die IPT zum Regelsatz gilt.

53. Die Klägerinnen machen insoweit geltend, sie seien in Bereichen tätig, in denen der zwischenstaatliche Handel beträchtlich sei, nämlich in der Herstellung und im Vertrieb von Haushaltsgeräten wie Fernsehern und Camcordern sowie in der Erbringung von Versicherungsleistungen für diese Geräte im Rahmen sowohl von verbundenen als auch von Direktversicherungen.

54. Die Einführung des erhöhten IPTSatzes habe sowohl in Bezug auf die Haushaltsgeräte als auch in Bezug auf die Versicherungsleistungen eine spürbare Wettbewerbsverfälschung auf diesen Märkten bewirkt. Die Wirkung einer solchen Besteuerung des Handels zwischen Mitgliedstaaten habe ein Niveau, das für das Vorliegen einer staatlichen Beihilfe ausreiche.

55. Insbesondere habe die Anwendung des erhöhten Satzes zu einem Rückgang der Zahl der in anderen Mitgliedstaaten gekauften Haushaltsgeräte und Ersatzteile geführt. Sie habe den Zugang von Versicherungen zum britischen Markt behindert, indem sie für die in anderen Mitgliedstaaten niedergelassenen Versicherungsgesellschaften den einfachsten Zugangsweg zu diesem Markt, nämlich die Erbringung verbundener Versicherungsleistungen, erschwert habe. Schließlich habe sie bestimmte Versicherungsgesellschaften gegenüber anderen benachteiligt, was, wenn diese Gesellschaften zu Gesellschaften anderer Mitgliedstaaten gehörten, eine Beeinträchtigung der finanziellen Beziehungen zwischen Mutter und Tochtergesellschaft nach sich ziehen könne.

56. Das Vereinigte Königreich und die Kommission äußern Zweifel daran, dass das Bestehen verschiedener Sätze tatsächlich eine staatliche Beihilfe im Sinne des Artikels 87 Absatz 1 EG impliziert.

57. Das Vereinigte Königreich macht zunächst geltend, diese angebliche Beihilfemaßnahme entspreche nicht der allgemeinen Definition einer staatlichen Beihilfe, weil sie weder in einem positiven Vorteil noch in einer Minderung der normalen Belastungen eines Unternehmens bestehe.

58. Das Bestehen zweier IPTSätze begünstige nicht bestimmte Unternehmen oder Produktionszweige, weil der Regelsatz und der erhöhte Satz nach dem Gesetz nicht für unterschiedliche Kategorien von Steuerpflichtigen gälten. Grundsätzlich könne im Rahmen der gesetzlichen Regelung der IPT jede Versicherungsgesellschaft zugleich zum Regelsatz und zum erhöhten Satz steuerpflichtig sein und ihre Tätigkeiten frei von einer Kategorie in die andere verlagern.

59. Schließlich wirke sich nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes eine Beihilfe nur dann auf den Handel aus, wenn der gewährte Vorteil die Stellung eines Unternehmens im Verhältnis zu den anderen Wettbewerbern im innergemeinschaftlichen Handel stärke. Im vorliegenden Fall müsse für die Beurteilung der Auswirkung der angeblichen Beihilfemaßnahme auf den Handel der Markt für Versicherungen für an Kunden im Vereinigten Königreich gelieferte Haushaltsgeräte oder der Markt für Dienstleistungen der steuerpflichtigen Vertreter untersucht werden. Nach der Auffassung des vorlegenden Gerichts seien aber die Klägerinnen nicht auf einem innergemeinschaftlichen Markt tätig gewesen und hätten auch keine einen innergemeinschaftlichen Handel implizierende Tätigkeit betrieben.

60. Die Kommission macht geltend, um zu ermitteln, ob eine Maßnahme eine staatliche Beihilfe im Sinne des Artikels 87 Absatz 1 EG darstelle oder nicht, müsse geprüft werden, ob sie im Wesen oder in der Struktur des Systems angelegt sei. Denn nach der Rechtsprechung stelle eine Maßnahme, die durch das Wesen oder die Struktur des Systems, in das sie sich einfüge, gerechtfertigt sei, keine staatliche Beihilfe im Sinne des Artikels 87 Absatz 1 EG dar.

61. Zum Zweck dieser Prüfung müsse hier ermittelt werden, ob eine Wettbewerbsverfälschung vorliege, die bestimmte Unternehmen im der IPT unterliegenden Versicherungssektor begünstige. Die Selektivität der Maßnahme müsse anhand des IPTRegelsatzes beurteilt werden, und es müsse festgestellt werden, ob die Sondermaßnahme, die die Einführung eines erhöhten Steuersatzes darstelle, im Wesen oder im Aufbau des Systems angelegt sei.

62. Im Ausgangsverfahren müsse dabei die Sechste Richtlinie aus mehreren Gründen berücksichtigt werden. Zunächst sei diese Richtlinie ein Instrument zur gemeinschaftlichen Harmonisierung, das ausdrücklich sowohl auf eine bindende Ausnahme zugunsten von Versicherungsleistungen als auch auf die Möglichkeit, eine Steuer wie die IPT einzuführen, Bezug nehme. Sodann könne im Ausgangsverfahren das, was für den Verbraucher auf das Gleiche hinauslaufe, entweder als ein dem Mehrwertsteuerregelsatz unterliegender Dienstleistungsvertrag oder als ein von der Mehrwertsteuer befreiter, aber dem IPTRegelsatz unterliegender Versicherungsvertrag ausgestaltet werden. Schließlich entspreche der erhöhte IPTSatz dem Mehrwertsteuerregelsatz.

63. Die Auslegung des Begriffes Wesen oder Struktur des Systems ermögliche es dem vorlegenden Gericht bereits, die bei ihm anhängigen Rechtsstreitigkeiten zu entscheiden. Es sei deshalb nicht zweckmäßig, die Antwort auf die Fragen drei bis fünf weiter zu vertiefen.

64. In der mündlichen Verhandlung hat die Regierung der Niederlande Erklärungen allein zur fünften Frage abgegeben. Sie hat dabei geltend gemacht, dass der erhöhte IPTSatz nicht eingeführt worden sei, um bestimmte Unternehmen gegenüber anderen zu begünstigen, und darauf hingewiesen, dass anders als bei klassischen staatlichen Beihilfen der erhöhte Satz nicht den niedrigeren Satz finanziere.

Antwort des Gerichtshofes

65. Für die Feststellung, ob eine Steuerregelung wie die IPT aufgrund des Bestehens zweier Steuersätze eine staatliche Beihilfe im Sinne des Artikels 87 Absatz 1 EG darstellt, ist zu prüfen, ob eine solche Regelung die verschiedenen Merkmale des Begriffes der staatlichen Beihilfe nach dieser Vertragsbestimmung aufweist.

66. Nach ständiger Rechtsprechung definiert Artikel 87 Absatz 1 EG als grundsätzlich mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbare staatliche Beihilfen solche staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen gleich welcher Art, die durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen, soweit sie den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen (vgl. Urteil vom 20. November 2003 in der Rechtssache C126/01, GEMO, Slg. 2003, I0000, Randnr. 22, und die dort zitierte Rechtsprechung).

67. Insoweit ist zuerst zu ermitteln, ob die IPTRegelung, was sowohl von der niederländischen Regierung und der Regierung des Vereinigten Königreichs als auch von der Kommission bestritten wird, geeignet ist, die Unternehmen, die dem Regelsatz unterliegende Versicherungsverträge anbieten, gegenüber denjenigen Unternehmen zu begünstigen, die im Haushaltsgerätesektor mit der Lieferung solcher Gegenstände verbundene Versicherungsverträge anbieten.

68. Nach Artikel 87 Absatz 1 EG muss nämlich festgestellt werden, ob eine nationale Maßnahme im Rahmen einer bestimmten rechtlichen Regelung geeignet ist, bestimmte Unternehmen oder Produktionszweige gegenüber anderen Unternehmen oder Produktionszweigen, die sich im Hinblick auf das mit der betreffenden Regelung verfolgte Ziel in einer vergleichbaren tatsächlichen und rechtlichen Situation befinden, zu begünstigen (Urteile vom 8. November 2001 in der Rechtssache C143/99, AdriaWien Pipeline und Wietersdorfer & Peggauer Zementwerke, Slg. 2001, I8365, Randnr. 41, und vom 13. Februar 2003 in der Rechtssache C409/00, Spanien/Kommission, Slg. 2003, I1487, Randnr. 47). Ist dies der Fall, ist die betreffende Maßnahme selektiv, was Tatbestandsmerkmal des Begriffes der staatlichen Beihilfe in dieser Bestimmung ist (Urteile GEMO, Randnr. 35, und Spanien/Kommission, Randnr. 47).

69. Der Begriff der Beihilfe umfasst die von staatlichen Stellen gewährten Vorteile, die in verschiedener Form die Belastungen mindern, die ein Unternehmen normalerweise zu tragen hat (vgl. u. a. Urteil vom 7. März 2002 in der Rechtssache C310/99, Italien/Kommission, Slg. 2002, I2289, Randnr. 51).

70. Dazu ist festzustellen, dass die IPT ursprünglich als allgemeine Steuermaßnahme eingeführt wurde, die grundsätzlich zum Einheitssatz für alle Versicherungsverträge galt.

71. Nach Ansicht der Klägerinnen muss eine solche Maßnahme als Beihilfe angesehen werden, wenn ein erhöhter Satz eingeführt werde, der für eine bestimmte Kategorie von Versicherungsverträgen gelte. Daraus ergebe sich nämlich ein Vorteil für die Unternehmen, die dem Regelsatz unterliegende Versicherungsverträge anböten.

72. Im Urteil AdriaWien Pipeline und Wietersdorfer & Peggauer Zementwerke (Randnrn. 42 bis 54) hat der Gerichtshof in Fortführung seiner Rechtsprechung entschieden, dass die Voraussetzung der Selektivität bei einer Maßnahme nicht erfuellt ist, die zwar einen Vorteil für den Begünstigten darstellt, aber durch das Wesen oder die allgemeine Struktur des Systems, zu dem sie gehört, gerechtfertigt ist (vgl. Urteile vom 2. Juli 1974 in der Rechtssache 173/73, Italien/Kommission, Slg. 1974, 709, Randnr. 33, und vom 17. Juni 1999 in der Rechtssache C75/97, Belgien/Kommission, Slg. 1999, I3671, Randnr. 33). Er hat geprüft, ob das in den im Ausgangsverfahren fraglichen nationalen Rechtsvorschriften verwendete Unterscheidungskriterium durch deren Wesen und/oder durch deren allgemeine Struktur gerechtfertigt war, was der streitigen Maßnahme ihre Eigenschaft als staatliche Beihilfe genommen hätte.

73. Im vorliegenden Fall ist, selbst wenn man davon ausgeht, dass die Einführung des erhöhten Satzes einen Vorteil für diejenigen Marktbeteiligten bedeutet, die dem Regelsatz unterliegende Verträge anbieten, zu prüfen, ob die Anwendung des erhöhten IPTSatzes auf einen bestimmten Anteil der zuvor dem Regelsatz unterliegenden Versicherungsverträge durch das Wesen und die Struktur des Systems, zu dem diese Steuer gehört, gerechtfertigt ist.

74. Dazu ist darauf hinzuweisen, dass das vorlegende Gericht in Absatz 10 Nummer 6 seines Beschlusses der Ansicht ist, dass der erhöhte IPTSatz und die Mehrwertsteuer Teil eines unteilbaren Ganzen seien und dass dies auch das mit der Einführung des erhöhten Satzes verfolgte Ziel gewesen sei. In der Tat wurde dieser Satz eingeführt, um Verhaltensweisen zu bekämpfen, die darauf abzielten, das Gefälle zwischen dem IPT und dem Mehrwertsteuerregelsatz für eine Manipulation der Preise für die Miete oder den Verkauf von Geräten und der damit verbundenen Versicherungen auszunutzen. Diese Verhaltensweisen führten zum einen zu Mehrwertsteuermindereinnahmen und zum anderen zu Verschiebungen bei den Wettbewerbsbedingungen im Haushaltsgerätesektor.

75. Wie der Generalanwalt in Nummer 84 seiner Schlussanträge ausführt, erscheint der erhöhte IPTSatz aufgrund seiner Bedeutung und seiner Wirkung als regulierende Abgabe, mit der gerade vom Abschluss von verbundenen Versicherungsverträgen abgehalten werden soll. Die Einführung eines erhöhten IPTSatzes auf bestimmte Versicherungsverträge sollte nicht dazu dienen, sämtlichen Marktbeteiligten, die dem IPTRegelsatz unterliegende Versicherungsverträge anbieten, bei der Anwendung des allgemeinen Versicherungsbesteuerungssystems einen Vorteil zu verschaffen.

76. Insoweit stellt die zum Regelsatz erhobene IPT keine Regelung dar, die von der allgemeinen Versicherungsbesteuerungsregelung im Vereinigten Königreich abweicht. Es handelt sich nicht um eine Steuerregelung, die einen bestimmten Sektor begünstigt, sondern vielmehr um ein System der Besteuerung von Versicherungsprämien, das die Mehrwertsteuerbefreiung für Versicherungsumsätze ausgleichen soll.

77. Im Übrigen ist die IPTRegelung nach den Antworten auf die ersten beiden Vorlagefragen mit der Sechsten Richtlinie vereinbar.

78. Unter diesen Umständen ist, selbst wenn man davon ausgeht, dass die Einführung des erhöhten IPTSatzes einen Vorteil für diejenigen Marktbeteiligten bedeutet, die dem Regelsatz unterliegende Verträge anbieten, die Anwendung des erhöhten IPTSatzes auf einen bestimmten Anteil der zuvor dem Regelsatz unterliegenden Versicherungsverträge durch das Wesen und die Struktur des nationalen Versicherungsbesteuerungssystems gerechtfertigt. Deshalb kann die IPTRegelung nicht als Beihilfemaßnahme im Sinne des Artikels 87 Absatz 1 EG angesehen werden.

79. Nach alledem sind die Fragen drei bis fünf nicht zu beantworten.

Kostenentscheidung:

Kosten

80. Die Auslagen der Regierungen des Königreichs der Niederlande und des Vereinigten Königreichs sowie der Kommission, die Erklärungen vor dem Gerichtshof abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Tenor:

Aus diesen Gründen

DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)

hat

DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)

auf die ihm vom VAT and Duties Tribunal, London, mit Beschluss vom 24. Juli 2001 vorgelegten Fragen für Recht erkannt:

1. Eine Versicherungsprämiensteuer wie die im Ausgangsverfahren fragliche ist mit Artikel 33 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage vereinbar.

2. Artikel 13 Teil B Buchstabe a der Sechsten Richtlinie 77/388, nach dem Versicherungsumsätze von der Mehrwertsteuer befreit sind, steht der Einführung eines dem Mehrwertsteuerregelsatz entsprechenden besonderen Satzes einer Versicherungsprämiensteuer wie der im Ausgangsverfahren fraglichen nicht entgegen, da diese Steuer mit Artikel 33 der Sechsten Richtlinie 77/388 vereinbar ist, so dass das in Artikel 27 der Sechsten Richtlinie vorgesehene Verfahren, nach dem jeder Mitgliedstaat, der von dieser Richtlinie abweichende Sondermaßnahmen einführen möchte, eine vorherige Ermächtigung beim Rat der Europäischen Union beantragen muss, vor Einführung des genannten Satzes nicht eingehalten werden muss.

Ende der Entscheidung

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