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Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 27.10.1998
Aktenzeichen: C-31/97
Rechtsgebiete: Richtlinie 69/335/EWG
Vorschriften:
Richtlinie 69/335/EWG |
Artikel 11 Buchstabe b der Richtlinie 69/335 betreffend die indirekten Steuern auf die Ansammlung von Kapital ist dahin auszulegen, daß das Verbot der Besteuerung einer Obligationsanleihe sich auf die Besteuerung der Rückzahlung einer solchen Anleihe erstreckt. Dieser Artikel erwähnt zwar die Rückzahlung einer Obligationsanleihe nicht ausdrücklich, doch hätte das Verbot einer Besteuerung bei der Ausgabe einer Obligationsanleihe bei gleichzeitiger Zulassung der Besteuerung bei der Rückzahlung einer solchen Anleihe zur Folge, daß entgegen dem von der Richtlinie angestrebten Zweck die Anleihe als einheitliches Geschäft zur Ansammlung von Kapital besteuert würde. Im übrigen verbietet Artikel 11 Buchstabe b nicht nur die Besteuerung von Obligationsanleihen, sondern auch die aller damit zusammenhängenden Formalitäten.
Demnach ist Artikel 11 Buchstabe b dahin auszulegen, daß das Verbot der Besteuerung von Obligationsanleihen für eine Steuer auf notarielle Urkunden gilt, mit denen die Rückzahlung einer Anleihe bescheinigt wird. Eine solche Steuer fällt nicht unter die in Artikel 12 Absatz 1 Buchstabe d der Richtlinie vorgesehene Ausnahme, da die Rückzahlung einer Obligationsanleihe ein eigenes Finanzgeschäft darstellt, das sich von der Löschung der Eintragung einer Hypothek, die zur Sicherung der sich aus der Anleihe ergebenden Verpflichtungen bestellt worden ist, unterscheidet.
Urteil des Gerichtshofes (Sechste Kammer) vom 27. Oktober 1998. - Fuerzas Eléctricas de Catalunya SA (FECSA) (C-31/97) und Autopistas Concesionaria Española SA (C-32/97) gegen Departament d'Economía y Finances de la Generalitat de Catalunya. - Ersuchen um Vorabentscheidung: Tribunal Superior de Justicia de Catalunya - Spanien. - Richtlinie 69/335/EWG - Indirekte Steuern auf die Ansammlung von Kapital - Steuer auf die notarielle Urkunde, mit der die Rückzahlung einer Obligationsanleihe bescheinigt wird. - Verbundene Rechtssachen C-31/97 und C-32/97.
Entscheidungsgründe:
1 Das Tribunal Superior de Justicia de Cataluña hat mit Beschlüssen vom 3. und vom 9. Dezember 1996, beim Gerichtshof eingegangen am 23. Januar 1997, gemäß Artikel 177 EG-Vertrag eine Frage nach der Auslegung der Artikel 11 Buchstabe b und 12 der Richtlinie 69/335/EWG des Rates vom 17. Juli 1969 betreffend die indirekten Steuern auf die Ansammlung von Kapital (ABl. L 249, S. 25; im folgenden: Richtlinie) zur Vorabentscheidung vorgelegt.
2 Diese Frage stellt sich in zwei Rechtsstreitigkeiten zwischen der Fürzas Eléctricas de Cataluña SA (FECSA) und der Autopistas Concesionaria Española SA (ACESA) einerseits und dem Departament d'Economía i Finances de la Generalitat de Catalunya (Steuerverwaltung der Regionalregierung von Katalonien; im folgenden: Steuerverwaltung) andererseits über die Zahlung einer Steuer auf die notarielle Urkunde, mit der die Rückzahlung einer Obligationsanleihe bescheinigt wird.
3 Diese Rechtssachen sind durch Beschluß des Präsidenten des Gerichtshofes vom 4. Februar 1997 zu gemeinsamem schriftlichen und mündlichen Verfahren und zu gemeinsamer Entscheidung verbunden worden.
4 Durch die Richtlinie sollen insbesondere die Faktoren, die die Festsetzung und die Erhebung der Gesellschaftsteuer in der Gemeinschaft beeinflussen, im Rahmen der Beseitigung der steuerlichen Hindernisse, die dem freien Kapitalverkehr entgegenstehen, harmonisiert werden.
5 Artikel 11 der Richtlinie bestimmt:
"Die Mitgliedstaaten erheben keine Steuer irgendwelcher Art:
...
b) auf Anleihen einschließlich Renten, die durch Ausgabe von Obligationen oder anderen handelsfähigen Wertpapieren aufgenommen werden, ungeachtet der Person des Emittenten, auf alle damit zusammenhängenden Formalitäten sowie auf die Ausfertigung, Ausgabe oder Börsenzulassung, das Inverkehrbringen von oder den Handel mit diesen Obligationen oder anderen handelsfähigen Wertpapieren."
6 Artikel 12 Absatz 1 der Richtlinie sieht folgendes vor:
"In Abweichung von den Artikeln 10 und 11 können die Mitgliedstaaten folgendes erheben:
a) pauschal oder nicht pauschal erhobene Börsenumsatzsteuern;
b) Besitzwechselsteuern, einschließlich der Katastersteuern, auf die Einbringung von in ihrem Hoheitsgebiet gelegenen Liegenschaften oder ,fonds de commerce' in eine Gesellschaft, Personenvereinigung oder juristische Person mit Erwerbszweck;
c) Besitzwechselsteuern auf Einlagen jeder Art in eine Gesellschaft, Personenvereinigung oder juristische Person mit Erwerbszweck, sofern die Übertragung dieser Einlagen durch andere Werte als Gesellschaftsanteile abgegolten wird;
d) Abgaben auf die Bestellung, Eintragung oder Löschung von Hypotheken, Grundschulden und Rentenschulden;
e) Abgaben mit Gebührencharakter;
f) die Mehrwertsteuer."
7 Das spanische Steuersystem kennt eine Steuer auf beurkundete Rechtsakte, die durch das Real Decreto Legislativo Nr. 3050/1980 vom 30. Dezember 1980 über die Zustimmung zu der kodifizierten Fassung der Ley del Impüsto sobre Transmisiones Patrimoniales y Actos Jurídicos Documentados (Gesetz über die Steuer auf vermögensrechtliche Übertragungen und beurkundete Rechtsakte; nachstehend: Gesetz) sowie durch das Real Decreto Nr. 3494/81 vom 29. Dezember 1981 über die Zustimmung zur Durchführungsverordnung zu dem genannten Real Decreto Legislativo geregelt wird.
8 Nach Artikel 1 des Gesetzes ist die Steuer auf vermögensrechtliche Übertragungen und beurkundete Rechtsakte eine indirekte Steuer, die auf 1. die entgeltlichen vermögensrechtlichen Übertragungen, 2. die gesellschaftsbezogenen Vorgänge und 3. die beurkundeten Rechtsakte erhoben wird.
9 Nach Artikel 28 des Gesetzes findet die Steuer unter den in Artikel 31 festgelegten Voraussetzungen auf notarielle Schriftstücke, Urkunden, und Bescheinigungen Anwendung. Artikel 31 Absatz 2 bestimmt, daß auf die Erstausfertigung von notariellen Schriftstücken oder Urkunden über eine wertmässig bestimmbare Menge oder einen wertmässig bestimmbaren Gegenstand, wenn sie Rechtsakte oder Verträge enthalten, die in das Eigentums- oder Handelsregister oder in das Register der gewerblichen Schutzrechte eingetragen werden können, eine Steuer von 0,5 % für diese Rechtsakte oder Verträge zu entrichten ist.
10 Artikel 20 der Durchführungsverordnung erläutert, daß die Rückzahlung von Obligationen zwar nicht mit der Steuer auf vermögensrechtliche Übertragungen belegt wird, gleichwohl aber bei den einfachen Obligationen auf der Grundlage des geliehenen Kapitals und in den anderen Fällen auf der Grundlage des gesicherten Kapitals der Steuer auf beurkundete Rechtsakte unterliegt.
11 In der Rechtssache C-31/97 nahm FECSA durch notarielle Urkunde die Teilrückzahlung einer Ausgabe von Obligationen über einen Betrag von 378 650 000 PTA vor. Die Steuerverwaltung besteuerte diesen Vorgang, für den sie unter Anwendung des Steuersatzes von 0,5 % auf den Betrag der getilgten Schuld eine Steuerschuld von 1 893 250 PTA feststellte.
12 In der Rechtssache C-32/97 nahm ACESA ebenfalls durch notarielle Urkunde die Rückzahlung einer 1971 emittierten Obligationsanleihe vor. Diese Rückzahlung veranlasste die Steuerverwaltung, 367 500 PTA an Steuern auf die beurkundeten Rechtsakte zu erheben.
13 Sowohl FECSA als auch ASCESA fochten diese Steuerfestsetzung vor dem Tribunal Económico Administrativo Regional de Catalunya an, das ihre Klagen abwies. Sie legten daraufhin Rechtsmittel beim Tribunal Superior de Justicia de Cataluña ein und machten geltend, daß es gegen die Richtlinie verstosse, die Rückzahlung von Obligationsanleihen gemäß der nationalen Regelung der Steuer auf beurkundete Rechtsakte zu unterwerfen.
14 Da das vorlegende Gericht der Auffassung ist, daß für die Entscheidung der bei ihm anhängigen Rechtsstreitigkeiten eine Auslegung der Richtlinie erforderlich sei, hat es das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:
Ist die Forderung der spanischen Behörden, auf Urkunden über die Rückzahlung von Obligationen (Tilgung von Anleihen) die Steuer auf beurkundete Rechtsakte zu entrichten, im Hinblick auf die Artikel 11 Buchstabe b und 12 der Richtlinie 69/335/EWG des Rates vom 17. Juli 1969 mit der Gemeinschaftsrechtsordnung vereinbar oder ist sie vielmehr wegen Unvereinbarkeit mit der Gemeinschaftsrechtsordnung zurückzuweisen?
15 Mit seiner Frage möchte das vorlegende Gericht im wesentlichen wissen, ob Artikel 11 Buchstabe b der Richtlinie dahin auszulegen ist, daß das Verbot der Besteuerung von Obligationsanleihen auf die Steuer auf notarielle Urkunden Anwendung findet, mit denen die Rückzahlung einer Anleihe bescheinigt wird, und, wenn ja, ob zugunsten dieser Steuer die insbesondere in Artikel 12 Absatz 1 Buchstabe d der Richtlinie vorgesehene Ausnahme angewendet werden kann.
16 Das Königreich Spanien und die Steuerverwaltung tragen zunächst vor, daß Artikel 11 Buchstabe b der Richtlinie unter den Vorgängen, für die keine Steuer erhoben werden dürfe, die Rückzahlung von Anleihen nicht erwähne.
17 Artikel 11 Buchstabe b der Richtlinie verbietet es, Steuern irgendwelcher Art auf Anleihen, die durch Ausgabe von Obligationen oder anderen handelsfähigen Wertpapieren aufgenommen werden, ungeachtet der Person des Emittenten, auf alle damit zusammenhängenden Formalitäten sowie auf die Ausfertigung, Ausgabe oder Börsenzulassung, das Inverkehrbringen von oder den Handel mit diesen Obligationen oder anderen handelsfähigen Wertpapieren zu erheben.
18 Es trifft daher zwar zu, daß Artikel 11 Buchstabe b der Richtlinie die Rückzahlung einer Obligationsanleihe nicht ausdrücklich erwähnt, doch hätte das Verbot einer Besteuerung bei der Ausgabe einer Obligationsanleihe bei gleichzeitiger Zulassung der Besteuerung bei der Rückzahlung einer solchen Anleihe zur Folge, daß entgegen dem von der Richtlinie angestrebten Zweck die Anleihe als einheitliches Geschäft zur Ansammlung von Kapital besteuert würde.
19 Folglich ist Artikel 11 Buchstabe b der Richtlinie dahin auszulegen, daß das Verbot der Besteuerung einer Obligationsanleihe sich auf die Besteuerung der Rückzahlung einer solchen Anleihe erstreckt.
20 Die Steuerverwaltung macht sodann geltend, daß die Richtlinie an keiner Stelle auf notarielle Schriftstücke Bezug nehme, die für die Rückzahlung von Anleihen ausgestellt würden, sofern diese Urkunden eine wesentliche förmliche Voraussetzung für andere Rechtsgeschäfte als die Emission einer Anleihe oder deren Rückzahlung seien, wie die Eintragung der Tilgung von in das Eigentums- oder Handelsregister eingetragenen Anleihen in diese Register.
21 Artikel 11 Buchstabe b der Richtlinie verbietet nicht nur die Besteuerung von Obligationsanleihen, sondern auch die aller damit zusammenhängenden Formalitäten.
22 Selbst wenn also die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Besteuerung nicht die Rückzahlung der Anleihe als solche trifft, erfolgt sie doch auf die für die Eintragung der Rückzahlung vorgeschriebene notarielle Urkunde, d. h. auf eine damit zusammenhängende Formalität.
23 Die Steuerverwaltung trägt schließlich vor, daß die Steuer, um die es im Ausgangsverfahren gehe, zumindest insoweit erhoben werden könne, als es sich um eine durch eine Hypothek gesicherte Anleihe handele.
24 Den Mitgliedstaaten steht es zwar frei, gemäß Artikel 12 Absatz 1 Buchstabe d der Richtlinie auf die Löschung von Grundschulden, Rentenschulden oder Hypotheken eine Abgabe zu erheben. Die Rückzahlung einer Obligationsanleihe stellt jedoch ein eigenes Finanzgeschäft dar, das sich von der Löschung der Eintragung einer Hypothek, die zur Sicherung der sich aus der Anleihe ergebenden Verpflichtungen bestellt worden ist, unterscheidet.
25 Daher darf auch dann, wenn eine Obligationsanleihe durch eine Hypothek gesichert ist, auf die Rückzahlung dieser Anleihe keine Steuer erhoben werden.
26 Demnach ist auf die Vorlagefrage zu antworten, daß Artikel 11 Buchstabe b der Richtlinie dahin auszulegen ist, daß das Verbot der Besteuerung von Obligationsanleihen für die Steuer auf notarielle Urkunden gilt, mit denen die Rückzahlung einer Anleihe bescheinigt wird. Eine solche Steuer fällt nicht unter die in Artikel 12 Absatz 1 Buchstabe d der Richtlinie vorgesehene Ausnahme.
Kostenentscheidung:
Kosten
27 Die Auslagen der spanischen Regierung und der Kommission, die vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in den bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreitigkeiten; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.
Tenor:
Aus diesen Gründen
hat
DER GERICHTSHOF
(Sechste Kammer)
auf die ihm vom Tribunal Superior de Justicia de Cataluña mit Beschlüssen vom 3. und vom 9. Dezember 1996 vorgelegte Frage für Recht erkannt:
Artikel 11 Buchstabe b der Richtlinie 69/335/EWG des Rates vom 17. Juli 1969 betreffend die indirekten Steuern auf die Ansammlung von Kapital ist dahin auszulegen, daß das Verbot der Besteuerung von Obligationsanleihen für die Steuer auf notarielle Urkunden gilt, mit denen die Tilgung einer Anleihe bescheinigt wird. Eine solche Steuer fällt nicht unter die in Artikel 12 Absatz 1 Buchstabe d der Richtlinie vorgesehene Ausnahme.
Ende der Entscheidung
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