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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 15.10.1996
Aktenzeichen: C-311/94
Rechtsgebiete: EG-Vertrag


Vorschriften:

EG-Vertrag Art. 93 Abs. 1
EG-Vertrag Art. 177
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Sowohl aus der Rechtsgrundlage der Richtlinie 87/167 über Beihilfen für den Schiffbau ° nämlich Artikel 92 Absatz 3 Buchstabe d EWG-Vertrag, nunmehr Artikel 92 Absatz 3 Buchstabe c EG-Vertrag ° als auch aus dem Wortlaut von Artikel 1 Buchstabe d Unterabsatz 2 und Artikel 4 Absatz 1 dieser Richtlinie ergibt sich, daß sich diese auf eine Kategorie von Beihilfen bezieht, die "als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar angesehen werden können". Daraus folgt, daß eine Beihilfe für den Schiffbau nicht schon deshalb notwendig mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar ist, weil sie die Voraussetzungen dieser Richtlinie erfuellt, und daß die Kommission immer noch nach Artikel 93 Absatz 3 des Vertrages zu prüfen hat, ob alle Voraussetzungen für eine Vereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt erfuellt sind.

In diesem Zusammenhang hat die Kommission mit Rücksicht darauf, daß sich aus Artikel 42 Absatz 1 des Vertrages der Vorrang der Agrarpolitik vor den Zielen des Vertrages im Wettbewerbsbereich ergibt, und im Interesse der Wahrung der praktischen Wirksamkeit der gemeinsamen Politik im Fischereisektor bei der Beurteilung der Zulässigkeit einer im Fischereisektor gewährten Beihilfe die Erfordernisse der gemeinsamen Politik dieses Sektors berücksichtigen. Sie kann daher in Ausübung ihrer Befugnisse nach den Artikeln 92 und 93 des Vertrages Leitlinien für die Prüfung der einzelstaatlichen Beihilfen im Fischereisektor erlassen, in denen nicht nur Kriterien rein wettbewerbspolitischer Art, sondern auch solche der gemeinsamen Fischereipolitik berücksichtigt werden, auch wenn der Rat sie hierzu nicht ausdrücklich ermächtigt hat.

2. Indem Artikel 93 Absatz 1 des Vertrages vorsieht, daß die Kommission in Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten fortlaufend die in diesen bestehenden Beihilferegelungen überprüft und ihnen die zweckdienlichen Maßnahmen vorschlägt, welche die fortschreitende Entwicklung und das Funktionieren des Gemeinsamen Marktes erfordern, begründet er eine Verpflichtung der Kommission und der Mitgliedstaaten zu regelmässiger und laufender Zusammenarbeit, von der sich weder die Kommission noch ein Mitgliedstaat für einen unbestimmten, allein vom Willen des einen oder anderen Teils abhängigen Zeitraum freimachen kann.

Ein Mitgliedstaat, der der Verpflichtung zur Zusammenarbeit aus Artikel 93 Absatz 1 des Vertrages unterliegt und die von der Kommission in den Leitlinien für die Prüfung der einzelstaatlichen Beihilfen im Fischereisektor aufgestellten Regeln akzeptiert hat, ist insbesondere verpflichtet, diese der Entscheidung über einen Antrag auf Beihilfe für den Bau eines Fischereifahrzeugs zugrunde zu legen, das unabhängig von seinem Fangort zu einer der Gemeinschaftsflotten gehören soll.


Urteil des Gerichtshofes vom 15. Oktober 1996. - IJssel-Vliet Combinatie BV gegen Minister van Economische Zaken. - Ersuchen um Vorabentscheidung: Raad van State - Niederlande. - Staatliche Beihilfen für den Bau eines Trawlers. - Rechtssache C-311/94.

Entscheidungsgründe:

1 Der Nederlandse Raad van State hat mit Urteil vom 1. November 1994, beim Gerichtshof eingegangen am 25. November 1994, gemäß Artikel 177 EG-Vertrag zwei Fragen ° von denen die zweite durch Schreiben des Vorsitzenden der Abteilung für verwaltungsrechtliche Streitigkeiten des Raad van State vom 8. Dezember 1994 geändert worden ist ° nach der Auslegung der Artikel 42, 92 und 93 EG-Vertrag, der Verordnung (EWG) Nr. 4028/86 des Rates vom 18. Dezember 1986 über Gemeinschaftsmaßnahmen zur Verbesserung und Anpassung der Strukturen im Bereich der Fischerei und Aquakultur (ABl. L 376, S. 7), der Richtlinie 87/167/EWG des Rates vom 26. Januar 1987 über Beihilfen für den Schiffbau (ABl. L 69, S. 55; im folgenden: Sechste Richtlinie) und der Leitlinien für die Prüfung der einzelstaatlichen Beihilfen im Fischereisektor (88/C 313/09; ABl. 1988, C 313, S. 21; im folgenden: Leitlinien) zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2 Diese Fragen stellen sich in einem Rechtsstreit zwischen der IJssel-Vliet Combinatie BV (im folgenden: Klägerin), einer Gesellschaft niederländischen Rechts, und dem Minister van Economische Zaken (im folgenden: Beklagter) über einen vom Beklagten abgelehnten Antrag auf Zuschuß zum Neubau eines Fischereifahrzeugs.

3 In der siebten Begründungserwägung der Verordnung Nr. 4028/86, mit der Strukturmaßnahmen der gemeinsamen Fischereipolitik eingeführt werden, heisst es, daß mit der Verordnung insbesondere die Umstrukturierung der Gemeinschaftsflotten angestrebt wird. Nach der zehnten Begründungserwägung bezweckt diese Umstrukturierung die Herstellung eines stabilen Gleichgewichts zwischen Fangkapazitäten und verfügbaren Meeresressourcen durch Beseitigung der Überkapazitäten. Um diese Ziele zu erreichen und das reibungslose Funktionieren der gemeinsamen Politik zu gewährleisten, sieht die Verordnung den Einsatz "öffentlicher Mittel" vor (fünfte Begründungserwägung), die gemeinschaftlichen oder einzelstaatlichen Ursprungs sein können.

4 Hinsichtlich der Gewährung einzelstaatlicher Beihilfen bestimmt Artikel 49 der Verordnung Nr. 4028/86:

"Die Artikel 92, 93 und 94 des Vertrages sind auf dem unter diese Verordnung fallenden Gebiet auf die von den Mitgliedstaaten gewährten einzelstaatlichen Beihilfen anwendbar."

5 In bezug auf diese Beihilfen sieht Titel VII ° Anpassung der Kapazitäten ° der Verordnung Nr. 4028/86 vor, daß die Mitgliedstaaten eine Stillegungsprämie für die vorübergehende oder endgültige Einstellung der Tätigkeit bestimmter Fangschiffe gewähren können, an deren Zahlung sich die Gemeinschaft beteiligen kann.

6 Die Sechste Richtlinie stellt im Zusammenhang mit der "weltweiten Krise im Schiffbau" (zweite Begründungserwägung) verschiedene Regeln über die Gewährung einzelstaatlicher Beihilfen für den Schiffbau auf.

7 Nach Artikel 1 Buchstabe a der Sechsten Richtlinie bezieht sich der Begriff "Schiffbau" u. a. auf den in der Gemeinschaft durchgeführten Neubau von Fischereifahrzeugen von 100 BRZ oder mehr.

8 Nach Artikel 1 Buchstabe d Absatz 2 der Sechsten Richtlinie können staatliche Beihilfen für den Schiffbau "als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar angesehen werden, wenn sie den in dieser Richtlinie enthaltenen Kriterien für die Erteilung einer Ausnahmeregelung entsprechen".

9 Artikel 4 Absatz 1 der Sechsten Richtlinie führt dazu näher aus: "Produktionsbeihilfen zugunsten des Schiffbaus und des Schiffsumbaus können als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar angesehen werden, sofern die Gesamthöhe der für jeden einzelnen Bauauftrag gewährten Beihilfen, in Subventionsäquivalent, eine... Hoechstgrenze... nicht überschreitet." Nach Artikel 4 Absatz 2 der Sechsten Richtlinie wird diese Hoechstgrenze "von der Kommission unter Bezugnahme auf den Unterschied zwischen den jeweiligen Kosten der wettbewerbsfähigsten Werften der Gemeinschaft und den Preisen ihrer weltweit wichtigsten Wettbewerber... festgelegt".

10 Nach Artikel 10 Absatz 1 der Sechsten Richtlinie gelten für die in dieser bezeichneten Beihilfen ausser den Bestimmungen der Artikel 92 und 93 des Vertrages einige besondere Mitteilungsvorschriften. In Absatz 2 wird klargestellt, daß jede Beihilferegelung im fraglichen Sektor vor ihrer Einführung der Genehmigung durch die Kommission bedarf.

11 Da die Kommission die in der Verordnung Nr. 4028/86 und der Sechsten Richtlinie dargelegten Strukturpolitiken nicht für "unmittelbar vereinbar" hielt, teilte sie den Mitgliedstaaten mit Schreiben vom 26. Mai 1988 (im folgenden: Rundschreiben) mit, auf welche Weise sie diese beiden Rechtsakte anzuwenden gedenke.

12 Nach diesem Rundschreiben kann weder aus Mitteln der Gemeinschaft noch der Mitgliedstaaten eine Beihilfe für den Bau von für die Gemeinschaftsflotte bestimmten Fischereifahrzeugen gewährt werden, es sei denn, die Beihilfe entspreche der gemeinsamen Fischereipolitik. Daher könnten nach der Sechsten Richtlinie nur Beihilfen gewährt werden, die für den Bau von Fischereischiffen für Drittlandsflotten bestimmt seien.

13 In der Folge erließ die Kommission die Leitlinien, die die Mitgliedstaaten darauf hinweisen sollten, wie sie ihr Ermessen nach den Artikeln 92 und 93 des Vertrages im Hinblick auf neue Beihilfen auszuüben beabsichtige. Sie schlug den Mitgliedstaaten ausserdem gemäß Artikel 93 Absatz 1 des Vertrages vor, die in den Leitlinien aufgestellten Kriterien auf die bestehenden einzelstaatlichen Beihilferegelungen in diesem Bereich anzuwenden. Dieser Vorschlag wurde der niederländischen Regierung mit Schreiben vom 30. November 1988 mitgeteilt. Darin ersuchte die Kommission die niederländische Regierung, ihr zu bestätigen, daß die in den Leitlinien aufgestellten Kriterien bei allen staatlichen Beihilfen im Fischereisektor eingehalten würden. Mit Schreiben vom 31. Januar 1989 bestätigte die niederländische Regierung der Kommission, daß die betreffenden Beihilfen den Leitlinien entsprächen.

14 In den Allgemeinen Grundsätzen dieser Leitlinien heisst es wortgleich mit dem Rundschreiben, daß die Gewährung einzelstaatlicher Beihilfen für den Fischereisektor nur unter Einhaltung der Ziele der gemeinsamen Politik dieses Sektors vorgesehen werden könne. Dabei wies die Kommission darauf hin, daß sie beschlossen habe, die Gewährung einzelstaatlicher Beihilfen für den Bau von für die Gemeinschaftsflotte bestimmten Fischereifahrzeugen im Rahmen der Sechsten Richtlinie nicht zu genehmigen.

15 Mit ihrer Entscheidung 88/123/EWG vom 11. Dezember 1987 über das von den Niederlanden vorgelegte mehrjährige Ausrichtungsprogramm für die Fischereiflotte (1987 bis 1991) gemäß der Verordnung (EWG) Nr. 4028/86 (ABl. 1988, L 62, S. 28) genehmigte die Kommission dieses Programm (im folgenden: Programm) unter einigen in der Entscheidung vorgesehenen Einschränkungen und Bedingungen.

16 Die Kommission wies jedoch darauf hin, daß es für die Genehmigung jeder Förderungsmaßnahme zugunsten des fraglichen Sektors erforderlich sei, daß sich die Maßnahme innerhalb des Rahmens des die gemeinsame Fischereipolitik für das Königreich der Niederlande konkretisierenden Programms bewege.

17 Die Regeling generieke steun zeescheepsnieuwbouw 1988 (niederländische allgemeine Beihilferegelung für den Seeschiffsneubau; im folgenden: nationale Beihilferegelung) ermöglicht unter bestimmten Voraussetzungen die Bezuschussung von Schiffsneubauten. Nach Artikel 28 der nationalen Beihilferegelung ist ihr Vollzug gemäß Artikel 10 Absatz 2 der Sechsten Richtlinie von der Genehmigung der Kommission abhängig.

18 Mit Schreiben vom 29. März 1988 genehmigte die Kommission die nationale Beihilferegelung gemäß der Sechsten Richtlinie. Mit Schreiben vom 26. Oktober 1988 teilte die niederländische Regierung der Kommission sodann einige Änderungsvorschläge mit, durch die weder die allgemeine Ausrichtung noch das Ziel der Regelung geändert wurde. Diese Änderungen wurden von der Kommission mit Schreiben vom 22. Dezember 1988 mit der Maßgabe genehmigt, daß bei den Beihilfen für den Fischereisektor die Leitlinien beachtet würden.

19 Am 28. November 1988 beantragte die Klägerin beim Beklagten einen Zuschuß zum Neubau eines Fischereifahrzeugs von 6 500 BRZ. Dieser Antrag wurde vom Beklagten mit Bescheid vom 1. Dezember 1989 abgelehnt.

20 Am 28. Dezember 1988 legte die Klägerin gegen den Bescheid des Beklagten Einspruch ein, den dieser mit Bescheid vom 19. März 1991 für unbegründet erklärte. Nach Ansicht des Beklagten konnte die beantragte Beihilfe nicht gewährt werden, weil sie dem Programm nicht entsprochen habe. Unter Berufung auf die Sechste Richtlinie erhob die Klägerin beim Raad van State Klage gegen diesen Bescheid.

21 Der Raad van State hat das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof die beiden folgenden Fragen vorgelegt:

1. Ist die Kommission der Europäischen Gemeinschaften aufgrund von Artikel 42 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft in Verbindung mit Artikel 49 der Verordnung (EWG) Nr. 4028/86 des Rates vom 18. Dezember 1986 über Gemeinschaftsmaßnahmen zur Verbesserung und Anpassung der Strukturen im Bereich der Fischerei und der Aquakultur auch ohne ausdrückliche Ermächtigung durch den Rat der Europäischen Gemeinschaften befugt, im Rahmen der ihr in Artikel 93 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft verliehenen Befugnis, Beihilferegelungen der Mitgliedstaaten zu prüfen, zur Koordinierung der Verordnung Nr. 4028/86 und der Richtlinie 87/167/EWG des Rates vom 26. Januar 1987 über Beihilfen für den Schiffbau Leitlinien für die Prüfung der einzelstaatlichen Beihilfen im Fischereisektor (88/C 313/09) aufzustellen, bekanntzumachen und der Beurteilung nationaler Beihilferegelungen zugrunde zu legen, in denen neben Kriterien rein wettbewerbspolitischer Art auch Kriterien niedergelegt sind, die der gemeinschaftlichen Fischereipolitik entnommen sind?

2. Wenn die erste Frage bejaht wird:

Sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, die genannten Leitlinien der Entscheidung über einen Antrag auf Beihilfe für den Bau eines für die Fischerei bestimmten Schiffes zugrunde zu legen? Wenn ja, worauf beruht dann diese Verpflichtung?

Gilt diese Verpflichtung nur dann, wenn das betreffende Schiff ganz oder teilweise für die Fischerei in Gewässern bestimmt ist, die unter die Hoheitsgewalt oder Gerichtsbarkeit der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft fallen, oder auch in Gewässern, auf die sich die Aussenfischereipolitik der Gemeinschaft bezieht?

22 Nach dem Vorlagebeschluß sieht es der Raad van State als erwiesen an, daß das fragliche Schiff teilweise für die Fischerei in Gewässern bestimmt ist, die unter die Hoheitsgewalt oder Gerichtsbarkeit der Mitgliedstaaten der Gemeinschaft fallen.

23 Die Klägerin hat den Gerichtshof in der Sitzung davon unterrichtet, daß das ° zwischenzeitlich gebaute ° Schiff unter niederländischer Flagge fährt.

Zur ersten Frage

24 Das vorlegende Gericht fragt, ob die Kommission in Ausübung ihrer Befugnisse nach den Artikeln 92 und 93 des Vertrages Leitlinien erlassen durfte, in denen nicht nur Kriterien rein wettbewerbspolitischer Art, sondern auch solche der gemeinsamen Fischereipolitik berücksichtigt wurden, auch wenn der Rat sie hierzu nicht ausdrücklich ermächtigt hatte.

25 Die Klägerin macht geltend, die Kommission habe die Sechste Richtlinie verkannt, als sie in den Leitlinien vorgesehen habe, daß eine Beihilfe für den Neubau eines Fischereifahrzeugs nur dann als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar angesehen werden könne, wenn sie die Ziele der gemeinsamen Fischereipolitik beachte. Ausserdem sei entgegen dem Wortlaut der Leitlinien eine Beihilfe für den Neubau eines Fischereifahrzeugs nach Artikel 1 Buchstabe a der Sechsten Richtlinie schon dann mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar, wenn sie nicht die von der Kommission festgelegte Hoechstgrenze überschreite. Im Rahmen dieser Richtlinie dürfe die Kommission nur nachprüfen, ob die Hoechstgrenze eingehalten worden sei. Das ergebe sich aus dem Urteil vom 18. Mai 1993 in den verbundenen Rechtssachen C-356/90 und C-180/91 (Belgien/Kommission, Slg. 1993, I-2323).

26 Die Sechste Richtlinie ist jedoch auf Artikel 92 Absatz 3 Buchstabe d des Vertrages gestützt. Daher stellen die in ihr bezeichneten Beihilfen lediglich eine Kategorie von Beihilfen dar, die "als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar... angesehen werden [können]". Die einschlägigen Bestimmungen dieser Richtlinie geben diesen Wortlaut im übrigen getreu wieder (siehe Artikel 1 Buchstabe d Unterabsatz 2 und Artikel 4 Absatz 1 der Sechsten Richtlinie; vgl. ausserdem in diesem Sinne Urteil Belgien/Kommission, a. a. O., Randnr. 32).

27 Diese Beihilfen können also zwar als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar angesehen werden, müssen dies aber nicht. Die Kommission hat nämlich nach Artikel 93 Absatz 3 des Vertrages zu prüfen, ob diese Beihilfen alle Voraussetzungen für eine Vereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt erfuellen. Insoweit verweist Artikel 10 der Sechsten Richtlinie ausdrücklich auf Artikel 93 des Vertrages und sieht darüber hinaus weitere Mitteilungspflichten vor.

28 Folglich ergibt sich daraus, daß eine Beihilfe den Erfordernissen der Sechsten Richtlinie entspricht, noch nicht, daß sie notwendig mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar ist.

29 Hilfsweise macht die Klägerin geltend, selbst wenn die Kommission berechtigt wäre, eine der Sechsten Richtlinie entsprechende Beihilfe für mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar zu erklären, so dürfe sie dies doch nicht aufgrund von Erwägungen tun, die mit der Wettbewerbspolitik nichts zu tun hätten, etwa von Erwägungen der gemeinsamen Fischereipolitik. Dies widerspräche Artikel 49 der Verordnung Nr. 4028/86, wonach diese Politik auf den Fischereisektor anwendbar sei.

30 Jedoch hat die Kommission mit der Berücksichtigung von Erwägungen der gemeinsamen Fischereipolitik ihre Befugnisse nicht verletzt. Diese Berücksichtigung ist vielmehr ein wesentlicher Faktor der Entscheidung der Kommission, ob Beihilfen der fraglichen Art im Fischereisektor mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar sind.

31 Aus Artikel 42 Absatz 1 des Vertrages ergibt sich zum einen der Vorrang der Agrarpolitik vor den Zielen des Vertrages im Wettbewerbsbereich, und zum anderen, daß die Anwendung der Wettbewerbsregeln des Vertrages in diesem Bereich von der Berücksichtigung der Ziele des Artikels 39 des Vertrages, also der Ziele der gemeinsamen Agrarpolitik, abhängt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 5. Oktober 1994 in der Rechtssache C-280/93, Deutschland/Rat, Slg. 1994, I-4973).

32 Ausserdem enthält die gemeinsame Politik im Fischereisektor auch Regeln über das Funktionieren und die Entwicklung des gemeinsamen Marktes (vgl. Artikel 38 Absatz 4 des Vertrages). Wenn die Kommission hierauf nicht Rücksicht nähme, bestuende die Gefahr, daß sie der praktischen Wirksamkeit dieser gemeinsamen Politik erheblich schaden würde.

33 Daher muß die Kommission bei der Beurteilung der Vereinbarkeit einer im Fischereisektor gewährten Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt die Erfordernisse der gemeinsamen Politik dieses Sektors berücksichtigen, die tatsächlich denen des Gemeinsamen Marktes entsprechen.

34 Demgemäß ist auf die erste Frage zu antworten, daß die Kommission in Ausübung ihrer Befugnisse nach den Artikeln 92 und 93 EG-Vertrag Leitlinien erlassen durfte, in denen nicht nur Kriterien rein wettbewerbspolitischer Art, sondern auch solche der gemeinsamen Fischereipolitik berücksichtigt wurden, auch wenn der Rat sie hierzu nicht ausdrücklich ermächtigt hatte.

Zur zweiten Frage

35 Diese Frage besteht aus zwei Teilen. Der erste Teil fragt, ob die Leitlinien bindende Wirkung haben, der zweite, für welche Schiffe sie gelten.

36 Was den ersten Teil dieser Frage betrifft, so überprüft die Kommission nach Artikel 93 Absatz 1 des Vertrages fortlaufend in Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten die in diesen bestehenden Beihilferegelungen. Sie schlägt ihnen die zweckdienlichen Maßnahmen vor, welche die fortschreitende Entwicklung und das Funktionieren des Gemeinsamen Marktes erfordern. Diese Bestimmung begründet eine Verpflichtung der Kommission und der Mitgliedstaaten zu regelmässiger und laufender Zusammenarbeit, von der sich weder die Kommission noch ein Mitgliedstaat für einen unbestimmten, allein vom Willen des einen oder anderen Teils abhängigen Zeitraum freimachen können (vgl. Urteil vom 29. Juni 1995 in der Rechtssache C-135/93, Spanien/Kommission, Slg. 1995, I-1651).

37 Die Leitlinien sind auf Artikel 93 Absatz 1 des Vertrages gestützt und sind damit Teil dieser Verpflichtung zu regelmässiger und laufender Zusammenarbeit, von der sich weder die Kommission noch die Mitgliedstaaten freimachen können. Im übrigen entsprechen die Leitlinien ° zumindest im Verhältnis zwischen der Kommission und dem Königreich der Niederlande ° gerade dem Geist der regelmässigen und laufenden Zusammenarbeit, der nach dem Willen dieses Artikels des Vertrages zwischen der Kommission und den Mitgliedstaaten herrschen soll.

38 Erstens werden mit den Leitlinien, die für den fraglichen Bereich nicht die ersten sind, frühere Leitlinien aktualisiert; sie stellen sich damit als Teil einer regelmässigen und laufenden Überwachung des Fischereisektors dar.

39 Zweitens ist diese Überwachung in Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten ausgestaltet worden, auch wenn sie weiterhin in den Händen der Kommission liegt. Zunächst sind die Mitgliedstaaten ° die niederländische Regierung mit Schreiben vom 30. März und vom 6. Mai 1988 ° zum vorläufigen Wortlaut der Leitlinien konsultiert worden; anschließend hat die Kommission der niederländischen Regierung mit Schreiben vom 30. November 1988 mitgeteilt, daß sie bei der Genehmigung des endgültigen Wortlauts der Leitlinien die Bemerkungen der Mitgliedstaaten berücksichtigt habe.

40 Drittens geht aus dem letztgenannten Schreiben hervor, daß der Geist der Zusammenarbeit zwischen der Kommission und den Mitgliedstaaten während der gesamten Geltungsdauer dieser Leitlinien bestanden hat. Die Kommission hat nämlich in diesem Schreiben die niederländische Regierung ersucht, ihr zu bestätigen, daß die in den Leitlinien festgelegten Kriterien für alle Beihilfen dieses Sektors beachtet würden. Die niederländische Regierung hat der Kommission daraufhin mit Schreiben vom 31. Januar 1989 bestätigt, daß die im Fischereisektor gewährten Beihilfen die Leitlinien beachteten (Randnr. 13 dieses Urteils). Da sie zur Zeit dieser Bestätigung die nationale Beihilferegelung angewandt hat, ist davon auszugehen, daß sich die Bestätigung auf diese bezieht.

41 Aus den Akten ergibt sich somit, daß die Kommission und die niederländische Regierung bei der Behandlung der Beihilfen im Fischereisektor gemäß Artikel 93 Absatz 1 des Vertrages zusammengewirkt haben. Von dieser Zusammenarbeit konnte sich weder der eine noch der andere Teil einseitig freimachen.

42 Ausserdem hat der Gerichtshof in dem Urteil vom 24. März 1993 in der Rechtssache C-313/90 (CIRFS u. a./Kommission, Slg. 1993, I-1125, Randnr. 35) einer "Beihilfendisziplin", die die gleiche Rechtsnatur wie die Leitlinien hatte und deren Regeln von den Mitgliedstaaten anerkannt worden waren, bindende Wirkung beigemessen.

43 Im vorliegenden Fall hatte die Kommission ihre Zustimmung zu den Änderungen der nationalen Beihilferegelung nur erteilt, soweit bei der Beihilfe der niederländischen Regierung für den Bau von Fischereifahrzeugen die Leitlinien beachtet würden. Daher hat die niederländische Regierung die in den Leitlinien aufgestellten Regeln mit dem Vollzug der Änderungen akzeptiert. Mithin binden die Leitlinien in Übereinstimmung mit dem Urteil CIRFS u. a./Kommission die Niederlande.

44 Somit ergibt sich aus der Verpflichtung zur Zusammenarbeit aus Artikel 93 Absatz 1 des Vertrages einerseits und dem Umstand, daß die in den Leitlinien aufgestellten Regeln akzeptiert wurden, andererseits, daß ein Mitgliedstaat, hier: das Königreich der Niederlande, verpflichtet ist, die Leitlinien der Entscheidung über einen Antrag auf Beihilfe für den Bau eines für die Fischerei bestimmten Schiffes zugrunde zu legen.

45 Was den zweiten Teil der zweiten Frage betrifft, so ergibt sich aus den Randnummern 14 und 3 dieses Urteils, daß die Leitlinien auf Beihilfen für den Neubau von für die "Gemeinschaftsflotte" bestimmten Fischereischiffen anwendbar sind und daß mit der gemeinsamen Politik, deren Beachtung die Leitlinien sicherstellen sollen, die Umstrukturierung der "Gemeinschaftsflotten" angestrebt wird.

46 Zu prüfen ist daher, ob ein Schiff der hier fraglichen Art zu einer der Gemeinschaftsflotten gehören soll.

47 Insoweit stellt die Regelung der gemeinsamen Politik hinsichtlich der Gemeinschaftsflotten, wie der Generalanwalt in Nummer 58 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, insbesondere auf das Kriterium ab, unter welcher Flagge das Schiff fährt. So hat ein unter der Flagge eines Mitgliedstaats fahrendes Schiff jederzeit Zugang zu den gemeinschaftlichen Meeresschätzen, und zwar sowohl in Gewässern, die unter die Hoheitsgewalt oder Gerichtsbarkeit der Mitgliedstaaten der Gemeinschaft fallen, als auch in Gewässern, auf die sich die Aussenfischereipolitik bezieht, und es unterliegt darüber hinaus den in der Regelung über die gemeinsame Politik vorgesehenen Überwachungsmaßnahmen.

48 Folglich gehört ein unter der Flagge eines Mitgliedstaats fahrendes Schiff unabhängig von seinem Fangort zu einer der Gemeinschaftsflotten.

49 Daher ist auf die zweite Frage insgesamt zu antworten, daß ein Mitgliedstaat, hier: das Königreich der Niederlande, der der Verpflichtung zur Zusammenarbeit aus Artikel 93 Absatz 1 EG-Vertrag unterliegt und der die in den Leitlinien aufgestellten Regeln akzeptiert hat, verpflichtet ist, diese der Entscheidung über einen Antrag auf Beihilfe für den Bau eines Fischereifahrzeugs zugrunde zu legen, das unabhängig von seinem Fangort zu einer der Gemeinschaftsflotten gehören soll.

Kostenentscheidung:

Kosten

50 Die Auslagen der niederländischen und der französischen Regierung sowie der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, die vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

auf die ihm vom Nederlandse Raad van State mit Beschluß vom 1. November 1994 vorgelegten Fragen für Recht erkannt:

1. Die Kommission durfte in Ausübung ihrer Befugnisse nach den Artikeln 92 und 93 EG-Vertrag die Leitlinien für die Prüfung der einzelstaatlichen Beihilfen im Fischereisektor (88/C 313/09) erlassen, in denen nicht nur Kriterien rein wettbewerbspolitischer Art, sondern auch solche der gemeinsamen Fischereipolitik berücksichtigt werden, auch wenn der Rat sie hierzu nicht ausdrücklich ermächtigt hatte.

2. Ein Mitgliedstaat, hier: das Königreich der Niederlande, der der Verpflichtung zur Zusammenarbeit aus Artikel 93 Absatz 1 EG-Vertrag unterliegt und der die in den Leitlinien aufgestellten Regeln akzeptiert hat, ist verpflichtet, diese der Entscheidung über einen Antrag auf Beihilfe für den Bau eines Fischereifahrzeugs zugrunde zu legen, das unabhängig von seinem Fangort zu einer der Gemeinschaftsflotten gehören soll.

Ende der Entscheidung

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