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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 17.10.1996
Aktenzeichen: C-312/95
Rechtsgebiete: EG-Vertrag


Vorschriften:

EG-Vertrag Art. 169 Abs. 1
EG-Vertrag Art. 189 Abs. 3
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Ein Mitgliedstaat kann sich nicht auf Bestimmungen, Übungen oder Umstände seiner internen Rechtsordnung berufen, um die Nichteinhaltung der in einer Richtlinie festgelegten Verpflichtungen und Fristen zu rechtfertigen.


Urteil des Gerichtshofes (Fünfte Kammer) vom 17. Oktober 1996. - Kommission der Europäischen Gemeinschaften gegen Grossherzogtum Luxemburg. - Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats - Richtlinien 90/219/EWG und 90/220/EWG - Genetisch veränderte Organismen. - Rechtssache C-312/95.

Entscheidungsgründe:

1 Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften hat mit Klageschrift, die am 3. Oktober 1995 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 169 EG-Vertrag Klage erhoben auf Feststellung, daß das Großherzogtum Luxemburg dadurch gegen seine Verpflichtungen aus den Artikeln 22 und 23 der Richtlinien 90/219/EWG des Rates vom 23. April 1990 über die Anwendung genetisch veränderter Mikroorganismen in geschlossenen Systemen (ABl. L 117, S. 1) und 90/220/EWG des Rates vom 23. April 1990 über die absichtliche Freisetzung genetisch veränderter Organismen in die Umwelt (ABl. L 117, S. 15) sowie aus den Artikeln 5 und 189 EG-Vertrag verstossen hat, daß es nicht innerhalb der festgesetzten Fristen die erforderlichen Maßnahmen erlassen hat, um diesen Richtlinien nachzukommen.

2 Gemäß Artikel 22 der Richtlinie 90/219 und Artikel 23 der Richtlinie 90/220 hatten die Mitgliedstaaten die erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften zu erlassen, um diesen Richtlinien im ersten Fall spätestens am 23. Oktober 1991 und im zweiten Fall vor dem 23. Oktober 1991 nachzukommen. Beide Vorschriften verpflichteten die Mitgliedstaaten ferner, die Kommission unverzueglich über die erlassenen Vorschriften zu unterrichten.

3 Da die Kommission keine Mitteilung über Umsetzungsmaßnahmen des Großherzogtums erhalten hatte und über keine Anhaltspunkte dafür verfügte, daß dieser Staat seiner Verpflichtung nachgekommen war, die erforderlichen Vorschriften innerhalb der festgesetzten Fristen zu erlassen, forderte sie die luxemburgische Regierung mit Schreiben vom 20. Mai 1992 gemäß Artikel 169 Absatz 1 EWG-Vertrag auf, sich innerhalb einer Frist von zwei Monaten zu äussern.

4 Da die Kommission auf dieses Aufforderungsschreiben keine offizielle Antwort erhielt, richtete sie am 13. April 1993 gemäß Artikel 169 Absatz 2 des Vertrages eine mit Gründen versehene Stellungnahme an das Großherzogtum Luxemburg, mit der sie dieses aufforderte, innerhalb von zwei Monaten die erforderlichen Maßnahmen zu erlassen, um dieser Stellungnahme nachzukommen.

5 Mit Schreiben vom 25. Juli 1995 antworteten die luxemburgischen Behörden, daß der für die Prüfung der beiden Gesetzentwürfe zur Umsetzung der Richtlinien 90/219 und 90/220 in innerstaatliches Recht zuständige Ausschuß des Conseil d' Etat im Begriff sei, seine Arbeiten abzuschließen, und beabsichtige, seine Stellungnahme im September 1995 abzugeben. Diese Gesetzentwürfe und die Stellungnahme des Conseil d' Etat könnten daher der Abgeordnetenkammer im Herbst 1995 zur Beratung und Verabschiedung übermittelt werden.

6 Die Kommission hat daraufhin die vorliegende Klage erhoben. Sie macht unter Bezugnahme auf die Artikel 5 und 189 Absatz 3 EG-Vertrag sowie 22 der Richtlinie 90/219 und 23 der Richtlinie 90/220 geltend, der Inhalt des Schreibens der luxemburgischen Behörden vom 25. Juli 1995 bestätige, daß das Großherzogtum Luxemburg diesen Richtlinien und insbesondere ihren Artikeln 22 und 23 nicht nachgekommen sei.

7 Das Großherzogtum Luxemburg bestreitet nicht, daß es die Richtlinien nicht innerhalb der festgesetzten Fristen in innerstaatliches Recht umgesetzt habe. Es beantragt dennoch Klageabweisung, da die Gründe für die Verzögerung der Umsetzung der beiden Richtlinien mit der komplexen Natur der Materie und den Verhandlungen zusammenhingen, die über die Gesetzentwürfe für die Umsetzung während der dem Gesetzgebungsverfahren vorausgehenden Anhörungen stattgefunden hätten.

8 Das Ende der parlamentarischen Arbeiten lasse sich mittlerweile absehen. Der Conseil d' Etat habe nämlich am 26. September 1995 seine Stellungnahme zu den Gesetzentwürfen abgegeben, so daß der für genetische Fragen zuständige Sonderausschuß der Abgeordnetenkammer Mitte Oktober mit der Prüfung des Entwurfs habe beginnen können. Die Erörterungen innerhalb dieses Ausschusses zeigten, daß dem vorgeschlagenen Entwurf grundsätzlich zugestimmt werde. Der Ausschuß werde daher wohl in der Lage sein, seine Arbeiten Anfang 1996 abzuschließen, weshalb eine Abstimmung in den darauffolgenden Monaten stattfinden könne. Die beanstandete Vertragsverletzung könne daher in Kürze abgestellt werden, so daß das vorliegende Verfahren gegenstandslos werde.

9 Insoweit genügt der Hinweis darauf, daß sich ein Mitgliedstaat nach ständiger Rechtsprechung nicht auf Bestimmungen, Übungen oder Umstände seiner internen Rechtsordnung berufen kann, um die Nichteinhaltung der in einer Richtlinie festgelegten Verpflichtungen und Fristen zu rechtfertigen (vgl. u. a. Urteil vom 2. Mai 1996 in der Rechtssache C-253/95, Kommission/Deutschland, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 12).

10 Da die Umsetzung der Richtlinien nicht innerhalb der festgesetzten Fristen erfolgt ist, ist die von der Kommission insoweit erhobene Klage begründet.

11 Folglich ist festzustellen, daß das Großherzogtum Luxemburg dadurch gegen seine Verpflichtungen aus den Artikeln 22 und 23 der Richtlinien 90/219 und 90/220 verstossen hat, daß es nicht die erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften erlassen hat, um diesen Richtlinien innerhalb der festgesetzten Fristen nachzukommen.

Kostenentscheidung:

Kosten

12 Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Die Kommission hat beantragt, dem Großherzogtum Luxemburg die Kosten aufzuerlegen. Da dieses mit seinem Vorbringen unterlegen ist, sind ihm die Kosten aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1. Das Großherzogtum Luxemburg hat dadurch gegen seine Verpflichtungen aus den Artikeln 22 und 23 der Richtlinien 90/219/EWG des Rates vom 23. April 1990 über die Anwendung genetisch veränderter Mikroorganismen in geschlossenen Systemen und 90/220/EWG des Rates vom 23. April 1990 über die absichtliche Freisetzung genetisch veränderter Organismen in die Umwelt verstossen, daß es nicht innerhalb der festgesetzten Fristen die erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften erlassen hat, um diesen Richtlinien nachzukommen.

2. Das Großherzogtum Luxemburg trägt die Kosten des Verfahrens.

Ende der Entscheidung

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