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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 12.06.2003
Aktenzeichen: C-316/01
Rechtsgebiete: Richtlinie 90/313/EWG des Rates vom 7. Juni 1990 über den freien Zugang zu Informationen über die Umwelt, Verordnung (EG) Nr. 1139/98 des Rates vom 26. Mai 1998 in der durch die Verordnung (EG) Nr. 49/2000 der Kommission vom 10. Januar 2000 geänderten Fassung, Umweltinformationsgesetzes (Österreich)


Vorschriften:

Richtlinie 90/313/EWG des Rates vom 7. Juni 1990 über den freien Zugang zu Informationen über die Umwelt Art. 2 Buchst. a
Verordnung (EG) Nr. 1139/98 des Rates vom 26. Mai 1998 in der durch die Verordnung (EG) Nr. 49/2000 der Kommission vom 10. Januar 2000 geänderten Fassung
Umweltinformationsgesetzes (Österreich) § 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Urteil des Gerichtshofes (Fünfte Kammer) vom 12. Juni 2003. - Eva Glawischnig gegen Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen. - Ersuchen um Vorabentscheidung: Unabhängiger Verwaltungssenat Wien - Österreich. - Freier Zugang zu Informationen - Informationen über die Umwelt - Richtlinie 90/313/EWG - Verstöße gegen Vorschriften über die Etikettierung von Lebensmitteln, die aus genetisch veränderten Organismen hergestellt wurden. - Rechtssache C-316/01.

Parteien:

In der Rechtssache C-316/01

betreffend ein dem Gerichtshof nach Artikel 234 EG vom Unabhängigen Verwaltungssenat Wien (Österreich) in dem bei diesem anhängigen Rechtsstreit

Eva Glawischnig

gegen

Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen

"vorgelegtes Ersuchen um Vorabentscheidung über die Auslegung von Artikel 2 Buchstabe a der Richtlinie 90/313/EWG des Rates vom 7. Juni 1990 über den freien Zugang zu Informationen über die Umwelt (ABl. L 158, S. 56)

erlässt

DER GERICHTSHOF

(Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. Wathelet sowie der Richter D. A. O. Edward (Berichterstatter), A. La Pergola, P. Jann und A. Rosas,

Generalanwalt: A. Tizzano,

Kanzler: M.-F. Contet, Hauptverwaltungsrätin,

unter Berücksichtigung der schriftlichen Erklärungen

- von Frau Glawischnig, vertreten durch M. Meyer, Prozessbevollmächtigte,

- der österreichischen Regierung, vertreten durch C. Pesendorfer als Bevollmächtigte,

- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch G. zur Hausen und I. Martínez del Peral als Bevollmächtigte,

aufgrund des Sitzungsberichts,

nach Anhörung der mündlichen Ausführungen von Frau Glawischnig, vertreten durch M. Meyer, der österreichischen Regierung, vertreten durch G. Hesse als Bevollmächtigten, und der Kommission, vertreten durch G. zur Hausen, in der Sitzung vom 19. September 2002,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 5. Dezember 2002

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

1 Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat mit Entscheidung vom 25. Juli 2001, beim Gerichtshof eingegangen am 13. August 2001, gemäß Artikel 234 EG drei Fragen nach der Auslegung von Artikel 2 Buchstabe a der Richtlinie 90/313/EWG des Rates vom 7. Juni 1990 über den freien Zugang zu Informationen über die Umwelt (ABl. L 158, S. 56) zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2 Diese Fragen stellen sich in einem Rechtsstreit zwischen Frau Glawischnig und dem Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen in Bezug auf ein Auskunftsbegehren über verwaltungstechnische Maßnahmen zur Kontrolle von Erzeugnissen, die aus genetisch veränderten Sojabohnen und Mais hergestellt sind.

Rechtlicher Rahmen

Gemeinschaftsrecht

3 Die Richtlinie 90/313 soll gemäß ihrer sechsten Begründungserwägung in der gesamten Gemeinschaft allen natürlichen und juristischen Personen den freien Zugang zu den bei den Behörden in Schrift-, Bild-, Ton- oder DV-Form verfügbaren umweltbezogenen Informationen über den Zustand der Umwelt, Tätigkeiten oder Maßnahmen, die diesen Zustand negativ beeinflussen oder negativ beeinflussen können, sowie über Tätigkeiten oder Maßnahmen zum Schutz der Umwelt gewährleisten.

4 Artikel 2 Buchstabe a der Richtlinie 90/313 bestimmt:

"Im Sinne dieser Richtlinie gelten als

a) "Informationen über die Umwelt" alle in Schrift-, Bild-, Ton- oder DV-Form vorliegenden Informationen über den Zustand der Gewässer, der Luft, des Bodens, der Tier- und Pflanzenwelt und der natürlichen Lebensräume sowie über Tätigkeiten (einschließlich solcher, von denen Belästigungen wie beispielsweise Lärm ausgehen) oder Maßnahmen, die diesen Zustand beeinträchtigen oder beeinträchtigen können, und über Tätigkeiten oder Maßnahmen zum Schutz dieser Umweltbereiche einschließlich verwaltungstechnischer Maßnahmen und Programme zum Umweltschutz."

5 Die Richtlinie 2003/4/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2003 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Umweltinformationen und zur Aufhebung der Richtlinie 90/313 (ABl. L 41, S. 26) enthält eine Definition des Begriffes "Informationen über die Umwelt", der weiter und genauer ist als die Definition in der Richtlinie 90/313. Im Ausgangsverfahren ist jedoch die Richtlinie 90/313 anzuwenden, da sie erst ab dem 14. Februar 2005 durch die Richtlinie 2003/4 ersetzt wird.

6 Die Verordnung (EG) Nr. 1139/98 des Rates vom 26. Mai 1998 über Angaben, die zusätzlich zu den in der Richtlinie 79/112/EWG aufgeführten Angaben bei der Etikettierung bestimmter aus genetisch veränderten Organismen hergestellter Lebensmittel vorgeschrieben sind, legt in der durch die Verordnung (EG) Nr. 49/2000 der Kommission vom 10. Januar 2000 (ABl. L 6, S. 13) geänderten Fassung (im Folgenden: Verordnung Nr. 1139/98) näher fest, welche Angaben bei der Etikettierung von Lebensmitteln und Lebensmittelbestandteilen aus Sojabohnen im Sinne der Entscheidung 96/281/EG der Kommission vom 3. April 1996 über das Inverkehrbringen genetisch veränderter Sojabohnen (Glycin max. L.) mit erhöhter Verträglichkeit des Herbizids Glyphosat nach der Richtlinie 90/220/EWG des Rates (ABl. L 107, S. 10) und aus Mais im Sinne der Entscheidung 97/98/EG der Kommission vom 23. Januar 1997 über das Inverkehrbringen von genetisch verändertem Mais (Zea Mays L.) mit der kombinierten Veränderung der Insektizidwirkung des BT-Endotoxin-Gens und erhöhter Toleranz gegenüber dem Herbizid Glufosinatammonium gemäß der Richtlinie 90/220/EWG des Rates (ABl. L 31, S. 69) vorgeschrieben sind.

Nationales Recht

7 Die Richtlinie 90/313 wurde durch das Umweltinformationsgesetz (BGBl I 1993/495 in der im BGBl I 1999/137 veröffentlichten Fassung; im Folgenden: UIG) in österreichisches Recht umgesetzt.

8 § 2 UIG bestimmt:

"Umweltdaten sind auf Datenträgern festgehaltene Informationen über

1. den Zustand der Gewässer, der Luft, des Bodens, der Tier- und Pflanzenwelt und der natürlichen Lebensräume sowie seine Veränderung oder die Lärmbelästigung;

2. Vorhaben oder Tätigkeiten, die Gefahren für den Menschen hervorrufen oder hervorrufen können oder die Umwelt beeinträchtigen oder beeinträchtigen können, insbesondere durch Emissionen, Einbringung oder Freisetzung von Chemikalien, Abfällen, gefährlichen Organismen oder Energie einschließlich ionisierender Strahlen in die Umwelt oder durch Lärm;

3. umweltbeeinträchtigende Eigenschaften, Mengen und Auswirkungen von Chemikalien, Abfällen, gefährlichen Organismen, freigesetzter Energie einschließlich ionisierender Strahlen oder Lärm;

4. bestehende oder geplante Maßnahmen zur Erhaltung, zum Schutz oder zur Verbesserung der Qualität der Gewässer, der Luft, des Bodens, der Tier- und Pflanzenwelt und der natürlichen Lebensräume, zur Verringerung der Lärmbelastung sowie Maßnahmen zur Schadensvorbeugung und zum Ausgleich eingetretener Schäden, insbesondere auch in Form von Verwaltungsakten und Programmen."

Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

9 Am 13. Januar 2000 bat die Abgeordnete zum Nationalrat Eva Glawischnig, die damals hierfür zuständige Bundesministerin um bestimmte Informationen über die Kontrolle von Erzeugnissen, die aus genetisch veränderten Sojabohnen und Mais hergestellt sind. Diese Anfrage stützte sich zum einen auf das UIG und zum anderen auf das Auskunftspflichtgesetz (BGBl I 1997/287, im Folgenden: APG).

10 Die Fragen lauteten:

"Unter Berufung auf das [APG] und das [UIG] ersuche ich um Mitteilung folgender Daten für den Zeitraum 1.8. bis 31.12.1999:

1. Wie viele Produkte aus Gensoja und Genmais wurden im genannten Zeitraum auf die korrekte Kennzeichnung nach EG-Verordnung Nr. 1139/98 hin überprüft?

2. Wie oft kam es zu Beanstandungen?

3. Um welche Produkte handelte es sich dabei? Bitte um Bekanntgabe der Produktnamen und der Produzenten.

4. Wie oft kam es zur Verhängung einer Verwaltungsstrafe? Welche Produzenten wurden wegen welcher Produkte bestraft?

5. Wie hoch war die Hoechststrafe und die Mindeststrafe wegen fehlender Kennzeichnung a) vom 1.8. bis 31.12. 1999 und b) davor?"

11 Die erste und die zweite Frage wurden durch den nunmehr für die Vollziehung der Verordnung Nr. 1139/98 zuständigen Bundeskanzler beantwortet. Dieser weigerte sich jedoch mit Bescheid vom 10. Februar 2000, die dritte, die vierte und die fünfte Frage zu beantworten, da es sich bei den damit angeforderten Informationen nicht um Umweltdaten im Sinne von § 2 UIG handele.

12 Frau Glawischnig legte beim Unabhängigen Verwaltungssenat Wien gegen diesen Bescheid Berufung ein, mit der sie geltend macht, dass das Inverkehrbringen von Lebensmitteln, die aus genetisch veränderten Organismen (im Folgenden: GVO) hergestellt seien oder sie enthielten, unter den Begriff der "Tätigkeiten, die Gefahren für den Menschen hervorrufen oder hervorrufen können oder die Umwelt beeinträchtigen oder beeinträchtigen können" im Sinne von § 2 Nummer 2 UIG falle. Der Konsum derartiger Lebensmittel könne zu Gesundheits- und Umweltreaktionen führen.

13 Nach Ansicht des Unabhängigen Verwaltungssenats Wien sind die von Frau Glawischnig angeforderten Informationen weder "Umweltdaten" im Sinne von § 2 UIG noch "Informationen über die Umwelt" im Sinne von Artikel 2 Buchstabe a der Richtlinie 90/313. Angesichts der weiten Auslegung der letztgenannten Vorschrift durch den Gerichtshof in seinem Urteil vom 17. Juni 1998 in der Rechtssache C-321/96 (Mecklenburg, Slg. 1998, I-3809) hat dieses Gericht jedoch das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Können der Name des Herstellers sowie die Produktbezeichnung von Lebensmitteln, die im Rahmen einer behördlichen Kontrolle wegen fehlender Kennzeichnung gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1139/98 des Rates vom 26. Mai 1998 über Angaben, die zusätzlich zu den in der Richtlinie 79/112/EWG aufgeführten Angaben bei der Etikettierung bestimmter aus genetisch veränderten Organismen hergestellter Lebensmittel vorgeschrieben sind, beanstandet wurden, als "Informationen über die Umwelt" im Sinne von Artikel 2 Buchstabe a der Richtlinie 90/313/EWG des Rates vom 7. Juni 1990 über den freien Zugang zu Informationen über die Umwelt verstanden werden?

2. Handelt es sich bei behördlichen Unterlagen, aus denen hervorgeht, wie oft Verwaltungsstrafen wegen Übertretungen der Verordnung (EG) Nr. 1139/98 verhängt wurden, um "Informationen über die Umwelt" im Sinne von Artikel 2 Buchstabe a der Richtlinie 90/313/EWG des Rates vom 7. Juni 1990 über den freien Zugang zu Informationen über die Umwelt?

3. Handelt es sich bei behördlichen Unterlagen, aus denen hervorgeht, welche Produzenten und welche Produkte von Verwaltungsstrafen wegen Übertretung der Verordnung (EG) Nr. 1139/98 betroffen sind, um "Informationen über die Umwelt" im Sinne von Artikel 2 Buchstabe a der Richtlinie 90/313/EWG des Rates vom 7. Juni 1990 über den freien Zugang zu Informationen über die Umwelt?

14 Mit Schreiben vom 21. September 2001 hat das vorlegende Gericht den Gerichtshof darüber informiert, dass nun der Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen für die Vollziehung der Verordnung Nr. 1139/98 zuständig sei.

Zu den Vorlagefragen

15 Das vorlegende Gericht möchte mit seinen drei Fragen, die die Auslegung derselben Vorschrift des Gemeinschaftsrechts betreffen und daher zusammen untersucht werden können, im Wesentlichen wissen, ob Artikel 2 Buchstabe a der Richtlinie 90/313 dahin auszulegen ist, dass der Name des Herstellers sowie die Produktbezeichnung von Lebensmitteln, die Gegenstand verwaltungstechnischer Maßnahmen zur Kontrolle der Einhaltung der Verordnung Nr. 1139/98 waren, die Zahl der infolge dieser Maßnahmen verhängten Verwaltungsstrafen sowie die von diesen Strafen betroffenen Produzenten und Produkte Informationen über die Umwelt im Sinne dieser Vorschrift darstellen.

16 Artikel 2 Buchstabe a der Richtlinie 90/313 fasst die Informationen über die Umwelt im Sinne dieser Richtlinie in drei Kategorien zusammen: Informationen über den Zustand der Gewässer, der Luft, des Bodens, der Tier- und Pflanzenwelt sowie der natürlichen Lebensräume (im Folgenden: erste Kategorie), Informationen über Tätigkeiten oder Maßnahmen, die diesen Zustand beeinträchtigen oder beeinträchtigen können (im Folgenden: zweite Kategorie), und Informationen über Tätigkeiten und Maßnahmen zum Schutz dieser Umweltgüter (im Folgenden: dritte Kategorie).

Beim Gerichtshof eingereichte Erklärungen

17 Frau Glawischnig trägt vor, dass die Vermarktung von Lebensmitteln zur zweiten Kategorie von Informationen gehöre, wenn sie die Umwelt nachteilig beeinträchtige oder beeinträchtigen könne. Diese Kategorie umfasse unter anderem die Angaben über Erzeugnisse, die im Hinblick auf den Umweltschutz eines Genehmigungsverfahrens oder einer besonderen Etikettierung bedürften, was bei aus GVO bestehenden oder GVO enthaltenden Erzeugnissen der Fall sei. Da der Zweck eines solchen Verfahrens die Bewertung des Risikos für die menschliche Gesundheit und die Umwelt sei und der Mensch als Teil der Umwelt im Sinne der Richtlinie 90/313 angesehen werden müsse, stelle die nicht mit dieser Richtlinie vereinbare Etikettierung von Erzeugnissen, die GVO enthielten, eine Information über die Umwelt dar.

18 Zudem seien die Verwaltungsstrafen für Verstöße gegen die Etikettierungspflicht zumindest mittelbar Maßnahmen zum Schutz der Umwelt. Informationen über solche Strafen gehörten daher auch zur dritten Kategorie.

19 Die österreichische Regierung macht geltend, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Informationen nicht von Artikel 2 Buchstabe a der Richtlinie 90/313 erfasst würden. Der Begriff "Umwelt" im Sinne dieser Vorschrift beschränke sich auf die dort ausdrücklich erwähnten Umweltgüter. Die menschliche Gesundheit gehöre nur mittelbar dazu, soweit sie von den negativen Auswirkungen einer Tätigkeit berührt werde, die eines dieser Umweltgüter betreffe. Wenn nun dem Begriff "Informationen über die Umwelt" eine weite Bedeutung zugrunde zu legen sei, so könne dies keinesfalls den klar abgegrenzten Katalog der betroffenen Umweltgüter ändern, sondern sich allenfalls auf den Umfang der Informationen über diese Güter auswirken.

20 Das im Ausgangsverfahren in Rede stehende Informationsersuchen betreffe jedoch Informationen über die Maßnahmen der behördlichen Kontrolle bestimmter Produkte im Hinblick auf die Vereinbarkeit ihrer Etikettierung mit den Anforderungen der Verordnung Nr. 1139/98. Solche Informationen beträfen nicht den Zustand eines der in Artikel 2 Buchstabe a der Richtlinie 90/313 genannten Umweltgüter.

21 Die Kommission ist ebenfalls der Ansicht, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Informationen nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie 90/313 fielen. Informationen über die Einhaltung einer Etikettierungspflicht enthielten per se keine Aussage über den gegenwärtigen Zustand eines der dort genannten Umweltgüter, und Informationen, die sich nicht spezifisch auf den Zustand eines dieser Güter bezögen, gehörten nicht zur ersten Kategorie.

22 Zur zweiten Kategorie führt die Kommission aus, dass die behördlichen Kontrolltätigkeiten in Bezug auf die Einhaltung der Verordnung Nr. 1139/98 keine Tätigkeiten seien, die den Zustand der Umwelt beeinträchtigten oder beeinträchtigen könnten. Selbst wenn nicht von vornherein auszuschließen sei, dass die Vermarktung der Erzeugnisse im Sinne der Verordnung per se als eine potenzielle Beeinträchtigung der Umwelt angesehen werden könne, bezögen sich die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Informationen nicht auf die Vermarktung dieser Erzeugnisse, sondern auf die Einhaltung bestimmter Etikettierungsregeln bei diesem Vorgang.

23 In Bezug auf die dritte Kategorie trägt die Kommission vor, dass die Informationen über die Ergebnisse und die Folgen von Verwaltungskontrollen der Einhaltung der Verordnung Nr. 1139/98 nur dann Informationen über die Umwelt im Sinne der Richtlinie 90/313 darstellen könnten, wenn die Verordnung auf den Schutz der Umwelt abziele. Dies sei jedoch nicht der Fall, da die Verordnung nicht dem Umweltschutz diene, sondern in erster Linie der Information der Verbraucher.

Antwort des Gerichtshofes

24 Zunächst ist festzustellen, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber dem in Artikel 2 Buchstabe a der Richtlinie 90/313 definierten Begriff "Informationen über die Umwelt" eine weite Bedeutung beilegen wollte und dass er es vermieden hat, dem Begriff eine Definition zu geben, die dazu führen könnte, dass irgendeine Behördentätigkeit vom Anwendungsbereich der Richtlinie ausgeschlossen wäre (vgl. Urteil Mecklenburg, Randnrn. 19 und 20).

25 Die Richtlinie 90/313 bezweckt jedoch nicht, ein allgemeines und unbegrenztes Zugangsrecht zu allen bei den Behörden verfügbaren Informationen zu gewähren, die auch nur den geringsten Bezug zu einem der in Artikel 2 Buchstabe a der Richtlinie genannten Umweltgüter aufweisen. Vielmehr fallen solche Informationen nur dann unter das durch die Richtlinie gewährte Zugangsrecht, wenn sie zu einer oder mehreren der in Artikel 2 Buchstabe a genannten drei Kategorien gehören.

26 Im vorliegenden Fall wird nicht bestritten, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Informationen nicht zur ersten Kategorie gehören.

27 Zur zweiten Kategorie ist festzustellen, dass Informationen über Kontrollmaßnahmen im Allgemeinen selbst dann nicht zu dieser Kategorie gehören, wenn die Kontrollmaßnahmen Tätigkeiten oder Maßnahmen betreffen, die für sich genommen eines oder mehrere der Umweltgüter betreffen oder betreffen können.

28 Hier würden also Informationen über Kontrollmaßnahmen in Bezug auf die Vermarktung von Lebensmitteln, die GVO enthalten, selbst dann nicht zur zweiten Kategorie gehören, wenn die Informationen über diese Vermarktungstätigkeit zu dieser Kategorie gehörten.

29 Informationen über Kontrollmaßnahmen können jedoch zur dritten Kategorie gehören, wenn sie dem Schutz eines oder mehrerer der Umweltgüter dienen sollen.

30 Die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Kontrollmaßnahmen bezogen sich auf die Beachtung der Verordnung Nr. 1139/98, die, wie der Generalanwalt in Nummer 32 seiner Schlussanträge festgestellt hat, zwei Ziele verfolgt, nämlich zum einen die Beseitigung potenzieller Hindernisse für den Verkehr von Produkten, die genetisch veränderte Sojabohnen oder Mais enthalten, und zum zweiten die Information des Endverbrauchers.

31 In der vierten Begründungserwägung der Verordnung Nr. 1139/98 ist dargelegt, dass die Unterschiede zwischen den verschiedenen von den Mitgliedstaaten ergriffenen Maßnahmen in Bezug auf die Etikettierung von Lebensmitteln, die aus genetisch veränderten Erzeugnissen gewonnen werden, den freien Verkehr der betreffenden Lebensmittel und Lebensmittelzutaten und somit ein ordnungsgemäßes Funktionieren des Binnenmarktes behindern können, so dass einheitliche Gemeinschaftsregelungen für die Etikettierung der betreffenden Produkte erlassen werden müssen. Aus der sechsten Begründungserwägung der Verordnung geht hervor, dass diese Etikettierungsanforderungen der Information der Endverbraucher dienen.

32 Gemäß Artikel 2 Absatz 3 der Verordnung Nr. 1139/98 bestehen diese Etikettierungsanforderungen im Wesentlichen darin, dass die Angabe "Aus genetisch veränderten Sojabohnen hergestellt" bzw. "Aus genetisch verändertem Mais hergestellt" hinzugefügt werden muss.

33 Die Verordnung Nr. 1139/98 zielt somit darauf ab, dass zusätzliche Informationen zu denen gegeben werden, die bereits auf dem Etikett bestimmter Lebensmittel im

Sinne der Richtlinie 79/112/EWG des Rates vom 18. Dezember 1978 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Etikettierung und Aufmachung von für den Endverbraucher bestimmten Lebensmitteln sowie die Werbung hierfür (ABl. 1979, L 33, S. 1), die selbst nicht als Maßnahme zum Schutz der Umwelt konzipiert ist, erwähnt werden müssen.

34 Die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Informationen gehören also auch nicht zur dritten Kategorie.

35 Daher ist auf die Vorlagefragen zu antworten, dass Artikel 2 Buchstabe a der Richtlinie 90/313 dahin auszulegen ist, dass der Name des Herstellers sowie die Produktbezeichnung von Lebensmitteln, die Gegenstand verwaltungstechnischer Maßnahmen zur Kontrolle der Einhaltung der Verordnung Nr. 1139/98 waren, die Zahl der infolge dieser Maßnahmen verhängten Verwaltungsstrafen sowie die von diesen Strafen betroffenen Produzenten und Produkte keine Informationen über die Umwelt im Sinne dieser Vorschrift darstellen.

Kostenentscheidung:

Kosten

36 Die Auslagen der österreichischen Regierung und der Kommission, die Erklärungen vor dem Gerichtshof abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

(Fünfte Kammer)

auf die ihm vom Unabhängigen Verwaltungssenat Wien mit Entscheidung vom 25. Juli 2001 vorgelegten Fragen für Recht erkannt:

Artikel 2 Buchstabe a der Richtlinie 90/313/EWG des Rates vom 7. Juni 1990 über den freien Zugang zu Informationen über die Umwelt ist dahin auszulegen, dass der Name des Herstellers sowie die Produktbezeichnung von Lebensmitteln, die Gegenstand verwaltungstechnischer Maßnahmen zur Kontrolle der Einhaltung der Verordnung (EG) Nr. 1139/98 des Rates vom 26. Mai 1998 über Angaben, die zusätzlich zu den in der Richtlinie 79/112/EWG aufgeführten Angaben bei der Etikettierung bestimmter aus genetisch veränderten Organismen hergestellter Lebensmittel vorgeschrieben sind, in der durch die Verordnung (EG) Nr. 49/2000

der Kommission vom 10. Januar 2000 geänderten Fassung waren, die Zahl der infolge dieser Maßnahmen verhängten Verwaltungsstrafen sowie die von diesen Strafen betroffenen Produzenten und Produkte keine Informationen über die Umwelt im Sinne dieser Vorschrift sind.

Ende der Entscheidung

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