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Gericht: Europäischer Gerichtshof
Beschluss verkündet am 17.03.2005
Aktenzeichen: C-317/04
Rechtsgebiete: Verordnung (EG) Nr. 45/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Dezember 2000 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Organe und Einrichtungen der Gemeinschaft, EG
Vorschriften:
Verordnung (EG) Nr. 45/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Dezember 2000 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Organe und Einrichtungen der Gemeinschaft Art. 41 Abs. 2 Unterabs. 2 | |
Verordnung (EG) Nr. 45/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Dezember 2000 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Organe und Einrichtungen der Gemeinschaft Art. 46 | |
Verordnung (EG) Nr. 45/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Dezember 2000 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Organe und Einrichtungen der Gemeinschaft Art. 47 Abs. 1 Buchst. i | |
EG Art. 286 Abs. 2 |
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg
Parteien:
In der Rechtssache C-317/04
betreffend eine Nichtigkeitsklage nach Artikel 230 EG, eingereicht am
27. Juli 2004
Europäisches Parlament, vertreten durch R. Passos und N. Lorenz als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Kläger,
gegen
Rat der Europäischen Union, vertreten durch M. Bishop und M. Giorgi Fort als Bevollmächtigte,
Beklagter,
unterstützt durch
Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch P. Kuijper, A. van Solinge und C. Docksey, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Vereinigtes Königreich Großbritannien und Nordirland, vertreten durch M. Bethell als Bevollmächtigten, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Große Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten V. Skouris, der Kammerpräsidenten P. Jann, C. W. A. Timmermans, A. Rosas und A. Borg Barthet, des Richters R. Schintgen, der Richterin N. Colneric (Berichterstatterin) sowie der Richter S. von Bahr, J. N. Cunha Rodrigues, M. Ilesic, J. Malenovský, J. Klucka und U. Lõhmus,
Generalanwalt: P. Léger,
Kanzler: R. Grass,
nach Anhörung des Generalanwalts,
folgenden
Beschluss
Entscheidungsgründe:
1. Das Europäische Parlament beantragt mit seiner Klageschrift die Nichtigerklärung des Beschlusses 2004/496/EG des Rates vom 17. Mai 2004 über den Abschluss eines Abkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und den Vereinigten Staaten von Amerika über die Verarbeitung von Fluggastdatensätzen und deren Übermittlung durch die Fluggesellschaften an das Bureau of Customs and Border Protection des United States Department of Homeland Security (ABl. L 183, S. 83).
2. Der Europäische Datenschutzbeauftragte (im Folgenden: Datenschutzbeauftragter), vertreten durch H. Hijmans als Bevollmächtigten, hat mit Schriftsatz, der am 21. Oktober 2004 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, beantragt, in der Rechtssache C-317/04 als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge des Parlaments zugelassen zu werden.
3. Dieser Antrag ist auf der Grundlage von Artikel 47 Absatz 1 Buchstabe i der Verordnung (EG) Nr. 45/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Dezember 2000 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Organe und Einrichtungen der Gemeinschaft und zum freien Datenverkehr (ABl. L 8, S. 1) sowie von Artikel 93 der Verfahrensordnung gestellt worden.
4. In Artikel 47 Absatz 1 der Verordnung Nr. 45/2001 heißt es:
"Der Europäische Datenschutzbeauftragte kann
...
h) unter den im Vertrag vorgesehenen Bedingungen den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften anrufen;
i) beim Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften anhängigen Verfahren beitreten."
Vor dem Gerichtshof abgegebene Erklärungen
5. Der Datenschutzbeauftragte macht geltend, dass Artikel 286 Absatz 2 EG, wonach der Rat der Europäischen Union eine unabhängige Kontrollinstanz errichtet, die für die Überwachung der Anwendung der Rechtsakte der Gemeinschaft über den Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten verantwortlich ist, mit der Verordnung Nr. 45/2001 durchgeführt worden sei.
6. Das aufgrund dieser Verordnung erteilte Mandat solle auch sicherstellen, dass auf dem Gebiet der Verarbeitung personenbezogener Daten die Grundrechte und Grundfreiheiten in allen Gemeinschaftspolitiken geachtet würden.
7. Da der Datenschutzbeauftragte nicht in der Liste des Artikels 7 Absatz 1 EG als Gemeinschaftsorgan aufgeführt sei und daher weder diese Bestimmung noch Artikel 40 der Satzung des Gerichtshofes als Rechtsgrundlage für seinen Antrag dienen könnten, sei sein Antrag auf Zulassung als Streithelfer gemäß Artikel 47 Absatz 1 Buchstabe i der Verordnung Nr. 45/2001 begründet.
8. Jede andere Auslegung dieser Vorschrift würde nach Ansicht des Datenschutzbeauftragten dazu führen, dass sie wegen Verstoßes gegen die Satzung des Gerichtshofes ungültig würde oder dass das dem Datenschutzbeauftragten verliehene Recht seines materiellen Gehalts vollständig beraubt würde.
9. Die Grenze des Rechts zum Streitbeitritt des Datenschutzbeauftragten ergebe sich allein aus der Aufgabe, die ihm übertragen worden sei. Im vorliegenden Fall betreffe der Streit Gemeinschaftsmaßnahmen auf dem Gebiet der Verarbeitung personenbezogener Daten. Der Rat habe im Rahmen der Außenpolitik der Gemeinschaft gehandelt. Außerdem sei den Gründen, auf die das Parlament seine Klage stütze, zu entnehmen, dass die Maßnahmen der betroffenen Organe tatsächlich oder zumindest vermutlich Auswirkungen auf die Anwendung der Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr (ABl. L 281, S. 31) hätten.
10. Der Rat hat am 24. November 2004 eine schriftliche Stellungnahme zum Streithilfeantrag des Datenschutzbeauftragten eingereicht, in der er beantragt, den Antrag als unzulässig oder, hilfsweise, als unbegründet zurückzuweisen.
11. Er macht geltend, durch Artikel 47 Absatz 1 Buchstabe i der Verordnung Nr. 45/2001, der zum Sekundärrecht gehöre, könne nicht von Artikel 40 der Satzung des Gerichtshofes abgewichen werden, die ebenso wie der EG-Vertrag selbst den Rang von Primärrecht habe.
12. Hilfsweise trägt der Rat vor, es könne nicht angenommen werden, dass der Datenschutzbeauftragte ein berechtigtes Interesse am Ausgang des Rechtsstreits im Sinne von Artikel 40 Absatz 2 der Satzung des Gerichtshofes habe. Denn der Datenschutzbeauftragte habe die Aufgabe, die Verarbeitung der Daten durch ein Organ oder eine Einrichtung der Gemeinschaft zu überwachen, wohingegen der vorliegende Fall den Zugriff der amerikanischen Behörden auf die Fluggastdaten betreffe, die in den Reservierungssystemen der Fluggesellschaften gespeichert seien und in keinem Fall von einem Organ oder einer Einrichtung der Gemeinschaft verarbeitet würden.
13. Am 24. November 2004 hat auch das Parlament eine schriftliche Stellungnahme zum Streithilfeantrag des Datenschutzbeauftragten abgegeben, in der es zu dem Ergebnis kommt, dass der Antrag im Hinblick auf die Aufgabe des Datenschutzbeauftragten, wie sie u. a. in Artikel 41 Absatz 2 der Verordnung Nr. 45/2001 beschrieben sei, berechtigt erscheine.
Zum Streithilfeantrag
14. Der Streithilfeantrag ist auf der Grundlage von Artikel 47 Absatz 1 Buchstabe i der Verordnung Nr. 45/2001 gestellt worden, wonach der Datenschutzbeauftragte beim Gerichtshof anhängigen Verfahren beitreten kann.
15. Diese Regelung ist aufgrund von Artikel 286 Absatz 2 EG erlassen worden, der vorsieht, dass der Rat eine unabhängige Kontrollinstanz errichtet, die für die Überwachung der Anwendung der Rechtsakte der Gemeinschaft über den Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und dem freien Verkehr solcher Daten auf die Organe und Einrichtungen der Gemeinschaft verantwortlich ist, und erforderlichenfalls andere einschlägige Bestimmungen erlässt. Mit dem Erlass von Artikel 47 Absatz 1 Buchstabe i der Verordnung Nr. 45/2001 hat der Rat nicht die Befugnisse überschritten, die ihm aufgrund von Artikel 286 Absatz 2 EG verliehen sind, da diese Maßnahme die praktische Wirksamkeit des betreffenden Artikels gewährleisten soll.
16. Wie der Datenschutzbeauftragte selbst feststellt, besteht sein Recht zum Streitbeitritt zwar nur innerhalb der Grenzen, die sich aus der ihm übertragenen Aufgabe ergeben.
17. Daraus, dass es in der vorliegenden Rechtssache um eine gesetzgeberische Maßnahme geht, die die Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Fluggesellschaften betrifft, folgt aber nicht, dass es sich um einen Fall handelt, der nicht zur Aufgabe des Datenschutzbeauftragten gehört.
18. Der Datenschutzbeauftragte ist nämlich gemäß Artikel 41 Absatz 2 Unterabsatz 2 der Verordnung Nr. 45/2001 nicht nur zuständig für die Überwachung und Durchsetzung der Anwendung der Bestimmungen dieser Verordnung und aller anderen Rechtsakte der Gemeinschaft zum Schutz der Grundrechte und Grundfreiheiten natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch ein Organ oder eine Einrichtung der Gemeinschaft, sondern auch für die Beratung der Organe und Einrichtungen der Gemeinschaft in allen die Verarbeitung personenbezogener Daten betreffenden Angelegenheiten. Diese beratende Aufgabe bezieht sich nicht nur auf die Verarbeitung personenbezogener Daten durch diese Organe oder Einrichtungen. Zu diesen Zwecken erfüllt er die Aufgaben nach Artikel 46 der Verordnung Nr. 45/2001 und übt die Befugnisse nach deren Artikel 47 aus.
19. Nach alledem ist dem Antrag des Datenschutzbeauftragten auf Zulassung als Streithelfer stattzugeben.
Kostenentscheidung:
Kosten
20. Da dem Antrag des Datenschutzbeauftragten auf Zulassung als Streithelfer stattgegeben wird, bleibt die Entscheidung über die mit diesem Streitbeitritt verbundenen Kosten vorbehalten.
Tenor:
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Große Kammer) beschlossen:
1. Der Europäische Datenschutzbeauftragte wird in der Rechtssache C-317/04 als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge des Europäischen Parlaments zugelassen.
2. Dem Europäischen Datenschutzbeauftragten wird eine Frist zur Begründung seiner Anträge gesetzt.
3. Dem Europäischen Datenschutzbeauftragten werden durch die Kanzlei Abschriften aller Verfahrensschriftstücke übermittelt.
4. Die Entscheidung über die mit dem Streitbeitritt des Europäischen Datenschutzbeauftragten verbundenen Kosten bleibt vorbehalten.
Ende der Entscheidung
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