Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Beschluss verkündet am 03.12.1992
Aktenzeichen: C-32/92 P
Rechtsgebiete: Beamtenstatut, Verfahrensordnung


Vorschriften:

Beamtenstatut Art. 90
Verfahrensordnung Art. 119
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Nur solche Maßnahmen, die die Rechtsstellung der Betroffenen unmittelbar und individuell betreffen, können als beschwerende Maßnahmen im Sinne der Artikel 90 und 91 des Statuts angesehen werden.

Die Entscheidung eines Organs, eine Abstimmung beim Personal zu veranstalten, ist eine rein interne Maßnahme, die keine Verpflichtung, für wen auch immer, begründet, sich daran zu beteiligen. Diese Entscheidung, die daher die Rechtsstellung eines Beamten nicht in qualifizierter Weise ändern kann, kann nicht als beschwerende Maßnahme angesehen werden, so daß die gegen sie gerichtete Klage unzulässig ist.


BESCHLUSS DES GERICHTSHOFES (SECHSTE KAMMER) VOM 3. DEZEMBER 1992. - ANDREW MACRAE MOAT GEGEN KOMMISSION DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN. - OFFENSICHTLICH UNBEGRUENDETES RECHTSMITTEL. - RECHTSSACHE C-32/92 P.

Entscheidungsgründe:

1 Herr Moat hat mit Rechtsmittelschrift, die am 7. Februar 1992 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 49 der EWG-Satzung und den entsprechenden Bestimmungen der EGKS- und der EAG-Satzung des Gerichtshofes ein Rechtsmittel gegen den Beschluß des Gerichts vom 4. Dezember 1991 in der Rechtssache T-78/91 (Moat/Kommission, Slg. 1991, II-1387) eingelegt, mit dem das Gericht seine Klage abgewiesen hatte, die erstens auf Nichtigerklärung der von der Kommission am 18. Oktober 1991 veranstalteten Abstimmung im Personal über den zwischen dem Ausschuß der Ständigen Vertreter des Rates und den Personalvertretern zustande gekommenen Kompromiß über die Methode zur Angleichung der Dienstbezuege der Beamten, zweitens auf Feststellung, daß die TAO/AFI und andere Gewerkschaften und Berufsverbände berechtigt sind, die Verhandlungen gemäß dem vom Rat auf seiner 713. Tagung vom 22. und 23. Juni 1981 erlassenen Beschluß zur Einführung eines Konzertierungsverfahrens fortzuführen, und drittens auf Verurteilung der Kommission zur Zahlung eines erhöhten Schadensersatzes von 1 000 000 BFR an die TAO/AFI gerichtet war.

2 Zum Sachverhalt, der dem Rechtsstreit zwischen Herrn Moat und der Kommission zugrunde liegt, hat das Gericht folgendes festgestellt:

"Seit Mai 1991 führten die Gewerkschaften und Berufsverbände, die unter den Bediensteten der Kommission Mitglieder haben, Verhandlungen über die Anpassung der Bezuege der Beamten und sonstigen Bediensteten der Gemeinschaften. Dies geschah im Rahmen der Entscheidung vom 22. und 23. Juni 1981, durch die für den Fall von Meinungsverschiedenheiten über Vorschläge zur Änderung des Statuts oder zur Durchführung von dessen Bestimmungen ein Konzertierungsverfahren zwischen dem Rat und dem Personal, vertreten durch die Gewerkschaften und Berufsverbände, eingeführt wurde. Diese Verhandlungen waren noch nicht bis zu den in den Abschnitten II und III der Entscheidung vom 22. und 23. Juni 1981 vorgesehenen Stadien der Gespräche mit den Ratsmitgliedern und des Schiedsverfahrens fortgeschritten, als der Generalsekretär der Kommission, Herr Williamson, und der Leiter der Generaldirektion 'Personal und Verwaltung' , Herr De Koster, in einer Mitteilung vom 15. Oktober 1991 ankündigten, daß am 18. Oktober 1991 eine geheime Abstimmung der Beamten und sonstigen Bediensteten über den vom Vorsitzenden des Ausschusses der Ständigen Vertreter vorgeschlagenen Kompromiß über die Methode für die Anpassung der Bezuege veranstaltet werde. In einer weiteren, von einem Mitglied der Kommission, Herrn Cardoso e Cunha, unterzeichneten Mitteilung vom 15. Oktober 1991 gab die Kommission ihrem Personal bekannt, daß ihrer Ansicht nach die Verhandlungen beendet werden müssten, und forderte die Bediensteten auf, dem vorgeschlagenen Kompromiß zuzustimmen. Am 17. Oktober 1991 legte der Kläger Moat in seiner Eigenschaft als Präsident der Brüsseler Sektion der TAO/AFI gemäß Artikel 90 Absatz 2 des Statuts Beschwerde ein, mit der er die Rücknahme der beiden oben genannten Mitteilungen vom 15. Oktober 1991 beantragte. Die angekündigte Abstimmung fand am 18. Oktober 1991 statt. Die Kläger machen geltend, daß es vor und während der Durchführung dieser Abstimmung zu Unregelmässigkeiten gekommen sei und daß ihre Veranstaltung gegen Artikel 24 a des Statuts verstosse, der die Vereinigungsfreiheit garantiere."

3 Das Gericht hat die Klage von Herrn Moat für unzulässig erklärt und zur Begründung zunächst ausgeführt:

"Soweit die Klage von Herrn Moat erhoben worden ist, ist erstens darauf hinzuweisen, daß nach ständiger Rechtsprechung grundsätzlich jeder Klage gemäß Artikel 179 EWG-Vertrag, die ein Beamter gegen das Organ, bei dem er beschäftigt ist, erhebt, zwingend eine Beschwerde vorausgehen muß, die ausdrücklich oder stillschweigend zurückgewiesen worden ist. Eine vor dem Abschluß dieses Vorverfahrens eingereichte Klage ist verfrüht und daher nach Artikel 91 Absatz 2 des Statuts unzulässig (siehe z. B. Beschluß des Gerichtshofes vom 23. September 1986 in der Rechtssache 130/86, Du Besset/Rat, Slg. 1986, 2619, 2621; Urteil des Gerichtshofes vom 7. Oktober 1987 in der Rechtssache 401/85, Schina/Kommission, Slg. 1987, 3911, 3929; Urteil des Gerichts vom 20. Juni 1990 in den verbundenen Rechtssachen T-47/89 und T-82/89, Marcato/Kommission, Slg. 1990, II-231, 241)."

4 Das Gericht hat weiter ausgeführt:

"Im vorliegenden Fall hat der Kläger Moat am 17. Oktober 1991 in seiner Eigenschaft als Präsident der Brüsseler Sektion der TAO/AFI eine Beschwerde eingelegt. Er hat dann die vorliegende Klage erhoben, ohne die ausdrückliche Zurückweisung dieser Beschwerde durch die Kommission oder den als stillschweigende Zurückweisung geltenden Ablauf der in Artikel 90 Absatz 2 des Statuts vorgesehenen Frist von vier Monaten abzuwarten. Unter diesen Umständen ist, ohne daß das Vorliegen der übrigen in Artikel 91 Absatz 2 des Statuts aufgestellten Zulässigkeitsvoraussetzungen geprüft werden müsste, festzustellen, daß die Klage, soweit sie von Herrn Moat erhoben worden ist, offensichtlich unzulässig ist.

Gemäß Artikel 111 der Verfahrensordnung des Gerichts kann das Gericht, wenn eine Klage offensichtlich unzulässig ist, ohne Fortsetzung des Verfahrens durch Beschluß entscheiden, der mit Gründen zu versehen ist. Da die Klage, soweit sie von Herrn Moat erhoben worden ist, offensichtlich unzulässig ist, ist sie in Anwendung von Artikel 111 der Verfahrensordnung abzuweisen, ohne daß es erforderlich wäre, die Klageschrift zuvor der Kommission zuzustellen."

5 Gemäß Artikel 119 seiner Verfahrensordnung kann der Gerichtshof ein offensichtlich unzulässiges oder offensichtlich unbegründetes Rechtsmittel jederzeit zurückweisen, ohne die mündliche Verhandlung zu eröffnen.

6 Der Rechtsmittelführer führt für sein Rechtsmittel einen einzigen Grund an. Seiner Ansicht nach stellt die Tatsache, daß die Abstimmung am 18. Oktober 1991 veranstaltet wurde, eine Zurückweisung der von ihm am 17. Oktober 1991 eingelegten Beschwerde dar. Das Gericht habe daher die von ihm am 30. Oktober 1991 erhobene Klage zu Unrecht als verfrüht und unzulässig angesehen.

7 Die Kommission hält das Rechtsmittel insbesondere deshalb für unzulässig, weil die vom Rechtsmittelführer angegriffene Maßnahme nicht als ihn beschwerende Maßnahme angesehen werden könne.

8 Da die Frage nach dem Vorliegen einer beschwerenden Maßnahme vor der Frage zu beantworten ist, ob das vorprozessuale Verfahren unter den Voraussetzungen des Artikels 90 des Beamtenstatuts abgelaufen ist, ist diese Frage, anders als es das Gericht in seinem Urteil getan hat, zunächst zu prüfen.

9 Nach ständiger Rechtsprechung können nur solche Maßnahmen, die die Rechtsstellung der Betroffenen unmittelbar und individuell betreffen, als beschwerende Maßnahmen angesehen werden (vgl. Beschluß vom 16. Juni 1988 in der Rechtssache 372/87, Progoulis/Kommission, Slg. 1988, 3091, und Urteil vom 21. Januar 1987 in der Rechtssache 204/85, Stroghili/Rechnungshof, Slg. 1987, 389).

10 Im vorliegenden Fall betraf die Klage des Rechtsmittelführers im wesentlichen die Entscheidung der Kommission, eine Abstimmung bei ihrem Personal zu veranstalten. Mit Beschluß vom heutigen Tag in der Rechtssache C-322/91 hat der Gerichtshof die von der TAO/AFI gegen diese Entscheidung erhobene Klage mit der Begründung für unzulässig erklärt, daß die von der Kommission veranstaltete Abstimmung eine rein interne Maßnahme ist, die keine Verpflichtung, für wen auch immer, begründet, sich daran zu beteiligen. Diese Maßnahme konnte daher keine unmittelbare und sofortige Auswirkung auf die Rechtsstellung der Klägerin haben (Randnr. 9). Ausserdem ändert diese Entscheidung die Rechtsstellung der TAO/AFI nicht in ausgeprägter Weise und kann deshalb nicht als beschwerende Maßnahme angesehen werden.

11 In Ermangelung einer solchen Maßnahme war die beim Gericht erhobene Klage unzulässig. Der Tenor des angefochtenen Urteils ist somit, wenn auch aus anderen als den im Urteil genannten Gründen, berechtigt (vgl. Urteil vom 9. Juni 1992 in der Rechtssache C-30/91 P, Lestelle/Kommission, Slg. 1992, I-3755).

12 Unter diesen Umständen ist festzustellen, daß das Rechtsmittel offensichtlich unbegründet und folglich gemäß Artikel 119 der Verfahrensordnung zurückzuweisen ist, ohne daß der vom Rechtsmittelführer für sein Rechtsmittel vorgebrachte Grund geprüft zu werden braucht.

Kostenentscheidung:

Kosten

13 Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Nach Artikel 70 der Verfahrensordnung tragen jedoch die Organe in Rechtsstreitigkeiten mit Bediensteten der Gemeinschaften ihre Kosten selbst. Nach Artikel 122 der Verfahrensordnung findet Artikel 70 aber bei Rechtsmitteln, die von Beamten oder sonstigen Bediensteten eines Organs eingelegt werden, keine Anwendung. Da der Rechtsmittelführer mit seinem Rechtsmittel unterlegen ist, sind ihm die Kosten des Rechtsmittelverfahrens aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)

beschlossen:

1) Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.

2) Der Rechtsmittelführer trägt die Kosten des Rechtsmittelverfahrens.

Ende der Entscheidung

Zurück