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Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 13.04.1994
Aktenzeichen: C-324/90
Rechtsgebiete: EWGV
Vorschriften:
EWGV Art. 173 | |
EWGV Art. 93 Abs. 3 | |
EWGV Art. 190 |
1. Es ist der Kommission zwar nicht grundsätzlich verwehrt, sich bei der ihr obliegenden Prüfung staatlicher Beihilfen auf Umstände zu stützen, die in ihrer Gesamtheit darauf schließen lassen, daß der Sache nach ein Beihilfeprogramm vorliegt; allein daraus, daß ein Komplex von Beihilfen im Rahmen einer Politik zur Verhinderung der Abwanderung von Unternehmen stehen kann und daß diese Beihilfen aus demselben Haushaltstitel und von der derselben Stelle in der Verwaltung gewährt wurden, lässt sich jedoch mangels zusätzlicher rechtlicher, verwaltungstechnischer, finanzieller oder wirtschaftlicher Anhaltspunkte nicht ableiten, daß all diese Beihilfen Bestandteil eines bestimmten Programms sind, auf das Artikel 93 EWG-Vertrag Anwendung findet. Eine solche Politik kann nämlich auf der Grundlage sehr verschiedenartiger Maßnahmen und sogar mittels ganz unterschiedlicher Beihilfeprogramme verfolgt werden.
2. Wenn die Kommission feststellt, daß Beihilfen eingeführt oder umgestaltet wurden, ohne daß sie davon zuvor unterrichtet wurde, kann sie dem betreffenden Mitgliedstaat, nachdem ihm Gelegenheit zur Äusserung gegeben wurde, vorläufig aufgeben, die Zahlung der Beihilfen unverzueglich bis zum Abschluß ihrer Überprüfung einzustellen und der Kommission innerhalb der von ihr festgesetzten Frist alle Unterlagen, Informationen und Daten vorzulegen, die notwendig sind, um die Vereinbarkeit der Beihilfen mit dem Gemeinsamen Markt zu prüfen. Nur wenn der Mitgliedstaat trotz der Anordnung der Kommission die verlangten Auskünfte nicht erteilt, ist die Kommission befugt, das Verfahren abzuschließen und die Entscheidung, mit der die Vereinbarkeit oder Unvereinbarkeit der Beihilfen mit dem Gemeinsamen Markt festgestellt wird, auf der Grundlage der ihr vorliegenden Informationen zu erlassen.
Hat die Kommission bei der Eröffnung des Verfahrens über die nicht angemeldeten Beihilfen um Auskünfte über die Beihilfen sowie über das Beihilfeprogramm oder die Beihilfeprogramme ersucht, ohne jedoch dem betreffenden Mitgliedstaat vorläufig aufzugeben, ihr alle Informationen über sämtliche gewährten Beihilfen vorzulegen, dann kann sie die Annahme der von dem betreffenden Mitgliedstaat bestrittenen Existenz eines Beihilfeprogramms nicht darauf stützen, daß ihr die individuellen Beihilfen nicht gemeldet wurden. Sie kann sich zur Rechtfertigung ihrer Entscheidung auch nicht auf die Lückenhaftigkeit der ihr übermittelten Informationen berufen, da sie nicht alle ihr zur Verfügung stehenden Mittel genutzt hat, um den Mitgliedstaat dazu zu veranlassen, ihr sämtliche erforderlichen Informationen vorzulegen.
URTEIL DES GERICHTSHOFES VOM 13. APRIL 1994. - BUNDESREPUBLIK DEUTSCHLAND UND PLEUGER WORTHINGTON GMBH GEGEN KOMMISSION DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN. - STAATLICHE BEIHILFEN - ENTSCHEIDUNG UEBER BEIHILFEN DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG - RUECKZAHLUNG. - VERBUNDENE RECHTSSACHEN C-324/90 UND C-342/90.
Entscheidungsgründe:
1 Die Bundesrepublik Deutschland und die Pleuger Worthington GmbH haben mit Klageschriften, die am 23. Oktober 1990 und am 16. November 1990 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen sind, gemäß Artikel 173 Absatz 1 und Artikel 173 Absatz 2 EWG-Vertrag Klage erhoben auf Nichtigerklärung der Entscheidung 91/389/EWG der Kommission vom 18. Juli 1990 über Beihilfen der Freien und Hansestadt Hamburg (ABl. 1991, L 215, S. 1).
2 Der Präsident hat die beiden Rechtssachen durch Beschluß vom 23. März 1993 zu gemeinsamer Verhandlung und Entscheidung verbunden.
3 In den Jahren 1986, 1987 und 1988 gewährte die Freie und Hansestadt Hamburg einigen in dieser Stadt ansässigen Unternehmen finanzielle Leistungen, ohne die Kommission hiervon zu unterrichten. Mit Schreiben vom 7. August 1987 bat die Kommission die Bundesrepublik Deutschland, ihr Informationen über die von der Stadt Hamburg geplanten Leistungen an die Montblanc-Simplo GmbH zukommen zu lassen. Die Bundesregierung teilte der Kommission am 22. Oktober 1987 mit, daß die Beihilfe dazu dienen solle, die Verlagerung der Fertigung in fernöstliche Länder zu verhindern. Mit Schreiben vom 15. Januar 1988 erbat die Kommission die Stellungnahme der Bundesregierung zu einer Reihe von Fragen. Durch Mitteilung vom 15. April 1988 beantwortete diese die Fragen der Kommission und bestätigte, daß die Stadt Hamburg sich einem starken intraregionalen Standortwettbewerb mit der sie umgebenden Region ausgesetzt sehe. Durch eine weitere Mitteilung vom 15. April 1988 unterrichtete die Bundesregierung die Kommission über drei andere Einzelfälle, in denen die Stadt Hamburg finanzielle Leistungen zugesagt hatte.
4 Mit Schreiben vom 3. Mai 1989 teilte die Kommission der Bundesregierung mit, sie habe Kenntnis davon erhalten, daß die Stadt Hamburg einer Anzahl von Firmen Beihilfen gewährt habe, ohne daß diese bei der Kommission angemeldet worden seien. Durch dieses Schreiben eröffnete sie das Verfahren nach Artikel 93 Absatz 2 EWG-Vertrag gegenüber diesem Beihilfeprogramm oder diesen Beihilfeprogrammen sowie seinem oder ihren Anwendungsfällen. In einer Mitteilung (ABl. C 309, S. 3) gab die Kommission ihre Einwände gegen die verschiedenen von der Stadt Hamburg gewährten Leistungen bekannt. Die Bundesregierung nahm mit Schreiben vom 23. August 1989 zur Verfahrenseröffnung Stellung und erklärte, daß es in Hamburg kein Förderprogramm gebe.
5 In einem Gespräch am 7. November 1989 zwischen Vertretern der Kommission, der Bundesregierung und der Stadt Hamburg wurde die Kommission darüber informiert, daß aufgrund von Einzelfallentscheidungen im Jahr 1986 elf, im Jahr 1987 neun und im Jahr 1988 elf Unternehmen Zuschüsse gewährt oder zugesagt worden seien. Die Kommission bat für jeden Einzelfall um Übermittlung bestimmter zusätzlicher Daten. Mit Schreiben vom 3. Januar 1990 wurden ihr diese von der Bundesregierung in Form von Tabellen mit der Überschrift "Abwanderungsverhinderung" übersandt.
6 Eine der Empfängerinnen der Förderungsmaßnahmen der Stadt Hamburg ist die Pleuger Worthington GmbH, die aus der Verschmelzung der Hamburger Schwestergesellschaften Deutsche Worthington GmbH und Pleuger GmbH hervorgegangen ist, deren Betriebsstätten räumlich getrennt waren. Die Verschmelzung wurde am 1. November 1987 wirksam. Das gemeinsame Management entschied, die Betriebsstätten beider Unternehmen zusammenzulegen. Nachdem die Stadt Hamburg geprüft hatte, ob das Zusammenlegungsvorhaben gefördert werden konnte, teilte sie dem Unternehmen mit Schreiben vom 15. Juli 1988 mit, ihre Kreditkommission habe einer Zuwendung zur Mitfinanzierung der Kosten für den Aus- und Umbau der Betriebsstätte zugestimmt. Sie fügte ihrem Schreiben einen Vertrag über die Gewährung einer Zuwendung von 600 000 DM bei, den die Pleuger Worthington GmbH am 15. Juli 1988 unterzeichnete. Mit Schreiben vom 18. Dezember 1989 teilte die Stadt Hamburg dem Unternehmen mit, sie habe ihm diesen Betrag überwiesen.
7 In Artikel 1 der angefochtenen Entscheidung, die am 18. Juli 1990 erlassen wurde, heisst es, das Beihilfeprogramm der Freien und Hansestadt Hamburg zur Abwanderungsverhinderung sei rechtswidrig, da es unter Verstoß gegen Artikel 93 Absatz 3 EWG-Vertrag in Kraft gesetzt worden sei, und es sei im Sinne von Artikel 92 und 93 EWG-Vertrag mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar; die Bundesregierung müsse das Programm daher innerhalb von zwei Monaten nach Bekanntgabe der Entscheidung aufheben. Gemäß Artikel 2 musste die Bundesregierung in der gleichen Frist dafür sorgen, daß die 33 Unternehmen, die in den Jahren 1986 bis 1988 Beihilfen erhalten hatten, diese in Höhe der dort genannten Beträge zurückzahlen; bei der Dresser Pleuger GmbH handelte es sich um einen Betrag von 600 000 DM. Artikel 3 schließlich sah vor, daß die Bundesregierung die Kommission von den Maßnahmen unterrichtet, die sie getroffen hat, um der Entscheidung nachzukommen.
8 Durch Schreiben vom 26. Juli 1990 teilte die Stadt Hamburg der Pleuger Worthington GmbH mit, daß die Kommission die Zuwendungen als rechtswidrig ansehe und deren Rückforderung verlange. Mit Schreiben vom 5. September 1990 übersandte sie ihr eine Kopie der angefochtenen Entscheidung.
9 Die Bundesrepublik Deutschland beruft sich zur Stützung ihrer Klage auf einen Verstoß gegen die wesentliche Formvorschrift des Artikels 190 EWG-Vertrag. Sie macht insoweit geltend, die Entscheidung sei im Hinblick auf die Existenz einer Beihilferegelung und die Prüfung der Tatbestandsmerkmale des Artikels 92 Absatz 1 EWG-Vertrag nicht ausreichend begründet. Die Klage wird auch auf die unzutreffende Anwendung von Artikel 92 Absatz 1 durch die Kommission und auf einen Verstoß gegen Artikel 92 Absatz 3 Buchstabe c gestützt. Schließlich trägt die Bundesrepublik vor, die Kommission habe einen Ermessensmißbrauch begangen und gegen den Gleichheitssatz verstossen.
10 Die Pleuger Worthington GmbH stützt ihre Klage auf die Verletzung wesentlicher Formvorschriften und macht geltend, die Kommission habe ihre Entscheidung in bezug auf die Existenz einer Beihilferegelung, die Prüfung der Tatbestandsmerkmale von Artikel 92 Absatz 1 und Artikel 92 Absatz 3 Buchstabe c EWG-Vertrag sowie das Rückzahlungsverlangen nicht ausreichend begründet. Ausserdem habe die Kommission gegen die Verfahrensvorschriften in Artikel 93 Absätze 2 und 3 verstossen. Überdies wird die Klage auf die Verletzung des EWG-Vertrags und insbesondere von Artikel 92 Absätze 1 und 3 gestützt.
Zur unzureichenden Begründung der Entscheidung in bezug auf die Existenz eines Beihilfeprogramms
11 Zunächst ist der von beiden Klägerinnen angeführte Klagegrund eines Verstosses gegen Artikel 190 EWG-Vertrag zu prüfen, den sie daraus ableiten, daß die angefochtene Entscheidung in bezug auf das Beihilfeprogramm der Stadt Hamburg unzureichend begründet sei.
12 Die Klägerinnen bestreiten die Existenz dieses Programms. Sie machen geltend, für die Annahme der Kommission, daß es in Hamburg ein nicht angemeldetes Beihilfeprogramm zur Abwanderungsverhinderung gegeben habe, fehle in der Entscheidung jede Begründung.
13 Die Unterabsätze 10 und 11 von Abschnitt IV Absatz 2 der angefochtenen Entscheidung lauten wie folgt:
"Die Kommission hegte bei der Einleitung des Verfahrens nach Artikel 93 Absatz 2 die Vermutung, daß neben den ihr bekannten vier Einzelfällen Beihilfen zugunsten weiterer Unternehmen gewährt wurden. Sie hat deshalb das Verfahren gegenüber diesem Beihilfeprogramm (oder Beihilfeprogrammen) und jedem seiner Anwendungsfälle eröffnet. Zwar gibt es in Hamburg ein besonderes Förderprogramm nicht. Aber alle 33 bekannten Beihilfefälle werden von der gleichen eigens dafür eingesetzten Stelle (Hamburger Kreditkommission), aus demselben Hauptgrund (Abwanderungsverhinderung) sowie ein und demselben Haushaltstitel vergeben. Faktisch sind also die Merkmale eines Programms erfuellt. Die Untersuchung der Kommission kann deshalb analog zu der eines Programms erfolgen.
Eine Untersuchung des handelsbeeinträchtigenden Charakters jedes Einzelfalls ist bei der Hamburger Abwanderungsverhinderung deshalb nicht angebracht, weil andernfalls die Bundesrepublik gegenüber anderen Mitgliedstaaten, die die Beihilfen in ihrem Entwurfsstadium anmelden, begünstigt würde. Erfahrungsgemäß war hier von vornherein davon auszugehen, daß Unternehmen bei den vorgenannten Beihilfen dabei sein werden, die am innergemeinschaftlichen Handel teilnehmen."
14 Zunächst ist festzustellen, daß in der Entscheidung kein Rechtsakt zur Schaffung eines Beihilfeprogramms genannt wird. Die Kommission hat in der Entscheidung im Gegenteil ausdrücklich eingeräumt, daß es in Hamburg kein besonderes Förderprogramm gegeben habe. Sie hat ihre Schlußfolgerungen gleichwohl auf tatsächliche Gesichtspunkte gestützt.
15 Sicher ist es der Kommission nicht grundsätzlich verwehrt, sich auf Umstände zu stützen, die in ihrer Gesamtheit darauf schließen lassen, daß der Sache nach ein Beihilfeprogramm vorliegt. Die Kommission führt insoweit drei Gesichtspunkte an, aus denen sich ihrer Ansicht nach im vorliegenden Fall ergibt, daß ein solches Programm existierte.
16 Die Kommission führt als ersten Gesichtspunkt an, daß die Investitionszuschüsse sämtlich dazu bestimmt gewesen seien, eine Abwanderung der begünstigten Betriebe aus Hamburg zu verhindern. Sie macht insbesondere geltend, die Bundesregierung habe ihr ein mit "Abwanderungsverhinderung" überschriebenes Dokument über die verschiedenen von der Stadt Hamburg gewährten Beihilfen übersandt.
17 Allgemein lässt sich aus der blossen Tatsache, daß ein Komplex von Beihilfen im Rahmen einer Politik zur Verhinderung der Abwanderung von Unternehmen stehen kann, nicht ableiten, daß diese Beihilfen im Hinblick auf die Anwendung von Artikel 93 EWG-Vertrag in ihrer Gesamtheit als Programm einzuordnen sind. Eine solche Politik kann nämlich auf der Grundlage sehr verschiedenartiger Maßnahmen und sogar mittels ganz unterschiedlicher Beihilfeprogramme verfolgt werden.
18 Im vorliegenden Fall hat die deutsche Regierung vor dem Gerichtshof unwidersprochen vorgetragen, daß einige der durch die fraglichen Beihilfen begünstigten Unternehmen, so etwa die J. H. Peters & Bey GmbH und die Horst Röder & Co. (GmbH & Co.), eine Verlagerung ihres Standorts aus dem Stadtstaat Hamburg hinaus nicht einmal in Erwägung gezogen hätten.
19 Dem auf den Zweck der fraglichen Beihilfen gestützten Argument der Kommission kann somit nicht gefolgt werden.
20 Die beiden anderen von der Kommission in der Begründung der Entscheidung genannten Gesichtspunkte sind, daß die verschiedenen Beihilfen aus demselben Haushaltstitel gewährt worden seien und daß dieselbe Stelle in der Verwaltung über die Gewährung sämtlicher Beihilfen entschieden habe.
21 Nach dem Vorbringen der Klägerinnen sind diese Gegebenheiten mit der Stellung des Stadtstaats Hamburg im bundesstaatlichen Aufbau Deutschlands zu erklären. Nach dem Grundsatz der Gesetzmässigkeit der Verwaltung verfüge diese Stadt über eine einzige Behörde, die Zuwendungen auf der Grundlage eines einzigen pauschalen Haushaltstitels gewähre, aus dem sich nicht ergebe, unter welchen Voraussetzungen, wofür und in welcher Höhe Beihilfen gewährt werden könnten.
22 Die Klägerinnen tragen ausserdem vor, die Tatsache, daß alle von der Kommission angeführten Beihilfen auf der Grundlage öffentlich-rechtlicher Verträge gewährt worden seien, zeige, daß sie nicht zu einem Programm gehörten. Andernfalls hätte die Rahmenregelung für das fragliche Programm durch Verwaltungsakte und nicht durch Verträge umgesetzt werden müssen.
23 Mangels zusätzlicher Erläuterungen der Kommission zur Verwaltungs- und Finanzierungspraxis des Stadtstaats Hamburg bei der Gewährung der in der Entscheidung genannten Zuwendungen lassen diese beiden Gesichtspunkte nicht den Schluß auf die Existenz eines Beihilfeprogramms zu. Die Kommission hat es insbesondere versäumt, rechtliche, verwaltungstechnische, finanzielle oder wirtschaftliche Gesichtspunkte anzuführen, die es ermöglicht hätten, alle fraglichen Beihilfen als Teil eines von anderen möglichen Beihilfen der Stadt Hamburg getrennten Programms einzuordnen. Die Kommission hat sich auf den Nachweis beschränkt, daß sämtliche Beihilfen nach demselben Verfahren gewährt wurden.
24 Die Kommission macht jedoch geltend, unter den Umständen des vorliegenden Falles habe sie die streitige Schlußfolgerung deshalb ziehen dürfen, weil sie ihre Entscheidung mangels einer Anmeldung und aufgrund des Verhaltens der deutschen Regierung, die ihrer Informationspflicht nur in äusserst unvollständiger Weise nachgekommen sei, nur auf die ihr zugegangenen lückenhaften Angaben habe stützen können. Sie habe deshalb auf der Grundlage der ihr zur Verfügung stehenden Informationen davon ausgehen dürfen, daß die Merkmale eines Programms faktisch erfuellt gewesen seien, und habe ihre Untersuchung analog zu der eines Programms vornehmen können.
25 In dem vor dem Erlaß der angefochtenen Entscheidung ergangenen Urteil vom 14. Februar 1990 in der Rechtssache C-301/87 (Frankreich/Kommission, "Boussac Saint Frères", Slg. 1990, I-307) hat der Gerichtshof dargelegt, welche Folgen ein Verstoß gegen die den Mitgliedstaaten gemäß Artikel 93 Absatz 3 EWG-Vertrag obliegende Meldepflicht hat.
26 Wie sich aus diesem Urteil ergibt, kann die Kommission, wenn sie feststellt, daß Beihilfen eingeführt oder umgestaltet wurden, ohne daß sie davon zuvor unterrichtet wurde, dem betreffenden Mitgliedstaat, nachdem ihm Gelegenheit zur Äusserung gegeben wurde, vorläufig aufgeben, die Zahlung der Beihilfen unverzueglich bis zum Abschluß ihrer Überprüfung einzustellen und der Kommission innerhalb der von ihr festgesetzten Frist alle Unterlagen, Informationen und Daten vorzulegen, die notwendig sind, um die Vereinbarkeit der Beihilfen mit dem Gemeinsamen Markt zu prüfen. Nur wenn der Mitgliedstaat trotz der Anordnung der Kommission die verlangten Auskünfte nicht erteilt, ist die Kommission befugt, das Verfahren abzuschließen und die Entscheidung, mit der die Vereinbarkeit oder Unvereinbarkeit der Beihilfen mit dem Gemeinsamen Markt festgestellt wird, auf der Grundlage der ihr vorliegenden Informationen zu erlassen.
27 Im vorliegenden Fall hat die Kommission bei der Eröffnung des Verfahrens über die nicht angemeldeten Beihilfen um Auskünfte über die Beihilfen sowie über das Beihilfeprogramm oder die Beihilfeprogramme der Stadt Hamburg ersucht. Obwohl die deutsche Regierung im vorprozessualen Verfahren die Existenz eines solchen Programms bestritten hat, ist die Kommission auf der Grundlage der ihr vorliegenden Auskünfte hiervon ausgegangen.
28 Die Kommission hat der Bundesregierung jedoch entgegen dem angeführten Urteil nicht vorläufig aufgegeben, ihr alle Informationen über sämtliche von der Stadt Hamburg gewährten Beihilfen vorzulegen, die nach Ansicht der Kommission zu einem Programm gehörten.
29 Unter diesen Umständen konnte die Kommission die Annahme der Existenz eines Beihilfeprogramms nicht darauf stützen, daß die Bundesrepublik Deutschland die Anmeldung der fraglichen individuellen Beihilfen unterlassen hatte. Sie kann sich zur Rechtfertigung ihrer Entscheidung auch nicht auf die Lückenhaftigkeit der ihr von der deutschen Regierung übermittelten Informationen berufen, da sie nicht alle ihr zur Verfügung stehenden Mittel genutzt hat, um den Mitgliedstaat dazu zu veranlassen, ihr sämtliche erforderlichen Informationen vorzulegen.
30 Nach alledem ist festzustellen, daß die angefochtene Entscheidung in bezug auf die Existenz eines Beihilfeprogramms der in Artikel 190 EWG-Vertrag vorgeschriebenen Begründungspflicht nicht genügt und daß der erste Klagegrund somit begründet ist.
31 Die angefochtene Entscheidung ist folglich wegen eines Verstosses gegen wesentliche Formvorschriften des EWG-Vertrags für nichtig zu erklären, ohne daß die übrigen Klagegründe geprüft zu werden brauchen.
Kostenentscheidung:
Kosten
32 Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung hat die unterliegende Partei die Kosten zu tragen. Da die Beklagte mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr die Kosten aufzuerlegen.
Tenor:
Aus diesen Gründen
hat
DER GERICHTSHOF
für Recht erkannt und entschieden:
1) Die Entscheidung 91/389/EWG der Kommission vom 18. Juli 1990 über Beihilfen der Freien und Hansestadt Hamburg wird für nichtig erklärt.
2) Die Kommission trägt die Kosten des Verfahrens.
Ende der Entscheidung
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