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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Beschluss verkündet am 18.01.2005
Aktenzeichen: C-325/03 P
Rechtsgebiete: Verfahrensordnung, EG-Satzung


Vorschriften:

Verfahrensordnung Art. 119
Verfahrensordnung Art. 43 § 6
EG-Satzung Art. 45 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Beschluss des Gerichtshofes (Vierte Kammer) vom 18. Januar 2005. - José Luis Zuazaga Meabe gegen Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM). - Rechtsmittel - Gemeinschaftsmarke - Nichtigkeitsklage. - Rechtssache C-325/03 P.

Parteien:

In der Rechtssache C-325/03 P

betreffend ein Rechtsmittel nach Artikel 56 der Satzung des Gerichtshofes, eingereicht am

21. Juli 2003

,

José Luis Zuazaga Meabe, wohnhaft in Bilbao (Spanien), Prozessbevollmächtigte: J. A. Calderón Chavero und N. Moya Fernández, abogados,

Rechtsmittelführer,

andere Verfahrensbeteiligte:

Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM) , vertreten durch O. Montalto und I. de Medrano Caballero als Bevollmächtigte,

Beklagter im ersten Rechtszug,

Banco Bilbao Vizcaya Argentaria SA (BBVA) mit Sitz in Madrid (Spanien), Prozessbevollmächtigter: J. de Rivera Lamo de Espinosa, abogado,

Verfahrensbeteiligte vor der Beschwerdekammer des HABM, Streithelferin im Rechtsmittelverfahren,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten K. Lenaerts sowie der Richter J. N. Cunha Rodrigues und M. Ilei (Berichterstatter),

Generalanwalt: M. Poiares Maduro,

Kanzler: R. Grass,

nach Anhörung des Generalanwalts

erlässt

Beschluss

Entscheidungsgründe:

1. Mit seinem Rechtsmittel beantragt der Rechtsmittelführer die Aufhebung des Beschlusses des Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften vom 28. April 2003 in der Rechtssache T-15/03 (Zuazaga Meabe/HABM - BBVA [BLUE], nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, im Folgenden: angefochtener Beschluss), mit dem seine Klage auf Aufhebung der Entscheidung der Zweiten Beschwerdekammer des Harmonisierungsamts für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM) vom 24. Oktober 2002 (Sache R 918/2001-2) (im Folgenden: streitige Entscheidung) über die Zurückweisung des Widerspruchs des Rechtsmittelführers gegen die Eintragung der von der Banco Bilbao Vizcaya Argentaria SA (im Folgenden: BBVA) angemeldeten Wortmarke BLUE abgewiesen worden ist.

Vorgeschichte des Rechtsstreits, Verfahren vor dem Gericht und angefochtener Beschluss

2. Nachdem die BBVA beim HABM die Wortmarke BLUE zur Eintragung als Gemeinschaftsmarke angemeldet hatte, erhob der Rechtsmittelführer Widerspruch nach Artikel 42 der Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke (ABl. 1994, L 11, S. 1), wobei er eine Verwechslungsgefahr mit der nationalen Wortmarke BILBAO BLUE, deren Inhaber er ist, geltend machte.

3. Dem Widerspruch wurde zunächst durch die Widerspruchsabteilung des HABM stattgegeben; anschließend wurde er aber durch die streitige Entscheidung, die dem Rechtsmittelführer am 4. November 2002 durch eingeschriebenen Brief mit Rückschein zugestellt wurde, zurückgewiesen.

4. Der Rechtsmittelführer erhob beim Gericht Klage auf Aufhebung der streitigen Entscheidung. Eine Kopie der Klageschrift ging am 3. Januar 2003 per Telefax bei der Kanzlei des Gerichts ein, während die Urschrift am 15. Januar 2003 zuging.

5. Das Gericht hat zunächst in den Randnummern 8 bis 11 des angefochtenen Beschlusses festgestellt, dass die Klagefrist für den Rechtsmittelführer nach Artikel 63 Absatz 5 der Verordnung Nr. 40/94 und 102 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts am 14. Januar 2003 abgelaufen sei.

6. Es hat sodann in Randnummer 12 des angefochtenen Beschlusses darauf hingewiesen, dass die Klageschrift zwar am 3. Januar 2003 vor Ablauf der Klagefrist per Telefax bei der Kanzlei des Gerichts eingereicht worden sei, die Urschrift jedoch erst am 15. Januar 2003 und damit nach Ablauf der in Artikel 43 § 6 der Verfahrensordnung des Gerichts vorgesehenen Frist von zehn Tagen bei der Kanzlei eingegangen sei, so dass nur das Datum der Einreichung der Urschrift zu berücksichtigen sei und die Klage daher verspätet erhoben sei.

7. In Randnummer 13 des angefochtenen Beschlusses hat das Gericht schließlich betont, dass der Rechtsmittelführer weder nachgewiesen noch auch nur behauptet habe, dass ein Zufall oder ein Fall höherer Gewalt vorgelegen habe, der es nach Artikel 45 Absatz 2 der Satzung des Gerichtshofes erlauben würde, von der Einhaltung der fraglichen Frist abzusehen.

8. Das Gericht hat deshalb die Klage als offensichtlich unzulässig abgewiesen.

Das Rechtsmittel

9. Mit seinem auf fünf Gründe gestützten Rechtsmittel beantragt der Rechtsmittelführer, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und die Sache an das Gericht zurückzuverweisen.

10. Das HABM hat darauf verzichtet, eine Rechtsmittelbeantwortung einzureichen.

11. Die BBVA beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen und dem Rechtsmittelführer die Kosten aufzuerlegen.

12. Nach Artikel 119 der Verfahrensordnung des Gerichtshofes kann der Gerichtshof, wenn das Rechtsmittel ganz oder teilweise offensichtlich unzulässig oder offensichtlich unbegründet ist, jederzeit auf Bericht des Berichterstatters nach Anhörung des Generalanwalts das Rechtsmittel ganz oder teilweise durch Beschluss, der mit Gründen zu versehen ist, zurückweisen.

Zum zweiten, dritten, vierten und fünften Rechtsmittelgrund

13. Mit seinem zweiten, dritten, vierten und fünften Rechtsmittelgrund, die zusammen zu prüfen sind, wirft der Rechtsmittelführer dem Gericht vor, gegen Artikel 102 seiner Verfahrensordnung und Artikel 81 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichtshofes, gegen Artikel 103 seiner Verfahrensordnung und Artikel 82 der Verfahrensordnung des Gerichtshofes sowie gegen Artikel 43 §§ 3 und 6 seiner Verfahrensordnung verstoßen zu haben.

14. Er trägt im Wesentlichen vor, diese Vorschriften seien Ausdruck des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit und einer gesetzlichen Duldung in Bezug auf die Verlängerung der Verfahrensfristen, so dass die in Artikel 43 § 6 der Verfahrensordnung des Gerichts vorgesehene Frist für die Einreichung der Urschrift der Klageschrift nicht am Tag des Zugangs des Telefax beginne, sondern an dem Tag, an dem die Frist von zwei Monaten und zehn Tagen ende, die sich aus Artikel 63 Absatz 5 der Verordnung Nr. 40/94 in Verbindung mit Artikel 102 § 2 der Verfahrensordnung ergebe.

15. Somit sei die Frist für die Einreichung der Urschrift der Klageschrift im vorliegenden Fall nicht am 14. Januar, sondern am 24. Januar 2003 abgelaufen, weshalb die Klage des Rechtsmittelführers nicht als unzulässig hätte angesehen werden dürfen.

16. Nach ständiger Rechtsprechung kann von den Gemeinschaftsvorschriften über die Verfahrensfristen nur unter ganz außergewöhnlichen Umständen - bei Vorliegen eines Zufalls oder eines Falles höherer Gewalt im Sinne von Artikel 45 Absatz 2 der Satzung des Gerichtshofes - abgewichen werden, da die strikte Anwendung dieser Vorschriften dem Erfordernis der Rechtssicherheit und der Notwendigkeit entspricht, jede Diskriminierung oder willkürliche Behandlung bei der Rechtspflege zu vermeiden (vgl. u. a. Beschlüsse vom 7. Mai 1998 in der Rechtssache C-239/97, Irland/Kommission, Slg. 1998, I-2655, Randnr. 7, und vom 19. Februar 2004 in der Rechtssache C-369/03 P, Forum des migrants/Kommission, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 16).

17. Nach Artikel 43 § 6 der Verfahrensordnung des Gerichts ist der Tag, an dem eine Kopie der unterzeichneten Urschrift eines Schriftsatzes mittels Fernkopierer bei der Kanzlei eingeht, für die Wahrung der Verfahrensfristen maßgebend, sofern die unterzeichnete Urschrift des Schriftsatzes spätestens zehn Tage danach bei der Kanzlei eingereicht wird.

18. Daher kann die Auslegung nicht zutreffend sein, nach der die genannte Frist unabhängig vom Tag des Zugangs des Telefax an dem Tag beginnen soll, an dem die Frist von zwei Monaten und zehn Tagen endet, die sich aus Artikel 63 Absatz 5 der Verordnung Nr. 40/94 in Verbindung mit Artikel 102 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts ergibt. Insbesondere ist darauf hinzuweisen, dass, wenn das Telefax - wie im vorliegenden Fall - mehr als zehn Tage vor Ablauf der Frist für die Erhebung einer Klage beim Gericht eingeht, die Bestimmungen des Artikels 43 § 6 der Verfahrensordnung des Gerichts keine Verlängerung dieser Frist zur Folge haben.

19. Da der Rechtsmittelführer seine Klageschrift durch am 3. Januar 2003 eingegangenes Telefax übermittelt hatte, hätte die Urschrift der Klageschrift spätestens am 13. Januar 2003 bei der Kanzlei des Gerichts eingereicht werden müssen, damit dieses Telefax berücksichtigt werden konnte. Da die Urschrift der Klageschrift jedoch erst am darauf folgenden 15. Januar einging, hat das Gericht zutreffend festgestellt, dass nur dieser Tag für die Beurteilung der Einhaltung der Klagefrist in Betracht kommen konnte.

20. Der zweite, dritte, vierte und fünfte Rechtsmittelgrund sind daher als offensichtlich unbegründet zurückzuweisen.

Zum ersten Rechtsmittelgrund

21. Mit seinem ersten Rechtsmittelgrund macht der Rechtsmittelführer geltend, das Gericht habe dadurch gegen Artikel 45 der Satzung des Gerichtshofes verstoßen, dass es keinen Fall höherer Gewalt im Sinne dieser Vorschrift angenommen habe.

22. Der Rechtsmittelführer trägt vor, er habe die Urschrift der Klageschrift am 7. Januar 2003, also sieben Tage vor Ablauf der Klagefrist, der Cibeles Mailing SA (im Folgenden: Cibeles Mailing) zur Übergabe an die spanische Post anvertraut. Folglich sei die Verspätung, mit der diese Sendung bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen sei, unvorhersehbar gewesen. Ihm könne nicht vorgeworfen werden, dass er nicht einen schnelleren Versandweg (privaten Zustelldienst) gewählt habe, da die Post der sicherste und effizienteste Versandweg sei, den es in Spanien gebe.

23. Er fügt hinzu, dass, wenn eine Partei ihr Möglichstes getan habe, um das Bestätigungsschreiben einem üblichen Postdienst anzuvertrauen, das Gericht nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu einer Lockerung der Fristen verpflichtet sei.

24. Einleitend ist festzustellen, dass das Gericht, das auf der Grundlage des Artikels 111 seiner Verfahrensordnung durch Beschluss entschieden hat, den Rechtsmittelführer nicht von seiner Absicht, die Klage als verspätet abzuweisen, in Kenntnis gesetzt hat und ihn nicht aufgefordert hat, die Verspätung, mit der die Urschrift der Klageschrift bei der Kanzlei eingegangen ist, zu begründen. Folglich kann dem Rechtsmittelführer nicht vorgeworfen werden, dass er sich erstmals im Rechtsmittelverfahren auf das Vorliegen eines Falles höherer Gewalt beruft.

25. Der Begriff höhere Gewalt im Sinne von Artikel 45 der Satzung des Gerichtshofes umfasst außer einem objektiven Merkmal, das sich auf ungewöhnliche, außerhalb der Sphäre des Betroffenen liegende Umstände bezieht, auch ein subjektives Merkmal, das mit der Verpflichtung des Betroffenen zusammenhängt, sich gegen die Folgen ungewöhnlicher Ereignisse zu wappnen, indem er, ohne übermäßige Opfer zu bringen, geeignete Maßnahmen trifft. Insbesondere muss der Betroffene den Ablauf des Verfahrens sorgfältig überwachen und zum Zweck der Einhaltung der vorgesehenen Fristen Sorgfalt walten lassen (vgl. Urteil vom 15. Dezember 1994 in der Rechtssache C-195/91 P, Bayer/Kommission, Slg. 1994, I-5619, Randnr. 32). Der Begriff der höheren Gewalt trifft daher nicht auf eine Situation zu, in der eine sorgfältige und umsichtige Person objektiv in der Lage gewesen wäre, den Ablauf einer Klagefrist zu verhindern (vgl. Urteil vom 12. Juli 1984 in der Rechtssache 209/83, Valsabbia/Kommission, Slg. 1984, 3089, Randnr. 22).

26. Im vorliegenden Fall geht aus der Rechtsmittelschrift hervor, dass der Rechtsmittelführer nach dem Versand des Telefax vier Tage verstreichen ließ, bevor er - nur sieben Tage vor Ablauf der Klagefrist - die Urschrift der Klageschrift nicht unmittelbar der Post, sondern Cibeles Mailing anvertraute, die ihrerseits zwei Tage brauchte, bevor sie das Dokument per Einschreiben an die Kanzlei des Gerichts sandte. Daraus folgt, dass der Rechtsmittelführer durch sein Verhalten das Risiko erhöht hat, dass seine Klage verspätet beim Gericht eingeht, und daher nicht mit der Sorgfalt gehandelt hat, die von einem durchschnittlich unterrichteten Kläger hinsichtlich der Einhaltung der Fristen erwartet wird.

27. Ein solcher Mangel an Sorgfalt schließt das Vorliegen eines Falles höherer Gewalt aus, weshalb der erste Rechtsmittelgrund als offensichtlich unbegründet zurückzuweisen ist.

28. Folglich ist das Rechtsmittel als offensichtlich unbegründet zurückzuweisen.

Kostenentscheidung:

Kosten

29. Nach Artikel 69 § 1 der Verfahrensordnung des Gerichtshofes, der gemäß Artikel 118 der Verfahrensordnung auf das Rechtsmittelverfahren anzuwenden ist, wird über die Kosten im Endurteil oder in dem Beschluss, der das Verfahren beendet, entschieden, und nach § 2 dieses Artikels ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die BBVA die Verurteilung des Rechtsmittelführers beantragt hat und dieser mit seinem Vorbringen unterlegen ist, sind ihm außer seinen eigenen Kosten die Kosten der Streithelferin aufzuerlegen. Das HABM, das nicht beantragt hat, dem Rechtsmittelführer die Kosten aufzuerlegen, trägt dagegen seine eigenen Kosten.

Tenor:

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Vierte Kammer) beschlossen:

1. Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.

2. Der Rechtsmittelführer trägt außer seinen eigenen Kosten die Kosten der Banco Bilbao Vizcaya Argentaria SA.

3. Das Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM) trägt seine eigenen Kosten.

Ende der Entscheidung

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