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Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 27.10.2005
Aktenzeichen: C-329/03
Rechtsgebiete: EG
Vorschriften:
EG Art. 67 |
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg
Parteien:
In der Rechtssache C 329/03
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Artikel 234 EG, eingereicht vom Areios Pagos (Griechenland) mit Entscheidung vom 31. März 2003, beim Gerichtshof eingegangen am 28. Juli 2003, in dem Verfahren
Trapeza tis Ellados AE
gegen
Banque Artesia
erlässt
DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten P. Jann, der Richterin N. Colneric sowie der Richter K. Schiemann, E. Juhász und M. Ilesic (Berichterstatter),
Generalanwalt: F. G. Jacobs,
Kanzler: L. Hewlett, Hauptverwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 3. Februar 2005,
unter Berücksichtigung der schriftlichen Erklärungen
- der Trapeza tis Ellados AE, vertreten durch I. Soufleros, K. Christodoulou und T. Kontovazainitis, dikigoroi,
- der Banque Artesia, vertreten durch F. Herbert, avocat, sowie G. Stefanakis und E. Papakonstantinou, dikigoroi,
- der griechischen Regierung, vertreten durch P. Mylonopoulos, M. Apessos und V. Pelekou als Bevollmächtigte,
- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch H. Støvlbæk und G. Zavvos als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 14. April 2005
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe:
1. Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Anlage I Liste B Position IV A und Liste D Position VI der Ersten Richtlinie des Rates vom 11. Mai 1960 zur Durchführung des Artikels 67 des Vertrages (ABl. 1960, Nr. 43, S. 921; im Folgenden: Erste Richtlinie).
2. Dieses Ersuchen hat der Areios Pagos (Kassationsgerichtshof) im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Trapeza tis Ellados AE (im Folgenden: Bank von Griechenland) und der Banque Artesia (im Folgenden: Artesia) über die von dieser erhobene Klage auf Ersatz des ihr durch die Weigerung der Bank von Griechenland, ihr die Genehmigung für die Gutschrift des Liquidationserlöses von Schuldverschreibungen auf einem in konvertiblen Drachmen geführten Konto zu erteilen, entstandenen Schadens vorgelegt.
Ausgangsverfahren und Vorlagefragen
3. Artesia, die ihren Sitz in Brüssel (Belgien) hat, unterhielt in ihrer Zweigniederlassung in Athen ein konvertibles Drachmenkonto.
4. Zwischen dem 28. April 1981 und dem 30. Juli 1982 erwarb Artesia von der Elliniki Trapeza Viomichanikis Anaptyxeos AE (Griechische Bank für industrielle Entwicklung AG; im Folgenden: ETVA), deren Anteile dem griechischen Staat gehören, von dieser Bank begebene, auf Landeswährung lautende, an der Börse gehandelte und notierte Schuldverschreibungen mit einer Laufzeit von einem Jahr nach der Emission. Diese Schuldverschreibungen wurden aus dem konvertiblen Drachmenkonto von Artesia beglichen. Um die volle Konvertierbarkeit des diesen Schuldverschreibungen entsprechenden Betrages zu gewährleisten, war eine spezielle Genehmigung der Bank von Griechenland erforderlich.
5. Am 24. August 1982 beantragte Artesia bei dieser Bank die Genehmigung dafür, diesem Konto den Liquidationserlös der fraglichen Schuldverschreibungen gutzuschreiben, um diesen Erlös nach Belgien repatriieren zu können. Die Bank von Griechenland lehnte diesen Antrag in der Zeit vom 25. August 1982 bis zum 23. November 1986 wiederholt ab. Am 24. November 1986 gab sie dem Antrag jedoch statt. Die Ablehnung war zumindest teilweise damit begründet, dass die Verwendung des konvertiblen Drachmenkontos von Artesia für den ursprünglichen Erwerb der Schuldverschreibungen nicht genehmigt worden sei, so dass dieses Konto nicht mehr konvertibel gewesen sei.
6. Am 28. April 1987 erhob Artesia Schadensersatzklage gegen die Bank von Griechenland, da sie der Auffassung war, sie habe durch deren ablehnende Entscheidungen in der Zeit vom 30. September 1982 bis zum 11. Dezember 1986 einen Schaden erlitten. Sie machte geltend, ihr Erwerb der Schuldverschreibungen falle unter Anlage I Liste B Position IV A der Ersten Richtlinie; folglich seien die Mitgliedstaaten nach Artikel 2 dieser Richtlinie verpflichtet gewesen, die begehrte Genehmigung zu erteilen. Mit dem Rechtsstreit waren das Polymeles Protodikeio Athinon (Gericht erster Instanz Athen), das Efeteio Athinon (Berufungsgericht Athen) und schließlich der Areios Pagos befasst, der die Sache zur weiteren Entscheidung an das Efeteio Athinon zurückverwies. Dieses verurteilte die Bank von Griechenland am 27. Juli 2001, Artesia zu entschädigen. Es vertrat die Auffassung, der im Ausgangsverfahren streitige Vorgang falle unter Artikel 2 und unter Anlage I Liste B der Ersten Richtlinie.
7. Nachdem die Bank von Griechenland Kassationsbeschwerde eingelegt hatte, hat der Areios Pagos beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:
1. Gefragt wird im Zusammenhang mit der Regelung in der Artikel 4 der Ersten Richtlinie ... betreffenden Liste D und in der Nomenklaturposition VI, die "Kurzfristige Anlagen in Schatzwechseln und anderen Titeln, die normalerweise am Geldmarkt gehandelt werden", betrifft, ob nach dem Geist dieser Vorschrift oder nach dem mit ihr verfolgten Zweck oder bei ihrer Auslegung im Licht des im internationalen Handel gegebenenfalls geltenden Erfahrungssatzes, dass Wertpapiere wie die streitigen einjährigen Schuldverschreibungen der ETVA kurzfristige Investitionen darstellen, unter die Regelung in dieser Vorschrift fallen a) von einer Bankaktiengesellschaft, deren Anteile dem Staat gehören, begebene Schuldverschreibungen mit einer Laufzeit von einem Jahr, die an der Börse gehandelt werden können, wo sie auch eingeführt worden sind, oder b) von einer Bankaktiengesellschaft begebene Schuldverschreibungen mit einer Laufzeit von einem Jahr, die an der Börse gehandelt werden können, wo sie auch eingeführt worden sind.
2. Gefragt wird ferner im Zusammenhang mit der Regelung in der Artikel 4 der ... [Ersten] Richtlinie betreffenden Liste D und in der Nomenklaturposition IX, die sich auf "Errichtung und Unterhaltung von Kontokorrent- und Terminkonten, Repatriierung und Verwendung der Guthaben von Kontokorrent- oder Terminkonten bei Kreditinstituten" bezieht, ob nach dem Geist dieser Vorschrift und dem mit ihr verfolgten Zweck unter die Regelung in dieser Vorschrift die Verwendung eines Guthabens auf einem Terminkonto bei einer Bank als Kreditinstitut fällt, das so gespeist wird, wie es die im vorliegenden Urteil genannte Entscheidung 1097/1959 des Währungsausschusses vorsieht (mit dem Erlös aus eingeführten Devisen usw.), und das Einlagen betrifft, die auf inländische Währung lauten und in ausländische Währung konvertibel sind.
Zum Antrag auf Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung
8. Mit Schriftsatz, der am 8. Juli 2005 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, hat die Bank von Griechenland die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung beantragt.
9. In diesem Zusammenhang ist daran zu erinnern, dass der Gerichtshof nach Artikel 61 seiner Verfahrensordnung die mündliche Verhandlung wieder eröffnen kann, wenn er sich für unzureichend unterrichtet hält oder ein zwischen den Parteien nicht erörtertes Vorbringen für entscheidungserheblich erachtet (Urteile vom 10. Februar 2000 in den verbundenen Rechtssachen C 270/97 und C 271/97, Deutsche Post, Slg. 2000, I 929, Randnr. 30, und vom 18. Juni 2002 in der Rechtssache C 299/99, Philips, Slg. 2002, I 5475, Randnr. 20).
10. Nach Auffassung des Gerichtshofes ist es im vorliegenden Fall nicht angezeigt, die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen. Der Antrag, eine solche Wiedereröffnung anzuordnen, ist daher zurückzuweisen.
Rechtlicher Rahmen
Gemeinschaftsrecht
11. Artikel 67 EWG-Vertrag (später Artikel 67 EG-Vertrag, aufgehoben durch den Vertrag von Amsterdam) bestimmt:
"(1) Soweit es für das Funktionieren des Gemeinsamen Marktes notwendig ist, beseitigen die Mitgliedstaaten untereinander während der Übergangszeit schrittweise alle Beschränkungen des Kapitalverkehrs in Bezug auf Berechtigte, die in den Mitgliedstaaten ansässig sind, und heben alle Diskriminierungen aufgrund der Staatsangehörigkeit oder des Wohnorts der Parteien oder des Anlageorts auf.
(2) Die mit dem Kapitalverkehr zwischen den Mitgliedstaaten zusammenhängenden laufenden Zahlungen werden bis zum Ende der ersten Stufe von allen Beschränkungen befreit."
12. Der einzigen Begründungserwägung der Ersten Richtlinie zufolge ist zur Verwirklichung der Ziele des EWG-Vertrags ein möglichst freier Kapitalverkehr zwischen den Mitgliedstaaten und infolgedessen eine möglichst weitgehende und schnelle Liberalisierung des Kapitalverkehrs zwischen diesen Staaten erforderlich.
13. Nach den Artikeln 1 Absatz 1 und 3 Absatz 1 der Richtlinie erteilen die Mitgliedstaaten die erforderlichen Devisengenehmigungen zum Abschluss oder zur Erfüllung von Geschäften sowie für Transferzahlungen zwischen Deviseninländern in den Mitgliedstaaten, die den in den Listen A und - unter bestimmten Voraussetzungen - C der Anlage I dieser Richtlinie genannten Kapitalverkehr betreffen.
14. Artikel 2 Absatz 1 der Ersten Richtlinie bestimmt: "Die Mitgliedstaaten erteilen allgemeine Genehmigungen zum Abschluss oder zur Erfüllung von Geschäften sowie für Transferzahlungen zwischen Deviseninländern in den Mitgliedstaaten, die den in der Anlage I Liste B dieser Richtlinie genannten Kapitalverkehr betreffen."
15. Für den in der Liste D dieser Anlage genannten Kapitalverkehr ist eine solche Verpflichtung zur Erteilung von Genehmigungen dagegen nicht vorgesehen. Es steht den Mitgliedstaaten frei, ihre diesbezüglichen Beschränkungen aufrechtzuerhalten.
16. Artikel 4 der Ersten Richtlinie bestimmt:
"Der Währungsausschuss prüft mindestens einmal jährlich die Beschränkungen für die in den Listen der Anlage I aufgeführten Kapitalbewegungen. Er berichtet der Kommission über die Beschränkungen, die beseitigt werden könnten."
17. Zu den in Anlage I Liste B Position IV A der Ersten Richtlinie betreffend den "Kapitalverkehr gemäß Artikel 2 der Richtlinie" aufgeführten Kapitalbewegungen gehören u. a. der "Erwerb inländischer, an Börsen gehandelter Wertpapiere durch Devisenausländer (unter Ausschluss der Anteilscheine am Sondervermögen von Kapitalanlagegesellschaften) und [die] Repatriierung des Liquidationserlöses aus diesen Wertpapieren", denen die Position IV A der Nomenklatur entspricht. Diese erfasst u. a. unter Punkt 3 i den "Erwerb von Schuldverschreibungen ... auf Landeswährung lautend" sowie unter Punkt 4 die "Repatriierung des Liquidationserlöses aus Schuldverschreibungen".
18. Zu den in Anlage I Liste D der Ersten Richtlinie betreffend den "Kapitalverkehr gemäß Artikel 4 der Richtlinie" aufgeführten Kapitalbewegungen gehören u. a.:
- "Kurzfristige Anlagen in Schatzwechseln und anderen Titeln, die normalerweise am Geldmarkt gehandelt werden", denen die Position VI der Nomenklatur entspricht. Diese erfasst u. a. unter Punkt A "Kurzfristige Anlagen auf dem inländischen Geldmarkt durch Devisenausländer und Repatriierung des Liquidationserlöses";
- "Errichtung und Unterhaltung von Kontokorrent- und Terminkonten, Repatriierung und Verwendung der Guthaben von Kontokorrent- oder Terminkonten bei Kreditinstituten", denen die Position IX der Nomenklatur entspricht. Diese erfasst u. a. die Geschäfte von Devisenausländern bei inländischen Kreditinstituten und betrifft Konten und Guthaben sowohl in Landes- als auch in Fremdwährung.
Nationales Recht
19. Die Entscheidung 1097 des Währungsausschusses vom 23. Mai 1959 über die Anwendung des Systems der beschränkten Konvertibilität in Griechenland (FEK A'109 vom 16. Juni 1959) sah zum streiterheblichen Zeitpunkt zwei Arten von Einlagekonten bei der Bank von Griechenland und den anderen zugelassenen Banken vor, die im Namen ständig im Ausland wohnender Personen eröffnet werden konnten, nämlich auf konvertible Drachmen lautende Konten und auf Devisen lautende Konten.
20. Nach dieser Entscheidung konnten auf konvertible Drachmen lautende Konten nur für bestimmte Zwecke verwendet und nur auf bestimmten, abschließend aufgezählten Wegen gespeist werden. Der Entscheidung zufolge waren griechische Drachmen, die ohne besondere Genehmigung der Bank von Griechenland für andere als die vorgesehenen Zwecke verwendet wurden, nicht mehr konvertibel.
Zu den Vorlagefragen
Zur ersten Vorlagefrage
21. Mit seiner ersten Frage möchte der Areios Pagos im Wesentlichen wissen, ob der Erwerb von auf Landeswährung lautenden, an der Börse gehandelten und notierten Schuldverschreibungen mit einer Laufzeit von einem Jahr nach der Emission, die von einer in einem Mitgliedstaat niedergelassenen und im Eigentum dieses Staates stehenden Bank begeben worden waren, als "Erwerb inländischer, an Börsen gehandelter Wertpapiere" im Sinne der Anlage I Liste B Position IV A der Ersten Richtlinie oder als "Kurzfristige Anlagen in Schatzwechseln und anderen Titeln, die normalerweise am Geldmarkt gehandelt werden", im Sinne der Liste D Position VI dieser Anlage anzusehen ist.
22. Zwischen den Parteien des Ausgangsverfahrens ist unstreitig, dass Artesia eine Bank ist, die "Devisenausländer" im Sinne der Ersten Richtlinie ist und die die streitigen Schuldverschreibungen in Griechenland erworben hat und den Liquidationserlös hieraus nach Belgien repatriieren wollte. Ebenso unstreitig ist, dass diese Schuldverschreibungen auf Landeswährung lautende, an der Börse gehandelte und notierte "inländische Wertpapiere" sind.
23. Artesia und die Kommission machen geltend, die fraglichen Schuldverschreibungen fielen unter Anlage I Liste B Position IV A der Ersten Richtlinie. Nach Auffassung der Bank von Griechenland und der griechischen Regierung fallen sie dagegen unter Anlage I Liste D Position VI der Richtlinie.
24. Dem Ausgangsrechtsstreit liegt somit eine unterschiedliche Auslegung der Kriterien zu Grunde, die für die streitigen Schuldverschreibungen gelten. In diesem Rechtsstreit geht es um die Auslegung der Begriffe "an Börsen gehandelte Wertpapiere" und "Titel, die normalerweise am Geldmarkt gehandelt werden". Ferner soll festgestellt werden, ob die Laufzeit der streitigen Schuldverschreibungen ein entscheidendes Kriterium für ihre Qualifizierung ist. Nach Auffassung der Bank von Griechenland und der griechischen Regierung sind die fraglichen Schuldverschreibungen "Titel, die normalerweise am Geldmarkt gehandelt werden", im Sinne von Anlage I Liste D Position VI der Ersten Richtlinie, unabhängig davon, ob sie an der Börse gehandelt werden.
25. Nach Artikel 67 EG-Vertrag gehört es zum freien Kapitalverkehr, dass alle Beschränkungen des Kapitalverkehrs in Bezug auf Berechtigte, die in den Mitgliedstaaten ansässig sind, und alle Diskriminierungen aufgrund der Staatsangehörigkeit oder des Wohnorts der Parteien oder des Anlageorts aufgehoben werden. Die Erste Richtlinie sieht zur Durchführung des Artikels 67 eine vollständige Liberalisierung bestimmter Kapitalbewegungen vor und soll zur Beseitigung von administrativen Hemmnissen führen, die, obwohl sie keine Genehmigungspflicht für Devisengeschäfte vorsehen und den Erwerb ausländischer Wertpapiere nicht berühren, gleichwohl eine Behinderung der möglichst weitgehenden Liberalisierung des Kapitalverkehrs darstellen, die nach der Begründung der Ersten Richtlinie zur Verwirklichung der Ziele der Gemeinschaft erforderlich ist (vgl. Urteil vom 24. Juni 1986 in der Rechtssache 157/85, Brugnoni und Ruffinengo, Slg. 1986, 2013, Randnrn. 21 und 22).
26. Insoweit ist festzustellen, dass die Liste D Position VI der besagten Anlage zwar den Begriff "Titel, die normalerweise am Geldmarkt gehandelt werden", enthält, die Erste Richtlinie diesen Begriff jedoch nicht definiert. Diese Richtlinie verweist vielmehr auf den Begriff "an Börsen gehandelte Wertpapiere" in Liste B Position IV A der Anlage I sowie in ihren Begriffsbestimmungen, die eine Definition hierfür enthalten. Nach diesen Begriffsbestimmungen, die als Bestandteil der Richtlinie anzusehen sind (vgl. Urteil vom 4. Februar 1988 in der Rechtssache 143/86, East u. a., Slg. 1988, 625, Randnr. 11), sind "an Börsen gehandelte Wertpapiere" "Wertpapiere, die Gegenstand eines geregelten Börsenhandels sind und deren Kurse systematisch veröffentlicht werden, sei es durch amtliche Börsenorgane (amtlich notierte Wertpapiere), sei es durch andere an der Börse tätige Organe, wie z. B. Bankenkommissionen (nicht amtlich notierte Wertpapiere)". Wie die Kommission vorträgt, zeigt diese Definition, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber den Funktionsregeln der Börse Bedeutung beigemessen hat, namentlich hinsichtlich der Bestimmungen, die die Transparenz des Börsengeschehens und die Veröffentlichung der Kurse der gehandelten Wertpapiere sicherstellen.
27. Was die "an Börsen gehandelten Wertpapiere" im Sinne der Anlage I Liste B Position IV A der Ersten Richtlinie angeht, hat der Gemeinschaftsgesetzgeber die Auffassung vertreten, dass für Wertpapiere, die in einer geregelten Umgebung wie der Börse gehandelt werden, von dem betreffenden Mitgliedstaat allgemeine Genehmigungen zum Abschluss oder zur Erfüllung von Geschäften sowie für Transferzahlungen zwischen Deviseninländern in den Mitgliedstaaten nach Artikel 2 der Ersten Richtlinie erteilt werden können.
28. Demgegenüber ist der in Anlage I Liste D Position VI der Ersten Richtlinie erwähnte Geldmarkt nicht so stark geregelt wie die Börse. Geschäfte auf dem Geldmarkt kommen nämlich gewöhnlich nach privaten Verhandlungen in einer Umgebung zu Stande, die im Verhältnis zur Börse weniger transparent ist. Diese Feststellung wird auch dadurch bestätigt, dass das grundlegende Kennzeichen der "Titel, die normalerweise am Geldmarkt gehandelt werden", darin besteht, dass ihre Kurse nicht öffentlich notiert werden, so dass sich für die nationalen Behörden die Notwendigkeit ergeben kann, ihren Wert zu ermitteln, um jegliche betrügerische fiktive Preisgestaltung zu verhindern. Dies ist dagegen bei den "an Börsen gehandelten Wertpapieren" nicht der Fall, wie der Generalanwalt in Nummer 43 seiner Schlussanträge festgestellt hat.
29. Wie sich aus den Akten ergibt, wurden die Wertpapiere, auch wenn sie an der Börse gehandelt wurden, de facto bei ETVA erworben. Dieser Umstand ändert jedoch, anders als von der Bank von Griechenland in der mündlichen Verhandlung behauptet, nichts am Charakter der fraglichen Schuldverschreibungen. Wie nämlich der Generalanwalt in Nummer 40 seiner Schlussanträge vorgetragen hat, schreibt die Erste Richtlinie nicht vor, dass der Ort, an dem die Wertpapiere gehandelt werden, und der Ort, an dem sie erworben werden, identisch sein müssen. Anlage I Liste B der Ersten Richtlinie umfasst den "Erwerb ... an der Börse gehandelter Wertpapiere", und der Erwerb der Wertpapiere muss nicht an der Börse erfolgt sein. Entscheidend ist, dass sie in diesem Rahmen gehandelt werden. Wie der Generalanwalt in Nummer 40 ausgeführt hat, wird diese Auslegung durch die Analyse aller Sprachfassungen der Ersten Richtlinie bestätigt.
30. Zwar kann die Laufzeit für diejenigen Wertpapiere ausschlaggebend sein, die unter die Liste D der Anlage I fallen und die Beschränkungen im Sinne von Artikel 4 der Richtlinie unterliegen, d. h. "Kurzfristige Anlagen in Schatzwechseln und anderen Titeln, die normalerweise am Geldmarkt gehandelt werden"; dies ist jedoch bei "an Börsen gehandelten Wertpapieren" nicht der Fall. Diese werden lediglich in Anlage I Liste B Position IV A sowie in den Begriffsbestimmungen der Ersten Richtlinie behandelt. Die Begriffsbestimmungen nehmen ausdrücklich auf die genannte Position IV Bezug und bestimmen lediglich die Art der Stelle, die Schuldverschreibungen begibt, d. h. "Personen im Sinne des privaten wie auch des öffentlichen Rechts". Eine Definition der kurzfristigen Schuldverschreibungen enthalten die Richtlinien 86/566/EWG des Rates vom 17. November 1986 zur Änderung der Ersten Richtlinie (ABl. L 332, S. 22) und 88/361/EWG des Rates vom 24. Juni 1988 zur Durchführung von Artikel 67 des Vertrages (ABl. L 178, S. 5), die jedoch keine Rückwirkung entfalten. Somit ergibt sich aus dem Wortlaut der Anlage I Liste B Position IV A der Ersten Richtlinie, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber die "an Börsen gehandelten Wertpapiere" nach anderen Kriterien als ihrer Laufzeit definieren wollte.
31. Hieraus folgt, dass es sich bei den streitigen Schuldverschreibungen um "an Börsen gehandelte Wertpapiere" im Sinne der Anlage I Liste B Position IV A sowie der Begriffsbestimmungen der Ersten Richtlinie handelt.
32. Aufgrund dessen braucht nicht geprüft zu werden, ob diese Schuldverschreibungen zugleich die Kriterien der Liste D Position VI dieser Anlage erfüllen. Auch wenn dies so wäre, könnte es nichts daran ändern, dass die streitigen Kapitalbewegungen unter die liberalisierte Regelung des Artikels 2 der Ersten Richtlinie fallen, soweit sie die Kriterien der Anlage I Liste B dieser Richtlinie erfüllen. Keine Bestimmung dieser Richtlinie beschränkt die Liberalisierung, die gemäß ihrem Artikel 2 für Kapitalbewegungen gilt, allein deswegen, weil diese Kapitalbewegungen auch die Kriterien der Anlage I Liste D der Richtlinie erfüllen. Zu demselben Ergebnis führt eine Auslegung der Ersten Richtlinie im Licht ihrer - in ihrer einzigen Begründungserwägung genannten - Zielsetzung, wonach "ein möglichst freier Kapitalverkehr zwischen den Mitgliedstaaten und infolgedessen eine möglichst weitgehende und schnelle Liberalisierung dieses Kapitalverkehrs erforderlich ist".
33. Im Übrigen ändert der Umstand, dass die Schuldverschreibungen, um die es im Ausgangsverfahren geht, von einer staatseigenen Bankaktiengesellschaft ausgestellt wurden, nichts an ihrer Natur. Die der Ersten Richtlinie beigefügten Begriffsbestimmungen stellen klar, dass diese Schuldverschreibungen von Personen des privaten und des öffentlichen Rechts ausgestellt werden können, wie bereits in Randnummer 30 dieses Urteils festgestellt.
34. Nach alledem ist auf die erste Frage zu antworten, dass auf Landeswährung lautende, an der Börse gehandelte und notierte Schuldverschreibungen mit einer Laufzeit von einem Jahr nach der Emission, die von einer in einem Mitgliedstaat niedergelassenen und im Eigentum dieses Staates stehenden Bank begeben werden, unter Anlage I Liste B Position IV A der Ersten Richtlinie fallen. Für ihren Erwerb und den Erlös aus ihrer Liquidation gilt Artikel 2 dieser Richtlinie, der auf Anlage I Liste B der Richtlinie verweist, die eine Bestimmung über die Repatriierung dieses Erlöses enthält.
Zur zweiten Vorlagefrage
35. Mit seiner zweiten Frage möchte der Areios Pagos im Wesentlichen wissen, ob die Verwendung von Guthaben auf einem Kontokorrent- oder Terminkonto bei einem Kreditinstitut für den Erwerb von Schuldverschreibungen im Sinne seiner ersten Frage unter Anlage I Liste D Position IX der Ersten Richtlinie fällt.
36. Für die Zwecke der Ersten Richtlinie müssen Kapitalbewegungen notwendigerweise als Ganzes betrachtet werden, und wenn der Bestimmungszweck einer Bewegung unter eine der liberalisierten Kategorien fällt, kann sich ihr Ursprung unter Berücksichtigung der in Randnummer 32 dieses Urteils angestellten Erwägungen auf diese Einstufung normalerweise nicht auswirken. Außerdem würde ein Erwerb von Wertpapieren, der unter eine der liberalisierten Kategorien fällt, erheblich behindert, wenn es den Mitgliedstaaten weiter freistünde, die Verwendung von Guthaben auf einem Kontokorrent- oder Terminkonto für einen solchen Erwerb einzuschränken.
37. Auf die zweite Frage ist daher zu antworten, dass sich der Umstand, dass ein Erwerb von Schuldverschreibungen, der unter Anlage I Liste B Position IV A der Ersten Richtlinie fällt, aus Guthaben auf einem Kontokorrent- oder Terminkonto bei einem Kreditinstitut finanziert wurde, auch dann, wenn dieses unter Liste D Position IX fällt, nicht auf die Einstufung der fraglichen Kapitalbewegung unter Anlage I Liste B Position IV A auswirkt.
Kostenentscheidung:
Kosten
38. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
Tenor:
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Erste Kammer) für Recht erkannt:
1. Auf Landeswährung lautende, an der Börse gehandelte und notierte Schuldverschreibungen mit einer Laufzeit von einem Jahr nach der Emission, die von einer in einem Mitgliedstaat niedergelassenen und im Eigentum dieses Staates stehenden Bank begeben werden, fallen unter Anlage I Liste B Position IV A der Ersten Richtlinie des Rates vom 11. Mai 1960 zur Durchführung des Artikels 67 des Vertrages. Für ihren Erwerb und den Erlös aus ihrer Liquidation gilt Artikel 2 dieser Richtlinie, der auf Anlage I Liste B der Richtlinie verweist, die eine Bestimmung über die Repatriierung dieses Erlöses enthält.
2. Der Umstand, dass ein Erwerb von Schuldverschreibungen, der unter Anlage I Liste B Position IV A der Ersten Richtlinie fällt, aus Guthaben auf einem Kontokorrent- oder Terminkonto bei einem Kreditinstitut finanziert wurde, wirkt sich auch dann, wenn dieses unter Liste D Position IX fällt, nicht auf die Einstufung der fraglichen Kapitalbewegung unter Anlage I Liste B Position IV A aus.
Ende der Entscheidung
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