Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 24.10.1996
Aktenzeichen: C-329/93
Rechtsgebiete: EG-Vertrag, EWG-Vertrag, Richtlinie Nr. 90/684


Vorschriften:

EG-Vertrag Art. 92
EG-Vertrag Art. 190
EWG-Vertrag Art. 173 Abs. 1
Richtlinie Nr. 90/684
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Das Begründungserfordernis ist nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach dem Inhalt des betreffenden Rechtsakts, zu beurteilen.

In einer Entscheidung, durch die festgestellt wird, daß eine Bürgschaft mit Artikel 92 des Vertrages unvereinbar ist, die von einer öffentlichen Stelle zugunsten eines Unternehmens gewährt worden ist, um den Erwerb einer Beteiligung an einem anderen Unternehmen gegen Übertragung neu ausgegebener Aktien des erstgenannten Unternehmens zu ermöglichen, kann sich die Kommission bei der Beurteilung des Gesamtwerts der neuen Aktien im Verhältnis zum Wert der geplanten Beteiligung nicht auf die Erwägung beschränken, daß der Börsenkurs der Aktien des erstgenannten Unternehmens der einzige für die Bewertung der neuen Aktien maßgebende Faktor sei, sondern sie hat auch andere Faktoren zu berücksichtigen, die sich auf den eigentlichen Wert des fraglichen Unternehmens und auf die Lage des Marktes, auf dem es tätig ist, beziehen.

Die uneingeschränkte und unbedingte Anwendung des Kriteriums des Börsenkurses unter Ausschluß aller anderen Faktoren führt zu einem Automatismus, der sich schwerlich mit dem marktwirtschaftlichen System und mit den wirtschaftlichen Entscheidungen vereinbaren lässt, wie sie bedeutende Unternehmen treffen, die sich von längerfristigen Rentabilitätsaussichten leiten lassen.

2. In der Begründung einer Entscheidung der Kommission, durch die eine Beihilfe zugunsten eines Unternehmens, das eine der bedeutendsten Werften der Gemeinschaft betreibt und allgemein als Unternehmen bekannt ist, dessen Tätigkeit auf den Schiffbau ausgerichtet ist, für unvereinbar mit dem Gemeinsamen Markt erklärt wird, obwohl die Anwendung der Richtlinie 90/684 über Beihilfen für den Schiffbau möglicherweise zu einer anderen Beurteilung geführt hätte, ist darzulegen, aus welchen Gründen die genannte Richtlinie in dem betreffenden Fall keine Anwendung finden kann.

3. Zwar schließt der Umstand, daß ein Unternehmen einen verhältnismässig geringen Umsatz in der Gemeinschaft hat, nicht von vornherein aus, daß eine staatliche Maßnahme zu seinen Gunsten eine Beihilfe darstellt, und in bestimmten Fällen kann sich bereits aus den Umständen, unter denen die Beihilfe gewährt worden ist, ergeben, daß sie den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigt und den Wettbewerb verfälscht oder zu verfälschen droht; jedoch hat die Kommission diese Umstände in der Begründung ihrer Entscheidung zumindest anzugeben. Dieser Begründungspflicht genügt eine Entscheidung nicht, die keinen Hinweis auf die Lage des betroffenen Marktes, auf den Anteil des betroffenen Unternehmens an diesem Markt und auf die Stellung der Konkurrenzunternehmen enthält und in der in bezug auf den Handel mit den betreffenden Produkten zwischen den Mitgliedstaaten lediglich die Einfuhren der Mitgliedstaaten von Waren dreier Tarifpositionen angeführt sind, ohne daß der Anteil des betroffenen Unternehmens an diesen Einfuhren bestimmt wird.


Urteil des Gerichtshofes (Sechste Kammer) vom 24. Oktober 1996. - Bundesrepublik Deutschland, Hanseatische Industrie-Beteiligungen GmbH und Bremer Vulkan Verbund AG gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften. - Staatliche Beihilfen - Bürgschaft, die von öffentlichen Stellen indirekt zugunsten eines Schiffbauunternehmens zum Zweck des Erwerbs eines Unternehmens eines anderen Sektors gewährt wird - Diversifizierung der Tätigkeiten des Empfängerunternehmens - Rückforderung. - Verbundene Rechtssachen C-329/93, C-62/95 und C-63/95.

Entscheidungsgründe:

1 Mit Klageschrift, die am 25. Juni 1993 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, hat die Bundesrepublik Deutschland gemäß Artikel 173 Absatz 1 EWG-Vertrag Klage erhoben auf Nichtigerklärung der Entscheidung 93/412/EWG der Kommission vom 6. April 1993 über eine Beihilfe der deutschen Regierung an die HIBEG und von der HIBEG über die Krupp GmbH an die Bremer Vulkan AG zur Erleichterung des Verkaufs der Krupp Atlas Elektronik GmbH durch die Krupp GmbH an die Bremer Vulkan AG (ABl. L 185, S. 43; im folgenden: angefochtene Handlung) (Rechtssache C-329/93).

2 Mit Klageschriften, die am 28. Juni 1993 und am 1. Juli 1993 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen sind, haben die Hanseatische Industrie-Beteiligungen GmbH (im folgenden: HIBEG) und die Bremer Vulkan Verbund AG (im folgenden: BV) gemäß Artikel 173 Absatz 2 EWG-Vertrag Klage auf Nichtigerklärung derselben Entscheidung erhoben.

3 Aufgrund der Erweiterung der Zuständigkeiten des Gerichts erster Instanz durch die Entscheidung 93/350/Euratom, EGKS, EWG des Rates vom 8. Juni 1993 zur Änderung des Beschlusses 88/591/EGKS, EWG, Euratom zur Errichtung eines Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften (ABl. L 144, S. 21) sind die beiden zuletzt genannten Verfahren mit Beschluß des Gerichtshofes vom 27. September 1993 an das Gericht verwiesen worden. Mit Beschluß des Gerichts vom 23. Februar 1995 nach Artikel 47 Absatz 3 der EG-Satzung des Gerichtshofes sind sie wieder an den Gerichtshof abgegeben worden (Rechtssachen C-62/95 und C-63/95).

4 Mit Beschluß des Präsidenten des Gerichtshofes vom 16. November 1995 sind die drei Rechtssachen nach Artikel 43 der Verfahrensordnung zu gemeinsamer mündlicher Verhandlung und Entscheidung verbunden worden.

Die angefochtene Handlung

5 Der angefochtenen Handlung zufolge meldete die deutsche Regierung am 17. Dezember 1991 eine von der Freien Hansestadt Bremen (im folgenden: Land Bremen) verschiedenen Banken zugunsten der in diesem Bundesland ansässigen HIBEG gewährte Bürgschaft an.

6 Durch diese Bürgschaft sollte es der in Bremen ansässigen BV ermöglicht werden, von der Krupp GmbH (im folgenden: Krupp) das Unternehmen Krupp Atlas Elektronik GmbH (im folgenden: KÄ), eine Tochtergesellschaft von Krupp, zu kaufen.

7 Am 6. Mai 1992 eröffnete die Kommission in bezug auf diese Bürgschaft das Prüfungsverfahren nach Artikel 93 Absatz 2 EWG-Vertrag, zu dessen Abschluß die angefochtene Handlung erlassen wurde.

8 In der angefochtenen Handlung wird folgendes ausgeführt:

Zur weiteren Diversifizierung in schiffbauferne Tätigkeiten habe die BV von Krupp einen Anteil an der KÄ in Höhe von 74,9 % erworben. Der Kaufpreis von 350 Millionen DM sei nicht in bar gezahlt worden, sondern mit neu ausgegebenen BV-Aktien. Folgende Transaktionen seien getätigt worden:

° 17. Oktober 1991: Die Hauptversammlung der BV-Aktionäre beschließt eine Kapitalerhöhung durch Ausgabe neuer Aktien.

° 21. November 1991: Das Land Bremen übernimmt eine Bürgschaft von 126 Millionen DM zugunsten der HIBEG, eines öffentlichen Unternehmens, das im Eigentum des Landes Bremen steht.

° 26. November 1991: Aktienaustausch zwischen Krupp und BV; die BV gibt 2,8 Millionen neue BV-Aktien (Gesamtwert laut BV 350 Millionen DM, d. h. 125 DM pro Aktie) im Austausch für eine Beteiligung an der KÄ in Höhe von 74,9 % an Krupp aus.

° 26. November 1991: Krupp und HIBEG gründen zusammen eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (im folgenden: GbR).

° 31. Dezember 1991: Krupp und HIBEG bringen ihre vereinbarten Anteile in die GbR ein. Die GbR erhält von Krupp die 2,8 Millionen BV-Aktien und von HIBEG 350 Millionen DM in bar, die über einen Bankkredit finanziert worden sind.

° 31. Dezember 1991: Entsprechend dem Gründungsvertrag der GbR erhält Krupp von der GbR einen Vorschuß in Höhe von 350 Millionen DM. Die HIBEG wird ihrerseits unwiderruflich dazu ermächtigt, die BV-Aktien zu einem Mindestpreis von 125 DM pro Aktie an Dritte zu veräussern. Mit jeder verkauften Aktie verringert sich die Beteiligung der beiden Partner an der GbR insoweit, als sich dadurch der von Krupp in Anspruch genommene Vorschuß verringert und der von der HIBEG eingebrachte Kredit weiter getilgt wird.

° 28. Februar 1994 (frühestens) bzw. 31. Dezember 1994 (spätestens): Die GbR wird aufgelöst. Die verbleibenden BV-Aktien werden auf die HIBEG übertragen, während Krupp den Restbetrag aus dem Vorschuß erhält. Die HIBEG hat laut Vereinbarung mit den Gläubigerbanken die Möglichkeit, durch den Verkauf der BV-Aktien an die Gläubigerbanken für 80 DM pro Aktie einen Teil des Kredits am Ende der Laufzeit zurückzuzahlen.

9 Dies bedeute, so heisst es in der angefochtenen Handlung weiter, daß die BV einen Anteil an der KÄ in Höhe von 74,9 % gegen Übertragung von 2,8 Millionen BV-Aktien auf Krupp erworben habe. Krupp habe diese Aktien im Rahmen der GbR gegen 350 Millionen DM der HIBEG eingetauscht. Zur Zeit der Transaktionen seien BV-Aktien an der Börse mit rund 80 DM pro Aktie notiert gewesen, d. h. der Gesamtwert der 2,8 Millionen Aktien habe 224 Millionen DM betragen. Das Land Bremen habe die HIBEG mit einer Bürgschaft von 126 Millionen DM unterstützt. Dies entspreche der Differenz zwischen dem vereinbarten Kaufpreis für den KÄ -Anteil und dem aktuellen Wert der Aktien. Die Bürgschaft habe somit den Verkauf der KÄ an die BV ermöglicht.

10 Die Kommission vertritt die Ansicht, diese Übernahme einer Bürgschaft durch das Land Bremen stelle aufgrund folgender Erwägungen eine Beihilfe zugunsten der BV dar.

11 Der Durchschnittskurs der BV-Aktien habe im November/Dezember 1991, als die wichtigsten Transaktionen getätigt worden seien, rund 80 DM pro Aktie betragen (84,90 DM im November und 75,40 DM im Dezember). Da der Börsenkurs vor dem Hintergrund der allgemeinen nationalen und internationalen Wirtschaftsentwicklung die individuelle Unternehmenssituation widerspiegele, sei nur dieser Wert zugrunde zu legen. Im vorliegenden Fall sei im Börsenkurs bereits die Wertminderung berücksichtigt gewesen, die bei der Ausgabe neuer Aktien in der Regel eintrete. Dieser Kurs sei daher der Hoechstpreis gewesen, der bei einer öffentlichen Emission von neuen BV-Aktien hätte gefordert werden können. Dies werde auch dadurch bestätigt, daß die Banken bereit gewesen seien, die nicht verkauften Aktien nach Ende der Laufzeit des Kredits für 80 DM pro Aktie zu übernehmen, und daß sich der Kurs der BV-Aktien seit Ende 1991 bis Februar 1993 um 80 DM bewegt habe.

12 Daher habe, so wird in der angefochtenen Handlung weiter ausgeführt, die HIBEG, deren alleiniger Eigentümer das Land Bremen sei und die daher als öffentliches Unternehmen angesehen werden müsse, den Bankkredit nur erhalten und im Austausch für die neuen BV-Aktien im Rahmen der GbR nur deshalb 350 Millionen DM bieten können, weil das Land Bremen für die Differenz mit 126 Millionen DM bürge. Dieser Betrag entspreche exakt der Differenz zwischen dem Gesamtkredit von 350 Millionen DM und 224 Millionen DM, dem Wert der Aktien auf der Basis des Marktpreises von 80 DM pro Aktie.

13 In bezug auf die Höhe der Beihilfe gelangt die Kommission in der angefochtenen Handlung zu dem Ergebnis, daß die Differenz von 126 Millionen DM zwischen den als Kaufpreis für die KÄ bezahlten 350 Millionen DM und dem Wert der neuen BV-Aktien nicht mit wirtschaftlichen Erwägungen begründet werden könne. Der Gesamtwert dieser Differenz, der dem Umfang der Bürgschaft entspreche, sei daher als Beihilfe anzusehen.

14 Zu der Frage, wer Empfänger der Beihilfe ist, wird in der angefochtenen Handlung ausgeführt, sie habe zur Zeit der Einleitung des Prüfungsverfahrens nach Artikel 93 Absatz 2 des Vertrages noch nicht beantwortet werden können. Für ihre Beantwortung sei es darauf angekommen, wie hoch der tatsächliche Marktpreis für die KÄ angesetzt werde. Sollte die Beteiligung von 74,9 % an der KÄ nur 224 Millionen DM wert gewesen sein, so sei die gesamte Beihilfe Krupp zuzurechnen. Betrage der Wert dieser Beteiligung 350 Millionen DM, so sei die Beihilfe über die HIBEG an die BV gegangen, um dieser den Erwerb einer Beteiligung von 74,9 % an der KÄ zu ermöglichen. Liege der tatsächliche Marktwert für die 74,9%ige Beteiligung an der KÄ dazwischen, so sei die Beihilfe entsprechend auf die BV und Krupp aufgeteilt worden. Die Kommission gelangte im Prüfungsverfahren abschließend zu dem Ergebnis, daß der Wert von 350 Millionen DM den realen Marktwert des 74,9%igen Anteils an der KÄ widerspiegele, so daß der eigentliche Beihilfeempfänger die BV gewesen sei. Da nämlich Ziel all dieser Transaktionen die Diversifizierung der BV durch die Übernahme der KÄ gewesen sei, habe die BV ihre Finanzlage durch die Bareinlage der HIBEG und die Landesbürgschaft spürbar verbessert, obwohl die Barzahlung im Rahmen der GbR direkt von der HIBEG an Krupp gegangen sei.

15 Weiter vertrat die Kommission in der angefochtenen Handlung die Ansicht, die streitige Bürgschaft habe nicht den am 28. Oktober 1991 von ihr genehmigten Bürgschaftsrichtlinien des Landes Bremen entsprochen. Erstens sähen diese Richtlinien grundsätzlich eine Ausfallbürgschaft vor, während die streitige Bürgschaft eine selbstschuldnerische sei. Die Kommission lehnt insoweit in der angefochtenen Handlung die Ansicht der deutschen Regierung ab, daß der in den Richtlinien verwendete Begriff "grundsätzlich" auch selbstschuldnerische Bürgschaften zulasse und daß eine Ausfallbürgschaft wirtschaftlich nicht sinnvoll gewesen sei, da es sich bei der HIBEG um ein öffentliches Unternehmen handele. Zweitens verlangten die Richtlinien Wertpapiere als Sicherheit und ein Bürgschaftsentgelt von 0,5 % bei Gewährung und ein weiteres Entgelt von jährlich 0,5 %. Im vorliegenden Fall habe man von der HIBEG weder eine Sicherheit noch das Bürgschaftsentgelt verlangt. Schließlich sei nach dem ihr mitgeteilten Sachverhalt ein marktübliches Verhältnis zwischen den Investitionserträgen aus der GbR und den für den Schuldendienst notwendigen Mitteln, wie es die Bürgschaftsregelung verlange, nicht ersichtlich.

16 Da die streitige Bürgschaft nicht den Richtlinien des Landes Bremen entsprochen habe, hätte die deutsche Regierung sie gemäß Artikel 93 Absatz 3 des Vertrages der Kommission vorher mitteilen müssen. Die deutsche Regierung habe die Beihilfe angemeldet, nachdem die Bürgschaft gewährt worden sei, Krupp den 74,9%igen Anteil an der KÄ an die BV verkauft und die HIBEG und Krupp eine GbR gegründet hätten. Somit liege ein Verstoß gegen Artikel 93 Absatz 3 des Vertrages vor. Die Beihilfe sei somit vom Zeitpunkt ihrer Gewährung an rechtswidrig gewesen.

17 Um prüfen zu können, ob die in Rede stehende Beihilfe im Sinne von Artikel 92 Absatz 1 des Vertrages den Wettbewerb verfälscht und den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigt, untersuchte die Kommission in der angefochtenen Handlung den seinerzeitigen Tätigkeitsbereich der KÄ. Sie stellte fest, daß Tätigkeitsschwerpunkt der KÄ die Schiffahrts- und Verteidigungselektronik (Echolottechnik, Signal- und Datenverarbeitung) sei; auf diesem Markt habe in der Gemeinschaft Wettbewerb geherrscht, und die betreffenden Produkte seien zwischen den Mitgliedstaaten gehandelt worden. Aus statistischen Angaben zum Anteil der Ausfuhren der KÄ an ihrem Gesamtumsatz wird in der angefochtenen Handlung der Schluß gezogen, daß die streitige Beihilfe den Handel zwischen den Mitgliedstaaten beeinträchtigt und den Wettbewerb im Bereich der Schiffahrts- und Verteidigungselektronik verfälscht habe.

18 Schließlich untersuchte die Kommission, ob die Ausnahmebestimmungen des Artikels 92 Absatz 3 des Vertrages Anwendung finden können. Sie vertrat hierzu die Ansicht, daß die streitige Maßnahme nicht zur Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung eines Gebietes bestimmt sei, in dem die Lebenshaltung aussergewöhnlich niedrig sei oder eine erhebliche Unterbeschäftigung herrsche (Artikel 92 Absatz 3 Buchstabe a). Sie solle auch eindeutig nicht zur Förderung eines Vorhabens von gemeinsamem europäischem Interesse oder zur Behebung einer beträchtlichen Störung im Wirtschaftsleben Deutschlands dienen (Artikel 92 Absatz 3 Buchstabe b). Schließlich sei die Beihilfe auch aus sektoraler Sicht nicht berechtigt und sei nicht Teil einer genehmigten Regionalbeihilferegelung. Sie sei vielmehr eine Investitionsbeihilfe, die es der BV habe ermöglichen sollen, ein bereits existierendes Unternehmen (KÄ) zu erwerben, nicht jedoch, neue Fertigungsstätten zu errichten oder neue Arbeitsplätze zu schaffen (Artikel 92 Absatz 3 Buchstabe c).

19 Demgemäß werden in Artikel 1 Absatz 1 der angefochtenen Handlung die zugunsten der BV gewährte Beihilfe von 126 Millionen DM und in Artikel 1 Absatz 2 der angefochtenen Handlung die vom Land Bremen zugunsten der HIBEG in Form einer Bürgschaft über 126 Millionen DM gewährte Beihilfe für unzulässig und für unvereinbar mit dem Gemeinsamen Markt erklärt.

20 In Artikel 2 Absatz 1 wird die Bundesrepublik Deutschland verpflichtet, sicherzustellen, daß die der BV gewährte Beihilfe vollständig zurückgefordert und binnen zwei Monaten nach Bekanntgabe der angefochtenen Handlung nach Maßgabe der nationalen Verfahren und Vorschriften vollständig an die HIBEG gezahlt wird. In Artikel 2 Absatz 2 der angefochtenen Handlung wird die deutsche Regierung verpflichtet, die in Artikel 1 Absatz 2 genannte Bürgschaft innerhalb derselben Frist aufzuheben.

Klagegründe

21 Zur Begründung ihrer Nichtigkeitsklagen machen die Klägerinnen geltend, die einzelnen Abschnitte der angefochtenen Handlung seien jeweils unzulänglich begründet. Sie rügen ausserdem die Verletzung der Vertragsbestimmungen über staatliche Beihilfen, des Anspruchs auf rechtliches Gehör und der Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Verhältnismässigkeit sowie die unrichtige Auslegung der Bürgschaftsrichtlinien des Landes Bremen.

22 Der Klagegrund, der die Unzulänglichkeit der Begründung der einzelnen Abschnitte der angefochtenen Handlung betrifft, ist zuerst zu prüfen, da die Stichhaltigkeit der anderen Klagegründe nur geprüft werden kann, wenn die angefochtene Handlung in ausreichender Weise mit Gründen versehen worden ist. Nach ständiger Rechtsprechung muß die Begründung einer beschwerenden Entscheidung nämlich dem Gerichtshof die Überprüfung der Rechtmässigkeit der Entscheidung ermöglichen und die Angaben enthalten, die der Betroffene für die Beurteilung der Begründetheit der Entscheidung benötigt.

Zur Begründung der angefochtenen Handlung

Zum Wert der neuen BV-Aktien

23 Ob es sich bei der streitigen Maßnahme um eine Beihilfe handelt, hängt zunächst davon ab, ob der Gesamtwert der neuen BV-Aktien dem Wert des von der BV erworbenen Anteils von 74,9 % am Stammkapital der KÄ entspricht. Entsprechen die beiden Werte einander, so ist die Qualifizierung als Beihilfe abzulehnen. Ist der Gesamtwert der neuen BV-Aktien dagegen geringer als der Anteil von 74,9 % an der KÄ, so ist nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes in einem zweiten Schritt unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände und Faktoren zu prüfen, wie sich ein privater Investor verhalten hätte, der eine globale oder sektorale Strukturpolitik verfolgt und sich von längerfristigen Rentabilitätsaussichten leiten lässt (Urteil vom 21. März 1991 in der Rechtssache C-305/89, sogenanntes "Alfa Romeo-Urteil", Italien/Kommission, Slg. 1991, I-1603).

24 Was den ersten Prüfungsschritt angeht, so ist zwischen den Parteien streitig, auf welchen Zeitpunkt bei dem Vergleich der beiden Werte abzustellen ist und welche Faktoren und Umstände als Prüfungskriterien zugrunde zu legen sind.

25 Wie sich aus den Akten ergibt, führten die Anfang 1991 begonnenen Gespräche zwischen Krupp und der BV über den Erwerb eines Anteils am Stammkapital der KÄ durch die BV am 12. Juli 1991 zur Unterzeichnung eines "Memorandum of Understanding" (im folgenden: Memorandum). Dieses Memorandum, das erst nach Zustimmung der Aufsichtsgremien der Parteien wirksam werden sollte, sah die Erhöhung des Kapitals der BV durch Ausgabe von 2,8 Millionen neuen Inhaberaktien vor, die Krupp zeichnen sollte. Als Gegenleistung für den Erwerb dieser Aktien sollte Krupp der BV seine 74,9%ige Beteiligung an der KÄ übertragen. Die beiden Parteien des Memorandums veranschlagten den Wert ihrer jeweiligen Einlage auf 350 Millionen DM, was bei den neuen BV-Aktien einem Wert von 125 DM je Aktie entspricht. Krupp sollte seine Einlage mit Wirkung vom 1. Juli 1991 einbringen.

26 Die Klägerinnen machen geltend, für die Bewertung der neuen BV-Aktien komme es entscheidend auf die am 12. Juli 1991 geschlossene Vereinbarung zwischen Krupp und der BV an, wie sie in dem Memorandum niedergelegt sei. Der 12. Juli 1991 sei für die Bewertung maßgeblich, weil die Vereinbarung die Parteien hinsichtlich der verschiedenen durch sie geregelten Einzelheiten und insbesondere in bezug auf die Bewertung der Einlage jeder Gesellschaft binde. Zu diesem Zeitpunkt sei die Einlage von Krupp wie auch diejenige der BV mit 350 Millionen DM bewertet worden.

27 Bei der Bewertung der neuen BV-Aktien hätten die Parteien der Vereinbarung nicht nur den seinerzeitigen Börsenkurs von 101,20 DM, sondern auch weitere den eigentlichen Unternehmenswert der BV betreffende Faktoren berücksichtigt, so etwa die neuere Entwicklung der Börsenkurse der BV-Aktien, den Wertzuwachs durch das Paket von 2,8 Millionen Aktien, das einem Anteil von 19,13 % am Kapital der BV nach dessen Erhöhung entsprechen würde, und die günstige Beeinflussung des Wertes der Aktien durch die Zusammenführung des BV-Tochterunternehmens Systemtechnik Nord GmbH (im folgenden: STN) mit der auf demselben Gebiet tätigen KÄ unter dem Dach der BV.

28 Die Kommission ist dagegen der Ansicht, im vorliegenden Fall sei ausschließlich auf den Börsenkurs der BV-Aktien abzustellen. Der Wert der Aktien werde nämlich durch den Markt bestimmt, und der Markt für Aktien sei die Börse. Der Börsenkurs sei daher das einzige brauchbare Kriterium für die Bestimmung des tatsächlichen Wertes einer Aktie. Er spiegele auch die Befürchtungen und Erwartungen des Marktes in bezug auf künftige Entwicklungen wider.

29 Nach Ansicht der Kommission ist bei der Bewertung auf einen Zeitpunkt abzustellen, der innerhalb des Zeitraums der streitigen Bürgschaftsübernahme liegt, d. h. in der Zeit Ende November/Anfang Dezember 1991. In diesem Zeitraum habe der Wert der BV-Aktien rund 80 DM betragen.

30 Hierzu ist zunächst zu bemerken, daß die Kommission den Zeitpunkt, zu dem das Land Bremen die Übernahme der fraglichen Bürgschaft beschloß, offensichtlich deshalb als maßgeblich für die streitige Bewertung angesehen hat, weil die zuständige Behörde zu diesem Zeitpunkt endgültig die Faktoren und Umstände bewertet hat, die sie zur Übernahme der Bürgschaft veranlassten. Insoweit ist die Begründung der angefochtenen Handlung ausreichend.

31 Sodann ist darauf hinzuweisen, daß das Begründungserfordernis, wie sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofes ergibt, nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach dem Inhalt des Rechtsakts, zu beurteilen ist (siehe u. a. Urteil vom 13. März 1985 in den Rechtssachen 296/82 und 318/82, Niederlande und Leeuwarder Papierwarenfabriek/Kommission, Slg. 1985, 809, Randnr. 19).

32 Hieraus folgt, daß die Kommission alle Umstände und maßgeblichen Faktoren des vorliegenden Falles zu berücksichtigen hatte.

33 Als solche Faktoren kamen hier ausser dem Börsenkurs der BV-Aktien in Betracht: die Entwicklung dieser Kurse in der Vergangenheit, die Vereinbarung vom 12. Juli 1991, der eigentliche Unternehmenswert der BV, der eventuelle Wertzuwachs durch das Paket von 2,8 Millionen Aktien, die erwarteten Synergieeffekte infolge der Fusion von KÄ und STN nach Maßgabe der Lage auf dem betroffenen Markt, das Insiderwissen über den fraglichen Markt und die Situation der Konkurrenzunternehmen, über das die Parteien der Vereinbarung angeblich verfügten, und die voraussichtliche Entwicklung des Kurses der BV-Aktien unter Berücksichtigung u. a. der Situation auf dem Markt, auf dem das Unternehmen tätig ist.

34 Insoweit ist darauf hinzuweisen, daß sich der Börsenkurs der BV-Aktien am 12. Juli 1991 auf 101,20 DM belief, sich im Oktober 1993 um 100 DM bewegte und im Januar 1994 sogar den Wert von 106 DM erreichte. Die Klägerinnen verweisen im übrigen unwidersprochen auf einen Fall, in dem ein grösseres Aktienpaket eines Unternehmens zu einem erheblich über dem Börsenkurs liegenden Preis aufgekauft wurde.

35 Die Kommission hat ihre Entscheidung in keiner Weise auf Gründe gestützt, die sich aus einer sei es auch nur überschlägigen Untersuchung der oben aufgeführten Gesichtspunkte ergeben. Insbesondere ist sie nicht auf die Frage eingegangen, ob die Bewertung der 2,8 Millionen neuen BV-Aktien mit 350 Millionen DM, wie sie die weder rechtlich noch wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen Krupp und BV am 12. Juli 1991 vorgenommen haben, unter Berücksichtigung der oben genannten Gesichtspunkte und gemessen am mutmaßlichen Verhalten eines bedeutenden Privatinvestors, der sich von längerfristigen Rentabilitätsaussichten leiten lässt, als unangemessen anzusehen ist oder ob sie sich angesichts einer Krupp eventuell erteilten Zusage, daß die Zahlung dieses Betrages mittels der Gründung einer bürgerlichrechtlichen Gesellschaft und der Gewährung einer Bürgschaft durch das Land Bremen bewerkstelligt würde, als fiktive Bewertung darstellt. Jedenfalls ist der Beweis für eine solche Zusage nicht erbracht worden.

36 Statt all diese Gesichtspunkte zu prüfen, hat die Kommission in der angefochtenen Entscheidung lediglich ohne ausreichende Erläuterung die Ansicht vertreten, daß der Börsenkurs der einzige für die Bewertung der Aktien maßgebliche Faktor sei. Diese Auffassung ist zu formal, zu starr und zu restriktiv. Die uneingeschränkte und unbedingte Anwendung dieses Kriteriums unter Ausschluß aller anderen Faktoren führt zu einem Automatismus, der sich schwerlich mit dem marktwirtschaftlichen System und mit den wirtschaftlichen Entscheidungen vereinbaren lässt, wie sie im vorliegenden Fall von bedeutenden Unternehmen, die sich von längerfristigen Rentabilitätsaussichten leiten lassen, getroffen worden sind.

37 Somit ist die angefochtene Handlung in diesem Punkt als unzulänglich begründet anzusehen.

38 Aus dem Vorstehenden ergibt sich, daß die angefochtene Handlung mangels ausreichender Begründung insgesamt für nichtig zu erklären ist.

39 Im folgenden werden dennoch die Rügen geprüft, die die Begründung anderer Punkte der angefochtenen Handlung betreffen.

Zur Richtlinie 90/684/EWG des Rates

40 Die Klägerinnen machen geltend, selbst wenn die streitige Maßnahme als Beihilfe anzusehen sein sollte, hätte die Kommission ihre Vereinbarkeit mit der Richtlinie 90/684/EWG des Rates vom 21. Dezember 1990 über Beihilfen für den Schiffbau (ABl. L 380, S. 27) und insbesondere mit deren Artikeln 5 und 6 Absatz 3 prüfen müssen.

41 Nach Ansicht der Klägerinnen handelt es sich nämlich bei der BV um ein Schiffbauunternehmen. Mit 64,4 % des Gesamtumsatzes im Jahr 1991 sei der Schwerpunkt der Tätigkeit der BV der maritimen Industrie zuzuordnen; im übrigen sei moderner Schiffbau die Herstellung eines "Systems Schiff", das beim Stahlbau beginne und bei elektronischen Systemen ende. Die Richtlinie 90/684 beziehe sich nicht nur auf den Schiffbau im engeren Sinn.

42 Dieser Standpunkt sei der Kommission im Verfahren zur Prüfung der streitigen Maßnahme wiederholt dargelegt worden; die Kommission sei dem jedoch nicht gefolgt, ohne darzulegen, weshalb der vorliegende Fall ihrer Ansicht nach nicht unter die Richtlinie 90/684 falle.

43 Die Kommission entgegnet, wie sich aus dem Geschäftsbericht der BV für das Wirtschaftsjahr 1991 ergebe, seien in diesem Jahr insgesamt 42,4 % des Gesamtergebnisses des BV-Konzerns auf den Schiffbau entfallen. Es treffe somit nicht zu, daß der Schwerpunkt der Tätigkeit der BV im Bereich des Schiffbaus liege. Im übrigen seien die Voraussetzungen der Artikel 5 und 6 Absatz 3 der Richtlinie 90/684 im vorliegenden Fall nicht erfuellt. Daher habe sich die Begründung ihrer Entscheidung nicht auf Bestimmungen beziehen müssen, die weder relevant noch anwendbar seien.

44 Hierzu ist festzustellen, daß die Bremer Vulkan Verbund AG, eine der bedeutendsten Werften der Gemeinschaft, allgemein als Unternehmen bekannt ist, dessen Tätigkeit schwerpunktmässig auf den Schiffbau ausgerichtet ist.

45 Nach Artikel 5 der Richtlinie 90/684, der die Überschrift "Sonstige Betriebsbeihilfen" trägt, können Beihilfen, die der Weiterführung von Schiffbau- und Schiffsumbauunternehmen dienen, unter bestimmten Voraussetzungen als vereinbar mit dem Gemeinsamen Markt angesehen werden. Ausserdem dürfen nach Absatz 3 des Artikels 6, der zum Kapitel III mit der Überschrift "Umstrukturierungsbeihilfen" gehört und die Überschrift "Investitionsbeihilfen" trägt, Investitionsbeihilfen als vereinbar mit dem Gemeinsamen Markt gelten, sofern u. a. ihre Höhe und Intensität durch den Umfang der betreffenden Umstrukturierungsbemühungen gerechtfertigt sind.

46 Demnach hätte die der BV gewährte Beihilfe, wenn diese Voraussetzungen erfuellt wären, als vereinbar mit dem Gemeinsamen Markt angesehen werden können.

47 Im Hinblick auf das Vorstehende hätte die Kommission in der angefochtenen Handlung darlegen müssen, welche Tätigkeiten heutzutage dem Schiffbau zuzuordnen sind, welche Unternehmen zu diesem Sektor gehören und weshalb die BV diesem Sektor nicht zuzuordnen ist. Ferner hätte die Kommission in ihrer Entscheidung erläutern müssen, aufgrund welcher Überlegungen sie zu dem Ergebnis gelangte, daß die fraglichen Bestimmungen der Richtlinie 90/684 im vorliegenden Fall nicht anwendbar sind.

48 Da in der Begründung der angefochtenen Handlung an keiner Stelle auf die Anwendbarkeit der Richtlinie 90/684 eingegangen wird, ist festzustellen, daß es insoweit an jeglicher Begründung fehlt. Dieser Mangel kann auch nicht durch die Ausführungen geheilt werden, die die Kommission insoweit vor dem Gerichtshof gemacht hat.

Zur Verfälschung des Wettbewerbs und der Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten

49 Im Rahmen der Prüfung der Frage, ob die Beihilfe, die der BV gewährt worden sein soll, im Sinne von Artikel 92 Absatz 1 des Vertrages den Wettbewerb verfälscht und den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigt, verweist die Kommission in der angefochtenen Handlung auf den Tätigkeitsbereich der KÄ. Sie stellt fest, daß deren Tätigkeitsschwerpunkt die Schiffahrts- und Verteidigungselektronik (Echolottechnik, Signal- und Datenverarbeitung) sei; auf diesem Markt herrsche in der Gemeinschaft Wettbewerb, und die betreffenden Produkte würden zwischen den Mitgliedstaaten gehandelt.

50 Die Kommission bezieht sich in der angefochtenen Handlung ferner auf das Verhältnis zwischen den Ausfuhren der KÄ in die anderen Staaten der Gemeinschaft und ihrem Gesamtumsatz (45 Millionen DM gegenüber 689 Millionen DM im Jahr 1991), macht verschiedene Zahlenangaben über die Einfuhren von Waren dreier Tarifpositionen aus der Gemeinschaft in die einzelnen Mitgliedstaaten und leitet hieraus ab, daß die streitige Beihilfe den Handel zwischen den Mitgliedstaaten beeinträchtige und den Wettbewerb im Bereich der Schiffahrts- und Verteidigungselektronik verfälsche.

51 Hierzu ist erstens zu bemerken, daß die Ausführungen in der angefochtenen Handlung und die dort aufgeführten Daten selbst dann als Begründung für die Schlußfolgerung der Kommission nicht ausreichen, wenn man unterstellt, daß sich die Kommission zur Beurteilung der Vereinbarkeit einer der BV angeblich gewährten Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt darauf beschränken durfte, die Situation der KÄ zu prüfen.

52 Zwar schließt der Umstand, daß ein Unternehmen einen verhältnismässig geringen Umsatz in der Gemeinschaft hat, nach ständiger Rechtsprechung nicht von vornherein aus, daß eine staatliche Maßnahme zu seinen Gunsten eine Beihilfe darstellt (Urteil vom 21. März 1990 in der Rechtssache C-142/87, sogenanntes "Tubemeuse-Urteil", Belgien/Kommission, Slg. 1990, I-959, Randnr. 43), und in bestimmten Fällen kann sich bereits aus den Umständen, unter denen die Beihilfe gewährt worden ist, ergeben, daß sie den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigt und den Wettbewerb verfälscht oder zu verfälschen droht; jedoch hat die Kommission diese Umstände in der Begründung ihrer Entscheidung zumindest anzugeben (Urteil Niederlande und Leeuwarder Papierwarenfabriek/Kommission, a. a. O., Randnr. 24).

53 Im vorliegenden Fall enthält die angefochtene Handlung keinerlei Hinweis auf die Lage des betroffenen Marktes, auf den Anteil der KÄ an diesem Markt und auf die Stellung der Konkurrenzunternehmen. In bezug auf den Handel mit den betreffenden Produkten zwischen den Mitgliedstaaten führt die Kommission lediglich die Einfuhren der Mitgliedstaaten von Waren dreier Tarifpositionen an, ohne den Anteil der KÄ an diesen Einfuhren zu bestimmen.

54 Zweitens ist festzustellen, daß sich die Kommission jedenfalls, ohne ihre Entscheidung in diesem Punkt zu begründen, darauf beschränkt hat, die Situation der KÄ zu prüfen. Da aber die BV als Empfängerin der angeblichen Beihilfe bezeichnet wurde, hätte die Kommission prüfen müssen, inwiefern die Wettbewerbsposition der BV in den Bereichen Schiffbau, Schiffahrtselektronik und Verteidigungselektronik durch den Erwerb der 74,9%igen Beteiligung an der KÄ gestärkt wurde; dabei wären u. a. der Umstand, daß die BV bereits die im selben Sektor wie die KÄ tätige STN besaß, sowie die Situation der fraglichen Märkte und der Konkurrenzunternehmen zu berücksichtigen gewesen.

55 Somit ist festzustellen, daß die angefochtene Handlung auch in diesem Punkt unzureichend begründet ist.

Zu der angeblichen Beihilfe zugunsten der HIBEG

56 Im Text der angefochtenen Handlung wird die HIBEG zunächst als zwischengeschaltete Instanz dargestellt, über die eine staatliche Beihilfe an deren eigentliche Empfängerin, die BV, weitergeleitet worden sei. Sie wäre demnach lediglich als Instrument des Landes Bremen tätig geworden. Im verfügenden Teil der angefochtenen Handlung wird die HIBEG dagegen ohne weitere Erläuterung als eigenständige Empfängerin einer gesonderten Beihilfe des Landes Bremen in Form einer Bürgschaft über 126 Millionen DM bezeichnet. Die Kommission legt in keiner Weise dar, worin der Vorteil bestanden haben soll, den die HIBEG aus der fraglichen öffentlichen Maßnahme gezogen hätte.

57 Die angefochtene Handlung ist daher insoweit als nicht ausreichend begründet anzusehen.

58 Nach alledem ist festzustellen, daß die angefochtene Handlung in verschiedener Hinsicht nicht der Begründungspflicht nach Artikel 190 EWG-Vertrag genügt. Sie ist daher wegen Verletzung wesentlicher Formvorschriften für nichtig zu erklären, ohne daß die anderen Klagegründe geprüft zu werden brauchten.

Kostenentscheidung:

Kosten

59 Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kommission mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr die Kosten aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1. Die Entscheidung 93/412/EWG der Kommission vom 6. April 1993 über eine Beihilfe der deutschen Regierung an die HIBEG und von der HIBEG über die Krupp GmbH an die Bremer Vulkan AG zur Erleichterung des Verkaufs der Krupp Atlas Elektronik GmbH durch die Krupp GmbH an die Bremer Vulkan AG wird für nichtig erklärt.

2. Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften trägt die Kosten.

Ende der Entscheidung

Zurück