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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 20.10.1993
Aktenzeichen: C-338/92
Rechtsgebiete: Ministerialverordnung vom 10. August 1977 zur Einführung der Verdingungsordnung für öffentliche Bau-, Lieferungs- und Dienstleistungsverträge


Vorschriften:

Ministerialverordnung vom 10. August 1977 zur Einführung der Verdingungsordnung für öffentliche Bau-, Lieferungs- und Dienstleistungsverträge Art. 16
Ministerialverordnung vom 10. August 1977 zur Einführung der Verdingungsordnung für öffentliche Bau-, Lieferungs- und Dienstleistungsverträge Art. 42
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

URTEIL DES GERICHTSHOFES (ZWEITE KAMMER) VOM 20. OKTOBER 1993. - COMPAGNIE D'ENTREPRISES CFE GEGEN EUROPAEISCHES PARLAMENT. - SCHIEDSKLAUSEL - VERTRAG UEBER BAUARBEITEN - ANPASSUNG DES PREISES. - RECHTSSACHE C-338/92.

Entscheidungsgründe:

1 Die Compagnie d' entreprise CFE (im folgenden: die CFE) hat mit Klageschrift, die am 11. August 1992 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß den Artikeln 42 EGKS-Vertrag, 181 EWG-Vertrag und 153 EAG-Vertrag Klage auf Zahlung bestimmter Geldbeträge aus Anlaß der Ausführung eines Werkvertrags erhoben.

2 Für diesen Vertrag gilt belgisches Recht, nämlich der Code civil, die Königliche Verordnung vom 22. April 1977 über die Vergabe öffentliche Bau-, Lieferungs- und Dienstleistungsverträge (Moniteur belge vom 26. Juli 1977, S. 9952; im folgenden: Königliche Verordnung) und die Ministerialverordnung vom 10. August 1977 zur Einführung der Verdingungsordnung für öffentliche Bau-, Lieferungs- und Dienstleistungsverträge (Moniteur belge vom 8 September 1977, S. 10931; im folgenden: Verdingungsordnung) sowie ein spezielles Lastenheft.

3 Die Parteien streiten über drei Punkte. Beim ersten geht es um eine Forderung nach Aktualisierung des Angebotspreises der CFE mit Rücksicht auf eine dem Parlament angeblich zur Last zu legende Verzögerung der Auftragserteilung; der zweite betrifft eine Forderung nach Leistung einer Zahlung wegen der Anbringung von Gipsplatten, einer Arbeit, die nach Auffassung der CFE im ursprünglichen Auftrag nicht enthalten war. Beim dritten Punkt handelt es sich um eine Forderung nach Leistung einer Zahlung wegen der Anbringung und Wiederanbringung von Wandverputz, Arbeiten, die der CFE zufolge eine zusätzliche Leistung darstellen.

4 Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts, namentlich des Abschlusses und der Ausführung des Vertrages, der für das Rechtsverhältnis zwischen den Parteien maßgebenden Rechtsvorschriften und Vertragsbestimmungen, des Verfahrensablaufs sowie des Parteivorbringens wird auf den Sitzungsbericht verwiesen. Der Akteninhalt ist im folgenden nur insoweit wiedergegeben, als die Begründung des Urteils dies erfordert.

Zur Forderung nach Aktualisierung des Preises

5 Die CFE fordert eine Aktualisierung ihres Angebotspreises in Höhe von 1 689 055 BFR. Während sie in der Klageschrift die Aktualisierung zum Tag der tatsächlichen Auftragserteilung, d. h. zum 18. Juli 1988, fordert, legt sie in der Erwiderung dar, die Aktualisierung ergebe sich aus der Anwendung einer technischen Formel für Preisrevisionen auf einen Zeitraum, der sich von März 1988, als der Auftrag ihrer Ansicht nach normalerweise hätte erteilt werden müssen, bis Ende Oktober 1988 erstreckt, zu welchem Zeitpunkt sie mit ihren Subunternehmern neue Preise habe aushandeln müssen.

6 Die CFE stützt ihren Antrag in erster Linie auf Artikel 16 Absatz 1 der Verdingungsordnung, der es ihr erlaube, ungeachtet einer Vertragsklausel, die jegliche Preisrevision ausschließe, die dem Parlament zur Last fallende Verzögerung der Auftragserteilung geltend zu machen; hilfsweise beruft sie sich auf Artikel 16 Absatz 2 der Verdingungsordnung, wonach der Zuschlagsempfänger, der einen sehr erheblichen Schaden erlitten habe, beim Eintritt nicht vorhersehbarer Umstände eine Änderung des Vertrages verlangen könne.

7 Das Parlament macht geltend, die CFE habe ihren Antrag in der Erwiderung wesentlich geändert, so daß er gemäß Artikel 42 § 1 der Verfahrensordnung des Gerichtshofes unzulässig sei.

8 Hinsichtlich der Begründetheit dieses Antrags unterscheidet das Parlament zwischen dem Zeitraum vor Abschluß des Vertrages und dem eigentlichen Vertragszeitraum. Was den Zeitraum vor Abschluß des Vertrages angeht, so macht es geltend, die CFE hätte sich auf Artikel 38 der Verdingungsordnung berufen können, die es dem Zuschlagsempfänger bei einer Verzögerung des Vertragsabschlusses gestatte, die Unterzeichnung des Vertrages zu verweigern oder einen Preiszuschlag zu fordern. Was den Vertragszeitraum betrifft, so führt das Parlament aus, die Voraussetzungen für die Anwendung von Artikel 16 Absätze 1 und 2 seien nicht gegeben; aber selbst wenn dies der Fall sein sollte, erfuelle die CFE nicht die in den Absätzen 3 und 4 des Artikels 16 der Verdingungsordnung niedergelegten materiellen und formellen Voraussetzungen.

9 Zur Frage der Zulässigkeit ist festzustellen, daß der Antrag eine Aktualisierung des Angebotspreises mit Rücksicht auf die Verzögerung der Zuschlagserteilung betrifft und daß im übrigen der in der Klage geforderte Betrag nicht in der Erwiderung geändert wurde. Die in der Erwiderung getroffene Feststellung, dieser Betrag ergebe sich aus der Anwendung einer technischen Preisrevisionsformel auf den zwischen dem Datum, an dem der Zuschlag normalerweise hätte erteilt werden müssen, und demjenigen, an dem die Verträge mit den Subunternehmern neu verhandelt wurden, verstrichenen Zeitraum, stellt sich lediglich als Erläuterung des geforderten Betrages dar und lässt sich nicht als im Laufe des Verfahrens vorgenommene Antragsänderung ansehen. Dieser Antrag der CFE ist daher zulässig.

10 Zur Begründetheit ist zunächst festzustellen, daß, wie der Generalanwalt in Nummer 9 seiner Schlussanträge ausführt, die Vielfalt der im Lastenheft vorgesehenen und im Sitzungsbericht näher dargelegten Fristen in bezug auf die Gültigkeit des Angebots, die Mitteilung der Wahl des Zuschlagsempfängers sowie den Beginn und die Fertigstellung der Arbeiten nicht den Schluß gestatten, diese Fristen seien nicht zwingend.

11 Was den Abschluß des Vertrages betrifft, so hat die CFE versäumt, sich im Zeitpunkt der Mitteilung des Auftrags auf die angebliche Verzögerung seiner Erteilung zu berufen, wozu Artikel 38 der Verdingungsordnung sie möglicherweise ermächtigt hätte.

12 Hervorzuheben ist schließlich, daß die CFE keine dem Parlament zur Last zu legenden Unterlassungen, Verzögerungen oder Tatsachen irgendwelcher Art im Sinne von Artikel 16 Absatz 1 der Verdingungsordnung nachgewiesen hat; dagegen hat das Parlament die im Lastenheft für die Wahl des Zuschlagsempfängers festgesetzten Fristen eingehalten. Ebensowenig hat die CFE das Vorliegen eines sehr bedeutenden, vernünftigerweise nicht vorhersehbaren Schadens im Sinne von Artikel 16 Absatz 2 bewiesen. In der Tat lässt sich, wie der Generalanwalt in Nummer 12 seiner Schlussanträge ausführt, der einschlägigen belgischen Rechtsprechung nicht entnehmen, daß ein Preisanstieg von 4 %, wie ihn die Klägerin behauptet, einen sehr bedeutenden Schaden darstellen würde. Ebensowenig kann die CFE im übrigen behaupten, sie habe diesen Preisanstieg vernünftigerweise nicht vorhersehen und seine Folgen nicht dadurch abwenden können, daß sie vom 21. Juni 1988, dem Datum der Mitteilung der Wahl des Zuschlagsempfängers, an so schnell wie möglich Verträge mit ihren Subunternehmern geschlossen hätte.

13 Jedenfalls hat es die CFE unterlassen, gemäß Artikel 16 Absätze 1 und 2 dem Bauherrn die maßgeblichen Tatsachen und Umstände so schnell wie möglich anzuzeigen und in Einklang mit den Absätzen 3 und 4 dieses Artikels innerhalb der vorgeschriebenen Fristen ordnungsgemäß begründete und bezifferte Beschwerden und Forderungen einzureichen.

14 Nach alledem ist der erste Klageantrag als unbegründet zurückzuweisen.

Zur Forderung nach Bezahlung der Anbringung von Gipsplatten

15 Die CFE macht geltend, die in der Anbringung von Gipsplatten bestehenden Arbeiten seien weder im Lastenheft noch in dem vom Architekten aufgestellten Einzelplan erwähnt und stellten deshalb zusätzliche Arbeiten dar, so daß die Firma gemäß Artikel 42 der Verdingungsordnung Anspruch auf Zahlung eines Betrages von 215 437 BFR habe.

16 Das Parlament entgegnet, die umstrittenen Arbeiten seien in Artikel 5.1.5 des Lastenheftes erwähnt; selbst wenn sie nicht in den Einzelplänen aufgeführt sein sollten, hätte der Zuschlagsempfänger sie als notwendige Nebenarbeiten im Sinne von Artikel A 5.2. des Lastenheftes ausführen müssen. Jedenfalls hätte die CFE dem Bauherrn anzeigen müssen, daß diese Arbeiten ihrer Ansicht nach nicht den Vertragsbestimmungen entsprächen.

17 In dieser Hinsicht ist festzustellen, daß, wie aus Artikel 5.1.5 des Lastenheftes eindeutig hervorgeht, der in Rede stehende Auftrag sämtliche mit der Errichtung von Scheidewänden innerhalb des Bereichs der drei Säle verbundenen Arbeiten umfasst und daß alle Wände von der Grundfläche des Fußbodens bis zur Unterseite der Decke hochzuziehen waren.

18 Ferner hat die CFE es unterlassen, gemäß Artikel B 16.3 des Lastenheftes dem Bauherrn mit eingeschriebenem Brief anzuzeigen, daß die Anweisung, diese Arbeiten auszuführen, ihrer Ansicht nach in Widerspruch zu den Vertragsbestimmungen stand.

19 Auch der zweite Klageantrag ist daher als unbegründet zurückzuweisen.

Zur Forderung nach Bezahlung der Anbringung und Wiederanbringung der Wandtäfelungen

20 Die CFE macht geltend, Anbringung und Wiederanbringung der Wandtäfelungen stellten eine im ursprünglichen Auftrag nicht vorgesehene zusätzliche Leistung dar, so daß das Parlament ihr gemäß Artikel 42 der Verdingungsordnung einen Betrag von 393 600 BFR zu zahlen habe.

21 Nach Auffassung des Parlaments halten sich diese Arbeiten im Rahmen der Aufgaben, mit denen die Klägerin betraut worden sei; die Voraussetzungen des Artikels 42 seien nicht erfuellt.

22 Wie der Generalanwalt in Nummer 17 seiner Schlussanträge ausführt, sind die in Rede stehenden Arbeiten als unter Posten 5.1 des der CFE erteilten Auftrags fallende Schreinerarbeiten oder jedenfalls als Nebenarbeiten im Sinne von Artikel A 2.2 des Lastenheftes anzusehen.

23 Auf jeden Fall ermächtigt Artikel 42 des Lastenheftes den Zuschlagsempfänger zur Durchführung von Arbeiten, die zusätzliche Kosten verursachen, nur unter der Voraussetzung, daß er einen vorherigen Kostenvoranschlag vorgelegt und das Parlament ihm schriftlich seine Zustimmung erklärt hat. Die CFE ist jedoch zur Ausführung der Arbeiten geschritten, ohne den Einwand zu erheben, diese stellten zusätzliche Leistungen dar, und ohne das Verfahren des Artikels 42 einzuschlagen.

24 Nach alledem ist der dritte Klageantrag als unbegründet zurückzuweisen und die Klage daher in ihrer Gesamtheit abzuweisen.

Kostenentscheidung:

Kosten

25 Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung hat die unterliegende Partei die Kosten des Verfahrens zu tragen. Da die Klägerin mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, ist sie zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1) Die Klage wird abgewiesen.

2) Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Ende der Entscheidung

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