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Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 09.08.1994
Aktenzeichen: C-347/93
Rechtsgebiete: Verordnung 876/68/EWG, Verordnung 1041/67/EWG


Vorschriften:

Verordnung 876/68/EWG Art. 6
Verordnung 1041/67/EWG
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Nach Artikel 4 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1041/67 über die Durchführungsvorschriften für die Ausfuhrerstattungen bei den Erzeugnissen, für die ein System gemeinsamer Preise besteht, und Artikel 6 der Verordnung Nr. 876/68 über die Grundregeln für die Gewährung von Erstattungen bei der Ausfuhr von Milch und Micherzeugnissen und die Kriterien für die Festsetzung der Erstattung hängt die Zahlung einer differenzierten Erstattung grundsätzlich von dem Nachweis ab, daß das Erzeugnis in dem Drittland, für das es bestimmt ist, in den freien Verkehr überführt worden ist; die Mitgliedstaaten können bei Verdacht oder bei Feststellung von Mißbräuchen auch vor der Auszahlung einer nichtdifferenzierten Erstattung diesen Nachweis neben dem Nachweis verlangen, daß das Erzeugnis das Gebiet der Gemeinschaft verlassen hat.

2. Da die Überführung des Erzeugnisses, für das eine Ausfuhrerstattung gemäß Artikel 4 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1041/67 und Artikel 6 der Verordnung Nr. 876/68 gewährt wird, in den freien Verkehr eines Drittlandes eine objektive Verpflichtung ist, kann der Exporteur bei betrügerischer Wiedereinfuhr dieses Erzeugnisses in die Gemeinschaft seinen Erstattungsanspruch nur im Falle höherer Gewalt behalten.

Selbst wenn die betrügerische Wiedereinfuhr ein Ereignis darstellen kann, auf das der Exporteur keinen Einfluß hat, gehört sie doch zu den normalen Geschäftsrisiken und kann im Rahmen der Vertragsbeziehungen, die im Zusammenhang mit einer erstattungsfähigen Ausfuhr bestehen, nicht als unvorhersehbar betrachtet werden, so daß die Tatbestandsmerkmale der höheren Gewalt, wie sie im Bereich der Agrarverordnungen zu verstehen sind, nicht erfuellt sind.

Die Gutgläubigkeit des Exporteurs sowie die Tatsache, daß er an dem Betrug nicht beteiligt gewesen ist, können ebensowenig berücksichtigt werden, denn der Exporteur kann durch vertragliche Abmachungen sicherstellen, daß die Käufer das Erzeugnis nicht in betrügerischer Weise der vorgeschriebenen Bestimmung entziehen. Es ist somit Sache des Exporteurs, geeignete Vorkehrungen zu treffen, indem er entsprechende Klauseln in den Vertrag aufnimmt oder eine besondere Versicherung abschließt.


URTEIL DES GERICHTSHOFES (VIERTE KAMMER) VOM 9. AUGUST 1994. - BELGISCHER STAAT GEGEN BOTERLUX SPRL. - ERSUCHEN UM VORABENTSCHEIDUNG: COUR D'APPEL DE BRUXELLES - BELGIEN. - ERSTATTUNG BEI DER AUSFUHR - WIEDEREINFUHR DES ERZEUGNISSES IN DIE GEMEINSCHAFT - GUTER GLAUBE - HOEHERE GEWALT. - RECHTSSACHE C-347/93.

Entscheidungsgründe:

1 Die Cour d' appel Brüssel hat mit Urteil vom 30. Juni 1993, beim Gerichtshof eingegangen am 7. Juli 1993, gemäß Artikel 177 EWG-Vertrag Fragen nach der Auslegung der Verordnung Nr. 1041/67/EWG der Kommission vom 21. Dezember 1967 über die Durchführungsvorschriften für die Ausfuhrerstattungen bei den Erzeugnissen, für die ein System gemeinsamer Preise besteht (ABl. L 314, S. 9), und des Artikels 6 der Verordnung Nr. 876/68 des Rates vom 28. Juni 1968 über die Grundregeln für die Gewährung von Erstattungen bei der Ausfuhr von Milch und Milcherzeugnissen und die Kriterien für die Festsetzung der Erstattung (ABl. L 155, S. 1) zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2 Diese Fragen stellen sich in einem Rechtsstreit zwischen dem belgischen Staat und der Boterlux SPRL, einer Gesellschaft belgischen Rechts (Klägerin), über die Voraussetzungen für die Gewährung von Erstattungen für den Verkauf von Butter ausserhalb der Gemeinschaft.

3 Nach den dem Gerichtshof übermittelten Akten erhielt die Klägerin acht Genehmigungen zur Ausfuhr von 396 Tonnen luxemburgischer Butter in die Schweiz zwischen dem 30. Mai 1968 und dem 20. September 1968. Für die drei Ausfuhren vor dem 29. Juli 1968, dem Tag des Inkrafttretens der gemeinsamen Marktorganisation für Milch und Milcherzeugnisse, hatte der belgische Staat Ausfuhrerstattungen gezahlt. Für die Ausfuhren nach dem 28. Juli 1968 lehnte er die Zahlung von Erstattungen mit der Begründung ab, daß der Beweis für die Überführung der Butter in den freien Verkehr im Drittstaat nicht erbracht worden sei.

4 Zwischen den Parteien ist unstreitig, daß die Ware nach ihrer Ausfuhr wieder in ein Land der Gemeinschaft, und zwar nach Italien, eingeführt wurde. Nach Ansicht der belgischen Behörden hat der Exporteur nicht nachgewiesen, daß es ihm unmöglich war, diese Wiedereinfuhr zu verhindern.

5 Die Klägerin erhob Klage. Mit Urteil vom 22. April 1988 verurteilte das erstinstanzliche Gericht in Brüssel den belgischen Staat zur Zahlung der streitigen Erstattungen mit der Begründung, daß die Ware nach dem Gemeinschaftsrecht zwar in einem Drittstaat in den freien Verkehr überführt werden müsse, die Klägerin aber mit dem Betrug, der in der Wiedereinfuhr der Ware in einen Mitgliedstaat bestehe, nichts zu tun gehabt habe.

6 Der belgische Staat hat gegen dieses Urteil bei der Cour d' appel Brüssel Berufung eingelegt.

7 Da sich in dem Rechtsstreit Auslegungsfragen hinsichtlich der Voraussetzung der Überführung in den freien Verkehr und des Verbrauchs der Ware im Bestimmungsland gestellt haben, hat die Cour d' appel Brüssel das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1) Sind die im vorliegenden Fall anwendbaren Rechtsvorschriften der EWG, insbesondere die Bestimmungen der Verordnung Nr. 1041/67/EWG und Artikel 6 der Verordnung Nr. 876/68, dahin auszulegen, daß die Zahlung der Erstattungen von der Überführung in den freien Verkehr in einem Drittland abhängt?

Wenn dies der Fall ist, wird dann durch die Grundsätze, die der Gerichtshof in seinem Urteil in der Rechtssache 125/75 und seinem am 27. Oktober 1971 verkündeten Urteil in der Rechtssache 6/71 sowie in Urteilen über die Zahlung von Währungsausgleichsbeträgen, die Erstattungen gleichzustellen sind (Urteile in den Rechtssachen 250/80 und 254/85), aufgestellt hat, dem Versender die Verantwortung für die objektive Erfuellung der Verpflichtung auferlegt, so daß er von dieser Verantwortung, obwohl er an dem Betrug nicht beteiligt oder gutgläubig war ° was Generalanwalt Alain Dutheillet de Lamothe in seinen Schlussanträgen (vor dem Urteil vom 27. Oktober 1971 in der Rechtssache 6/71) höherer Gewalt gleichgestellt hat °, nicht befreit werden kann?

2) Kann die Wiedereinfuhr in die Gemeinschaft und damit das Unterbleiben der Überführung in den freien Verkehr in einem Drittland ° unabhängig davon, ob ein Betrug vorliegt ° als "unvorhersehbares" Ereignis angesehen werden, obwohl es in der Gemeinschaftsregelung als Gefahr, also als eine Möglichkeit behandelt wird, gegen die sich die Gemeinschaft durch ihre Verordnungen schützt?

3) Kann die Gutgläubigkeit des Exporteurs einem Fall höherer Gewalt gleichgestellt werden, obwohl er die Folgen der unterbliebenen Überführung in den freien Verkehr dadurch vermeiden konnte, daß er durch vertragliche Abmachungen sicherstellt, daß die Käufer das Erzeugnis nicht in betrügerischer Weise der vorgeschriebenen Bestimmung entziehen (Urteil vom 11. Juli 1968 in der Rechtssache 1/68 ° Definition des Begriffs der höheren Gewalt ° und Urteil vom 11. November 1986 in der Rechtssache 254/85, Randnrn. 12 und 13)?

8 Zunächst sind die einschlägigen Bestimmungen der Verordnungen aufzuführen, deren Auslegung das vorlegende Gericht begehrt.

9 Durch die Verordnung (EWG) Nr. 804/68 des Rates vom 27. Juni 1968 (ABl. L 148, S. 13) ist eine gemeinsame Marktorganisation für Milch und Milcherzeugnisse errichtet worden.

10 Die Regeln für die Gewährung von Erstattungen sowie die Kriterien für ihre Festsetzung sind in der Verordnung Nr. 876/68 festgelegt.

11 Nach Artikel 4 dieser Verordnung kann die Erstattung je nach der Bestimmung oder dem Bestimmungsgebiet in unterschiedlicher Höhe festgesetzt werden, wenn die Lage im internationalen Handel oder die besonderen Erfordernisse bestimmter Märkte dies notwendig machen.

12 Gemäß Artikel 6 Absatz 1 dieser Verordnung wird die Erstattung gewährt, wenn nachgewiesen wird, daß das Erzeugnis das Gebiet der Gemeinschaft verlassen hat und daß es sich um ein Erzeugnis mit Ursprung in der Gemeinschaft handelt. Im Fall einer differenzierten Erstattung ist nach Artikel 6 Absatz 2 ausserdem der Nachweis erforderlich, daß das Erzeugnis die Bestimmung oder das Bestimmungsgebiet erreicht hat, für die diese Erstattung festgesetzt worden war.

13 Artikel 4 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1041/67, der gemäß der Änderungsverordnung (EWG) Nr. 1056/68 der Kommission vom 23. Juli 1968 (ABl. L 179, S. 28) ab dem 29. Juli 1968 für Erzeugnisse des Sektors Milch und Milcherzeugnisse gilt, bestimmt folgendes:

"In bestimmten Fällen können die Mitgliedstaaten, in Anbetracht des Satzes der Erstattung im Verhältnis zu dem der Abschöpfung, aufgrund der Eigenschaften der ausgeführten Waren oder in Anbetracht der Ausfuhrmärkte, als Voraussetzung für die Zahlung der Erstattung zusätzlich zu dem Nachweis, daß das Erzeugnis das geographische Gebiet der Gemeinschaft verlassen hat, den Nachweis fordern, daß das Erzeugnis in ein drittes Land eingeführt worden ist und, gegebenenfalls, unter welchen Bedingungen die Einfuhr stattgefunden hat. Der Nachweis der Einfuhr in ein drittes Land wird nach den Vorschriften des Artikels 8 Absatz 1 erbracht."

14 In Artikel 8 Absatz 1 sind die Papiere aufgeführt, die der Betroffene zu diesem Zweck vorlegen muß.

15 Die Parteien des Ausgangsverfahrens streiten darüber, ob es sich im vorliegenden Fall um differenzierte Erstattungen handelt. Da das vorlegende Gericht diese Frage nicht entschieden hat, sind beide Fälle zu prüfen. Das vorlegende Gericht wird dann vor einer Entscheidung in der Sache über diese Frage befinden müssen.

16 Die Kommission hat in der Sitzung Beweis dafür angeboten, daß es sich tatsächlich um differenzierte Erstattungen handelt. Ein solcher Beweis bezieht sich jedoch auf Tatsachen des Ausgangsverfahrens. Seine Prüfung fällt somit nicht in die Zuständigkeit des Gerichtshofes, sondern steht dem vorlegenden Gericht zu.

Zum ersten Teil der ersten Frage

17 Mit dem ersten Teil seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht im wesentlichen wissen, ob nach Artikel 4 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1041/67 und Artikel 6 der Verordnung Nr. 876/68 die Zahlung einer Erstattung von dem Nachweis abhängt, daß das Erzeugnis in dem Drittland, für das es bestimmt ist, in den freien Verkehr überführt worden ist.

18 Nach ständiger Rechtsprechung hat das System differenzierter Ausfuhrerstattungen das Ziel, die Märkte der in Betracht kommenden Drittländer für den Gemeinschaftsexport zu erschließen oder zu erhalten; die Differenzierung des Erstattungsbetrages hat zum Ziel, die Besonderheiten der jeweiligen Einfuhrmärkte, auf denen die Gemeinschaft eine Rolle spielen will, zu berücksichtigen (siehe u. a. Urteile vom 2. Juni 1976 in der Rechtssache 125/75, Milch-, Fett- und Eier-Kontor, Slg. 1976, 771, Randnr. 5, und vom 11. Juli 1984 in der Rechtssache 89/83, Dimex, Slg. 1984, 2815, Randnr. 8).

19 Nach dieser Rechtsprechung würde der Zweck des Differenzierungssystems bei der Erstattung verkannt, wenn es für die Zahlung eines höheren Erstattungssatzes ausreichte, daß die Ware lediglich abgeladen worden ist.

20 Deshalb ist nach Artikel 6 Absatz 2 der Verordnung Nr. 876/68 der Nachweis zu erbringen, daß das Erzeugnis die Bestimmung oder das Bestimmungsgebiet erreicht hat, für die die Erstattung festgesetzt worden ist. Dafür ist erforderlich, daß die Ware zum freien Verkehr im Gebiet des Bestimmungslandes abgefertigt worden ist.

21 Dagegen wird im Fall einer nichtdifferenzierten Erstattung, die gewährt wird, um den Unterschied zwischen den Preisen von Erzeugnissen in der Gemeinschaft und ihrer Notierung im internationalen Handel auszugleichen, die Höhe der Erstattung nicht unter Berücksichtigung des Einfuhrmarktes, für den die Erzeugnisse bestimmt sind, festgesetzt.

22 Deshalb ist nach Artikel 6 Absatz 1 der Verordnung Nr. 876/68 nur der Nachweis erforderlich, daß das Erzeugnis aus der Gemeinschaft ausgeführt worden ist.

23 Es ist jedoch zu prüfen, ob die Mitgliedstaaten neben diesem Nachweis nach Artikel 4 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1041/67 (sogenannte Betrugsbekämpfungsklausel) noch die Vorlage ergänzender Unterlagen verlangen können.

24 Artikel 4 Absatz 1 ist eine Grundregel, die in allen Erstattungsfällen Anwendung findet (siehe Urteil Milch-, Fett- und Eier-Kontor, a. a. O.).

25 Nach der fünften Begründungserwägung der Verordnung Nr. 1041/67 sollen durch die den Mitgliedstaaten eingeräumte Ermächtigung, vor Auszahlung der Erstattung ergänzende Nachweise zu fordern, Mißbräuche vermieden werden.

26 Aus Artikel 4 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 8 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1041/67 ergibt sich, daß die Mitgliedstaaten ausdrücklich ermächtigt sind, den Nachweis zu verlangen, daß das Erzeugnis in ein Drittland eingeführt worden ist, und somit auch, daß es dort zum freien Verkehr abgefertigt worden ist.

27 Infolgedessen können bei Verdacht oder bei Feststellung von Mißbräuchen ergänzende Nachweise verlangt werden.

28 Dies trifft auf den Sachverhalt des Ausgangsrechtsstreits zu. Aus dem Vorlageurteil ergibt sich nämlich eindeutig, daß die Ware, nachdem sie das Gebiet der Gemeinschaft verlassen hatte, mittels falscher Papiere vom Bestimmungsland wieder in einen Mitgliedstaat der Gemeinschaft eingeführt worden ist.

29 Falls die nationalen Behörden nach den Feststellungen des vorlegenden Gerichts ergänzende Nachweise verlangt haben, ist es somit dessen Aufgabe, zu prüfen, ob die Klägerin die entsprechenden Belege vorgelegt hat.

30 Folglich ist auf den ersten Teil der ersten Frage zu antworten, daß nach Artikel 4 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1041/67 und Artikel 6 der Verordnung Nr. 876/68 die Zahlung einer differenzierten Erstattung grundsätzlich von dem Nachweis abhängt, daß das Erzeugnis in dem Drittland, für das es bestimmt ist, in den freien Verkehr überführt worden ist, und die Mitgliedstaaten diesen Nachweis bei Verdacht oder bei Feststellung von Mißbräuchen auch vor der Auszahlung einer nichtdifferenzierten Erstattung verlangen können.

Zum zweiten Teil der ersten Frage, zur zweiten und zur dritten Frage

31 Im Ausgangsverfahren ist unstreitig, daß die Wiedereinfuhr der Ware in die Gemeinschaft in betrügerischer Weise erfolgt ist.

32 Die vorgelegten Fragen sind zusammen und nur für diesen Fall eines Betrugs zu behandeln. Mit ihnen soll geklärt werden, ob der Exporteur eines Erzeugnisses, das für ein Drittland bestimmt ist, seinen Erstattungsanspruch bei betrügerischer Wiedereinfuhr dieses Erzeugnisses in die Gemeinschaft verliert oder ob er aufgrund der Unvorhersehbarkeit dieser Wiedereinfuhr, der Tatsache, daß er an dem Betrug nicht beteiligt war, oder aufgrund seiner Gutgläubigkeit seinen Erstattungsanspruch behält.

33 Bereits aus der Antwort auf den ersten Teil der ersten Frage ergibt sich ° das vorlegende Gericht hat im übrigen in seiner zweiten Frage selbst darauf hingewiesen °, daß der Gemeinschaftsgesetzgeber der Gefahr einer betrügerischen Wiedereinfuhr dadurch vorgebeugt hat, daß er vom Exporteur verlangt, die Überführung in den freien Verkehr nachweisen zu können.

34 Da die Überführung in den freien Verkehr eine objektive Verpflichtung ist, kann nur ein Fall höherer Gewalt eine Befreiung rechtfertigen. Im Bereich der Agrarverordnungen sind unter höherer Gewalt ungewöhnliche und unvorhersehbare Ereignisse zu verstehen, auf die der betroffene Wirtschaftsteilnehmer keinen Einfluß hatte und deren Folgen trotz Anwendung der gebotenen Sorgfalt nicht hätten vermieden werden können (siehe zuletzt Urteil vom 7. Dezember 1993 in der Rechtssache C-12/92, Huygen u. a., Slg. 1993, I-6381, Randnr. 31).

35 Selbst wenn die betrügerische Wiedereinfuhr in die Gemeinschaft ein Ereignis darstellen kann, auf das der Exporteur keinen Einfluß hat, gehört sie doch zu den normalen Geschäftsrisiken und kann im Rahmen der Vertragsbeziehungen, die im Zusammenhang mit einer erstattungsfähigen Ausfuhr bestehen, nicht als unvorhersehbar betrachtet werden.

36 Die Gutgläubigkeit des Exporteurs sowie die Tatsache, daß er an dem Betrug nicht beteiligt gewesen ist, können ebensowenig berücksichtigt werden. Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes kann der Exporteur ° das vorlegende Gericht hat in seiner dritten Frage zu Recht darauf hingewiesen ° durch vertragliche Abmachungen sicherstellen, daß die Käufer das Erzeugnis nicht in betrügerischer Weise der vorgeschriebenen Bestimmung entziehen. Es ist somit Sache des Exporteurs, geeignete Vorkehrungen zu treffen, indem er entsprechende Klauseln in den Vertrag aufnimmt oder eine besondere Versicherung abschließt (Urteil vom 27. Oktober 1987 in der Rechtssache 109/86, Theodorakis, Slg. 1987, 4319, Randnr. 8).

37 Somit ist auf den zweiten Teil der ersten Frage sowie auf die zweite und die dritte Frage zu antworten, daß der Exporteur eines Erzeugnisses, das für ein Drittland bestimmt ist, seinen Erstattungsanspruch bei betrügerischer Wiedereinfuhr dieses Erzeugnisses in die Gemeinschaft auch dann verliert, wenn er an dem Betrug nicht beteiligt oder gutgläubig war, und daß diese Wiedereinfuhr im Rahmen der Vertragsbeziehungen, die im Zusammenhang mit einer erstattungsfähigen Ausfuhr bestehen, nicht als unvorhersehbar betrachtet werden kann.

Kostenentscheidung:

Kosten

38 Die Auslagen der belgischen Regierung und der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, die vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)

auf die ihm von der Cour d' appel Brüssel mit Urteil vom 30. Juni 1993 vorgelegten Fragen für Recht erkannt:

1) Nach Artikel 4 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1041/67/EWG der Kommission vom 21. Dezember 1967 über die Durchführungsvorschriften für die Ausfuhrerstattungen bei den Erzeugnissen, für die ein System gemeinsamer Preise besteht, und Artikel 6 der Verordnung (EWG) Nr. 876/68 des Rates vom 28. Juni 1968 über die Grundregeln für die Gewährung von Erstattungen bei der Ausfuhr von Milch und Milcherzeugnissen und die Kriterien für die Festsetzung der Erstattung hängt die Zahlung einer differenzierten Erstattung grundsätzlich von dem Nachweis ab, daß das Erzeugnis in dem Drittland, für das es bestimmt ist, in den freien Verkehr überführt worden ist; die Mitgliedstaaten können diesen Nachweis bei Verdacht oder bei Feststellung von Mißbräuchen auch vor der Auszahlung einer nichtdifferenzierten Erstattung verlangen.

2) Der Exporteur eines Erzeugnisses, das für ein Drittland bestimmt ist, verliert seinen Erstattungsanspruch bei betrügerischer Wiedereinfuhr dieses Erzeugnisses in die Gemeinschaft auch dann, wenn er an dem Betrug nicht beteiligt oder gutgläubig war. Diese Wiedereinfuhr kann im Rahmen der Vertragsbeziehungen, die im Zusammenhang mit einer erstattungsfähigen Ausfuhr bestehen, nicht als unvorhersehbar betrachtet werden.

Ende der Entscheidung

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