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Gericht: Europäischer Gerichtshof
Beschluss verkündet am 08.06.2006
Aktenzeichen: C-350/05 P
Rechtsgebiete: EG, Satzung des Gerichtshofs
Vorschriften:
EG Art. 220 | |
Satzung des Gerichtshofs Art. 56 |
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg
BESCHLUSS DES GERICHTSHOFS (Vierte Kammer)
8. Juni 2006
"Offensichtlich teilweise unzulässiges und teilweise unbegründetes Rechtsmittel - Rechtshängigkeit"
Parteien:
In der Rechtssache C-350/05 P,
Karola Gluiber, wohnhaft in Pressbaum (Österreich), Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt D. Rogalla,
Rechtsmittelführerin,
betreffend ein Rechtsmittel gegen den Beschluss des Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften vom 14. Juli 2005 in der Rechtssache T-79/05 (Gluiber/Kommission; nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht) wegen Aufhebung dieses Beschlusses,
andere Verfahrensbeteiligte:
Kommission der Europäischen Gemeinschaften,
Beklagte im ersten Rechtszug,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer),
Unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten K. Schiemann sowie der Richter E. Juhász und E. Levits (Berichterstatter),
Generalanwältin: C. Stix-Hackl,
nach Anhörung der Generalanwältin,
folgenden
Beschluss
Entscheidungsgründe:
1 Die Rechtsmittelführerin erhob beim Gericht erster Instanz Klage gegen die Kommission der Europäischen Gemeinschaften auf Aufhebung der Entscheidung der Kommission vom 6. Dezember 2004, der Aufforderung, gegen die Republik Österreich ein Vertragsverletzungsverfahren nach Artikel 226 EG wegen Nichtumsetzung bestimmter Richtlinien in das österreichische Recht einzuleiten, nicht nachzukommen. Außerdem begehrte die Rechtsmittelführerin mit ihrer Klage die Feststellung der Untätigkeit der Kommission im Hinblick auf eine Aufforderung zu einer Stellungnahme. Die Rechtsmittelführerin beantragte weiter den Erlass verschiedener Anordnungen sowie der Kommission die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen.
2 Das Gericht wies mit Beschluss vom 14. Juli 2005 gemäß Artikel 111 seiner Verfahrensordnung die Klage insgesamt als offensichtlich unzulässig zurück. Es stellte fest, dass die Klage in dieser Rechtssache dieselben Parteien betrifft, auf dieselben Ziele gerichtet und auf dieselben Gründe gestützt ist wie die gleichzeitig eingereichte Klage in der Rechtssache T-63/05. Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs sei eine Klage, die dieselben Parteien betrifft, auf dieselben Ziele gerichtet und auf dieselben Gründe gestützt ist wie eine früher eingereichte Klage, als unzulässig zurückzuweisen. Dies gelte auch für eine gleichzeitig eingereichte Klage.
3 Der Beschluss erging, ohne dass die Klageschrift der Beklagten zugestellt worden war.
4 Die Rechtsmittelführerin hat mit Rechtsmittelschrift, die am 19. September 2005 per Email und am 22. September 2005 im Original bei der Kanzlei des Gerichtshofs eingegangen ist, gemäß Artikel 56 der Satzung des Gerichtshofs ein Rechtsmittel gegen diesen Beschluss eingelegt und beantragt,
- den Beschluss des Gerichts erster Instanz vom 14. Juli 2005 für nichtig zu erklären,
- festzustellen, dass die Rechtsmittelgegnerin verpflichtet ist, den aus einem bisherigen rechtswidrigen Handeln entstandenen Schaden auch zukünftig zu ersetzen,
- die Akten aus sämtlichen Verfahren sowohl vor nationalen als auch vor internationalen Gerichten diesem Verfahren beizuziehen,
- die Kosten des Verfahrens der Rechtsmittelgegnerin aufzuerlegen.
Hilfsweise beantragt die Rechtsmittelführerin,
- den Beschluss des Gerichts erster Instanz aufzuheben und die Sache an das Gericht erster Instanz zurückzuverweisen,
- das Verfahren auszusetzen,
- gegebenenfalls dieses Verfahren bis zur Verabschiedung der Europäischen Verfassung auszusetzen.
Das Rechtsmittel
5 Unter Bezugnahme auf "verfahrensrechtliche Bestimmungen und maßgebliche Verfahrensgrundsätze der EU" erhebt die Rechtsmittelführerin in ihrer Rechtsmittelschrift zwei Rügen. Zum einen rügt sie den "Verstoß gegen Verfahrensvorschriften, durch die sie in ihren Interessen beeinträchtigt" worden sei, weil gemäß Artikel 220 EG der Gerichtshof die Wahrung des Rechts bei der Auslegung und Anwendung des EG-Vertrages sichere. Zum anderen rügt die Rechtsmittelführerin die "willkürliche Verletzung von Wettbewerbsrecht durch willkürliche berufliche Maßnahmen in Verbindung mit den Gemeinschaftsgrundrechten".
6 Zur Begründung ihrer Rügen führt die Rechtsmittelführerin aus, dass der Gerichtshof "die Wahrung des Rechts und der Grundrechte und Grundfreiheiten bei der Auslegung und Anwendung des EGV und aller Richtlinien und Verordnungen sowie bei der Kontrolle der Einhaltung allgemeiner Rechtsgrundsätze" sichere. Sie stützt sich außerdem auf die "Verletzung von Gemeinschaftsrecht/Wettbewerbsrecht aus Artikel 136 EGV und Artikel 141 EGV", auf die sie sich in Verbindung mit Artikel 13 EGV (Antidiskriminierungsmaßnahmen) direkt berufen könne.
7 Die Rechtsmittelführerin führt weiterhin aus, sie sei durch den Beschluss vom 14. Juli 2005 in ihrem "Recht auf rechtliches Gehör durch die Nichtzustellung der Klage an die Klagegegnerin" und in der "Möglichkeit der Teilnahme an einer mündlichen Verhandlung" beeinträchtigt worden, indem ihr "einfachste Grundrechte willkürlich nicht gewährt" worden seien.
8 Schließlich findet sich der Hinweis, weder EG-Recht noch die Verfahrensordnung sähen den vom Gericht erster Instanz angeführten Grund einer dieselben Parteien betreffenden, auf dieselben Ziele gerichteten und auf dieselben Gründe gestützten gleichzeitig eingereichten Klage für die Unzulässigkeit der Klage vor.
Würdigung durch den Gerichtshof
9 Ist das Rechtsmittel offensichtlich unzulässig oder offensichtlich unbegründet, so kann der Gerichtshof es nach Artikel 119 seiner Verfahrensordnung jederzeit ohne Eröffnung der mündlichen Verhandlung durch Beschluss, der mit Gründen zu versehen ist, zurückweisen.
10 Aus den Artikeln 58 Absatz 1 der Satzung des Gerichtshofs und 112 § 1 Buchstabe c der Verfahrensordnung ergibt sich, dass in der Rechtsmittelschrift die beanstandeten Teile des Urteils oder des Beschlusses, dessen Aufhebung beantragt wird, sowie das rechtliche Vorbringen, auf das der Antrag im Einzelnen gestützt wird, genau bezeichnet werden müssen (vgl. insbesondere Beschluss vom 12. Dezember 1996 in der Rechtssache C-49/96 P, Progoulis/Kommission, Slg. I-6803, Randnrn. 23 und 24, sowie Urteil vom 6. März 2003 in der Rechtssache C-41/00 P, Interporc/Kommission, Slg. I-2125, Randnr. 15).
11 Die von der Rechtsmittelführerin erhobenen Rügen geben aber in der geforderten Genauigkeit weder die angegriffenen Erwägungen des Beschlusses noch die Rechtsgrundlagen an, aufgrund deren das Gericht zu einer anderen Rechtsauffassung hätte gelangen müssen. Sie sind daher für offensichtlich unzulässig zu erklären.
12 Allein der Hinweis auf die Erwägung des Beschlusses, die Klage aufgrund der Rechtshängigkeit der inhaltsgleichen Klage in der Rechtssache T-78/04 zurückzuweisen, enthält eine Argumentation, die speziell der Bezeichnung des Rechtsfehlers dient, mit dem das angefochtene Urteil behaftet sein soll. Insofern ist das Rechtsmittel für zulässig zu erklären.
13 Sinn und Zweck der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs, auf die sich das Gericht erster Instanz beruft, ist es, nach dem allgemeinen Grundsatz der Prozessökonomie ein Verfahren, das dieselben Parteien betrifft, auf dieselben Ziele gerichtet und auf dieselben Gründe gestützt ist, nur einmal durchzuführen. Hierbei ist es ohne Bedeutung, ob die in diesem Sinne identischen Verfahren gleichzeitig oder nacheinander angestrengt worden sind. Der angefochtene Beschluss ist somit offensichtlich nicht mit einem Rechtsfehler behaftet. Das Rechtsmittel ist in diesem Punkt somit zwar zulässig, aber offensichtlich unbegründet.
14 Was letztlich das Vorbringen der Rechtsmittelführerin angeht, sie sei durch die Nichtzustellung der Klage an die Klagegegnerin in ihrem "Recht auf rechtliches Gehör" beeinträchtigt worden, genügt es darauf hinzuweisen, dass die Zustellung einer Klage allein das Recht des Beklagten auf rechtliches Gehör betreffen kann, nicht das Recht der Klägerin. Im übrigen sei ergänzt, dass das Gericht erster Instanz mit der Anwendung von Artikel 111 seiner Verfahrensordnung das Recht auf einen wirksamen Rechtsschutz nicht verletzt hat, da diese Vorschrift nämlich dem Gericht ausdrücklich die Befugnis verleiht, eine Klage auch ohne Zustellung an den Prozessgegner für unzulässig zu erklären (vgl. Beschlüsse vom 16. Dezember 1999 in der Rechtssache C-259/99 P, Gluiber/Rat und Kommission, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 15, und vom 14. September 2000 in der Rechtssache C-202/00 P, Gluiber/Kommission, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Rndnr. 16).
15 Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass das Rechtsmittel als teilweise offensichtlich unzulässig und teilweise offensichtlich unbegründet zurückzuweisen ist.
Kostenentscheidung:
Kosten
16 Da auch dieser Beschluss ergeht, ohne dass die Klageschrift der Beklagten zugestellt worden ist und dieser somit Kosten entstehen konnten, genügt die Entscheidung, dass die Klägerin nach Artikel 69 der Verfahrensordnung, der gemäß Artikel 118 im Rechtsmittelverfahren anwendbar ist, ihre eigenen Kosten trägt.
Tenor:
Aus diesen Gründen
hat
DER GERICHTSHOF ( Vierte Kammer)
beschlossen:
1) Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.
2) Die Rechtsmittelführerin trägt ihre eigenen Kosten.
Luxemburg, den 8. Juni 2006.
Ende der Entscheidung
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