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Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 14.07.1994
Aktenzeichen: C-353/92
Rechtsgebiete: Verordnung (EWG) Nr. 1765/92 des Rates vom 30. Juni 1992 zur Einführung einer Stützungsregelung für Erzeuger bestimmter landwirtschaftlicher Kulturpflanzen (ABl. L 181, S. 12), EWG-Vertrag


Vorschriften:

Verordnung (EWG) Nr. 1765/92 des Rates vom 30. Juni 1992 zur Einführung einer Stützungsregelung für Erzeuger bestimmter landwirtschaftlicher Kulturpflanzen (ABl. L 181, S. 12) Art. 2 Abs. 5
Verordnung (EWG) Nr. 1765/92 des Rates vom 30. Juni 1992 zur Einführung einer Stützungsregelung für Erzeuger bestimmter landwirtschaftlicher Kulturpflanzen (ABl. L 181, S. 12) Art. 8
EWG-Vertrag Art. 39 Abs. 1 Buchst.
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Die durch Artikel 190 des Vertrages vorgeschriebene Begründung muß der Natur des betreffenden Rechtsakts angepasst sein. Sie muß die Überlegungen der Gemeinschaftsbehörde, die den Rechtsakt erlassen hat, so klar und eindeutig zum Ausdruck bringen, daß die Betroffenen die Gründe für die erlassene Maßnahme erkennen können und der Gerichtshof seine Kontrolle ausüben kann. Hält sich ein Rechtsakt im systematischen Rahmen der Gesamtregelung, zu der er gehört, so kann nicht verlangt werden, daß in seiner Begründung die verschiedenen tatsächlichen und rechtlichen Einzelheiten dargelegt werden, die er zum Gegenstand hat.

2. Die gemeinsame Agrarpolitik verlangt den Erlaß von gemeinsamen Vorschriften, die sich für die Erzeuger zwar je nach der individuellen Ausrichtung ihrer Erzeugung oder den örtlichen Bedingungen unterschiedlich auswirken können, dennoch aber nicht als nach Artikel 40 Absatz 3 Unterabsatz 2 des Vertrages verbotene Diskriminierungen angesehen werden können, wenn sie auf objektiven, den Erfordernissen des gesamten Funktionierens der gemeinsamen Marktorganisation angepassten Kriterien beruhen.

Dies trifft auf Artikel 10 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1765/92 zur Einführung einer Stützungsregelung für Erzeuger bestimmter landwirtschaftlicher Kulturpflanzen zu, wonach die Gewährung einer Ausgleichszahlung von der Einhaltung eines Stichtags für die Aussaat und die Antragstellung abhängt. Durch die Einführung eines solchen Stichtags sollen nämlich zum einen die Kontrolle und die Wirksamkeit der Regelung über die Ausgleichszahlungen gewährleistet werden, zum anderen schließt sie die Erzeuger keines Mitgliedstaats von vornherein aus und schließlich lässt sie Erleichterungen nach Maßgabe der klimatischen Verhältnisse zu.

3. Die Gemeinschaftsorgane müssen bei der Verfolgung der Ziele der gemeinsamen Agrarpolitik ständig den Ausgleich sicherstellen, den etwaige Widersprüche zwischen den verschiedenen Zielen des Artikels 39 des Vertrages, wenn sie isoliert betrachtet werden, erforderlich machen können. Gegebenenfalls haben sie dem einen oder anderen von ihnen zeitweilig den Vorrang zu geben, sofern die wirtschaftlichen Gegebenheiten oder Umstände, aufgrund deren sie ihre Entscheidungen treffen, dies gebieten.

So verstösst die Einführung einer neuen Stützungsregelung für die Erzeuger bestimmter landwirtschaftlicher Kulturpflanzen, die zu einer Verringerung der Gemeinschaftserzeugung und des Einkommens bestimmter Erzeuger führen kann, nicht gegen Artikel 39, wenn eine solche Neugestaltung den Zweck hat, durch Angleichung der gemeinschaftlichen Preise an die Weltmarktpreise die Märkte zu stabilisieren und die ° nicht mit Selbstversorgung gleichzusetzende ° Versorgung sicherzustellen, und wenn die Einkommenseinbussen durch Ausgleichszahlungen aufgewogen werden, die die Erzeuger erhalten können.

4. Die Wirtschaftsteilnehmer dürfen nicht auf die Beibehaltung einer bestehenden Situation vertrauen, die die Gemeinschaftsorgane im Rahmen ihres Ermessens ändern können. Dies gilt auf einem Gebiet wie dem der gemeinsamen Agrarpolitik und der gemeinsamen Marktorganisationen, deren Zweck eine ständige Anpassung an die Veränderungen der wirtschaftlichen Lage mit sich bringt. Die Wirtschaftsteilnehmer können sich daher nicht auf ein wohlerworbenes Recht auf Beibehaltung eines Vorteils berufen, der sich für sie aus der Einführung einer gemeinsamen Marktorganisation ergibt und der ihnen zu einem bestimmten Zeitpunkt zugute gekommen ist.

Dies gilt um so mehr dann, wenn die durch eine neue Regelung eingeführte Neuerung lediglich darin besteht, daß der Tag, bis zu dem Anträge auf eine finanzielle Unterstützung durch die Gemeinschaft zu stellen sind, um fünfzehn Tage vorverlegt wird und die betroffenen Erzeuger über ausreichende Zeit verfügten, um sich an die neue Regelung anzupassen.

5. Der Grundsatz der Gemeinschaftspräferenz kann zwar von den Gemeinschaftsorganen im Rahmen der gemeinsamen Agrarpolitik berücksichtigt werden. Er kann aber ihre Entscheidung erst nach Abwägung aller wirtschaftlichen Faktoren beeinflussen, die sich auf den Welthandel auswirken. Die Gemeinschaftspräferenz ist keinesfalls ein rechtliches Erfordernis, dessen Verletzung die Ungültigkeit des betreffenden Rechtsakts zur Folge hätte.


URTEIL DES GERICHTSHOFES VOM 14. JULI 1994. - REPUBLIK GRIECHENLAND GEGEN RAT DER EUROPAEISCHEN UNION. - NICHTIGKEITSKLAGE - VERORDNUNG (EWG) NR. 1765/92 DES RATES VOM 30. JUNI 1992 ZUR EINFUEHRUNG EINER STUETZUNGSREGELUNG FUER ERZEUGER BESTIMMTER LANDWIRTSCHAFTLICHER KULTURPFLANZEN - PFLICHT ZUR EINHALTUNG EINES STICHTAGS FUER DIE AUSSAAT UND DIE STELLUNG DES ANTRAGS AUF AUSGLEICHSZAHLUNG. - RECHTSSACHE C-353/92.

Entscheidungsgründe:

1 Die Griechische Republik hat mit Klageschrift, die am 10. September 1992 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 173 EWG-Vertrag Klage erhoben auf Nichtigerklärung der Verordnung (EWG) Nr. 1765/92 des Rates vom 30. Juni 1992 zur Einführung einer Stützungsregelung für Erzeuger bestimmter landwirtschaftlicher Kulturpflanzen (ABl. L 181, S. 12; im folgenden: Grundverordnung).

2 Mit dieser Grundverordnung wurde eine Regelung über Ausgleichszahlungen für Erzeuger von Getreide, Eiweisspflanzen und Ölsaaten, darunter Sojabohnen, erlassen.

3 Nach Artikel 2 Absatz 5 dieser Verordnung wird die Ausgleichszahlung "gewährt nach Maßgabe a) einer 'allgemeinen Regelung' für alle Erzeuger; b) einer 'vereinfachten Regelung' für Kleinerzeuger". Letztere ° der Begriff "Kleinerzeuger" ist in Artikel 8 Absatz 2 definiert ° können eine Ausgleichszahlung nach der vereinfachten Regelung beantragen.

4 Nach Artikel 2 Absatz 5 müssen Erzeuger, die die Ausgleichszahlung nach der allgemeinen Regelung beantragen, einen Teil ihrer Fläche stillegen und erhalten dafür eine Ausgleichszahlung. Bei der vereinfachten Regelung wird nach Artikel 8 Absatz 3 auf eine Stillegungsregelung verzichtet, aber die Ausgleichszahlung wird unabhängig davon, welche Pflanzen tatsächlich angebaut werden, in Höhe der für Getreide geltenden Ausgleichszahlungen gewährt. Wie sich aus den Artikeln 4 und 5 ergibt, gilt für Getreide ein deutlich niedrigerer Satz als für Ölsaaten.

5 Ferner sollen nach der 18. Begründungserwägung der Grundverordnung die Ausgleichszahlungen alljährlich für eine bestimmte Fläche gewährt werden.

6 Über die Bedingungen für die Gewährung dieser Ausgleichszahlungen bestimmt Artikel 10 Absätze 1 und 2 der Grundverordnung folgendes:

"(1) Die Ausgleichszahlungen für Getreide und Eiweisspflanzen sowie der Stillegungsausgleich werden zwischen dem unmittelbar auf die Ernte folgenden 16. Oktober und dem 31. Dezember ausgezahlt.

(2) Anspruchsberechtigt sind Erzeuger, die bis spätestens an dem der Ernte vorausgehenden 15. Mai

° die Aussaat vorgenommen haben;

° einen Antrag gestellt haben."

Die letztgenannte Vorschrift bildet den Kern des vorliegenden Rechtsstreits.

7 Schließlich bestimmt Artikel 12 Absatz 1 siebter Gedankenstrich, nach welchem Verfahren die Durchführungsbestimmungen zur Grundverordnung zu erlassen sind, und zwar insbesondere "die Vorschriften, nach denen die in Artikel 10 Absatz 2... genannten Zeitpunkte für bestimmte Gebiete verschoben werden können, in denen die aussergewöhnlichen Witterungsverhältnisse die Anwendung zu den normalen Zeitpunkten nicht gestatten".

8 Die Verordnung (EWG) Nr. 2294/92 der Kommission vom 31. Juli 1992 mit Durchführungsbestimmungen zur Stützungsregelung für Ölsaatenerzeuger gemäß der Verordnung (EWG) Nr. 1765/92 des Rates (ABl. L 221, S. 22; im folgenden: Durchführungsverordnung), die ab dem Wirtschaftsjahr 1993/94 gilt, sieht in ihrem Artikel 2 Absatz 1 folgendes vor:

"(1) Die Ausgleichszahlung gemäß Artikel 5 Absatz 1 und Absatz 2 erster Unterabsatz der Verordnung (EWG) Nr. 1765/92 wird nur für Ölsaaten-Anbauflächen gewährt,

...

b) die unter die allgemeine Regelung gemäß Artikel 2 Absatz 5 Buchstabe a) der Verordnung (EWG) Nr. 1765/92 fallen;

c) für die bei der zuständigen Behörde an einem vom Mitgliedstaat für die betreffende Ölsaat und Region festgesetzten Termin, der den Stichtag gemäß Anhang I nicht überschreiten darf, ein Beihilfeantrag ° einschließlich Anbauplan ° eingereicht worden ist;

d) die bis zu dem vorgenannten Termin... mit Raps, Rübsen, Sonnenblumen oder Sojabohnen bebaut sind;

...

(2) Lassen die klimatischen Verhältnisse eine Aussaat vor dem Stichtag gemäß Anhang I nicht zu, so werden für die den Anforderungen gemäß Absatz 1 genügenden Flächen Ausgleichszahlungen erst gewährt, nachdem die Aussaatbestätigung bei der zuständigen Behörde eingegangen ist. Die Gebiete, für die diese Bestimmung gilt, sowie die Stichtage für die Hinterlegung der Anbaubestätigung werden nach dem Verfahren des Artikels 38 der Verordnung Nr. 136/66/EWG des Rates [ABl. 1966, Nr. 172, S. 3025] festgesetzt."

In dem Anhang I der Durchführungsverordnung, auf den diese Vorschrift verweist, wird als Stichtag, bis zu dem der Antrag gestellt und die Aussaat vorgenommen sein muß, der "15. Mai vor Beginn des Wirtschaftsjahres" festgesetzt.

9 Es ist unstreitig, daß die griechischen Sojabohnen-Erzeuger "Kleinerzeuger" im Sinne der Grundverordnung sind und daher nach Artikel 8 Absatz 1 der Grundverordnung zwischen der allgemeinen Regelung und der vereinfachten Regelung für die Gewährung der Ausgleichszahlungen wählen können.

10 Aus den Akten ergibt sich, daß Sojabohnen auf zweierlei Weise angebaut werden können: als sogenannte Hauptkultur und als sogenannte Nebenkultur, die entweder vor oder nach der Hauptkultur erfolgt.

11 Die Klägerin trägt vor, der beste Zeitraum für den Anbau von Sojabohnen in der Griechischen Republik sei die Zeit zwischen dem 20. April und dem 15. Juli; die Kleinerzeuger nähmen die Aussaat von Sojabohnen als Nebenkultur in der Regel erst nach dem 15. Mai vor. Da Artikel 10 Absatz 2 der Grundverordnung diesen Tag als Stichtag für die Aussaat festsetze, schließe er diese Kleinerzeuger praktisch vom Erhalt der für Nebenkulturen vorgesehenen Ausgleichszahlungen aus.

12 Die griechische Regierung beantragt daher, die Grundverordnung für nichtig zu erklären. Sie bringt fünf Klagegründe vor, mit denen sie die Verletzung der Begründungspflicht, des Diskriminierungsverbots, des Artikels 39 des Vertrages, des Grundsatzes des Vertrauensschutzes und des Grundsatzes der Gemeinschaftspräferenz geltend macht.

Zur Zulässigkeit

13 Der Rat vertritt mit Unterstützung der Kommission die Ansicht, die Klage sei unzulässig, weil Artikel 10 Absatz 2 der Grundverordnung nicht auf Ausgleichszahlungen für Sojabohnen anwendbar sei, um die allein es in der vorliegenden Klage gehe. Artikel 10 Absatz 2 sei nämlich in Verbindung mit Artikel 10 Absatz 1 zu sehen, der seinem Wortlaut nach ausschließlich die Ausgleichszahlungen für Getreide oder Eiweisspflanzen betreffe. Die Zahlungen für Ölsaaten und damit auch für Sojabohnen seien dagegen in der Durchführungsverordnung geregelt, auf die sich die vorliegende Klage nicht beziehe.

14 Hierzu genügt die Feststellung, daß die Ausgleichszahlung nach Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe b der Durchführungsverordnung nur für Ölsaaten-Anbauflächen gewährt wird, die unter die allgemeine Regelung fallen. Dagegen unterliegen die Ausgleichszahlungen für Kleinerzeuger von Sojabohnen, die für die vereinfachte Regelung optiert haben, weiterhin, wie der Generalanwalt in Abschnitt 21 seiner Schlussanträge dargelegt hat, der Grundverordnung, deren Nichtigerklärung in der vorliegenden Rechtssache beantragt wird.

15 Die vom Rat erhobene Einrede der Unzulässigkeit ist daher zurückzuweisen.

Zur Begründetheit

Zum Klagegrund der fehlenden Begründung

16 Zur Untermauerung dieses Klagegrundes beruft sich die griechische Regierung zunächst auf die zweite Begründungserwägung der Grundverordnung. Darin heisse es, daß die neue Stützungsregelung, die ab dem Wirtschaftsjahr 1993/94 gelten solle, zur Gewährleistung eines besseren Marktgleichgewichts geschaffen werden müsse und daß zur Erreichung dieses Ziels die Gemeinschaftspreise für bestimmte landwirtschaftliche Kulturpflanzen an die Weltmarktpreise angeglichen und die durch die Senkung der institutionellen Preise entstehenden Einkommenseinbussen durch eine Ausgleichszahlung an die Erzeuger in der Gemeinschaft, die solche Erzeugnisse zur Ernte anbauten, ausgeglichen werden müssten.

17 Die griechische Regierung stellt sodann fest, daß die Erzeuger von Sojabohnen, die die Aussaat nach dem 15. Mai vornähmen, was vor allem bei den die Nebenkultur praktizierenden griechischen Kleinerzeugern der Fall sei, entgegen dem söben angeführten Grundziel der Verordnung von der Gewährung der Ausgleichszahlungen ausgeschlossen würden, während sie nach der früheren Regelung eine finanzielle Unterstützung erhalten hätten. Die Grundverordnung enthalte aber keinerlei besondere Begründung für diesen Ausschluß. Sie sei daher wegen fehlender Begründung ungültig.

18 Diesem Vorbringen kann nicht gefolgt werden. Wie der Rat zu Recht vorgetragen hat, ist die Grundverordnung in allen ihren Teilen ausreichend begründet.

19 Nach ständiger Rechtsprechung muß die durch Artikel 190 EWG-Vertrag vorgeschriebene Begründung der Natur des betreffenden Rechtsakts angepasst sein. Sie muß die Überlegungen der Gemeinschaftsbehörde, die den Rechtsakt erlassen hat, so klar und eindeutig zum Ausdruck bringen, daß die Betroffenen die Gründe für die erlassene Maßnahme erkennen können und der Gerichtshof seine Kontrolle ausüben kann. Aus dieser Rechtsprechung ergibt sich ausserdem, daß nicht verlangt werden kann, daß in der Begründung eines Rechtsakts die verschiedenen tatsächlichen und rechtlichen Einzelheiten dargelegt werden, die Gegenstand des Rechtsakts sind, wenn dieser sich im systematischen Rahmen der Gesamtregelung hält, zu der er gehört (Urteil vom 13. Oktober 1992 in den Rechtssachen C-63/90 und C-67/90, Portugal und Spanien/Rat, Slg. 1992, I-5073, Randnr. 16).

20 Im vorliegenden Fall heisst es in der 19. Begründungserwägung der Grundverordnung ausdrücklich: "Die Bedingungen für die Beantragung der Ausgleichszahlung müssen festgelegt werden; ebenso ist zu regeln, zu welchem Zeitpunkt die Zahlung an die Erzeuger zu leisten ist." Die Festsetzung eines Stichtags für die Aussaat und die Stellung des Antrags ist demnach nicht ausgeschlossen.

21 Im übrigen wird mit der fraglichen Verordnung nur die Stichtagsregelung wiederaufgegriffen, die für das Wirtschaftsjahr 1992/93 schon in der Verordnung (EWG) Nr. 3766/91 des Rates vom 12. Dezember 1991 zur Einführung einer Stützungsregelung für die Erzeuger von Sojabohnen, Raps- und Rübsensamen und Sonnenblumenkernen (ABl. L 356, S. 17) enthalten war. Daß dabei ein anderer Stichtag (15. Mai) als zuvor (30. Mai) festgesetzt wurde, brauchte, wie der Generalanwalt in Abschnitt 44 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, nicht besonders begründet zu werden.

22 Schließlich ist das in Artikel 10 Absatz 2 der streitigen Verordnung genannte Datum nicht unveränderlich, da Artikel 12 Absatz 1 siebter Gedankenstrich festlegt, welches Verfahren einzuhalten ist, um es für bestimmte Gebiete, in denen die aussergewöhnlichen Witterungsverhältnisse seine Anwendung nicht gestatten, zu verschieben.

23 Nach alledem ist die Grundverordnung insofern, als sie die Gewährung der Ausgleichszahlungen von der Voraussetzung abhängig macht, daß die Aussaat und die Antragstellung bis zum 15. Mai erfolgt sein müssen, im Hinblick auf Artikel 190 des Vertrages, wie er vom Gerichtshof ausgelegt worden ist, ausreichend begründet. Der Klagegrund der unzureichenden Begründung ist somit zurückzuweisen.

Zum Klagegrund der Verletzung des Diskriminierungsverbots

24 Die griechische Regierung trägt vor, die griechischen Kleinerzeuger würden gegenüber den Kleinerzeugern der anderen Mitgliedstaaten diskriminiert. Sie führten nämlich die Aussaat von Sojabohnen als Nebenkultur nach dem 15. Mai durch, weil der beste Zeitraum für die Aussaat von Sojabohnen in der Griechischen Republik die Zeit zwischen dem 20. April und dem 15. Juli sei. In den anderen Mitgliedstaaten sei der Zeitraum für die Aussaat nicht so lang, und die Aussaat erfolge in der Regel vor dem 15. Mai. Da der streitige Termin unterschiedslos für Erzeuger in objektiv verschiedenen Situationen vorgeschrieben werde, liege ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Artikels 40 Absatz 3 Unterabsatz 2 EWG-Vertrag vor.

25 Insoweit ist daran zu erinnern, daß die gemeinsame Agrarpolitik den Erlaß von gemeinsamen Vorschriften verlangt, die sich für die Erzeuger zwar je nach der individuellen Ausrichtung ihrer Erzeugung oder den örtlichen Bedingungen unterschiedlich auswirken können, dennoch aber nicht als nach Artikel 40 Absatz 3 des Vertrages verbotene Diskriminierung angesehen werden können, wenn sie auf objektiven, den Erfordernissen des gesamten Funktionierens der gemeinsamen Marktorganisation angepassten Kriterien beruhen (siehe u. a. Urteil vom 9. Juli 1985 in der Rechtssache 179/84, Bozzetti, Slg. 1985, 2301).

26 Artikel 10 Absatz 2 der Grundverordnung gehört zu dieser Art von Vorschriften.

27 "Erzeuger, die [die vereinfachte] Regelung in Anspruch nehmen, müssen sich" nämlich nach der 17. Begründungserwägung "bestimmten Kontrollverfahren unterziehen." Aus dieser Begründungserwägung in Verbindung mit der oben angeführten 19. Begründungserwägung ergibt sich, daß die Verpflichtung zur Einhaltung eines Stichtags für die Aussaat und die Stellung eines Antrags auf Gewährung von Ausgleichszahlungen u. a. zu dem Zweck festgelegt wurde, die Kontrolle und die Wirksamkeit der Regelung über die Ausgleichszahlungen zu gewährleisten.

28 Somit war die Festsetzung des streitigen Datums den Erfordernissen des gesamten Funktionierens der gemeinsamen Marktorganisation angemessen.

29 Dieses Datum kann auch nicht als diskriminierend angesehen werden. Da der beste Zeitraum für die Aussaat von Sojabohnen, wie die griechische Regierung selbst vorträgt, am 20. April beginnt, haben die griechischen Kleinerzeuger ebenso wie die Kleinerzeuger der anderen Mitgliedstaaten die Möglichkeit, vor dem 15. Mai die Aussaat vorzunehmen und einen Antrag auf Gewährung einer Ausgleichszahlung zu stellen.

30 Schließlich ist, worauf der Rat hingewiesen hat, der Stichtag 15. Mai nicht unveränderlich und kann nach Artikel 12 Absatz 1 siebter Gedankenstrich der Grundverordnung für bestimmte Gebiete nach Maßgabe der klimatischen Verhältnisse verschoben werden.

31 Der Klagegrund der Verletzung des Gleichheitssatzes greift somit nicht durch.

Zum Klagegrund der Verletzung des Artikels 39 des Vertrages

32 Die griechische Regierung trägt zunächst vor, Artikel 10 Absatz 2 der Grundverordnung laufe zwei Zielen der gemeinsamen Agrarpolitik zuwider.

33 Zum einen werde den Sojabohnenerzeugern, die die Aussaat nach dem 15. Mai vornähmen, nicht im Sinne von Artikel 39 Absatz 1 Buchstabe d EWG-Vertrag eine angemessene Lebenshaltung gewährleistet. Da diese Form des Anbaus durch Artikel 10 Absatz 2 vom Erhalt von Ausgleichszahlungen ausgeschlossen sei, würden nämlich die Einkommen dieser Erzeuger vermindert.

34 Zum anderen würden die Erzeuger vom Sojabohnenanbau nach dem 15. Mai abgeschreckt, so daß die Selbstversorgung der Gemeinschaft entgegen Artikel 39 Absatz 1 Buchstabe d des Vertrages nicht sichergestellt sei.

35 Die griechische Regierung beruft sich sodann auf Artikel 39 Absatz 2, wonach bei der Gestaltung der gemeinsamen Agrarpolitik "die besondere Eigenart der landwirtschaftlichen Tätigkeit, die sich aus dem sozialen Aufbau der Landwirtschaft... ergibt", zu berücksichtigen sei. Die Sozialpolitik in diesem Bereich müsse daher auf eine Verringerung der Ungleichheiten zwischen Groß- und Kleinerzeugern ausgerichtet sein. Im vorliegenden Fall handele es sich aber bei den Erzeugern, die Sojabohnen als Nebenkultur nach dem 15. Mai aussäten, vornehmlich um Kleinerzeuger, da die Inhaber von Großbetrieben sich auf eine Kultur, die Hauptkultur, beschränkten. Da Artikel 10 Absatz 2 der Grundverordnung ersteren den Erhalt der Ausgleichszahlungen unmöglich mache, würden die Unterschiede zwischen Klein- und Grosserzeugern verschärft.

36 Insoweit ist zunächst auf die ständige Rechtsprechung hinzuweisen, wonach die Gemeinschaftsorgane bei der Verfolgung der Ziele der gemeinsamen Agrarpolitik ständig den Ausgleich sicherstellen müssen, den etwaige Widersprüche zwischen den verschiedenen Zielen des Artikels 39 des Vertrages, wenn sie isoliert betrachtet werden, erforderlich machen können, und gegebenenfalls dem einen oder anderen von ihnen zeitweilig den Vorrang zu geben haben, sofern die wirtschaftlichen Gegebenheiten oder Umstände, aufgrund deren sie ihre Entscheidungen treffen, dies gebieten (siehe u. a. Urteil vom 20. September 1988 in der Rechtssache 203/86, Spanien/Rat, Slg. 1988, 4563, Randnr. 10).

37 Nun ist aber die neue Stützungsregelung nach der bereits erwähnten zweiten Begründungserwägung der Grundverordnung zu dem Zweck eingeführt worden, durch Angleichung der gemeinschaftlichen Preise bestimmter landwirtschaftlicher Kulturpflanzen an die Weltmarktpreise ein besseres Marktgleichgewicht zu gewährleisten und die durch die Senkung der institutionellen Preise entstehenden Einkommenseinbussen durch eine Ausgleichszahlung an die Erzeuger, die solche Erzeugnisse anbauen, auszugleichen.

38 Wie der Rat zu Recht geltend macht, trägt dieses Ziel selbst zur Stabilisierung der Märkte und zur Sicherstellung der Versorgung im Sinne von Artikel 39 Absatz 1 Buchstaben c und d bei, auch wenn dies eine Verringerung der Gemeinschaftserzeugung und der Einkommen bestimmter Erzeuger zur Folge hatte.

39 Diese Auswirkungen sind nicht geeignet, die Rechtmässigkeit der Grundverordnung in Frage zu stellen. Die Einkommenseinbussen werden nämlich durch die Ausgleichszahlungen aufgewogen, die die griechischen Kleinerzeuger von Sojabohnen erhalten können. Insoweit ist festzuhalten, daß die Akten keinen Anhaltspunkt dafür enthalten, daß diesen Erzeugern die Beendigung der Aussaat bis zum 15. Mai etwa absolut unmöglich wäre. Ausserdem steht fest, daß die griechischen Behörden keine Schritte unternommen haben, um die Gemeinschaftsinstanzen dazu zu bewegen, das in Artikel 10 Absatz 2 der Grundverordnung vorgesehene Datum zu verschieben, wie dies nach Artikel 12 Absatz 1 siebter Gedankenstrich unter bestimmten Voraussetzungen zulässig ist.

40 Im übrigen zielt Artikel 39 Absatz 1 Buchstabe d zwar auf die Sicherstellung der Versorgung in der Gemeinschaft ab, verlangt deswegen aber entgegen dem Vorbringen der griechischen Regierung keine Selbstversorgung.

41 Somit hat der Rat mit der Festsetzung des Stichtags 15. Mai nicht gegen Artikel 39 des Vertrages verstossen.

42 Der Klagegrund der Verletzung dieser Vorschrift ist somit zurückzuweisen.

Zum Klagegrund der Verletzung des Grundsatzes des Vertrauensschutzes

43 Die griechische Regierung macht geltend, in keiner der zahlreichen Gemeinschaftsverordnungen, die von den siebziger Jahren an erlassen worden seien, um die Sojabohnenerzeugung finanziell zu stützen, sei der Zeitpunkt der Aussaat auf der jeweiligen Anbaufläche zur Voraussetzung für die Gewährung der finanziellen Beihilfe gemacht worden. Das berechtigte Vertrauen, das die Wirtschaftsteilnehmer aufgrund dieser Kontinuität hätten hegen dürfen, werde insofern durch die Grundverordnung verletzt, als darin die Gewährung der Ausgleichszahlungen von der Einhaltung des Stichtags 15. Mai abhängig gemacht werde.

44 Wenn der Grundsatz des Vertrauensschutzes auch zu den Grundprinzipien der Gemeinschaft gehört, so dürfen die Wirtschaftsteilnehmer doch nach ständiger Rechtsprechung nicht auf die Beibehaltung einer bestehenden Situation vertrauen, die die Gemeinschaftsorgane im Rahmen ihres Ermessens ändern können (Urteil vom 7. Mai 1992 in den Rechtssachen C-258/90 und C-259/90, Pesquerias de Bermeo und Naviera Laida/Kommission, Slg. 1992, I-2901, Randnr. 34). Dies gilt auf einem Gebiet wie dem der gemeinsamen Agrarpolitik und der gemeinsamen Marktorganisationen, deren Zweck eine ständige Anpassung an die Veränderungen der wirtschaftlichen Lage mit sich bringt (in diesem Sinn Urteil vom 14. Februar 1990 in der Rechtssache C-350/88, Delacre u. a./Kommission, Slg. 1990, I-395, Randnr. 33).

45 Daraus folgt, daß sich die Wirtschaftsteilnehmer nicht auf ein wohlerworbenes Recht auf Beibehaltung eines Vorteils berufen können, der sich für sie aus der Einführung der gemeinsamen Marktorganisation ergibt und der ihnen zu einem bestimmten Zeitpunkt zugute gekommen ist (Urteil vom 14. Februar 1990, Delacre u. a./Kommission, a. a. O., Randnr. 34).

46 Dies gilt im vorliegenden Fall um so mehr, als die Verordnung Nr. 3766/91, die für die Ernten des Jahres 1992 galt, in ihrem Artikel 4 Absatz 7 bereits einen Stichtag für die Stellung eines Antrags auf finanzielle Unterstützung für Nebenkulturen von Sojabohnen vorsah, der auf den 30. Mai festgesetzt war. Demnach wurde in Artikel 10 Absatz 2 der Grundverordnung nur insofern etwas vorgesehen, was gegenüber der früheren Verordnung neu war, als darin nicht der 30., sondern der 15. Mai als Stichtag festgesetzt wurde.

47 Ausserdem ist darauf hinzuweisen, daß die mit der Grundverordnung 1992 eingeführte Regelung erst ab dem Wirtschaftsjahr 1993/94 gilt. Die Sojabohnenerzeuger verfügten somit über ausreichende Zeit, um ihre Aussaattätigkeit bei Nebenkulturen an die neue Regelung anzupassen, durch die lediglich der in der vorausgehenden Verordnung festgesetzte Stichtag um 15 Tage vorverlegt wurde.

48 Nach alledem ist der Klagegrund der Verletzung des Grundsatzes des Vertrauensschutzes ebenfalls zurückzuweisen.

Zum Klagegrund der Verletzung des Grundsatzes der Gemeinschaftspräferenz

49 Die griechische Regierung trägt vor, der Rat habe mit dem Erlaß von Artikel 10 Absatz 2 der Grundverordnung den Grundsatz der Gemeinschaftspräferenz verletzt. Da die Gemeinschaftserzeuger nämlich keine Ausgleichszahlungen für Sojabohnen erhalten könnten, die von nach dem 15. Mai eingesäten Anbauflächen herrührten, würden sie im Wettbewerb gegenüber den Erzeugern aus Drittländern benachteiligt, die in der Lage seien, ihre Erzeugnisse billiger auf dem Gemeinschaftsmarkt anzubieten.

50 Hierzu genügt die Feststellung, daß der Grundsatz der Gemeinschaftspräferenz zwar von den Gemeinschaftsorganen im Rahmen der gemeinsamen Agrarpolitik berücksichtigt werden kann, daß er aber ihre Entscheidung erst nach Abwägung aller wirtschaftlichen Faktoren, die sich auf den Welthandel auswirken können, beeinflussen kann. Wie der Generalanwalt in den Abschnitten 78 bis 82 seiner Schlussanträge zu Recht ausgeführt hat, ist die Gemeinschaftspräferenz keinesfalls ein rechtliches Erfordernis, dessen Verletzung die Ungültigkeit des betreffenden Rechtsakts zur Folge hätte.

51 Somit kann die griechische Regierung nicht begründeterweise geltend machen, daß der Rat den Grundsatz der Gemeinschaftspräferenz verletzt habe.

52 Da kein Klagegrund durchgreift, ist die Klage der Griechischen Republik insgesamt abzuweisen.

Kostenentscheidung:

Kosten

53 Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Griechische Republik mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr die Kosten aufzuerlegen. Nach Artikel 69 § 4 trägt die Kommission ihre eigenen Kosten.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

für Recht erkannt und entschieden:

1) Die Klage wird abgewiesen.

2) Die Klägerin trägt die Kosten. Die Kommission trägt ihre eigenen Kosten.

Ende der Entscheidung

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