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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 18.05.1993
Aktenzeichen: C-356/90
Rechtsgebiete: EWGV, Entscheidung 90/627/EWG, Entscheidung 91/375/EWG


Vorschriften:

EWGV Art. 173 Abs. 1
EWGV Art. 93 Abs. 2
Entscheidung 90/627/EWG
Entscheidung 91/375/EWG
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Aus Artikel 3 Absatz 2 und Artikel 4 Absatz 4 der Richtlinie 87/167 über Beihilfen für den Schiffbau ergibt sich eindeutig, daß mit dieser Richtlinie eine zusammenhängende Regelung geschaffen worden ist, nach der bei der Bestimmung der Höhe einer beim Bau eines Schiffes gewährten Beihilfe nicht nur die unmittelbaren Beihilfen berücksichtigt werden, sondern auch mittelbare Beihilfen, die der Staat seiner Schiffbauindustrie gewährt.

2. Wenn es darum geht, die Unvereinbarkeit staatlicher Beihilfen mit dem Gemeinsamen Markt zu beurteilen, ist auch ein Gesetz, das diese Beihilfen vorsieht, im Verfahren nach Artikel 93 Absatz 2 und nicht im Verfahren nach Artikel 169 EWG-Vertrag zu beurteilen.

3. Hat der Rat ° ausgehend von der Feststellung der Unvereinbarkeit staatlicher Beihilfen für den Schiffbau mit dem Vertrag ° angesichts einer Reihe wirtschaftlicher und sozialer Erfordernisse von der im Vertrag vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch gemacht, diese Beihilfen dennoch als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar anzusehen, sofern die dafür in der Richtlinie 87/167 festgelegten Voraussetzungen erfuellt sind, und hat er für Produktionsbeihilfen zugunsten des Schiffbaus und des Schiffsumbaus das Kriterium gewählt, daß die in Artikel 4 Absatz 1 der Richtlinie vorgesehene gemeinsame Hoechstgrenze nicht überschritten wird, so ist diese Hoechstgrenze der Punkt, an dem nach Auffassung des Rates ein Gleichgewicht zwischen den sich widersprechenden Erfordernissen besteht, die Vorschriften des Gemeinsamen Marktes einzuhalten und ein ausreichendes Tätigkeitsniveau der europäischen Werften aufrechtzuerhalten sowie das Überleben einer leistungs- und wettbewerbsfähigen europäischen Schiffbauindustrie zu sichern.

Folglich ist die Einhaltung dieser Hoechstgrenze die wesentliche Voraussetzung dafür, daß eine Beihilfe für den Schiffbau als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar angesehen werden kann; ihre Überschreitung führt somit ohne weiteres zur Unvereinbarkeit der fraglichen Beihilfe. In diesem Zusammenhang hat die Kommission nur zu prüfen, ob diese Voraussetzung erfuellt ist.


URTEIL DES GERICHTSHOFES VOM 18. MAI 1993. - KOENIGREICH BELGIEN GEGEN KOMMISSION DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN. - BEIHILFEN FUER DEN SCHIFFBAU. - VERBUNDENE RECHTSSACHEN C-356/90 UND C-180/91.

Entscheidungsgründe:

1 Das Königreich Belgien hat mit Klageschriften, die am 6. Dezember 1990 und am 11. Juli 1991 bei der Kanzlei des Gerichthofes eingegangen sind, gemäß Artikel 173 Absatz 1 EWG-Vertrag beantragt, die am 4. Oktober 1990 zugestellte Entscheidung 90/627/EWG der Kommission vom 4. Juli 1990 betreffend die belgischen Staatskredite für zwei Reedereien zum Ankauf eines 34 000 m3-Flüssiggas-Tankers und zweier Gefrierkühlschiffe (ABl. L 338, S. 21) sowie die am 13. Mai 1991 zugestellte Entscheidung 91/375/EWG der Kommission vom 13. März 1991 betreffend Mittel, die die belgischen Behörden verschiedenen Reedern für den Bau von neun Schiffen gewährt haben (ABl. L 203, S. 105), für nichtig zu erklären.

2 Mit besonderem, am 6. Dezember 1990 zusammen mit der Klageschrift in der Rechtssache C-356/90 bei der Kanzlei des Gerichthofes eingegangenem Schriftsatz hat das Königreich Belgien gemäß den Artikeln 185 und 186 EWG-Vertrag den Antrag gestellt, den Vollzug der Entscheidung 90/627 auszusetzen und der Kommission aufzugeben, das Verwaltungsverfahren nach Artikel 93 Absatz 2 EWG-Vertrag wiederzueröffnen. Mit Beschluß vom 8. Mai 1991 (C-356/90 R, Slg. 1991, I-2423) hat der Präsident des Gerichtshofes diesen Antrag abgewiesen und die Kostenentscheidung vorbehalten.

3 Die angefochtenen Entscheidungen ergingen auf der Grundlage von Artikel 93 Absatz 2 Unterabsatz 1 EWG-Vertrag sowie der Richtlinie 87/167/EWG des Rates vom 26. Januar 1987 über Beihilfen für den Schiffbau (ABl. L 69, S. 55, im folgenden: Richtlinie).

4 Gemäß Artikel 4 Absatz 1 der Richtlinie können Produktionsbeihilfen zugunsten des Schiffbaus und des Schiffsumbaus als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar angesehen werden, sofern die Gesamthöhe der für jeden einzelnen Bauauftrag gewährten Beihilfen, in Subventionsäquivalent, eine gemeinsame, als Prozentsatz des Vertragswertes vor Beihilfe ausgedrückte Hoechstgrenze nicht überschreitet.

5 Diese Hoechstgrenze wird gemäß Artikel 4 Absätze 2 und 3 von der Kommission unter Bezugnahme auf den Unterschied zwischen den jeweiligen Kosten der wettbewerbsfähigsten Werften der Gemeinschaft und den Preisen ihrer weltweit wichtigsten Wettbewerber festgelegt. Sie wird alle zwölf Monate oder ° wenn aussergewöhnliche Umstände dies erfordern ° in kürzeren Abständen überprüft, und zwar mit dem Ziel, sie stetig zurückzuführen.

6 Gemäß Artikel 4 Absatz 4 der Richtlinie gilt die Beihilfehöchstgrenze nicht nur für alle Formen von Produktionsbeihilfen, die den Werften direkt gewährt werden, sondern auch (Artikel 3 Absätze 1 und 2) für alle Formen von Beihilfen für Reeder oder Dritte, die als Beihilfe für den Schiffbau oder Schiffsumbau zur Verfügung stehen, wenn diese Beihilfen tatsächlich für den Schiffbau oder Schiffsumbau in Werften der Gemeinschaft verwendet werden.

7 Mit den angefochtenen Entscheidungen erklärte die Kommission eine Reihe von Beihilfen für den Schiffbau, die die belgischen Behörden im Laufe des Jahres 1989 in Form von Krediten gewährt hatten, als mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar, weil ihr Subventionsäquivalent die für das Jahr 1989 festgelegte Hoechstgrenze überschritten habe; ausserdem gab sie der belgischen Regierung auf, die Bedingungen dieser Kredite zu überprüfen, um sie auf den Hoechstwert zu reduzieren.

8 Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts, des einschlägigen Gemeinschaftsrechts, des Verfahrensablaufs und des Vorbringens der Parteien wird auf den Sitzungsbericht verwiesen. Der Akteninhalt wird im folgenden nur insoweit wiedergegeben, als die Begründung des Urteils dies erfordert.

9 Das Königreich Belgien stützt seine Anträge im wesentlichen auf zwei Klagegründe. Der erste bezieht sich auf die Natur der gewährten Beihilfen: Nach Ansicht des Klägers dürfen bei der Bestimmung der Hoechstgrenze nur Beihilfen berücksichtigt werden, die tatsächtlich als Produktionsbeihilfen zur Verfügung stehen, nicht aber Betriebsbeihilfen. Der zweite Klagegrund bezieht sich auf die Bedeutung der in Artikel 4 Absatz 1 der Richtlinie vorgesehenen Hoechstgrenze.

10 Zusätzlich zum ersten Klagegrund macht die belgische Regierung auch geltend, zur Beanstandung der Betriebsbeihilfen hätte die Kommission das Verfahren nach Artikel 169 einleiten müssen. Zusätzlich zum zweiten Klagegrund bringt die belgische Regierung vor, es sei die in Artikel 190 EWG-Vertrag verankerte Begründungspflicht verletzt und das rechtliche Gehör nicht gewahrt worden.

Zum ersten Klagegrund (Unterscheidung zwischen Produktionsbeihilfen und Betriebsbeihilfen)

11 Beihilfen für den Schiffbau sind in Belgien in dem ° mehrmals geänderten ° Gesetz vom 23. August 1948 (im folgenden: Gesetz) geregelt, das die Aufrechterhaltung und Entwicklung der Handelsmarine, der Hochseefischerei und des Schiffbaus sicherstellen soll und das hierfür einen Fonds de l' armement et des constructions maritimes (Fonds für Ausrüstung und Schiffbau) schuf.

12 Der belgischen Regierung zufolge werden mit dem Gesetz, das der Kommission ordnungsgemäß mitgeteilt wurde, zwei Ziele verfolgt: Zum einen gehe es um unmittelbare Beihilfen, die im Rahmen eines bestimmten Vertrages Werften für den Bau oder den Umbau eines Schiffes gewährt würden; zum anderen handele es sich um Betriebsbeihilfen für Reeder, mit denen ein Anreiz gegeben werden solle, Schiffahrt ° auch mit in Drittländern gebauten Schiffen ° unter belgischer oder luxemburgischer Flagge zu betreiben, und bei denen es ganz unabhängig von einem mit einer Werft über den Bau oder Umbau eines Schiffes abgeschlossenen Vertrag um die Beschäftigung und die Modernisierung der Schiffe eines bestimmten Reeders gehe.

13 Nach Ansicht der belgischen Regierung fällt nur die erste Gruppe von Beihilfen in den Anwendungsbereich der Richtlinie, deren Zweck es sei, eine Vergrösserung der Kapazität der Werften in der Gemeinschaft zu verhindern; die Kommission hätte also von der Gesamtsumme der gewährten Kredite den Teil, bei dem es um "Betriebsbeihilfen" gehe, abziehen müssen und nur den Anteil berücksichtigen dürfen, bei dem es sich um "Produktionsbeihilfe" handle; nur zu letzterer sei festzustellen gewesen, ob sie, in Subventionsäquivalent, mit der maßgeblichen gemeinsamen Hoechstgrenze vereinbar sei. Wäre die Kommission so vorgegangen, so hätte sie eine Überschreitung der Hoechstgrenze nicht feststellen und die fraglichen Beihilfen nicht für unvereinbar mit dem Gemeinsamen Markt erklären können.

14 Wie der Generalanwalt zu Recht hervorgehoben hat, ist mit der Richtlinie eine zusammenhängende Regelung geschaffen worden, nach der bei der Bestimmung der Höhe einer beim Bau eines Schiffes gewährten Beihilfe nicht nur die unmittelbaren Beihilfen berücksichtigt werden, sondern auch mittelbare Beihilfen, die der Staat seiner Schiffbauindustrie gewährt. Dies ergibt sich eindeutig aus Artikel 4 Absatz 4 der Richtlinie, wonach die Beihilfehöchstgrenze nicht nur für alle Formen von Produktionsbeihilfen gilt, die den Werften direkt gewährt werden, sondern auch für die Beihilfen nach Artikel 3 Absatz 2, denn diese Vorschrift bezieht sich auf alle Formen von Beihilfen für Reeder oder Dritte, wenn sie tatsächlich für den Schiffbau oder Schiffsumbau in Werften der Gemeinschaft verwendet werden.

15 Im vorliegenden Fall lässt sich den streitigen Entscheidungen entnehmen, daß die fraglichen Beihilfen tatsächlich für den Bau von Schiffen auf belgischen Werften bestimmt waren. Da die belgische Regierung keinerlei Gegenbeweis vorgelegt hat, kann also nicht bestritten werden, daß die Beihilfen in den Anwendungsbereich der Richtlinie fallen.

16 Der erste Klagegrund ist demnach zurückzuweisen.

17 Zusätzlich macht die belgische Regierung geltend, eine eventuelle Unvereinbarkeit der Unterscheidung zwischen Baubeihilfen und Betriebsbeihilfen mit der Richtlinie ergebe sich nicht aus den in den streitigen Entscheidungen behandelten Beihilfen, vielmehr gehe sie auf das Gesetz vom 23. August 1948 selbst zurück; die Kommission hätte also ein Verfahren nach Artikel 169 EWG-Vertrag und nicht das in Artikel 93 Absatz 2 für Beihilfen vorgesehene besondere Verfahren einleiten müssen.

18 Wie sich aus dem Urteil vom 30. Januar 1985 in der Rechtssache 290/83 (Kommission/Frankreich, Slg. 1985, 439) ergibt, ist auch ein Gesetz, das Beihilfen vorsieht, im Verfahren nach Artikel 93 Absatz 2 zu beurteilen, wenn es darum geht, die Unvereinbarkeit dieser Beihilfen als solcher mit dem Gemeinsamen Markt festzustellen.

19 Da es um Beihilfen geht, deren Vereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt die Kommission prüfen wollte, konnte sie somit nur nach Artikel 93 Absatz 2 vorgehen.

20 Auch der zusätzliche Klagegrund ist demnach zurückzuweisen.

Zum zweiten Klagegrund (Bedeutung der in Artikel 4 Absatz 1 der Richtlinie genannten Hoechstgrenze)

21 Nach Ansicht der belgischen Regierung hat sich die Kommission, die der gemeinsamen, in Artikel 4 Absatz 1 der Richtlinie vorgesehenen Hoechstgrenze eine absolute Bedeutung beigemessen habe, zu Unrecht auf die schlichte Feststellung beschränkt, die streitigen Beihilfen überschritten diese Hoechstgrenze, und daraus automatisch ihre Unvereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt abgeleitet.

22 Demgegenüber könne sowohl aus den Begründungserwägungen der Richtlinie, deren Zweck es sei, gegen Überkapazitäten im Schiffbau der Gemeinschaft anzugehen, als auch aus dem Wortlaut des Artikels 4 Absatz 1 ("können") gefolgert werden, daß diese Vorschrift nur eine ausdrückliche Vermutung der Vereinbarkeit von Beihilfen, die die Hoechstgrenze nicht überschritten, und eine stillschweigende Vermutung der Unvereinbarkeit von Beihilfen, die die Hoechstgrenze überschritten, begründe. Es handele sich insofern um blosse Vermutungen in dem Sinne, daß im ersten Fall nicht ausgeschlossen sei, daß die Kommission auch eine die Hoechstgrenze nicht überschreitende Beihilfe für mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar erkläre, und daß im zweiten Fall der betroffene Mitgliedstaat nachweisen könne, daß eine konkrete Beihilfe trotz Überschreitung der Hoechstgrenze als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar anzusehen sei.

23 Diese Auslegung rechtfertige sich im wesentlichen dadurch, daß die Richtlinie als abgeleitetes Recht vom Primärrecht, im vorliegenden Fall von den Artikeln 92 und 93 EWG-Vertrag, nicht abweichen könne. Diese enthielten zum einen die Kriterien für die Unvereinbarkeit einer Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt, und sie begründeten zum anderen für die Kommission die Verpflichtung, in jedem Fall eine besondere und genaue Prüfung anhand dieser Kriterien vorzunehmen. Die Richtlinie könne also nicht dahin ausgelegt werden, daß sie eine Hoechstgrenze vorsehe, die stets ° ohne daß ein Gegenbeweis möglich wäre ° eingehalten werden müsse.

24 Artikel 92 Absatz 1 stellt zunächst das grundsätzliche Verbot auf, staatliche Beihilfen zu gewähren, die den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen, soweit sie den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen; in Absatz 2 sind die Beihilfen aufgeführt, die in jedem Fall mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar sind, und Absatz 3 nennt die Beihilfen, die als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar angesehen werden können.

25 Aus dem Aufbau und dem System des Artikels 92 ergibt sich, daß sein Absatz 3 die Möglichkeit eröffnet, in bestimmten Fällen für Beihilfen, die sonst mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar wären, vom Beihilfeverbot abzuweichen. Dafür ist die Erfuellung und das Gewicht bestimmter ° insbesondere sozialer und regionaler ° Anforderungen maßgeblich, die Berücksichtigung verdienen und es rechtfertigen können, von der Unvereinbarkeit abzusehen.

26 Ausserdem erlaubt es Artikel 92 Absatz 3 Buchstabe d dem Rat auf Vorschlag der Kommission mit qualifizierter Mehrheit den Kreis der Beihilfen, die als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar angesehen werden können, über die unter den Buchstaben a, b und c aufgeführten Gruppen hinaus zu erweitern.

27 Von dieser Möglichkeit hat der Rat mit dem Erlaß der Richtlinie 87/167, der sechsten Richtline über Beihilfen für den Schiffbau, Gebrauch gemacht.

28 Eine Untersuchung der Richtlinie und insbesondere ihrer Begründungserwägungen zeigt, daß der Rat wie auch schon in den früheren Richtlinien den fraglichen Bereich untersucht und dabei folgendes festgestellt hat: Zum einen seien Beihilfen für den Schiffbau angesichts der in diesem Sektor herrschenden Krise mit den Interessen des Gemeinsamen Marktes nicht vereinbar, weil sie die Abschottung des Binnenmarktes verstärkten (fünfte Begründungserwägung); zum anderen sei es im Hinblick auf die im Vergleich zu den Werften einiger Drittländer bei den meisten Schiffstypen bestehenden Kostenunterschiede und angesichts der Notwendigkeit, die Umstrukturierung zahlreicher Werften zu fördern, nicht möglich, die Beihilfen sofort abzuschaffen, es sei aber eine straffere und gezieltere Beihilfepolitik unerläßlich, insbesondere um dem innergemeinschaftlichen Wettbewerb gerechtere und einheitlichere Rahmenbedingungen zu garantieren (sechste Begründungserwägung).

29 In der vierten Begründungserwägung wird auch darauf hingewiesen, daß eine wettbewerbsfähige Werftindustrie für die Gemeinschaft von lebenswichtigem Interesse sei, daß diese Industrie zur wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung der Gemeinschaft beitrage und daß sie Arbeitsplätze in einer Anzahl von Gebieten sichere, die bereits unter hoher Arbeitslosigkeit litten.

30 Demnach hat der Rat ° entsprechend der Ratio des Artikels 92 Absatz 3 und ausgehend von der Feststellung der Unvereinbarkeit der Beihilfen für den Schiffbau ° angesichts einer Reihe wirtschaftlicher und sozialer Erfordernisse von der im Vertrag vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch gemacht, diese Beihilfen dennoch als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar anzusehen, sofern die dafür in der Richtlinie (Artikel 1 Buchstabe d zweiter Absatz) festgelegten Voraussetzungen erfuellt sind.

31 Für Produktionsbeihilfen zugunsten des Schiffbaus und des Schiffsumbaus gilt als Kriterium, daß die in Artikel 4 Absatz 1 der Richtlinie vorgesehene gemeinsame Hoechstgrenze nicht überschritten wird. Diese Hoechstgrenze ist nach Auffassung des Rates der Punkt, an dem ein Gleichgewicht zwischen den ° sich widersprechenden ° Erfordernissen besteht, die Vorschriften des Gemeinsamen Marktes einzuhalten und ein ausreichendes Tätigkeitsniveau der europäischen Werften aufrechtzuerhalten sowie das Überleben einer leistungs- und wettbewerbsfähigen europäischen Schiffbauindustrie zu sichern (sechste Begründungserwägung der Richtlinie).

32 Demgemäß ist die Einhaltung der streitigen Hoechstgrenze die wesentliche Voraussetzung dafür, daß eine Beihilfe für den Schiffbau als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar angesehen werden kann; ihre Überschreitung führt somit ohne weiteres zur Unvereinbarkeit der fraglichen Beihilfe.

33 Die Kommission hat in diesem Zusammenhang also nur zu prüfen, ob die genannte Voraussetzung erfuellt ist. Würde man, wie es die belgische Regierung für richtig hält, verlangen, daß die Kommission in jedem einzelnen Fall erneut prüft, ob die Beihilfen nach Maßgabe der in Artikel 92 Absatz 1 aufgeführten Merkmale als vereinbar angesehen werden können, so würde damit nicht nur der Richtlinie jede praktische Wirksamkeit genommen; dies wäre auch unlogisch, da es sich um eine Ausnahmeregelung handelt, die notwendig voraussetzt, daß die fraglichen Beihilfen zunächst mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar sind.

34 Nach alledem ist der zweite Klagegrund zurückzuweisen.

35 Mit einem zusätzlichen Klagegrund ° Verletzung von Artikel 190 EWG-Vertrag und des Anspruchs auf rechtliches Gehör ° macht die belgische Regierung geltend, die angefochtenen Entscheidungen wiesen deshalb einen Begründungsmangel auf, weil die Kommission in keiner Weise dartü, daß die Gewährung der streitigen Beihilfen das mit der Richtlinie verfolgte Ziel verletze, eine Vergrösserung der Werftenkapazität in der Gemeinschaft zu verhindern. Auch sei das rechtliche Gehör nicht gewahrt worden, denn die Kommission habe dem Kläger nicht die Möglichkeit gegeben, zu beweisen, daß die Beihilfen mit dem Gemeinsamen Markt nicht unvereinbar seien.

36 Wie die belgische Regierung selbst einräumt, stehen diese beiden Vorwürfe in engem Zusammenhang mit dem Hauptargument, das sich auf die Bedeutung der streitigen Hoechstgrenze bezieht. Da dieses Argument nicht stichhaltig ist, lässt sich der Kommission nicht vorwerfen, sie habe nur die Einhaltung der Hoechstgrenze geprüft und keine weiteren Untersuchungen angestellt. Es bedurfte daher keiner anderen Begründung als der Feststellung, daß die Hoechstgrenze überschritten sei; deshalb brauchte der betroffene Mitgliedstaat auch nicht zu Fragen gehört werden, die von der Kommission nicht zu prüfen waren.

37 Auch der zusätzliche Klagegrund ist somit zurückzuweisen.

38 Nach alledem ist die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

Kostenentscheidung:

Kosten

39 Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung hat die unterliegende Partei die Kosten zu tragen. Da das Königreich Belgien mit seinem Vorbringen unterlegen ist, sind ihm die Kosten, einschließlich der Kosten des Verfahrens der einstweiligen Anordnung, aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

für Recht erkannt und entschieden:

1) Die Klagen werden abgewiesen.

2) Das Königreich Belgien trägt die Kosten des Verfahrens, einschließlich der Kosten des Verfahrens der einstweiligen Anordnung.

Ende der Entscheidung

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