Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 22.10.1998
Aktenzeichen: C-36/97
Rechtsgebiete: Verordnung (EWG) Nr. 1765/92, EGV


Vorschriften:

Verordnung (EWG) Nr. 1765/92 Art. 15 Abs. 3
EGV Art. 5
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Artikel 15 Absatz 3 der Verordnung Nr. 1765/92 zur Einführung einer Stützungsregelung für Erzeuger bestimmter landwirtschaftlicher Kulturpflanzen und Artikel 30a der Verordnung Nr. 805/68 über die gemeinsame Marktorganisation für Rindfleisch in der Fassung der Verordnung Nr. 2066/92, die vorschreiben, daß die in den betreffenden Verordnungen vorgesehenen Ausgleichszahlungen und Prämien, durch die den von den Folgen der Reform der gemeinsamen Agrarpolitik betroffenen Landwirten ein Ausgleich gewährt werden soll, den Begünstigten ungeschmälert auszuzahlen sind, verbieten es den nationalen Behörden, Antragstellern für die Bearbeitung ihrer Anträge auf Stützungszahlungen bzw. Beihilfe Verwaltungsgebühren aufzuerlegen, auch wenn diese Verwaltungsgebühren den im nationalen Recht üblichen Sätzen entsprechen und so niedrig sind, daß sie den Antragsteller von der Beantragung der Stützungszahlung bzw. Beihilfe nicht abhalten.

Würde nämlich den Mitgliedstaaten die Befugnis zuerkannt, die Ausgleichszahlungen durch den Abzug von Verwaltungsgebühren zu kürzen, so würde dies zu einem unterschiedlichen Ausgleich der Einkommenseinbussen der Landwirte ein und desselben Mitgliedstaats sowie der Landwirte verschiedener Mitgliedstaaten führen, was die einheitliche Anwendung des Gemeinschaftsrechts beeinträchtigen könnte, die notwendig ist, um zu vermeiden, daß die Wirtschaftsteilnehmer ungleich behandelt werden.

Mit dem Erlaß der genannten Verordnungen hat der Rat im übrigen weder gegen Artikel 5 des Vertrages noch gegen den Grundsatz der Verhältnismässigkeit verstossen, da das verfolgte Ziel nur durch die Verpflichtung erreicht werden kann, die Ausgleichszahlungen den betroffenen Landwirten ungeschmälert auszuzahlen.


Urteil des Gerichtshofes (Sechste Kammer) vom 22. Oktober 1998. - Hilmar Kellinghusen gegen Amt für Land- und Wasserwirtschaft Kiel und Ernst-Detlef Ketelsen gegen Amt für Land- und Wasserwirtschaft Husum. - Ersuchen um Vorabentscheidung: Schleswig- Holsteinisches Verwaltungsgericht - Deutschland. - Gemeinsame Agrarpolitik - Verwaltungsgebühren - Erhebung von den Begünstigten. - Verbundene Rechtssachen C-36/97 und C-37/97.

Entscheidungsgründe:

1 Das Schleswig-Holsteinische Verwaltungsgericht hat mit Beschlüssen vom 18. Oktober 1996, beim Gerichtshof eingegangen am 27. Januar 1997, gemäß Artikel 177 EG-Vertrag zwei Fragen nach der Auslegung und der Gültigkeit des Artikels 15 Absatz 3 der Verordnung (EWG) Nr. 1765/92 des Rates vom 30. Juni 1992 zur Einführung einer Stützungsregelung für Erzeuger bestimmter landwirtschaftlicher Kulturpflanzen (ABl. L 181, S. 12) (Rechtssache C-36/97) bzw. des Artikels 30a der Verordnung (EWG) Nr. 805/68 des Rates vom 27. Juni 1968 über die gemeinsame Marktorganisation für Rindfleisch (ABl. L 148, S. 24) in der Fassung der Verordnung (EWG) Nr. 2066/92 des Rates vom 30. Juni 1992 zur Änderung dieser Verordnung und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 468/87 mit allgemeinen Bestimmungen zur Regelung der Sonderprämie für Rindfleischerzeuger sowie der Verordnung (EWG) Nr. 1357/80 zur Einführung einer Prämienregelung für die Erhaltung des Mutterkuhbestandes (ABl. L 215, S. 49) (Rechtssache C-37/97) zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2 Diese Fragen stellen sich in Verfahren, in denen die Kläger Kellinghusen und Ketelsen beim Verwaltungsgericht Klage gegen Bescheide der beklagten Ämter für Land- und Wasserwirtschaft Kiel bzw. Husum über die Gewährung von direkten Einkommensbeihilfen an Erzeuger erhoben haben.

Rechtlicher Rahmen

3 Mit der Verordnung Nr. 1765/92 wurde eine Regelung für Ausgleichszahlungen für Erzeuger bestimmter landwirtschaftlicher Kulturpflanzen eingeführt. Gemäß Artikel 2 Absatz 1 dieser Verordnung können die Erzeuger landwirtschaftlicher Kulturpflanzen in der Gemeinschaft unter im einzelnen festgelegten Bedingungen eine Ausgleichszahlung beantragen.

4 Artikel 15 Absatz 3 der Verordnung Nr. 1765/92 bestimmt:

"Die Zahlungen gemäß dieser Verordnung sind den Begünstigten ungeschmälert auszuzahlen."

5 Artikel 30a der Verordnung Nr. 805/68, der in diese Verordnung durch Artikel 1 Nummer 5 der Verordnung Nr. 2066/92 eingefügt wurde, bestimmt:

"Die nach Maßgabe dieser Verordnung zu zahlenden Beträge werden in voller Höhe an die Begünstigten ausgezahlt."

6 In Schleswig-Holstein werden für die Zahlung der direkten Einkommensbeihilfen an Erzeuger Verwaltungs- und Kontrollgebühren erhoben. Diese Gebührenerhebung erfolgt auf der Grundlage der Landesverordnung über Verwaltungsgebühren, in die durch die Änderungsverordnung vom 29. Oktober 1993 die Tarifstellen 15.15 bis 15.17 eingefügt wurden; diese erstrecken mit Wirkung vom 1. Januar 1994 die Erhebung von Verwaltungsgebühren auf bestimmte Bereiche.

7 Diese Tarifstellen lauten wie folgt:

"15.15 Gewährung einer Ausgleichszahlung nach Artikel 2 Absatz 1 der Verordnung (EWG) Nr. 1765/92...

a) Grundgebühr (in DM)

bei einer Kulturpflanzenfläche bis 2 ha 30 bei einer Kulturpflanzenfläche über 2 ha bis 13,51 ha 50 bei einer Kulturpflanzenfläche über 13,51 ha 80

b) zuzueglich je ha Kulturpflanzenfläche, ausgenommen Kleinerzeuger nach Artikel 8 Absatz 2 (in DM) 3

...

15.16 Gewährung einer Sonderprämie für Rindfleischerzeuger nach Artikel 4b Absatz 1 der Verordnung (EWG) Nr. 805/68 des Rates in der Fassung der Verordnung (EWG) Nr. 2066/92...

a) Grundgebühr (in DM)

bis 10 Rinder 30

über 10 bis 30 Rinder 50

über 30 Rinder 80

b) zuzueglich je Rind (in DM) 2

...

15.17 Gewährung einer Prämie für die Erhaltung des Mutterkuhbestandes nach Artikel 4d Absatz 1 der Verordnung (EWG) Nr. 805/68 des Rates in der Fassung der Verordnung (EWG) Nr. 2066/92...

a) Grundgebühr (in DM)

bis 10 Mutterkühe 30

über 10 bis 30 Mutterkühe 50

über 30 Mutterkühe 80

b) zuzueglich je Mutterkuh (in DM) 2"

Die Ausgangsrechtsstreitigkeiten

8 Mit Bescheiden vom 30. September 1994, 30. November 1994 und 31. März 1995 bewilligte das Amt für Land- und Wasserwirtschaft Kiel dem Kläger Kellinghusen antragsgemäß für das Wirtschaftsjahr 1994/95 Ausgleichszahlungen bezogen auf eine Fläche von insgesamt 236,5 ha für die Erzeugung von Getreide, Eiweisspflanzen und Ölsaaten sowie für konjunkturelle Stillegung in Höhe von insgesamt 175 945,07 DM. Mit gesondertem Bescheid vom 30. September 1994 erhob das Amt hierfür eine Gebühr in der Höhe von 788 DM, die sich aus einer Grundgebühr von 80 DM und einem weiteren Betrag von 3 DM je ha Kulturpflanzenfläche zusammensetzte.

9 Mit Bescheid vom 31. März 1995 bewilligte das Amt für Land- und Wasserwirtschaft Husum dem Kläger Ketelsen antragsgemäß für das Wirtschaftsjahr 1994 für 67 Rinder die Sonderprämie für Rindfleischerzeuger in der Höhe von 23 305,92 DM. Mit gesondertem Bescheid vom 31. März 1995 wurde vom Beklagten hierfür eine Gebühr in Höhe von 214 DM erhoben.

10 Nach erfolglosem Widerspruch gegen diese Gebührenbescheide erhoben die Kläger am 20. Januar 1995 bzw. am 28. Dezember 1995 Klage vor dem Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgericht.

11 Das Verwaltungsgericht ist der Auffassung, daß die im Allgemeinen Gebührentarif in den Tarifstellen 15.15 bis 15.17 festgelegten Gebühren so bemessen sind, daß zwischen der den Verwaltungsaufwand berücksichtigenden Höhe der Gebühr und dem wirtschaftlichen Wert oder dem sonstigen Nutzen der Amtshandlung für den Kostenschuldner ein angemessenes Verhältnis besteht (Äquivalenzprinzip). Die Gebühren entsprächen auch dem Kostendeckungsprinzip, wonach die Gebühren so bemessen sein müssten, daß sie die Kosten des Verwaltungsaufwands deckten, aber nicht überstiegen. Gleichwohl hat das Verwaltungsgericht Bedenken, ob die Erhebung der Verwaltungsgebühren mit den Regelungen des Artikels 15 Absatz 3 der Verordnung Nr. 1765/92 bzw. des Artikels 30a der Verordnung Nr. 805/68 in der Fassung der Verordnung Nr. 2066/92 vereinbar ist.

12 Das Verwaltungsgericht hat daher die beiden Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Rechtssache C-36/97

1. Ist Artikel 15 Absatz 3 der Verordnung (EWG) Nr. 1765/92 des Rates vom 30. Juni 1992 zur Einführung einer Stützungsregelung für Erzeuger bestimmter landwirtschaftlicher Kulturpflanzen (ABl. L 181, S. 12) dahin auszulegen, daß er den Behörden in den Mitgliedstaaten verbietet, den Antragstellern für die Bearbeitung ihrer Anträge auf Stützungszahlungen Verwaltungsgebühren aufzuerlegen, wenn diese Verwaltungsgebühren den auch sonst im nationalen Recht üblichen Sätzen entsprechen und so niedrig sind, daß sie den Antragsteller nicht von der Beantragung der Stützungszahlung abhalten können?

2. Falls die Frage zu 1 bejaht wird:

Verstösst Artikel 15 Absatz 3 der genannten Verordnung des Rates gegen höherrangiges Gemeinschaftsrecht, insbesondere den Grundsatz der Gemeinschaftsloyalität nach Artikel 5 EG-Vertrag, das Verhältnismässigkeitsprinzip nach Artikel 3b Absatz 3 EG-Vertrag und das Subsidiaritätsprinzip nach Artikel 3b Absatz 2 EG-Vertrag?

Rechtssache C-37/97

1. Ist Artikel 30a der Verordnung (EWG) Nr. 2066/92 des Rates vom 30. Juni 1992 zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 805/68 über die Gemeinsame Marktorganisation für Rindfleisch und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 468/87 mit allgemeinen Bestimmungen zur Regelung der Sonderprämie für Rindfleischerzeuger sowie der Verordnung (EWG) Nr. 1357/80 zur Einführung einer Prämienregelung für die Erhaltung des Mutterkuhbestandes (ABl. L 215, S. 49) dahin auszulegen, daß er den Behörden in den Mitgliedstaaten verbietet, den Antragstellern für die Bearbeitung ihrer Beihilfeanträge Verwaltungsgebühren aufzuerlegen, wenn diese Verwaltungsgebühren den auch sonst im nationalen Recht üblichen Sätzen entsprechen und so niedrig sind, daß sie den Antragsteller nicht von der Beantragung der Beihilfe abhalten können?

2. Falls die Frage zu 1 bejaht wird:

Verstösst Artikel 30a der genannten Verordnung des Rates gegen höherrangiges Gemeinschaftsrecht, insbesondere den Grundsatz der Gemeinschaftsloyalität nach Artikel 5 EG-Vertrag, das Verhältnismässigkeitsprinzip nach Artikel 3b Absatz 3 EG-Vertrag und das Subsidiaritätsprinzip nach Artikel 3b Absatz 2 EG-Vertrag?

13 Mit Beschluß des Präsidenten des Gerichtshofes vom 18. März 1997 sind die beiden Rechtssachen zu gemeinsamem schriftlichen und mündlichen Verfahren und zu gemeinsamer Entscheidung verbunden worden.

Zur ersten Frage

14 Die Kläger, die deutsche Regierung und die Kommission sind angesichts des Wortlauts und der Zielsetzung der einschlägigen Bestimmungen der Auffassung, diese verböten nicht nur eine unmittelbare Kürzung der Ausgleichszahlungen, sondern auch eine indirekte Reduzierung, etwa durch eine Gebührenerhebung.

15 Die beklagten Ämter sowie die griechische und die schwedische Regierung hingegen machen geltend, die streitigen Vorschriften stuenden der Gebührenerhebung nicht entgegen, sie verlangten nur eine Auszahlung in voller Höhe.

16 Die Verordnungen der Gemeinschaft sollen in allen Mitgliedstaaten einheitlich angewendet werden und im gesamten Gebiet der Gemeinschaft so weit wie möglich die gleiche Wirkung entfalten (vgl. Urteil vom 14. Januar 1981 in der Rechtssache 819/79, Deutschland/Kommission, Slg. 1981, 21, Randnr. 10).

17 Nach dem Wortlaut des Artikels 15 Absatz 3 der Verordnung Nr. 1765/92 und des Artikels 30a der Verordnung Nr. 805/68 in der Fassung der Verordnung Nr. 2066/92 sind die jeweiligen Zahlungen den Begünstigten "in voller Höhe" bzw. "ungeschmälert" auszuzahlen.

18 Ausserdem heisst es in der zweiten Begründungserwägung der Verordnung Nr. 1765/92, wie der Gerichtshof in dem Urteil vom 19. Mai 1998 in der Rechtssache C-132/95 (Jensen und Korn- og Foderstofkompagniet, Slg. 1998, I-2975, Randnr. 59) festgestellt hat, ausdrücklich, daß die Ausgleichszahlungen die Einkommenseinbussen ausgleichen sollen, die durch die Senkung der institutionellen Preise im Rahmen der aufgrund der Reform der gemeinsamen Agrarpolitik eingeführten neuen Stützungsregelung für Erzeuger bestimmter landwirtschaftlicher Kulturpflanzen entstehen. Nach der dritten Begründungserwägung der Verordnung Nr. 2066/92 besteht der Zweck der betreffenden Prämien darin, einen weitgehenden Ausgleich für die sich für die Erzeuger ergebenden Konsequenzen der Senkung des Interventionspreises im Rindfleischsektor zu gewähren.

19 Wie die Kommission zu Recht ausgeführt hat, kann das Ziel eines Ausgleichs der aufgrund der Senkung der institutionellen Preise entstandenen Einkommenseinbussen nur erreicht werden, wenn die Ausgleichszahlungen den von der Reform der gemeinsamen Agrarpolitik betroffenen Landwirten ungeschmälert ausgezahlt werden.

20 Würde nämlich den Mitgliedstaaten die Befugnis zuerkannt, die Ausgleichszahlungen durch den Abzug von Verwaltungsgebühren zu kürzen, so würde dies zu einem unterschiedlichen Ausgleich der Einkommenseinbussen der Landwirte ein und desselben Mitgliedstaats sowie der Landwirte verschiedener Mitgliedstaaten führen, was die einheitliche Anwendung des Gemeinschaftsrechts beeinträchtigen könnte, die notwendig ist, um zu vermeiden, daß die Wirtschaftsteilnehmer ungleich behandelt werden (Urteil Jensen und Korn- og Foderstofkompagniet, Randnr. 49).

21 Hieraus folgt, daß Artikel 15 Absatz 3 der Verordnung Nr. 1765/92 und Artikel 30a der Verordnung Nr. 805/68 in der Fassung der Verordnung Nr. 2066/92 es den nationalen Behörden verbieten, die Zahlungen zu kürzen oder für die Bearbeitung der Anträge Verwaltungsgebühren zu erheben, die eine Verringerung des Beihilfebetrags bewirken.

22 Die beklagten Ämter sowie die griechische und die schwedische Regierung stützen ihr Vorbringen, diese Bestimmungen verböten nicht den Abzug von Verwaltungsgebühren vom Betrag der gewährten Beihilfen, darauf, daß der Gerichtshof eine solche Praxis in dem Urteil vom 15. September 1982 in der Rechtssache 233/88 (Denkavit Futtermittel, Slg. 1982, 2933, Randnr. 10) zugelassen habe, das die Auslegung des Artikels 10 der Verordnung (EWG) Nr. 1725/79 der Kommission vom 26. Juli 1979 über die Durchführungsbestimmungen zur Gewährung von Beihilfen für zu Mischfutter verarbeitete Magermilch und für zur Kälberfütterung bestimmtes Magermilchpulver (ABl. L 199, S. 1) betraf.

23 Jedoch enthielt die Verordnung Nr. 1725/79 anders als die Verordnungen Nr. 1765/92 und Nr. 805/68 in der geänderten Fassung, die die ungeschmälerte Auszahlung der Beihilfen vorsehen, keine Regelung über die Kosten der von den Mitgliedstaaten durchzuführenden Kontrollen (vgl. Urteil Denkavit Futtermittel, Randnr. 7). Da es der Wortlaut der Verordnung Nr. 1725/79 den Mitgliedstaaten nicht verbot, diese Kontrollen unentgeltlich durchzuführen, aber auch nicht, von den betroffenen Unternehmen die Erstattung der Kosten dieser Kontrollen zu verlangen, stellte der Gerichtshof in den Randnummern 8 und 9 des genannten Urteils fest, daß die Gemeinschaftsregelung den Mitgliedstaaten die Entscheidung über die Finanzierung der Kontrollen überlasse.

24 Die beklagten Ämter machen weiter geltend, die Bestimmungen über die ungeschmälerte Zahlung dürften nicht im Sinne eines Verbotes der Erhebung von Verwaltungsgebühren ausgelegt werden, da diese in den Begründungserwägungen der Verordnungen Nr. 1765/92 und Nr. 2066/92 nicht angesprochen würden. Das Fehlen einer solchen Begründung spreche gegen diese Auslegung, da das Verbot, Verwaltungsgebühren zu erheben, eine erhebliche Abweichung von dem Grundsatz der Zulässigkeit von Gebührenerhebungen durch die Mitgliedstaaten wäre.

25 Wie der Generalanwalt in Nummer 19 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, haben die beklagten Ämter das Bestehen eines solchen allgemeinen Grundsatzes des Gemeinschaftsrechts jedoch nicht dargetan.

26 Die beklagten Ämter machen schließlich geltend, für ihre Auslegung spreche, daß nicht alle vom Rat im Rahmen der Reform der gemeinsamen Agrarpolitik erlassenen Verordnungen den Artikeln 15 Absatz 3 der Verordnung Nr. 1765/92 und 30a der Verordnung Nr. 805/68 in der Fassung der Verordnung Nr. 2066/92 entsprechende Vorschriften enthielten. Hieraus folge, daß diese Vorschriften nur deklaratorisch seien und sich nicht auf die Verwaltungsgebühren bezögen.

27 Artikel 15 Absatz 3 der Verordnung Nr. 1765/92 und Artikel 30a der Verordnung Nr. 805/68 in der Fassung der Verordnung Nr. 2066/92 können jedoch nicht im Licht von Verordnungen ausgelegt werden, die keine Vorschriften über eine ungeschmälerte Auszahlung der Beihilfen an die Begünstigten enthalten.

28 Dieses Argument ist somit ebenfalls zu verwerfen.

29 Die erste Vorlagefrage ist demgemäß dahin zu beantworten, daß Artikel 15 Absatz 3 der Verordnung Nr. 1765/92 und Artikel 30a der Verordnung Nr. 805/68 in der Fassung der Verordnung Nr. 2066/92 es den nationalen Behörden verbieten, Antragstellern für die Bearbeitung ihrer Anträge auf Stützungszahlungen bzw. Beihilfe Verwaltungsgebühren aufzuerlegen, auch wenn diese Verwaltungsgebühren den im nationalen Recht üblichen Sätzen entsprechen und so niedrig sind, daß sie den Antragsteller von der Beantragung der Stützungszahlung bzw. Beihilfe nicht abhalten.

Zur zweiten Frage

30 Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes gilt für die Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten und den Gemeinschaftsorganen aufgrund des Artikels 5 EG-Vertrag der Grundsatz loyaler Zusammenarbeit. Dieser Grundsatz verpflichtet nicht nur die Mitgliedstaaten, alle geeigneten Maßnahmen zu treffen, um die Geltung und die Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts zu gewährleisten, sondern erlegt auch den Gemeinschaftsorganen entsprechende Pflichten zur loyalen Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten auf (vgl. insbesondere den Beschluß vom 13. Juli 1990 in der Rechtssache C-2/88 Imm., Zwartveld u. a., Slg. 1990, I-3365, Randnr. 17).

31 Wie der Gerichtshof in Randnummer 19 festgestellt hat, kann das mit den Verordnungen Nrn. 1765/92 und 2066/92 verfolgte Ziel eines Ausgleichs der aufgrund der Senkung der institutionellen Preise entstandenen Einkommenseinbussen nur erreicht werden, wenn die Ausgleichszahlungen den von der Reform der gemeinsamen Agrarpolitik betroffenen Landwirten ungeschmälert ausgezahlt werden, um so eine einheitliche Anwendung des Gemeinschaftsrechts und eine nichtdiskriminierende Behandlung der Empfänger dieser Beihilfen zu gewährleisten.

32 Mit dem Erlaß der genannten Verordnungen hat der Rat somit nicht gegen Artikel 5 EG-Vertrag verstossen.

33 Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes kommt es für die Frage, ob eine Vorschrift des Gemeinschaftsrechts dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit entspricht, darauf an, ob die gewählten Mittel zur Erreichung des angestrebten Zweckes geeignet sind und ob sie das Maß des hierzu Erforderlichen nicht übersteigen (vgl. u. a. Urteil vom 13. Mai 1997 in der Rechtssache C-233/94, Deutschland/Parlament und Rat, Slg. 1997, I-2405, Randnr. 54).

34 Das mit den Verordnungen Nrn. 1765/92 und 2066/92 verfolgte Ziel eines Ausgleichs der aufgrund der Senkung der institutionellen Preise entstandenen Einkommenseinbussen kann nur durch die Verpflichtung erreicht werden, die Ausgleichszahlungen den betroffenen Landwirten ungeschmälert auszuzahlen.

35 Das Subsidiaritätsprinzip des Artikels 3b Absatz 2 EG-Vertrag schließlich war im Zeitpunkt des Erlasses der Verordnungen Nrn. 1765/92 und 2066/92 noch nicht in Kraft; ihm kommt keine Rückwirkung zu.

36 Die zweite Frage ist demgemäß dahin zu beantworten, daß die Prüfung der Vorlagefragen nichts ergeben hat, was die Gültigkeit der Verordnungen Nrn. 1765/92 und 2066/92 in Frage stellen könnte.

Kostenentscheidung:

Kosten

37 Die Auslagen der deutschen, der griechischen und der schwedischen Regierung sowie des Rates und der Kommission, die vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in den bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreitigkeiten; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

(Sechste Kammer)

auf die ihm vom Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgericht mit Beschlüssen vom 18. Oktober 1996 vorgelegten Fragen für Recht erkannt:

1. Artikel 15 Absatz 3 der Verordnung (EWG) Nr. 1765/92 des Rates vom 30. Juni 1992 zur Einführung einer Stützungsregelung für Erzeuger bestimmter landwirtschaftlicher Kulturpflanzen und Artikel 30a der Verordnung (EWG) Nr. 805/68 des Rates vom 27. Juni 1968 über die gemeinsame Marktorganisation für Rindfleisch in der Fassung der Verordnung (EWG) Nr. 2066/92 des Rates vom 30. Juni 1992 zur Änderung der Verordnung Nr. 805/68 und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 468/87 mit allgemeinen Bestimmungen zur Regelung der Sonderprämie für Rindfleischerzeuger sowie der Verordnung (EWG) Nr. 1357/80 zur Einführung einer Prämienregelung für die Erhaltung des Mutterkuhbestandes verbieten es den nationalen Behörden, Antragstellern für die Bearbeitung ihrer Anträge auf Stützungszahlungen bzw. Beihilfe Verwaltungsgebühren aufzuerlegen, auch wenn diese Verwaltungsgebühren den im nationalen Recht üblichen Sätzen entsprechen und so niedrig sind, daß sie den Antragsteller von der Beantragung der Stützungszahlung bzw. Beihilfe nicht abhalten.

2. Die Prüfung der Vorlagefragen hat nichts ergeben, was die Gültigkeit der Verordnungen Nrn. 1765/92 und 2066/92 in Frage stellen könnte.

Ende der Entscheidung

Zurück