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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 17.01.1995
Aktenzeichen: C-360/92 P
Rechtsgebiete: EWG-Vertrag


Vorschriften:

EWG-Vertrag Art. 85
EWG-Vertrag Art. 86
EWG-Vertrag Art. 87
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Bilden zwei Mitgliedstaaten einen einheitlichen Sprachraum, so kann sich der Richter, der zu entscheiden hat, ob die Ablehnung eines Antrags auf Freistellung nach Artikel 85 Absatz 3 des Vertrages für ein in einem dieser Mitgliedstaaten eingeführtes Preisbindungssystem für Bücher durch die Kommission rechtswidrig war, nicht der Notwendigkeit entziehen, zu prüfen, inwieweit die mit diesem System verfolgten Ziele, die sich hieraus ergebenden Wettbewerbsbeschränkungen und das Verhältnis zwischen Zielen und Beschränkungen unter Berücksichtigung dieses einheitlichen Sprachraums gleich oder unterschiedlich zu beurteilen sind, je nachdem, ob sich die Beurteilung nur auf das Gebiet des Mitgliedstaats, für den das System eingeführt wurde, oder aber auf den Gemeinschaftsmarkt erstreckt.

2. Dem Wortlaut oder dem Sinn und Zweck des Artikels 85 Absatz 3 des Vertrages ist nichts zu entnehmen, was es zuließe, diese Bestimmung dahin auszulegen, daß die dort vorgesehene Möglichkeit, die Bestimmungen des Absatzes 1 für nicht anwendbar zu erklären auf bestimmte Vereinbarungen, die zur Verbesserung der Warenerzeugung oder -verteilung oder zur Förderung des technischen oder wirtschaftlichen Fortschritts beitragen, davon abhängig wäre, daß diese positiven Wirkungen nur im Gebiet des Mitgliedstaats oder der Mitgliedstaaten, in denen die an der Vereinbarung beteiligten Unternehmen niedergelassen sind, und nicht im Gebiet anderer Mitgliedstaaten eintreten. Eine solche Auslegung ist mit den grundlegenden Zielen der Gemeinschaft und mit den Begriffen "Gemeinsamer Markt" und "Binnenmarkt" selbst unvereinbar.

3. Auch wenn Artikel 190 des Vertrages die Kommission nicht verpflichtet, auf alle tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte einzugehen, die von den Unternehmen, die eine Freistellungsentscheidung begehren, vorgetragen wurden, muß die Begründung jeder beschwerenden Entscheidung doch dem Gerichtshof die Ausübung seiner Rechtmässigkeitskontrolle und den Mitgliedstaaten sowie den beteiligten Bürgern die Unterrichtung darüber ermöglichen, in welcher Weise die Kommission den Vertrag angewandt hat.

Diese Verpflichtung wird nicht erfuellt durch eine eine Freistellung nach Artikel 85 Absatz 3 des Vertrages ablehnende Entscheidung, die Entscheidungen eines in Wettbewerbssachen zuständigen nationalen Gerichts, auf die sich der Antragsteller berufen hatte, als Beweismittel für die positiven Wirkungen der Vereinbarungen, für die die Freistellung beantragt worden war, zwar anführt, aber nicht deren Inhalt erörtert und nicht die Gründe erklärt, aus denen die Schlußfolgerungen dieses Gerichts unerheblich sein sollen.


URTEIL DES GERICHTSHOFES (FUENFTE KAMMER) VOM 17. JANUAR 1995. - THE PUBLISHERS ASSOCIATION GEGEN KOMMISSION DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN. - RECHTSMITTEL - WETTBEWERB - PREISBINDUNG FUER BUECHER - ZURUECKWEISUNG EINES ANTRAGS AUF FREISTELLUNG NACH ARTIKEL 85 ABSATZ 3 - UNERLAESSLICHKEIT DER WETTBEWERBSBESCHRAENKUNGEN. - RECHTSSACHE C-360/92 P.

Entscheidungsgründe:

1 Die Publishers Association hat mit Rechtsmittelschrift, die am 17. September 1992 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, nach Artikel 49 der EWG-Satzung des Gerichtshofes ein Rechtsmittel gegen das Urteil des Gerichts erster Instanz vom 9. Juli 1992 in der Rechtssache T-66/89 (Publishers Association/Kommission, Slg. 1992, II-1995) eingelegt, mit dem das Gericht ihre Klage auf Nichtigerklärung der Entscheidung 89/44/EWG der Kommission vom 12. Dezember 1988 betreffend ein Verfahren nach Artikel 85 EWG-Vertrag (IV/27.393 und IV/27.394, Publishers Association ° Net Book Agreements; ABl. 1989, L 22, S. 12) abgewiesen hat.

2 Der Sachverhalt des Rechtsstreits ist im angefochtenen Urteil wie folgt beschrieben worden:

"2 Die angefochtene Entscheidung bezieht sich auf zwei Vereinbarungen, die im Rahmen der Klägerin geschlossen wurden, die die Mehrheit (70 bis 80 %) der im Vereinigten Königreich niedergelassenen Verleger vertritt. Die an der ersten dieser beiden Vereinbarungen beteiligten Verleger sind Mitglieder der Klägerin, die an der zweiten Vereinbarung beteiligten nicht. Nach Angaben der Klägerin sind ihre Mitglieder nicht verpflichtet, der Vereinbarung beizutreten.

3 Die Vereinbarung zwischen den Mitgliedern der Klägerin und die Vereinbarung zwischen Nichtmitgliedern enthalten im wesentlichen dieselben Bestimmungen. Der einzige Unterschied zwischen ihnen betrifft das jeweils zur Durchsetzung der Vereinbarung vorgesehene Verfahren.

Der Inhalt der Vereinbarungen 'Net Book Agreements'

4 Die 1957 unter der Bezeichnung 'Net Book Agreements' (im folgenden: NBA) geschlossenen Vereinbarungen sehen einheitliche Standardbedingungen für den Verkauf von Büchern mit gebundenem Preis, sogenannten 'net books' , vor. Nach diesen Standardverkaufsbedingungen ist es grundsätzlich untersagt, ein Buch mit gebundenem Preis zu einem niedrigeren als dem vom Verleger vorgeschriebenen Preis zu verkaufen oder zum Verkauf anzubieten oder zu erlauben, daß ein solches Buch zu einem solchen Preis verkauft wird. Die Ausnahmen von diesem Verbot (Bücher vom Lager oder aus zweiter Hand) sind in den Standardverkaufsbedingungen ausdrücklich geregelt, die es unter anderem zulassen, ein Buch mit gebundenem Preis mit einem Nachlaß an Bibliotheken, nichtgewerbliche Buchhändler (book agents) und Grossabnehmer zu verkaufen, wenn diese über eine entsprechende, vorher von der Klägerin erteilte Erlaubnis verfügen. Die Höhe und die Einzelheiten der Gewährung des Nachlasses werden in dieser Erlaubnis festgelegt.

5 Diese Bedingungen gelten für alle Verkäufe, die im Vereinigten Königreich oder in Irland von einem Grossisten oder einem Einzelhändler getätigt werden, wenn der Verleger, der das betreffende Buch veröffentlicht oder vertreibt, beschließt, dieses Buch zu einem gebundenen Einzelhandelspreis in den Verkehr zu bringen. Dagegen gelten die Standardverkaufsbedingungen nicht für Direktverkäufe eines Verlegers an einen nichtgewerblichen Kunden.

6 Die Vereinbarungen sehen ferner ein Verfahren zu ihrer Durchführung vor. Die beteiligten Unternehmen haben den Rat der Klägerin als Bevollmächtigten benannt, der die Informationen über Vertragsbrüche von Buchhändlern und allgemein jede Verletzung der für 'net books' geltenden Vertriebsbedingungen sammelt...

7 Gemäß der Klausel iv der Vereinbarungen erließ der Rat der Klägerin eine Regelung in Form von Standardbedingungen, die es den Buchhändlern gestattet, Bibliotheken, nichtgewerblichen Buchhändlern (book agents) und Grossabnehmern Nachlässe zu gewähren. Die Erlaubnis wird den Bibliotheken, nichtgewerblichen Buchhändlern oder Grossabnehmern jeweils einzeln erteilt.

...

12 Der von der Klägerin in der Form eines Memorandums veröffentlichte 'Code of Allowances' spiegelt die allgemeine Handelspraxis im Bereich der Nachlässe auf Bücher mit gebundenem Preis wieder. Nachlässe, Neuausgaben, preisgünstige Ausgaben und Remittenden sind gewöhnlich Gegenstand einer vorherigen Bekanntmachung des Verlegers in der Fachpresse. Nachlässe oder andere Vergünstigungen ° finanzieller Art oder in Form von Sachleistungen ° werden häufig nach Maßgabe der Lagerzeit gewährt. Der Code gilt nur für den Inlandsmarkt.

13 Die für Buchklubs bestimmten Ausgaben unterliegen besonderen Regeln (' Book Club Regulations' ), die für Geschäfte der Buchklubs im Gebiet des Vereinigten Königreichs gelten. Danach können die Verleger Sonderrechte nur den Buchklubs gewähren, die bei der Klägerin nach Unterzeichnung und Anerkennung dieser Regelung registriert worden sind. Die Regelung enthält unter anderem Bestimmungen über die Mitgliedschaft in den Buchklubs, legt die Bedingungen fest, zu denen die Buchklubs Bücher anbieten und verkaufen dürfen, und sieht bestimmte Beschränkungen für die Werbung vor. Überschüssige Restauflagen dürfen von einem Buchklub nur mit Zustimmung des Verlegers, der die Lizenz erteilt hat, verbilligt verkauft werden. Nach Angaben der Klägerin gilt die Regelung für Buchklubs ausschließlich für das Vereinigte Königreich.

14 Seit 1955 gestattet die Klägerin die Abhaltung eines landesweiten jährlichen Ausverkaufs von Büchern. Dies gibt den Buchhändlern und den Verlegern in den von der Klägerin gezogenen Grenzen und zu den von ihr festgelegten Bedingungen Gelegenheit, schwer absetzbare Bücher unter dem gebundenen Preis zu verkaufen und so die Ergänzung des Lagers zu finanzieren.

15 Schließlich gibt die Klägerin ein Buchhändlerjahrbuch (' Directory of Booksellers' ) heraus, das alle zwei Monate auf den neuesten Stand gebracht wird und in dem die Buchhändler aufgeführt sind, die bestimmten Anforderungen genügen und sich verpflichtet haben, die Standardbedingungen für den Verkauf von Büchern mit gebundenem Preis einzuhalten.

...

Unstreitige statistische Angaben

17 Wie sich aus den von der Klägerin nicht bestrittenen Zahlen in der angefochtenen Entscheidung ergibt, gehört die britische Verlagsindustrie zu den grössten weltweit und in der Gemeinschaft. Jährlich werden etwa 40 000 neue Bücher veröffentlicht, von denen 80 % von den Mitgliedern der Klägerin herausgegeben werden. Etwa 65 % der britischen Buchproduktion werden auf dem britischen Markt verkauft, der Rest wird ausgeführt. Etwa 25 % der Ausfuhren gehen in andere Mitgliedstaaten, 4,5 % nach Irland. Etwa 80 % der Einfuhren nach Irland stammen aus dem Vereinigten Königreich; diese Einfuhren stellen mehr als 50 % der gesamten Buchverkäufe dar.

18 Unstreitig ist auch, daß etwa 75 % der Bücher, die im Vereinigten Königreich verkauft oder von britischen Verlagen nach Irland ausgeführt werden, als Bücher mit gebundenem Preis verkauft werden.

Beurteilung der Gültigkeit der NBA durch die staatlichen Gerichte

19 Der Restrictive Practices Court (das im Vereinigten Königreich in Wettbewerbssachen zuständige Gericht) hat die Gültigkeit der NBA im Hinblick auf das britische Recht mehrfach geprüft und sie erstmals 1962 bejaht. Das Gericht hat bezueglich der Vereinbarung zwischen den Mitgliedern der Klägerin entschieden, i) daß die Aufhebung der NBA der Allgemeinheit besondere Vorteile oder Vergünstigungen nehmen würde, da sie zu einem Preisanstieg, einem Rückgang der Zahl der Buchhandlungen mit Lagerhaltung und einem Rückgang der Zahl und der Vielfalt der veröffentlichten Titel führen würde, ii) daß der Allgemeinheit kein spürbarer Schaden durch die Aufrechterhaltung der NBA im Vergleich zu den Nachteilen entstehe, die sich aus deren Aufhebung ergeben würden und iii) daß die NBA somit dem Allgemeininteresse nicht zuwiderliefen.

20 1964 entschied der Restrictive Practices Court im Rahmen eines summarischen Verfahrens aus denselben Gründen wie den in der Entscheidung von 1962 angeführten, daß die Vereinbarung zwischen 'Nichtmitgliedern' nicht dem Allgemeininteresse zuwiderlaufe.

21 1968 prüfte der Restrictive Practices Court die Gültigkeit der NBA erneut im Hinblick auf die neuen Vorschriften des Resale Prices Act 1964. Mit derselben Begründung wie in seiner Entscheidung von 1962 gewährte das Gericht eine Freistellung von dem im Resale Prices Act 1964 aufgestellten allgemeinen Verbot der Preisbindung."

3 In Artikel 1 der Entscheidung stellte die Kommission fest, daß die beiden "Net Book Agreements" (im folgenden: NBA) genannten Vereinbarungen, die im Rahmen der Rechtsmittelführerin geschlossen worden waren, sowie die Durchführungsbestimmungen und die sonstigen Bestimmungen zu den NBA eine Zuwiderhandlung gegen Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag darstellten, soweit sie den Buchhandel mit anderen Mitgliedstaaten beträfen.

4 In Artikel 2 der Entscheidung lehnte die Kommission den Antrag der Rechtsmittelführerin auf Freistellung nach Artikel 85 Absatz 3 EWG-Vertrag mit der Begründung ab, die mit den Vereinbarungen eingeführten Beschränkungen seien nicht unerläßlich, um die angegebenen Ziele zu erreichen, d. h., den Rückgang der Zahl der Buchhändler mit Lagerhaltung, den Rückgang der Verkäufe und der Auflagen und mithin eine Preiserhöhung für Bücher zu verhindern.

5 Schließlich forderte die Kommission die Rechtsmittelführerin in den Artikeln 3 und 4 auf, die Zuwiderhandlung abzustellen und der Kommission einen Entwurf über eine an die Verleger, die Buchhändler und die Buchklubs zu richtende Mitteilung über die Folgen der Entscheidung für den Handel mit Büchern zwischen dem Vereinigten Königreich und den anderen Mitgliedstaaten vorab zur Billigung vorzulegen.

6 1989 erhob die Rechtsmittelführerin vor dem Gerichtshof Klage gegen diese Entscheidung. Auf einen Antrag auf einstweilige Anordnung setzte der Präsident des Gerichtshofes mit Beschluß vom 13. Juni 1989 den Vollzug der Artikel 2 bis 4 der Entscheidung aus. Das Gericht, an das die Rechtssache im November 1989 nach Maßgabe der neuen Zuständigkeitsvorschriften verwiesen worden war, hat die Klage mit dem angefochtenen Urteil abgewiesen.

7 Zu der von der Rechtsmittelführerin angefochtenen Entscheidung heisst es im angefochtenen Urteil insbesondere:

"72 In den Randnummern 71 bis 86 der Entscheidung wird die Frage geprüft, ob ein kollektives System gebundener Preise im Buchhandel zur Erreichung der von der Klägerin angeführten Ziele unerläßlich ist. Die Kommission erwähnt die mit dem System der NBA verfolgten Ziele ° einen Rückgang der Lagerhaltung zu verhindern, der zu kleineren Auflagen, zu einem Preisanstieg für Bücher und zum Verschwinden der Titel mit geringer Auflage führen würde °, enthält sich jedoch einer Stellungnahme zu der Frage, ob diese Ziele tatsächlich erreicht werden und ob das Vertriebssystem das am besten geeignete System ist, um diese Ziele im nationalen Rahmen zu erreichen. Dagegen wird in der Entscheidung hervorgehoben, daß es in diesem Verfahren darum gehe, über ein Preisbindungssystem zu befinden, daß sich auf Ausfuhren in andere Mitgliedstaaten, insbesondere nach Irland, ebenso wie auf Einfuhren und (Wieder-)Einfuhren aus anderen Mitgliedstaaten einschließlich Irlands erstrecke und damit den sich aus dem innergemeinschaftlichen Handel ergebenden Preiswettbewerb verhindere (Randnr. 75). Zur Erreichung dieser Ziele habe die Klägerin ein kollektives System geschaffen, das allen Buchhändlern für ein bestimmtes Buch denselben Preis vorschreibe, so daß es für diesen Titel keinen Preiswettbewerb gebe (Randnr. 73, dritter Absatz). In diesem Stadium ergibt sich aus der Entscheidung, daß sie auf das Ausmaß der vom System der NBA vorgesehenen Beschränkungen, wie sie in den Randnummern 50 bis 59 der Entscheidung beschrieben werden, verweist. In der Entscheidung heisst es, angesichts der Natur der vom System der NBA vorgesehenen Beschränkungen und ihrer Wirkungen auf den innergemeinschaftlichen Handel müsse die Klägerin dartun, daß die Ziele der Vereinbarungen nur durch ein kollektives System und nicht durch ein individuelles System vertikaler Weiterverkaufspreisvereinbarungen zu erreichen seien (Randnr. 74)."

8 Mit ihrem Rechtsmittel begehrt die Rechtsmittelführerin die Aufhebung des Teils des Urteils des Gerichts, mit dem dieses den Klagegrund einer unrichtigen Begründung in Artikel 2 der Entscheidung über die Ablehnung ihres Antrags auf Freistellung nach Artikel 85 Absatz 3 EWG-Vertrag zurückgewiesen hat (Randnrn. 71 bis 116 des Urteils). Der Teil des Urteils des Gerichts, mit dem dieses den Klagegrund des Fehlens eines Verstosses gegen Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag zurückweist, wird dagegen nicht beanstandet.

9 Wie aus der Antwort der Rechtsmittelführerin auf eine schriftliche Frage des Gerichtshofes hervorgeht, wendet sich das Rechtsmittel genauer dagegen, daß das Gericht in seinem Urteil die Feststellung der Kommission bestätigt habe, daß die Wettbewerbsbeschränkungen, die sich aus den NBA, den Beschlüssen der Rechtsmittelführerin über Preisnachlässe für Büchereien und "Book Agents" sowie über Mengenrabatte, aus dem Buchklub-Reglement und den Beschlüssen über die Bedingungen für den alljährlichen nationalen Ausverkauf von Büchern (Artikel 1 Buchstaben a, b, d und e der Entscheidung) ergäben, nicht unerläßlich seien.

10 Dagegen betrifft das Rechtsmittel nicht den "Code of Allowances" und den Beschluß der Rechtsmittelführerin über die Bedingungen für die Aufnahme in das Buchhändlerverzeichnis (Artikel 1 Buchstaben c und f der Entscheidung); bereits im schriftlichen Verfahren vor dem Gericht hatte die Rechtsmittelführerin ausdrücklich ihre Absicht bekundet, von diesen Praktiken Abstand zu nehmen.

11 Mit am 30. November 1992 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingereichtem Schriftsatz haben die Pentos plc, ein Buchhandelsunternehmen, und die Pentos Retailing Group Ltd, eine ihrer Tochtergesellschaften, beantragt, als Streithelferinnen zur Unterstützung der Anträge der Kommission zugelassen zu werden. Mit am 16. und 18. Dezember 1992 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingereichten Schriftsätzen haben die Clé ° The Irish Book Publishers Association (im folgenden: Clé), ein irischer Verlegerverband, und die Booksellers Association of Great Britain and Ireland (im folgenden: Booksellers Association), ein Buchhändlerverband aus dem Vereinigten Königreich und Irland, beantragt, als Streithelferinnen zur Unterstützung der Anträge der Rechtsmittelführerin zugelassen zu werden. Mit Beschlüssen vom 8. März 1993 hat der Gerichtshof diese Streitbeitritte zugelassen.

Rechtsmittelgründe

12 Mit dem ersten Rechtsmittelgrund macht die Rechtsmittelführerin, unterstützt durch Clé und die Booksellers Association, geltend, das Gericht habe einen Rechtsfehler begangen, indem es in Randnummer 72 die Auffassung der Kommission bestätigt habe, daß die Rechtsmittelführerin ein "kollektives System" geschaffen habe, das allen Buchhändlern für ein bestimmtes Buch denselben Preis vorschreibe, während die NBA es jedem Verleger erlaubten, Verkaufspreise individuell vorzuschreiben. Nach Ansicht der Rechtsmittelführerin bestehen die einzigen kollektiven Elemente des Systems darin, daß sie nach diesen Vereinbarungen ermächtigt sei, allen Buchhändlern im Vereinigten Königreich und in Irland Standardbedingungen mitzuteilen, daß diese Vereinbarungen es den Buchhändlern ermöglichten, ihr Unternehmen wirtschaftlich zu betreiben, daß sie gemeinsame Ausnahmen vom gebundenen Preis vorsähen und daß sie es schließlich der Rechtsmittelführerin erlaubten, die Anwendung der Standardbedingungen zu überwachen.

13 Mit dem zweiten Rechtsmittelgrund macht die Rechtsmittelführerin geltend, das Gericht habe in den Randnummern 85 bis 87 des angefochtenen Urteils einen Fehler begangen, indem es nicht festgestellt habe, daß die Bezugnahme der Kommission auf ihre Entscheidung 82/123/EWG vom 25. November 1981 betreffend ein Verfahren nach Artikel 85 des EWG-Vertrags (IV/428 ° VBBB/VBVB, ABl. 1982, L 54, S. 36, und Urteil vom 17. Januar 1984 in den verbundenen Rechtssachen 43/82 und 63/82, VBVB und VBBB/Kommission, Slg. 1984, 19, im folgenden: Rechtssache "Bücher in niederländischer Sprache") wegen der Unterschiede zu den Vereinbarungen, um die es in der vorliegenden Rechtssache gehe, unerheblich gewesen sei.

14 Ausserdem hält die Rechtsmittelführerin die in Randnummer 87 des Urteils dargelegte Auffassung der Kommission für ebenso unerheblich, daß diese Bezugnahme nur die Bedeutung eines Hinweises auf einen allgemeinen Grundsatz gehabt habe, wonach die Vorteile eines Systems für einen Inlandsmarkt nicht dessen Anwendung auf den Handel mit Büchern zwischen Mitgliedstaaten unerläßlich machten. Das Hauptargument der Rechtsmittelführerin sei nämlich stets gewesen, daß die NBA unerläßlich seien, um die irischen Leser in den Genuß der gleichen Vorteile wie die britische Öffentlichkeit kommen zu lassen, nicht aber, daß das kollektive Vorschreiben von Verkaufspreisen bereits deshalb, weil es für den Inlandsmarkt vorteilhaft sei, für den Handel zwischen Mitgliedstaaten unerläßlich sei. Dieser Rechtsfehler hätte vom Gericht beanstandet werden müssen.

15 Mit dem dritten Rechtsmittelgrund macht die Rechtsmittelführerin geltend, das Gericht habe einen Rechtsfehler begangen, indem es die Ansicht der Kommission bestätigt habe, daß die NBA zur Erreichung der angestrebten Ziele nicht unerläßlich seien, ohne zu der Frage Stellung zu nehmen, ob diese Ziele auch tatsächlich erreicht worden seien. Bei der Prüfung der Unerläßlichkeit der Vereinbarungen hätte das Gericht zunächst die Ziele der NBA bestimmen und danach prüfen müssen, ob und gegebenenfalls in welchem Masse die NBA diese Ziele tatsächlich erreichten, und schließlich hätte es prüfen müssen, ob die Ziele durch ein Mittel erreicht werden könnten, das den Wettbewerb weniger beschränke.

16 Mit dem vierten Rechtsmittelgrund beanstandet die Rechtsmittelführerin, daß das Gericht Artikel 85 Absatz 3 EWG-Vertrag unzutreffend ausgelegt habe, indem es in Randnummer 84 letzter Satz des angefochtenen Urteils die Auffassung vertreten habe, daß sich die Rechtsmittelführerin als eine Vereinigung, in der die im Vereinigten Königreich niedergelassenen Verleger zusammengeschlossen seien, zum Nachweis der Unerläßlichkeit der NBA nicht auf eventuelle nachteilige Wirkungen einer Aufhebung der NBA für den irischen Markt berufen könne.

17 Mit dem fünften Rechtsmittelgrund macht die Rechtsmittelführerin geltend, das Gericht habe einen Rechtsfehler begangen, indem es ebenfalls in Randnummer 84 des Urteils das Argument verworfen habe, daß das System der NBA zusammenbrechen würde, wenn dessen Anwendungsbereich auf den Inlandsmarkt beschränkt würde. Ein solches Argument habe die Rechtsmittelführerin nämlich nie vorgebracht.

18 Mit dem sechsten Rechtsmittelgrund beruft sich die Rechtsmittelführerin auf verschiedene Rechtsfehler, die das Gericht in bezug auf die Urteile des Restrictive Practices Court (im folgenden: RPC) begangen habe.

19 Zunächst habe die Rechtsmittelführerin nie behauptet, daß die Kommission und das Gericht, wie das Gericht in Randnummer 79 ausführe, an die Feststellungen des RPC zu den positiven Wirkungen der NBA für den Inlandsmarkt des Vereinigten Königreichs gebunden seien; vielmehr habe sie sich lediglich für ihren Freistellungsantrag auf diese Feststellungen und die sie stützenden Tatsachen berufen wollen.

20 Weiter habe das Gericht zu Unrecht in derselben Randnummer angenommen, daß die Kommission den Schlußfolgerungen des RPC hinreichend Rechnung getragen habe. In Randnummer 43 der Entscheidung der Kommission stehe nämlich nicht, daß diese die in diesen Entscheidungen enthaltenen Schlußfolgerungen geprüft habe.

21 Schließlich habe das Gericht dadurch einen Rechtsfehler begangen, daß es in Randnummer 77 des Urteils auf die angebliche Behauptung der Rechtsmittelführerin verwiesen habe, daß die Schlußfolgerungen des RPC, mit denen dieses die Vorteile der NBA festgestellt habe, sowohl für den innergemeinschaftlichen Handel als auch für den Verkauf von Büchern inländischer Produktion im Vereinigten Königreich gälten. Die Rechtsmittelführerin habe jedoch dergleichen nie behauptet, sondern lediglich geltend gemacht, daß diese Vorteile sowohl der irischen als auch der britischen Öffentlichkeit zugute kämen.

22 Mit dem siebten Rechtsmittelgrund macht die Rechtsmittelführerin geltend, das Gericht habe zu Unrecht jedes der vier von ihr für die Unerläßlichkeit der NBA vorgetragenen Argumente getrennt geprüft (Randnrn. 96 bis 115 des angefochtenen Urteils), während sich die mit diesem Vorbringen angesprochenen Probleme vielmehr zusammen so ausgewirkt hätten, daß das individuelle Vorschreiben von Verkaufspreisen wirkungslos und ein System wie das der NBA zur Erreichung der angestrebten Ziele daher unerläßlich gewesen sei.

23 Mit dem achten Rechtsmittelgrund macht die Rechtsmittelführerin geltend, das Gericht habe dadurch einen Rechtsfehler begangen, daß es nicht den Widerspruch zwischen der streitigen Entscheidung und der Mitteilung der Kommission an den Rat vom 27. November 1985 (Kom[85] 681 endg.) festgestellt habe, in der die Kommission behauptet habe, daß die Festsetzung der Verkaufspreise für Bücher ein positiver Beitrag zum Schutz der Buchhändler sei, die ein grosses Lager bewirtschafteten.

24 Zunächst ist der dritte Rechtsmittelgrund zu prüfen, der im Vorbringen zur Begründung des Rechtsmittels eine zentrale Stellung einnimmt. Dieser Rechtsmittelgrund ist darüber hinaus im Zusammenhang mit dem vierten und dem sechsten Rechtsmittelgrund zu sehen, mit denen die Auffassung des Gerichts hinsichtlich der Unterscheidung zwischen den innerstaatlichen und den innergemeinschaftlichen Wirkungen der NBA in Frage gestellt wird.

25 Mit diesen Rechtsmittelgründen wird im wesentlichen geltend gemacht, das Gericht habe nicht die Folgen berücksichtigt, die sich aus dem Bestehen eines einheitlichen Sprachraums ergäben, aufgrund dessen es in Irland und im Vereinigten Königreich nur einen Buchmarkt gebe. Wegen dieser Unterlassung habe das Gericht die Wertungen der Kommission in bezug auf die Verneinung der Unerläßlichkeit der sich aus der Anwendung der NBA ergebenden Wettbewerbsbeschränkungen nicht eingehend genug geprüft.

26 In Randnummer 83 des angefochtenen Urteils hat das Gericht zunächst die Ansicht vertreten, daß "es auf den Beweis, daß die dem System der NBA auf innerstaatlicher Ebene innewohnenden Vorteile sich auch auf den innergemeinschaftlichen Handel erstrecken, eventuell dann ankommen könnte, wenn die Weigerung der Kommission, der Klägerin die beantragte Freistellung zu gewähren, auf dem Umstand beruhte, daß die Voraussetzung der Förderung des technischen oder wirtschaftlichen Fortschritts nicht erfuellt ist. Um diese Voraussetzung geht es aber im vorliegenden Fall nicht, denn der Grund für die Ablehnung des Antrags der Klägerin ist ausschließlich, daß die Kommission die sich aus der Anwendung der NBA ergebenden Wettbewerbsbeschränkungen nicht für unerläßlich hält. Daher ist die Prüfung der Vorteile der NBA auf dem Inlandsmarkt, selbst wenn sie nachgewiesen wären, für das Gericht nicht erforderlich, um die Rechtmässigkeit der von der Kommission erlassenen ablehnenden Entscheidung zu prüfen."

27 Diese Ausführungen verkennen, daß zu prüfen war, inwieweit die mit den NBA verfolgten Ziele, die sich hieraus ergebenden Wettbewerbsbeschränkungen und das Verhältnis zwischen Zielen und Beschränkungen unter Berücksichtigung der oben festgestellten Einheit des Sprachraums gleich oder unterschiedlich zu beurteilen sind, je nachdem, ob sich die Beurteilung nur auf das britische Hoheitsgebiet oder aber auf den Gemeinschaftsmarkt erstreckt.

28 In Randnummer 84 des angefochtenen Urteils hat das Gericht weiter ausgeführt, daß "sich die Klägerin als eine Vereinigung, in der die im Vereinigten Königreich niedergelassenen Verleger zusammengeschlossen sind, nicht auf eventuelle nachteilige Wirkungen auf den irischen Markt berufen [kann], selbst wenn dieser Markt zu demselben Sprachraum gehört".

29 Diese Feststellung ist mit einem Rechtsfehler behaftet. Denn dem Wortlaut oder dem Sinn und Zweck des Artikels 85 Absatz 3 EWG-Vertrag ist nichts zu entnehmen, was es zuließe, diese Bestimmung dahin auszulegen, daß die dort vorgesehene Möglichkeit, die Bestimmungen des Absatzes 1 für nicht anwendbar zu erklären auf bestimmte Vereinbarungen, die zur Verbesserung der Warenerzeugung oder -verteilung oder zur Förderung des technischen oder wirtschaftlichen Fortschritts beitragen, davon abhängig wäre, daß diese positiven Wirkungen nur im Gebiet des Mitgliedstaats oder der Mitgliedstaaten, in denen die an der Vereinbarung beteiligten Unternehmen niedergelassen sind, und nicht im Gebiet anderer Mitgliedstaaten eintreten. Eine solche Auslegung ist mit den grundlegenden Zielen der Gemeinschaft und mit den Begriffen "Gemeinsamer Markt" und "Binnenmarkt" selbst unvereinbar.

30 Zur Entscheidung des RPC schließlich hat das Gericht in Randnummer 79 des angefochtenen Urteils darauf hingewiesen, daß "die Kommission, wie sich aus Randnummer 43 der Entscheidung ergibt, die Entscheidung des britischen Gerichts nicht ausser acht gelassen hat. Wie die Kommission jedoch zu Recht ausgeführt hat, hat sich das staatliche Gericht, dessen Entscheidung übrigens vor dem Beitritt des Vereinigten Königreichs und Irlands zu den Europäischen Gemeinschaften ergangen ist, nicht unmittelbar zur Frage der Unerläßlichkeit der sich aus den NBA ergebenden Wettbewerbsbeschränkungen im Gemeinsamen Markt geäussert. Soweit das britische Gericht die Frage des Aussenhandels mittelbar angesprochen hat, hat es festgestellt, daß die Klägerin nicht nachgewiesen habe, daß die Aufhebung der NBA zu einem erheblichen Rückgang der Ausfuhren führen würde. Daher ist das Gericht der Ansicht, daß die Entscheidung nicht deshalb unzureichend begründet ist, weil in ihr die 1962 vom Restrictive Practices Court getroffenen Feststellungen und die von der Klägerin vorgelegten Beweise dafür, daß sich die Lage des Buchmarkts seit 1962 nicht wesentlich verändert habe, nicht ausdrücklich zurückgewiesen worden sind. Ohnehin können nach dem Urteil des Gerichtshofes vom 17. Januar 1984 (VBVB und VBBB/Kommission, a. a. O., Randnr. 40) nationale Praktiken in der Rechtsprechung, selbst wenn sie allen Mitgliedstaaten gemeinsam wären, der Anwendung der Wettbewerbsregeln des Vertrages nicht vorgehen."

31 Diesen Ausführungen haftet ein Begründungsfehler an, da aus ihnen nicht hervorgeht, daß das Gericht die Richtigkeit des Vorbringens der Rechtsmittelführerin geprüft hat, das in Randnummer 77 des angefochtenen Urteils wie folgt zusammengefasst worden ist:

"Die Klägerin macht geltend, daß die Kommission nach dem Grundsatz einer geordneten Verwaltung die in der Entscheidung des Restrictive Practices Court of the United Kingdom von 1962 getroffenen Tatsachenfeststellungen nicht habe ausser acht lassen dürfen, auch wenn sie durch dieses Urteil in der Ausübung ihrer Befugnisse nicht gebunden sei. Die Feststellung des britischen Gerichts, daß die NBA unerläßlich seien, gelte sowohl für den zwischenstaatlichen Handel als auch für den Verkauf von Büchern inländischer Produktion im Inland. Diese Feststellungen des staatlichen Gerichts hätten bis zum Erlaß der Entscheidung sowohl für den britischen wie für den irischen Markt ihre volle Gültigkeit behalten. Die Klägerin habe der Kommission eine Vielzahl von Beweisen vorgelegt, aus denen sich ergebe, daß sich die Lage seit der Entscheidung des Restrictive Practices Court nicht spürbar verändert habe."

32 Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich, daß das angefochtene Urteil mit mehreren Rechtsfehlern behaftet ist. Es ist daher aufzuheben, ohne daß die übrigen Rechtsmittelgründe geprüft zu werden brauchen.

33 Gemäß Artikel 54 Absatz 1 Satz 2 der EWG-Satzung des Gerichtshofes kann dieser im Fall der Aufhebung der Entscheidung des Gerichts den Rechtsstreit selbst endgültig entscheiden, wenn dieser zur Entscheidung reif ist. Diese Voraussetzung ist hier erfuellt.

Zu der vor dem Gericht erhobenen Nichtigkeitsklage gegen die Entscheidung der Kommission

34 In ihrer Nichtigkeitsklage hat die Rechtsmittelführerin mehrere Klagegründe geltend gemacht. Wie jedoch oben in Randnummer 8 festgestellt worden ist, wird der Teil des Urteils des Gerichts, mit dem der Klagegrund des Fehlens eines Verstosses gegen Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag zurückgewiesen worden ist, mit dem Rechtsmittel nicht beanstandet; das Urteil ist damit insoweit rechtskräftig geworden.

35 Somit ist über den Klagegrund einer fehlerhaften Begründung in Artikel 2 der Entscheidung zu entscheiden, der die Ablehnung des Antrags auf Freistellung betrifft.

36 Die Rechtsmittelführerin macht erstens geltend, daß die Begründung der Entscheidung, soweit sie die Prüfung der Frage der Unerläßlichkeit der Wettbewerbsbeschränkungen (Randnrn. 71 bis 86 der Entscheidung) betreffe, auf Umstände gestützt sei, die durch zur Begründung ihres Freistellungsantrags vorgelegte Beweismittel widerlegt worden seien. Als solche führt die Rechtsmittelführerin insbesondere die Entscheidungen des RPC an, aus denen sich zum einen ergebe, daß nach Abschaffung der NBA die Verleger nicht mehr lange Einzelhandelsverkaufspreise für "net books" festlegen könnten (LR 3RP 246, 312), und zum anderen, daß die Aufhebung der NBA zu einem Rückgang der Zahl und der Ausstattungsqualität der Buchhändler mit Lagerhaltung, zu einem Anstieg der Buchpreise und einem Rückgang der Zahl der veröffentlichten Titel führen würde (LR 3RP 246, 322).

37 Zweitens macht die Rechtsmittelführerin geltend, die Entscheidung beruhe auf einer Reihe von Tatsachen- und Begründungsirrtümern, insbesondere was den Hinweis auf die Rechtssache "Bücher in niederländischer Sprache" in Randnummer 75 der Entscheidung angehe.

38 Da die Rechtsmittelführerin mit diesen beiden Argumenten im wesentlichen nachweisen will, daß ihr Vorbringen zu den negativen Wirkungen der Entscheidung für den innergemeinschaftlichen Handel und insbesondere den irischen Buchmarkt in der Entscheidung nicht ordnungsgemäß berücksichtigt worden sei, sind sie zusammen zu behandeln.

39 Gemäß Artikel 190 EG-Vertrag sind Entscheidungen mit Gründen zu versehen. Nach ständiger Rechtsprechung braucht zwar die Kommission nicht auf alle tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte einzugehen, die von den Unternehmen, die eine Freistellungsentscheidung begehren, vorgetragen wurden, doch muß die Begründung jeder beschwerenden Entscheidung dem Gerichtshof die Ausübung seiner Rechtmässigkeitskontrolle ermöglichen und sowohl den Mitgliedstaaten als auch den beteiligten Bürgern die Unterrichtung darüber ermöglichen, in welcher Weise die Kommission den EWG-Vertrag angewandt hat.

40 Im vorliegenden Fall hat die Rechtsmittelführerin die Entscheidungen des RPC als wesentliches Beweismittel für die behaupteten positiven Wirkungen vorgelegt. Ihr Vorbringen, daß die Feststellungen des RPC zu den positiven Wirkungen der NBA im Vereinigten Königreich auch für die Beurteilung der Wirkungen dieser Vereinbarungen in Irland von Bedeutung seien, erschien angesichts der Einheitlichkeit des Sprachraums von Gewicht.

41 Unter diesen Umständen hätte die Kommission das auf die Entscheidungen des RPC gestützte Vorbringen der Rechtsmittelführerin prüfen müssen.

42 Es ist jedoch erstens festzustellen, daß die Kommission in Randnummer 43 der Entscheidung die Entscheidungen des nationalen Gerichts zwar erwähnt, daß sie jedoch nur auf deren Existenz hingewiesen hat, ohne ihren Inhalt zu erörtern.

43 Zweitens ist festzustellen, daß in Randnummer 72 der Entscheidung, in der die Kommission die Argumente der Rechtsmittelführerin zusammenfasst, jeder Hinweis auf die Schlußfolgerungen des RPC und auf die Vorteile der NBA für den irischen Buchmarkt fehlt.

44 Somit enthält die Entscheidung der Kommission keine Erklärung dafür, aus welchen Gründen die Schlußfolgerungen des RPC und die von der Rechtsmittelführerin für ihre Auffassung vorgelegten Unterlagen unerheblich sein sollen. Infolgedessen hat die Kommission angesichts des Bestehens eines gemeinsamen, durch den britischen und den irischen Markt gebildeten Sprachraums ihre Entscheidung in diesem Punkt nicht hinreichend begründet.

45 In Randnummer 75 der Entscheidung geht die Kommission auf die Anwendung der NBA auf die Ausfuhren in andere Mitgliedstaaten, insbesondere Irland, ein. In dieser Randnummer heisst es:

"Die Kommission hat hier über ein Preisfestsetzungssystem zu befinden, das sich auf Exporte in andere Mitgliedstaaten, insbesondere Irland, erstreckt, ebenso wie auf Importe und Reimporte aus anderen Mitgliedstaaten einschließlich Irland. Das derzeitig angewendete System verhindert einen aus dem Handel zwischen Mitgliedstaaten resultierenden Preiswettbewerb auf Vertriebsebene. Die Kommission hat bereits in ihrer Entscheidung 82/123 in der Sache Nr. IV/00.428 ° VBBB/VBVB entschieden, daß ein System kollektiver Festsetzung der Weiterverkaufspreise mit der Folge der Auferlegung von Wettbewerbsbeschränkungen im Handel zwischen Mitgliedstaaten, wie es in den fraglichen Vereinbarungen enthalten ist, zur Verbesserung von Herausgabe und Vertrieb der maßgeblichen Bücher nicht unerläßlich ist."

46 Es ist jedoch festzustellen, daß in der Rechtssache "Bücher in niederländischer Sprache" die streitige Vereinbarung insbesondere die Verpflichtung für jeden Verleger enthielt, für jede seiner Veröffentlichungen einen Preis für den Verkauf an die Verbraucher festzulegen, der bis zum Einzelhandel einzuhalten war, und daß mit dieser Vereinbarung ein Zulassungssystem für Verleger und Buchhändler eingeführt wurde, das damit jeden Wettbewerb mit nicht zugelassenen Verlegern und Buchhändlern verhinderte.

47 Das von den Verlegervereinigungen und den flämischen und niederländischen Buchhändlern geschaffene System unterschied sich also von dem mit den NBA eingeführten System, das vom Gericht in den Randnummern 4 und 5 des angefochtenen Urteils beschrieben worden und oben in Randnummer 2 dargestellt ist. Die NBA sind nämlich Vereinbarungen, die für den Verkauf von Büchern zu gebundenen Preisen einheitliche Standardbedingungen vorsehen, die nur für den Fall gelten, daß der Verleger sich dafür entscheidet, ein Buch als "net book" zu vertreiben.

48 Daher ist festzustellen, daß diese Bezugnahme auf die Rechtssache "Bücher in niederländischer Sprache" offensichtlich unzutreffend ist und schon deshalb einen Begründungsfehler darstellt.

49 Demgemäß sind Artikel 2 und damit auch die Artikel 3 und 4 der Entscheidung wegen Verletzung wesentlicher Formvorschriften im Sinne des Artikels 173 EWG-Vertrag aufzuheben, ohne daß die übrigen Klagegründe der Rechtsmittelführerin geprüft zu werden brauchen.

Kostenentscheidung:

Kosten

50 Nach Artikel 122 der Verfahrensordnung entscheidet der Gerichtshof über die Kosten, wenn das Rechtsmittel begründet ist und er selbst den Rechtsstreit endgültig entscheidet. Nach Artikel 69 § 2, der gemäß Artikel 118 auf Rechtsmittelverfahren Anwendung findet, ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kommission mit ihrem Vorbringen im wesentlichen unterlegen ist, sind ihr neben ihren eigenen auch die Kosten aufzuerlegen, die der Rechtsmittelführerin im Verfahren vor dem Gericht und im Verfahren vor dem Gerichtshof entstanden sind, sowie die Kosten, die durch den Streitbeitritt der Clé ° The Irish Book Publishers Association und der Booksellers Association of Great Britain and Ireland zum Verfahren vor dem Gerichtshof entstanden sind.

51 Nach Artikel 69 § 4 der Verfahrensordnung kann der Gerichtshof entscheiden, daß ein anderer Streithelfer als die Mitgliedstaaten und die Organe seine eigenen Kosten trägt. Demgemäß haben die Streithelferinnen Pentos plc und Pentos Retailing Group Ltd ihre eigenen Kosten zu tragen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1) Das Urteil des Gerichts erster Instanz vom 9. Juli 1992 in der Rechtssache T-66/89 wird aufgehoben.

2) Die Artikel 2, 3 und 4 der Entscheidung 89/44/EWG der Kommission vom 12. Dezember 1988 betreffend ein Verfahren nach Artikel 85 des EWG-Vertrags (IV/27.393 und IV/27.394, Publishers Association ° Net Book Agreements) werden für nichtig erklärt.

3) Die Kommission trägt ihre eigenen Kosten sowie sämtliche Kosten, die der Rechtsmittelführerin im Verfahren vor dem Gericht und im Verfahren vor dem Gerichtshof entstanden sind, sowie die Kosten, die durch den Streitbeitritt der Clé ° The Irish Book Publishers Association und der Booksellers Association of Great Britain and Ireland zum Verfahren vor dem Gerichtshof entstanden sind.

4) Die Pentos plc und die Pentos Retailing Group Ltd tragen ihre eigenen Kosten.

Ende der Entscheidung

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