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Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 20.04.1999
Aktenzeichen: C-360/97
Rechtsgebiete: EWG-Vertrag, Verordnung (EWG) Nr. 1408/71
Vorschriften:
EWG-Vertrag Art. 48 | |
EWG-Vertrag Art. 51 | |
Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 Anhang VI Abschn. J Nr. 4 Buchst. a |
Anhang VI Abschnitt J Nr. 4 Buchstabe a der Verordnung Nr. 1408/71 in der durch die Verordnung Nr. 2001/83 geänderten und aktualisierten Fassung, geändert durch Anhang I Teil VIII der Akte über die Bedingungen des Beitritts des Königreichs Spanien und der Portugiesischen Republik und die Anpassungen der Verträge, ist so auszulegen, daß er den zuständigen niederländischen Träger, bei dem ein Arbeitnehmer eine proratisierte Leistung bei Invalidität beantragt, der in einem Mitgliedstaat arbeitsunfähig geworden ist, nach dessen Rechtsvorschriften die Höhe der Leistungen von der Dauer der Versicherungszeiten abhängt (Rechtsvorschriften des Typs B), nicht verpflichtet, die Versicherungszeiten, die dieser Arbeitnehmer in den Niederlanden nach dem 1. Juli 1967 nach einem Sondersystem für Beamte zurückgelegt hat, nach der Wet op de arbeidsongeschiktheidsverzekering vom 18. Februar 1966 zurückgelegten Versicherungszeiten gleichzustellen, nach der die Höhe der Leistungen nicht von der Dauer der Versicherungszeiten abhängt (Rechtsvorschriften des Typs A), selbst wenn eine solche Gleichstellung erfolgen würde, wenn der betreffende Arbeitnehmer sein Recht auf Freizuegigkeit nicht wahrgenommen hätte oder die Arbeitsunfähigkeit in den Niederlanden eingetreten wäre.
Zwar muß der Rat, um die wirksame Ausübung des in Artikel 48 des Vertrages verankerten Rechts auf Freizuegigkeit zu gewährleisten, nach Artikel 51 des Vertrages ein System einführen, das es den Arbeitnehmern erlaubt, die für sie aus den Unterschieden der nationalen Rechtsvorschriften über die soziale Sicherheit etwa resultierenden Hindernisse zu überwinden; für die Sondersysteme für Beamte ist der Gemeinschaftsgesetzgeber dieser Verpflichtung erst mit dem Erlaß der Verordnung Nr. 1606/98 nachgekommen. Zu berücksichtigen ist jedoch, daß der Rat bei der Wahl der Maßnahmen, die zur Erreichung des in Artikel 51 des Vertrages angestrebten Ergebnisses am besten geeignet sind, über einen weiten Ermessensspielraum verfügt.
Geht es um die Feststellung einer Leistung bei Invalidität nach einem Sondersystem für Beamte eines Mitgliedstaats, das die Merkmale von Rechtsvorschriften des Typs A aufweist, und zwar einer Leistung für eine in einem anderen Mitgliedstaat, in dem für Angestellte allgemein Rechtsvorschriften des Typs B gelten, eingetretene Arbeitsunfähigkeit, so ist es unerläßlich, auf Koordinierungstechniken zur Regelung der Beziehungen zwischen den betreffenden nationalen Systemen zurückzugreifen, deren Wahl gemäß Artikel 51 des Vertrages Sache des Rates ist.
Urteil des Gerichtshofes vom 20. April 1999. - Herman Nijhuis gegen Bestuur van het Landelijk instituut sociale verzekeringen. - Ersuchen um Vorabentscheidung: Centrale Raad van Beroep - Niederlande. - Soziale Sicherheit - Arbeitsunfähigkeit - Besondere Regelung für Beamte - Anhang VI Abschnitt J Nummer 4 Buchstabe a der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 - Artikel 48 und 51 EWG-Vertrag. - Rechtssache C-360/97.
Entscheidungsgründe:
1 Der Centrale Raad van Beroep hat mit Beschluß vom 24. September 1997, beim Gerichtshof eingegangen am 22. Oktober 1997, gemäß Artikel 177 EG-Vertrag zwei Fragen nach der Auslegung des Anhangs VI Abschnitt J Nummer 4 Buchstabe a der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, und des Anhangs 2 Abschnitt J Nummer 2 Buchstabe b der Verordnung (EWG) Nr. 574/72 des Rates vom 21. März 1972 über die Durchführung der Verordnung Nr. 1408/71, beide in der durch die Verordnung (EWG) Nr. 2001/83 des Rates vom 2. Juni 1983 (ABl. L 230, S. 6) geänderten und aktualisierten Fassung, geändert durch Anhang I Teil VIII der Akte über die Bedingungen des Beitritts des Königreichs Spanien und der Portugiesischen Republik und die Anpassungen der Verträge (ABl. 1985, L 302, S. 23; im folgenden: Verordnung Nr. 1408/71 und Verordnung Nr. 574/72), zur Vorabentscheidung vorgelegt.
2 Diese Fragen stellen sich in einem Rechtsstreit zwischen Herman Nijhuis, einem niederländischen Staatsangehörigen (im folgenden: Kläger), und dem Bestuur van het Landelijk instituut sociale verzekeringen (im folgenden: Beklagter) wegen des Anspruchs des Klägers auf Invaliditätsrente.
Das nationale Recht
3 Die niederländischen Beamten und ihnen gleichgestellte Personen waren zur Zeit des Sachverhalts des Ausgangsverfahrens nach der Algemene Burgerlijke Pensiönwet vom 6. Januar 1966 (Allgemeines bürgerliches Rentengesetz; im folgenden: ABPW) versichert. Nach dieser Regelung hatten die Arbeitnehmer nur dann Anspruch auf Leistungen bei Invalidität, wenn sie bei Eintritt der Arbeitsunfähigkeit nach der ABPW versichert waren.
4 Die Wet op de arbeidsongeschiktheidsverzekering vom 18. Februar 1966 (Gesetz über die Arbeitsunfähigkeitsversicherung; im folgenden: WAO), die am 1. Juli 1967 in Kraft getreten ist, versichert alle Arbeitnehmer gegen die finanziellen Folgen von Invalidität. Die Gewährung einer Leistung bei Invalidität nach der WAO setzt voraus, daß der Betroffene bei Eintritt der Arbeitsunfähigkeit versichert und während 52 Wochen ununterbrochen arbeitsunfähig war. Der Betrag der Leistung hängt nicht von der Dauer der Versicherungszeiten, sondern namentlich vom Grad der Arbeitsunfähigkeit ab.
5 Nach Artikel 6 WAO sind Beamte und Militärbedienstete vom Anwendungsbereich dieses Gesetzes ausgenommen. Dagegen fallen sie seit dem 1. Oktober 1976 unter die Algemene Arbeidsongeschiktheidswet vom 11. Dezember 1975 (Gesetz über die Arbeitsunfähigkeit; im folgenden AAW), die für alle im Inland wohnenden Personen gilt.
Das Gemeinschaftsrecht
6 Nach Artikel 4 Absatz 4 der Verordnung Nr. 1408/71 sind Sondersysteme für Beamte und ihnen gleichgestellte Personen vom Anwendungsbereich dieser Verordnung ausgenommen.
7 Artikel 40 der Verordnung Nr. 1408/71 regelt die Feststellung von Leistungen bei Invalidität für Arbeitnehmer, für die nacheinander zwei Arten von Rechtsvorschriften gegolten haben: zum einen Rechtsvorschriften wie die der WAO und der AAW, die im Anhang IV dieser Verordnung als Rechtsvorschriften im Sinne von Artikel 37 Absatz 1 der Verordnung genannt sind und nach denen die Höhe der Leistungen bei Invalidität von der Dauer der Versicherungszeiten unabhängig ist (im folgenden: Rechtsvorschriften des Typs A), und zum anderen Rechtsvorschriften wie die im Ausgangsverfahren angewandten deutschen Rechtsvorschriften, nach denen die Höhe der Leistungen von der Dauer der Versicherungszeiten abhängt (im folgenden: Rechtsvorschriften des Typs B).
8 Nach Artikel 40 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1408/71 werden die Leistungen in diesem Fall gemäß den Vorschriften des Kapitels 3 ("Alter und Tod [Renten]") des Titels III dieser Verordnung, insbesondere nach Artikel 46, berechnet. Nach Artikel 46 Absatz 2 erfolgt die Berechnung gegebenenfalls nach dem Verhältnis der unter der Geltung der verschiedenen Rechtsvorschriften zurückgelegten Zeiten, also einschließlich der Zeiten, die nach Rechtsvorschriften zurückgelegt worden sind, nach denen die Höhe der Leistungen bei Invalidität von der Dauer der Versicherungszeiten unabhängig ist.
9 Ferner sieht Artikel 45 Absatz 4 der Verordnung Nr. 1408/71 in der zeitlich auf den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens anwendbaren Fassung, durch den die Schwierigkeiten bei der Zusammenrechnung von Versicherungszeiten bewältigt werden sollen, die sich aus der Anwendung von Rechtsvorschriften des Typs A ergeben, vor:
"Ein Arbeitnehmer, der den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats nicht mehr unterliegt, in denen weder für den Erwerb des Anspruchs noch für die Berechnung der Leistungen eine Versicherungsdauer vorgesehen ist, sondern die Gewährung der Leistungen davon abhängig gemacht wird, daß der Arbeitnehmer ihnen im Zeitpunkt des Versicherungsfalls noch unterliegt, gilt für die Anwendung dieses Kapitels als ihnen im Zeitpunkt des Versicherungsfalls noch unterliegend, sofern auf ihn in diesem Zeitpunkt die Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats Anwendung finden oder, falls dies nicht zutrifft, sofern er Leistungsansprüche nach den Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats nachweisen kann. Diese zweite Voraussetzung gilt jedoch im Falle von Artikel 48 Absatz 1 als erfuellt."
10 Anhang VI Abschnitt J Nummer 4 Buchstabe a der Verordnung Nr. 1408/71 lautet:
"Für die Anwendung des Artikels 46 Absatz 2 der Verordnung verfahren die niederländischen Träger wie folgt:
a) War der Betreffende im Zeitpunkt des Eintritts der Arbeitsunfähigkeit, die zur Invalidität geführt hat, Arbeitnehmer im Sinne von Artikel 1 Buchstabe a) der Verordnung, so setzt der zuständige Träger den Betrag der Geldleistungen gemäß dem Gesetz vom 18. Februar 1966 über die Versicherung für den Fall der Arbeitsunfähigkeit (WAO) fest, wobei er folgendes berücksichtigt:
- die unter dem genannten Gesetz vom 18. Februar 1966 (WAO) zurückgelegten Versicherungszeiten,
- die nach Erreichen des 15. Lebensjahres unter dem Gesetz vom 11. Dezember 1975 über die Arbeitsunfähigkeit (AAW) zurückgelegten Versicherungszeiten, sofern sie sich nicht mit den von dem Betreffenden unter dem genannten Gesetz vom 18. Februar 1966 (WAO) zurückgelegten Versicherungszeiten decken, und
- die vor dem 1. Juli 1967 in den Niederlanden zurückgelegten Beschäftigungszeiten und gleichgestellten Zeiten."
11 Ferner ergibt sich aus Anhang 2 Abschnitt J Nummer 2 Buchstabe b der Verordnung Nr. 574/72, daß nach den niederländischen Rechtsvorschriften der für die Gewährung von Leistungen bei Invalidität zuständige Träger der Bestuur van de Nieuwe Algemene Bedrijfsvereniging (im folgenden: NAB) ist, wenn Arbeitnehmer und Selbständige ohne Anwendung der Verordnung allein nach den niederländischen Rechtsvorschriften keinen Leistungsanspruch haben.
12 Am 29. Juni 1998 erließ der Rat die Verordnung (EG) Nr. 1606/98 zur Änderung der Verordnungen Nrn. 1408/71 und 574/72 zwecks Einbeziehung der Sondersysteme für Beamte (ABl. L 209, S. 1). Mit dieser Verordnung wurden, um - wie aus ihrer achten und neunten Begründungserwägung hervorgeht - "den Besonderheiten dieser Sondersysteme... Rechnung zu tragen", von den üblichen Regelungen für die Zusammenrechnung und für die Bestimmung der geltenden Rechtsvorschriften abweichende Vorschriften eingeführt.
13 So bestimmen die neuen Artikel 43a Absatz 2 im Kapitel "Invalidität" und 51a Absatz 2 im Kapitel "Alter und Tod (Renten)" des Titels III der Verordnung Nr. 1408/71 in der Fassung der Verordnung Nr. 1606/98:
"Ist hingegen nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats der Erwerb, die Auszahlung, die Aufrechterhaltung oder das Wiederaufleben des Leistungsanspruchs im Rahmen eines Sondersystems für Beamte davon abhängig, daß alle Versicherungszeiten in einem oder mehreren Sondersystemen für Beamte in dem betreffenden Mitgliedstaat zurückgelegt worden oder durch die Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats solchen Zeiten gleichgestellt sind, so werden nur Zeiten berücksichtigt, die nach den Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats anerkannt werden können.
Erfuellt der Betreffende auch unter Berücksichtigung solcher Zeiten nicht die Voraussetzungen für den Bezug dieser Leistungen, so werden diese Zeiten für die Gewährung von Leistungen im allgemeinen System oder, falls es ein solches nicht gibt, im System für Arbeiter bzw. für Angestellte berücksichtigt."
14 Darüber hinaus verweist Artikel 51a für die Feststellung der Rentenansprüche nach einem Sondersystem für Beamte u. a. auf Artikel 45 Absatz 5 der Verordnung Nr. 1408/71 in der Fassung der Verordnung Nr. 1606/98 (der inhaltlich Artikel 45 Absatz 4 der Verordnung Nr.1408/71 in der zeitlich auf den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens anwendbaren Fassung entspricht) und auf Artikel 46 dieser Verordnung.
Der Ausgangsrechtsstreit
15 Der Kläger arbeitete vom 15. Oktober 1968 bis zum 1. Oktober 1973 in den Niederlanden als wissenschaftlicher Mitarbeiter bei der niederländischen Einrichtung für Grundlagenforschung in Den Haag und vom 1. August 1973 bis zum 1. April 1974 als Lehrkraft bei Ons Middelbaar Onderwijs in Tilburg. Während dieser Zeiten war er nach der ABPW u. a. gegen das Risiko von Invalidität versichert. Darüber hinaus hat er in den Niederlanden keine Berufstätigkeit ausgeuebt.
16 Danach arbeitete der Kläger in Deutschland als wissenschaftlicher Mitarbeiter in einem Forschungsinstitut und war vom 1. April 1974 bis zum 1. April 1988 nach dem Angestelltenversicherungsgesetz versichert.
17 Nach einer am 29. März 1988 eingetretenen Arbeitsunfähigkeit gewährte die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte dem Kläger mit Bescheid vom 4. September 1989 eine Invaliditätsrente mit Wirkung vom 9. November 1988. Diese Leistung wurde ohne Berücksichtigung der in den Niederlanden zurückgelegten Versicherungszeiten festgestellt.
18 Der Kläger stellte einen Antrag auf Invaliditätsrente beim Algemeen Burgerlijk Pensiönfonds (Allgemeiner Fonds für Zivilrenten des öffentlichen Dienstes; im folgenden: ABPF), der diesen Antrag durch Entscheidung vom 22. Mai 1990 mit der Begründung ablehnte, daß der Antragsteller bei Eintritt der Arbeitsunfähigkeit nicht nach den niederländischen Rechtsvorschriften versichert gewesen sei und daß die Verordnung Nr. 1408/71 keine Anwendung auf Sondersysteme für Beamte finde, die nach Artikel 4 Absatz 4 dieser Verordnung von ihrem sachlichen Geltungsbereich ausgeschlossen seien.
19 Der Kläger stellte daraufhin den gleichen Antrag bei der NAB, die für die Gewährung von Leistungen bei Invalidität nach der WAO und der AAW zuständig ist; in die Rechte und Pflichten der NAB ist 1997 der Beklagte eingetreten.
20 Mit Entscheidung vom 31. Januar 1990 lehnte die NAB den Leistungsantrag mit der Begründung ab, der Kläger sei bei Eintritt der Arbeitsunfähigkeit weder nach der WAO noch nach der AAW versichert gewesen und könne einen Anspruch auf niederländische Leistungen nicht auf Artikel 45 der Verordnung Nr. 1408/71 stützen, weil er nicht als Arbeitnehmer oder Selbständiger den niederländischen Rechtsvorschriften unterlegen habe.
21 Mit Urteil vom 28. Februar 1992 hat der Raad van Beroep Amsterdam die vom Kläger gegen diese Entscheidung der NAB erhobene Klage abgewiesen. Gegen dieses Urteil hat der Kläger Berufung beim Centrale Raad van Beroep eingelegt.
22 Für das vorlegende Gericht stellt sich die Frage, ob angesichts der neueren Rechtsprechung des Gerichtshofes (insbesondere Urteile vom 17. Oktober 1995 in der Rechtssache C-227/94, Olivieri-Cönen, Slg. 1995, I-3301, vom 22. November 1995 in der Rechtssache C-443/93, Vougioukas, Slg. 1995, I-4033, und vom 13. November 1997 in der Rechtssache C-248/96, Grahame und Hollanders, Slg. 1997, I-6407) die ablehnende Entscheidung der NAB im Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht steht. Insbesondere sei fraglich, ob nicht schon Anhang VI Abschnitt J Nummer 4 Buchstabe a der Verordnung Nr. 1408/71 in Anbetracht insbesondere der Artikel 48 und 51 EWG-Vertrag den zuständigen niederländischen Träger verpflichte, die nach der ABPW zurückgelegten Zeiten zu berücksichtigen. Fraglich sei auch, welcher niederländische Träger gegebenenfalls für die Zahlung der Invalidenrente an den Kläger zuständig sei.
23 Der Centrale Raad van Beroep hat daher das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen vorgelegt:
1. Ist Anhang VI Abschnitt J Nummer 4 Buchstabe a der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 in der zur entscheidungserheblichen Zeit geltenden Fassung so auszulegen, daß für eine Person, die in den Niederlanden ausschließlich vom 15. Oktober 1968 bis zum 1. April 1974 gearbeitet hat und während dieses gesamten Zeitraums nach einer Sonderregelung für Beamte gegen Invalidität versichert war, gemäß Artikel 46 Absatz 2 in Verbindung mit Artikel 45 Absatz 4 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 unter Berücksichtigung der Artikel 48 und 51 EG-Vertrag auch die fragliche Beschäftigungszeit nach dem genannten Abschnitt des Anhangs bei der Feststellung der Leistungen wegen Invalidität zu berücksichtigen ist?
2. Falls ja, ist dann als zur Feststellung der Leistungen aufgrund dieser Beschäftigungszeiten befugter Träger der in Anhang 2 Abschnitt J Nummer 2 Buchstabe b der Verordnung Nr. 574/72 genannte Träger anzusehen oder aber der nach nationalem Recht für die Invaliditätsversicherung der Beamten zuständige Träger, obwohl dieser in dem genannten Anhang nicht aufgeführt ist?
24 Vorab ist darauf hinzuweisen, daß, wie die Parteien des Ausgangsverfahrens und die Kommission in der Sitzung ausgeführt haben, der Kläger seit dem 25. Oktober 1998, dem Tag des Inkrafttretens der Verordnung Nr. 1606/98, also seit einem nach der Vorlage dieses Vorabentscheidungsersuchens liegenden Zeitpunkt, eine proratisierte Leistung nach der WAO bezieht, so daß die Vorlagefragen nur für die Zeit vor dem Inkrafttreten dieser Verordnung zu beantworten sind.
Zur ersten Frage
25 Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Anhang VI Abschnitt J Nummer 4 Buchstabe a der Verordnung Nr. 1408/71 so auszulegen ist, daß er den zuständigen niederländischen Träger, bei dem ein in einem anderen Mitgliedstaat arbeitsunfähig gewordener Arbeitnehmer eine proratisierte Leistung bei Invalidität beantragt, verpflichtet, die Versicherungszeiten, die dieser Arbeitnehmer in den Niederlanden nach dem 1. Juli 1967 nach einem Sondersystem für Beamte zurückgelegt hat, nach der WAO zurückgelegten Versicherungszeiten gleichzustellen.
26 Der Kläger und die Kommission machen unter Hinweis auf die Urteile Olivieri-Cönen, Vougioukas sowie Grahame und Hollanders geltend, da es vor Inkrafttreten der Verordnung Nr. 1606/98 keine für die Sondersysteme für Beamte geltenden Koordinierungsmaßnahmen gegeben habe, sei der zuständige niederländische Träger nach den Artikeln 48 und 51 des Vertrages verpflichtet gewesen, die nach der ABPW zurückgelegten Versicherungszeiten für die Gewährung einer anteilig berechneten Leistung zu berücksichtigen, die unter entsprechender Anwendung der für die Feststellung von Rentenansprüchen geltenden Bestimmung der Verordnung Nr. 1408/71 in der seinerzeit geltenden Fassung zu berechnen sei.
27 Für den Kläger und die Kommission steht fest, daß dem Kläger niederländische Leistungen bei Invalidität, die unabhängig von der Dauer der Versicherungszeiten berechnet worden wären (Rechtsvorschriften des Typs A), zugestanden hätten, wenn er sein Recht auf Freizuegigkeit nicht wahrgenommen, sondern nur in den Niederlanden gearbeitet hätte. Weil er aber dieses Recht wahrgenommen habe, habe er für die Zeit vor Inkrafttreten der Verordnung Nr. 1606/98 in den Niederlanden keine Leistung erhalten und erhalte in Deutschland nur eine anteilig berechnete Leistung (Rechtsvorschriften des Typs B).
28 Wie der Gerichtshof in Randnummer 30 des Urteils Vougioukas ausgeführt hat, muß der Rat, um die wirksame Ausübung des in Artikel 48 des Vertrages verankerten Rechts auf Freizuegigkeit zu gewährleisten, nach Artikel 51 des Vertrages ein System einführen, das es den Arbeitnehmern erlaubt, die für sie aus den Unterschieden der nationalen Rechtsvorschriften über die soziale Sicherheit etwa resultierenden Hindernisse zu überwinden.
29 Für die Sondersysteme für Beamte oder ihnen gleichgestellte Personen ist der Gemeinschaftsgesetzgeber dieser Verpflichtung jedoch erst mit dem Erlaß der am 25. Oktober 1998 in Kraft getretenen Verordnung Nr. 1606/98 nachgekommen; für die Zeit davor hat er eine erhebliche Lücke in der gemeinschaftsrechtlichen Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit bestehen lassen.
30 Zu berücksichtigen ist jedoch, daß der Rat bei der Wahl der Maßnahmen, die zur Erreichung des in Artikel 51 des Vertrages angestrebten Ergebnisses am besten geeignet sind, über einen weiten Ermessensspielraum verfügt. Daher sind nationale Einrichtungen, bei denen unmittelbar auf die Artikel 48 und 51 des Vertrages gestützte Anträge auf Gewährung von Leistungen der sozialen Sicherheit nach einem Sondersystem für Beamte oder ihnen gleichgestellte Personen gestellt werden, bis zum Erlaß der Koordinierungsmaßnahmen für diese Systeme auf Gemeinschaftsebene nicht verpflichtet, die Bestimmungen der Verordnung Nr. 1408/71 über die Systeme der sozialen Sicherheit, die in deren sachlichen Geltungsbereich fielen, entsprechend anzuwenden. Etwas anderes könnte nur gelten, wenn sich die nachteiligen Folgen nationaler Rechtsvorschriften für Arbeitnehmer, die ihr Recht auf Freizuegigkeit wahrgenommen haben, überwinden ließen, ohne auf gemeinschaftsrechtliche Koordinierungsmaßnahmen zurückzugreifen.
31 Ein solcher Fall lag in der Rechtssache Vougioukas vor, in der es um bestimmte nationale Vorschriften ging, die diskriminierend waren, weil sie die Anerkennung von Versicherungszeiten nur deshalb ausschlossen, weil diese Zeiten in einem anderen Mitgliedstaat als dem in Rede stehenden Staat zurückgelegt worden waren. Diese Vorschriften, die eine Ungleichbehandlung von Wanderarbeitnehmern gegenüber solchen Arbeitnehmern, die ihr Recht auf Freizuegigkeit nicht wahrgenommen hatten, vorsahen, konnten für unanwendbar erklärt werden, ohne daß für die Entscheidung des Ausgangsrechtsstreits auf Koordinierungsvorschriften zurückgegriffen zu werden brauchte, deren Erlaß dem Rat vorbehalten ist.
32 Dagegen ist es im Ausgangsverfahren, in dem es um die Feststellung einer Leistung bei Invalidität nach einem Sondersystem für Beamte oder ihnen gleichgestellte Personen eines Mitgliedstaats geht, das zudem die Merkmale von Rechtsvorschriften des Typs A aufweist, und zwar einer Leistung für eine in einem anderen Mitgliedstaat, in dem für Angestellte allgemein Rechtsvorschriften des Typs B gelten, eingetretene Arbeitsunfähigkeit, unerläßlich, auf Koordinierungstechniken zur Regelung der Beziehungen zwischen den betreffenden nationalen Systemen zurückzugreifen, deren Wahl gemäß Artikel 51 des Vertrages Sache des Rates ist. Insoweit ist zu beachten, daß, wie sich aus den Randnummern 12 und 13 des vorliegenden Urteils ergibt, der Rat mit der Verordnung Nr. 1606/98 andere Vorschriften erlassen hat, als sie bis dahin auf dem Gebiet der Zusammenrechnung von Versicherungszeiten galten.
33 Die Urteile Olivieri-Cönen sowie Grahame und Hollanders betreffen zwar ebenfalls die Feststellung von Leistungen bei Invalidität nach den niederländischen Rechtsvorschriften, können jedoch in der vorliegenden Rechtssache nicht herangezogen werden. Sie betreffen die Frage der Berücksichtigung von Beschäftigungszeiten und gleichgestellten Zeiten, die vor dem 1. Januar 1967, dem Tag des Inkrafttretens der WAO, in den Niederlanden zurückgelegt wurden; diese Berücksichtigung war in Anhang V Abschnitt I Nummer 4 Buchstabe a der Verordnung Nr. 1408/71 in der am 1. Februar 1982 geltenden Fassung (in der Rechtssache Olivieri-Cönen) und in Anhang VI Abschnitt J Nummer 4 Buchstabe a dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1408/71 (in der Rechtssache Grahame und Hollanders) ausdrücklich vorgesehen. Wie der Beklagte und die niederländische Regierung im Ausgangsverfahren vorgetragen haben, liegen die vom Kläger in den Niederlanden zurückgelegten Beschäftigungszeiten aber zwischen dem 15. Oktober 1968 und dem 1. April 1974.
34 Auf die erste Frage ist daher zu antworten, daß Anhang VI Abschnitt J Nummer 4 Buchstabe a der Verordnung Nr. 1408/71 so auszulegen ist, daß er den zuständigen niederländischen Träger, bei dem ein in einem anderen Mitgliedstaat arbeitsunfähig gewordener Arbeitnehmer eine proratisierte Leistung bei Invalidität beantragt, nicht verpflichtet, die Versicherungszeiten, die dieser Arbeitnehmer in den Niederlanden nach dem 1. Juli 1967 nach einem Sondersystem für Beamte zurückgelegt hat, nach der WAO zurückgelegten Versicherungszeiten gleichzustellen.
Zur zweiten Frage
35 Angesichts der Antwort auf die erste Frage braucht die zweite Frage nicht beantwortet zu werden.
Kostenentscheidung:
Kosten
36 Die Auslagen der niederländischen Regierung und der Regierung des Vereinigten Königreichs sowie der Kommission, die Erklärungen vor dem Gerichtshof abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.
Tenor:
Aus diesen Gründen hat
DER GERICHTSHOF
auf die ihm vom Centrale Raad van Beroep mit Beschluß vom 24. September 1997 vorgelegten Fragen für Recht erkannt:
Anhang VI Abschnitt J Nummer 4 Buchstabe a der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, in der durch die Verordnung Nr. 2001/83 des Rates vom 2. Juni 1983 geänderten und aktualisierten Fassung, geändert durch Anhang I Teil VIII der Akte über die Bedingungen des Beitritts des Königreichs Spanien und der Portugiesischen Republik und die Anpassungen der Verträge, ist so auszulegen, daß er den zuständigen niederländischen Träger, bei dem ein in einem anderen Mitgliedstaat arbeitsunfähig gewordener Arbeitnehmer eine proratisierte Leistung bei Invalidität beantragt, nicht verpflichtet, die Versicherungszeiten, die dieser Arbeitnehmer in den Niederlanden nach dem 1. Juli 1967 nach einem Sondersystem für Beamte zurückgelegt hat, nach der Wet op de arbeidsongeschiktheidsverzekering vom 18. Februar 1966 zurückgelegten Versicherungszeiten gleichzustellen.
Ende der Entscheidung
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