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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 18.12.1997
Aktenzeichen: C-361/95
Rechtsgebiete: Richtlinie 92/49/EWG


Vorschriften:

Richtlinie 92/49/EWG
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

3 Im Rahmen einer Klage nach Artikel 169 des Vertrages ist das Vorliegen einer Vertragsverletzung anhand der Situation zu beurteilen, in der sich der Mitgliedstaat bei Ablauf der Frist befand, die in der mit Gründen versehenen Stellungnahme festgesetzt wurde; spätere Veränderungen kann der Gerichtshof nicht berücksichtigen.

4 Wenn eine Richtlinie ausdrücklich die Verpflichtung der Mitgliedstaaten vorsieht, zu gewährleisten, daß in den Vorschriften zur Umsetzung dieser Richtlinie selbst oder durch einen Hinweis bei der amtlichen Veröffentlichung auf diese Richtlinie Bezug genommen wird, ist es erforderlich, eine eigene Umsetzungsmaßnahme zu erlassen.


Urteil des Gerichtshofes (Fünfte Kammer) vom 18. Dezember 1997. - Kommission der Europäischen Gemeinschaften gegen Königreich Spanien. - Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats - Nichtumsetzung der Richtlinie 92/49/EWG - Direktversicherung mit Ausnahme der Lebensversicherung. - Rechtssache C-361/95.

Entscheidungsgründe:

1 Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften hat mit Klageschrift, die am 23. November 1995 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, Klage erhoben auf Feststellung, daß das Königreich Spanien dadurch, daß es nicht fristgerecht alle erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften erlassen hat, um der Richtlinie 92/49/EWG des Rates vom 18. Juni 1992 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Direktversicherung (mit Ausnahme der Lebensversicherung) sowie zur Änderung der Richtlinien 73/239/EWG und 88/357/EWG (Dritte Richtlinie Schadenversicherung) (ABl. L 228, S. 1; nachstehend: Richtlinie) nachzukommen, oder, hilfsweise, dadurch gegen seine Verpflichtungen aus dem EG-Vertrag verstossen hat, daß es die Kommission nicht von diesen Vorschriften unterrichtet hat.

2 Gemäß Artikel 57 der Richtlinie erlassen die Mitgliedstaaten spätestens am 31. Dezember 1993 die Rechts- und Verwaltungsvorschriften, die erforderlich sind, um dieser Richtlinie nachzukommen, und unterrichten die Kommission unverzueglich davon.

3 Da die Kommission keine Mitteilung über vom Königreich Spanien erlassene Vorschriften zur Umsetzung der Richtlinie erhalten hatte, forderte sie dieses mit Schreiben vom 10. Februar 1994 auf, sich binnen zwei Monaten zu äussern.

4 Die Kommission erhielt keine Antwort, aus der sie hätte entnehmen können, daß das Königreich Spanien seine Verpflichtungen aus der Richtlinie erfuellt hatte. Sie richtete daher am 24. Oktober 1994 eine mit Gründen versehene Stellungnahme an das Königreich Spanien und forderte es auf, binnen zwei Monaten alle erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um dieser Stellungnahme nachzukommen.

5 Mit Schreiben vom 18. Januar 1995 teilten die spanischen Behörden mit, daß sie die erforderlichen Maßnahmen vorbereiteten, um der Richtlinie nachzukommen.

6 Die Kommission erhielt keine weitere Mitteilung, aus der sie hätte entnehmen können, daß das Königreich Spanien seine Verpflichtungen aus der Richtlinie erfuellt hatte. Sie hat daher die vorliegende Klage erhoben.

7 Wie sich aus der Klageschrift und den mündlichen Ausführungen der Kommission ergibt, hat die vorliegende Klage die Nichtumsetzung der Richtlinie innerhalb der vorgesehenen Frist oder, hilfsweise, die unterbliebene Mitteilung der Umsetzungsmaßnahmen zum Gegenstand.

8 Das Königreich Spanien bestreitet die ihm vorgeworfene Vertragsverletzung und macht geltend, um festzustellen, ob die Richtlinie umgesetzt worden sei oder nicht, müssten nicht nur das Gesetz Nr. 30/1995 vom 8. November 1995 über Ordenación y Supervisión de los Seguros Privados (Gesetz über Organisation und Kontrolle der Privatversicherung, BÖ Nr. 268 vom 9. November 1995, S. 32480), das den Inhalt der Richtlinie in der spanischen Rechtsordnung umsetze, sondern auch das Reglamento de Ordenación del Seguro Privado (Verordnung über die Organisation der Privatversicherung), verabschiedet durch die Königliche Verordnung Nr. 1348/85 vom 1. August 1985 (BÖ Nr. 185 vom 3. August 1985) und die Ley de Régimen Jurídico de las Administraciones Públicas y del Procedimiento Administrativo Común Nr. 30/1992 vom 26. November 1992 (Gesetz über die Rechtsstellung der öffentlichen Verwaltungen und über das allgemeine Verwaltungsverfahren, BÖ Nr. 285 vom 27. November 1992), auf die das Gesetz Nr. 30/1995 verweise, sowie die Ley Reguladora de la Jurisdicción Contencioso Administrativa vom 27. Dezember 1956 (Gesetz über die Verwaltungsgerichtsbarkeit, BÖ Nr. 363 vom 28. Dezember 1956) in Betracht gezogen werden.

9 Das Königreich Spanien macht ausserdem geltend, was die Artikel 17, 21 und 22 der Richtlinie über die allgemeine Verpflichtung, versicherungstechnische Rückstellungen zu bilden, über die Vermögenswerte, die für die Bedeckung dieser Rückstellungen zugelassen werden könnten, und über bestimmte Regeln hinsichtlich der Diversifizierung dieser Vermögenswerte angehe, habe die Kommission die Übergangsregelung des Artikels 50 der Richtlinie nicht beachtet, die folgendes vorsehe:

"Für Spanien gilt bis zum 31. Dezember 1996 und für Griechenland und Portugal bis zum 31. Dezember 1998 folgende Übergangsregelung für Verträge zur Deckung von Risiken, die ausschließlich in einem dieser Mitgliedstaaten belegen sind, mit Ausnahme der in Artikel 5 Buchstabe d) der Richtlinie 73/239/EWG definierten Risiken:

a)...

b) Die Höhe der versicherungstechnischen Rückstellungen für die unter diesen Artikel fallenden Verträge wird unter Aufsicht des betreffenden Mitgliedstaats nach den von ihm festgelegten Vorschriften oder in Ermangelung deren nach den in diesem Staat gemäß dieser Richtlinie geltenden Praktiken bestimmt. Die Bedeckung dieser Rückstellungen durch gleichwertige und kongrünte Aktiva und die Belegenheit dieser Aktiva erfolgt unter Aufsicht dieses Mitgliedstaats nach seinen dieser Richtlinie entsprechenden Vorschriften oder Praktiken."

10 Das Königreich Spanien schließt hieraus, daß in diesem Bereich bis zum 31. Dezember 1996 keine Verpflichtung zur Umsetzung bestehe und daß die spanischen Vorschriften und Praktiken nur hinsichtlich der Bedeckung dieser Rückstellungen durch gleichwertige Aktiva und der Belegenheit dieser Aktiva in Übereinstimmung mit der Richtlinie erlassen oder angewandt werden müssten.

11 Da weiter der in den Artikeln 18 und 23 der Richtlinie geregelte Bereich die versicherungstechnischen Rückstellungen betreffe, gelte auch hier die Übergangsregelung des Artikels 50 der Richtlinie.

12 Die Kommission macht geltend, das Gesetz Nr. 30/1995 setze die Richtlinie verspätet und nur zum Teil um. Insbesondere seien keine Maßnahmen zur Umsetzung der Artikel 6, 7, 17, 18, 21 bis 24 und 56 der Richtlinie erlassen worden.

13 Was zunächst die Richtlinienbestimmungen betrifft, die nach dem Vorbringen des Königreichs Spaniens durch das Gesetz Nr. 30/1995 umgesetzt worden sind, ist nach ständiger Rechtsprechung das Vorliegen einer Vertragsverletzung anhand der Situation zu beurteilen, in der sich der Mitgliedstaat bei Ablauf der Frist befand, die in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzt wurde; spätere Veränderungen kann der Gerichtshof nicht berücksichtigen (vgl. insbesondere Urteil vom 17. September 1996 in der Rechtssache C-289/94, Kommission/Italien, Slg. 1996, I-4405, Randnr. 20).

14 Das Gesetz Nr. 30/1995 wurde jedoch nach Ablauf der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzten Frist erlassen, so daß der Gerichtshof es nicht berücksichtigen kann. Somit sind die Artikel der Richtlinie, die nach dem Vorbringen des Königreichs Spanien durch das Gesetz Nr. 30/1995 umgesetzt wurden, nicht fristgerecht umgesetzt worden.

15 Was zweitens die Bestimmungen der Richtlinie betrifft, die das Königreich Spanien durch Vorschriften umgesetzt zu haben glaubt, die schon vor Ablauf der von der Kommission gesetzten Frist in Kraft waren, so war es im vorliegenden Fall, wie die Kommission zu Recht ausführt, erforderlich, eine eigene Umsetzungsmaßnahme zu erlassen, da Artikel 57 Absatz 1 Unterabsatz 2 der Richtlinie ausdrücklich die Verpflichtung der Mitgliedstaaten vorsieht, zu gewährleisten, daß in den Vorschriften zur Umsetzung dieser Richtlinie selbst oder durch einen Hinweis bei der amtlichen Veröffentlichung auf diese Richtlinie Bezug genommen wird (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 27. November 1997 in der Rechtssache C-137/96, Kommission/Deutschland, Slg. 1997, I-0000, Randnr. 8). Die in Randnummer 8 des vorliegenden Urteils genannten Vorschriften, auf die das Königreich Spanien verweist, erfuellen diese Voraussetzung jedoch nicht.

16 Was schließlich die Bestimmungen betrifft, die nach dem Vorbringen des Königreichs Spanien unter die Übergangsregelung des Artikels 50 der Richtlinie fallen, kann eine solche Regelung, wie die Kommission zu Recht ausgeführt hat, nur im Rahmen der vollständigen Umsetzung der Richtlinie und in Übereinstimmung mit dieser angewandt werden.

17 Es ist demgemäß festzustellen, daß das Königreich Spanien dadurch gegen seine Verpflichtungen aus der Richtlinie verstossen hat, daß es nicht fristgerecht alle erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften erlassen hat, um dieser Richtlinie nachzukommen.

Kostenentscheidung:

Kosten

18 Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Die Kommission hat beantragt, dem Königreich Spanien die Kosten aufzuerlegen. Da dieses mit seinem Vorbringen unterlegen ist, sind ihm die Kosten aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

(Fünfte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1. Das Königreich Spanien hat dadurch gegen seine Verpflichtungen aus der Richtlinie 92/49/EWG des Rates vom 18. Juni 1992 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Direktversicherung (mit Ausnahme der Lebensversicherung) sowie zur Änderung der Richtlinien 73/239/EWG und 88/357/EWG (Dritte Richtlinie Schadenversicherung) verstossen, daß es nicht fristgerecht alle erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften erlassen hat, um dieser Richtlinie nachzukommen.

2. Das Königreich Spanien trägt die Kosten des Verfahrens.

Ende der Entscheidung

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