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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 19.01.1994
Aktenzeichen: C-364/92
Rechtsgebiete: EWGV


Vorschriften:

EWGV Art. 86
EWGV Art. 90
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Der Gerichtshof ist gemäß Artikel 177 EWG-Vertrag für die Entscheidung über die Auslegung von Bestimmungen des EWG-Vertrags zuständig; diese Bestimmung sieht ein unmittelbares Zusammenwirken des Gerichtshofes mit den nationalen Gerichten in einem nichtstreitigen Verfahren vor, in dem die Parteien keinerlei Initiativrechte, sondern nur Gelegenheit zur Äusserung haben.

Wird dem Gerichtshof von einem nationalen Gericht eine Frage nach der Auslegung des EWG-Vertrags vorgelegt, kann eine Partei des Ausgangsverfahrens daher nicht die Unzuständigkeit des Gerichtshofes geltend machen.

2. Eine Partei des Ausgangsverfahrens kann die Unzulässigkeit einer Vorabentscheidungsfrage nicht mit der Begründung geltend machen, das nationale Gericht habe das Verfahren des Artikels 177 EWG-Vertrag aufgrund angeblich unzutreffender Feststellungen in Gang gesetzt.

3. Die Artikel 86 und 90 EWG-Vertrag sind dahin auszulegen, daß eine internationale Organisation wie Eurocontrol kein Unternehmen im Sinne dieser Bestimmungen darstellt.

In ihrer Gesamtheit hängen die Tätigkeiten von Eurocontrol - einschließlich der im Auftrag der Staaten durchgeführten Einziehung der Streckengebühren - ihrer Art, ihrem Gegenstand und den für sie geltenden Regeln nach nämlich mit der Ausübung von Vorrechten zusammen, die die Kontrolle und die Überwachung des Luftraums betreffen und die typischerweise hoheitliche Vorrechte sind; sie weisen keinen wirtschaftlichen Charakter auf, der die Anwendung der Wettbewerbsregeln des EWG-Vertrags rechtfertigen würde.


URTEIL DES GERICHTSHOFES VOM 19. JANUAR 1994. - SAT FLUGGESELLSCHAFT MBH GEGEN EUROCONTROL. - ERSUCHEN UM VORABENTSCHEIDUNG: COUR DE CASSATION - BELGIEN. - ARTIKEL 86 UND 90 EWG-VERTRAG - BEGRIFF DES UNTERNEHMENS - INTERNATIONALE ORGANISATION. - RECHTSSACHE C-364/92.

Entscheidungsgründe:

1 Die belgische Cour de cassation hat mit Urteil vom 10. September 1992, beim Gerichtshof eingegangen am 18. September 1992, gemäß Artikel 177 EWG-Vertrag eine Frage nach der Auslegung der Artikel 86 und 90 EWG-Vertrag zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2 Diese Frage stellt sich in einem Rechtsstreit zwischen der Luftfahrtgesellschaft deutschen Rechts SAT Fluggesellschaft mbH (im folgenden: SAT) und der Europäischen Organisation für Flugsicherung (Eurocontrol).

3 Eurocontrol ist eine internationale Organisation, deren Sitz sich in Brüssel befindet und die durch ein Übereinkommen vom 13. Dezember 1960 gegründet worden ist. Durch ein Protokoll vom 12. Februar 1981, das am 1. Januar 1986 in Kraft getreten ist, ist das ursprüngliche Übereinkommen wesentlich geändert worden (im folgenden: geändertes Übereinkommen). Vertragsstaaten sind die Bundesrepublik Deutschland, das Königreich Belgien, die Französische Republik, die Griechische Republik, Irland, das Großherzogtum Luxemburg, das Königreich der Niederlande, die Portugiesische Republik und das Königreich Großbritannien und Nordirland sowie die Republik Zypern, die Republik Ungarn, die Republik Malta, die Schweizerische Eidgenossenschaft und die Republik Türkei.

4 Nach Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe l des geänderten Übereinkommens hat Eurocontrol u. a. die Aufgabe, gemäß der am 12. Februar 1981 unterzeichneten Mehrseitigen Vereinbarung über Flugsicherungs-Streckengebühren die den Benutzern der Flugsicherungsdienste auferlegten Gebühren im Auftrag der oben genannten Vertragsparteien und der an dieser Vereinbarung beteiligten Drittstaaten festzulegen und einzuziehen. Bei den Drittstaaten handelt es sich um Österreich und Spanien.

5 In dem Rechtsstreit, den Eurocontrol bei den belgischen Gerichten anhängig gemacht hat, geht es um die Einziehung von Streckengebühren in Höhe von 3 175 953 USD, die die Firma SAT für in der Zeit von September 1981 bis Dezember 1985 durchgeführte Flüge angeblich schuldet.

6 Die Firma SAT macht zur Rechtfertigung ihrer Weigerung, diese Gebühren zu entrichten, geltend, Eurocontrol habe gegen die Artikel 86 und 90 EWG-Vertrag verstossen. Die Praxis von Eurocontrol, unterschiedliche Gebührentarife für gleichwertige Leistungen festzulegen, die u. a. je nach Staat und Jahr verschieden seien, stelle einen Mißbrauch einer beherrschenden Stellung im Sinne von Artikel 86 EWG-Vertrag dar.

7 Unter diesen Umständen hat die mit dem Rechtsstreit befasste belgische Cour de cassation dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Stellt die Europäische Organisation für Flugsicherung, die durch das in Brüssel am 13. Dezember 1960 unterzeichnete und durch das Brüsseler Protokoll vom 12. Februar 1981 geänderte Übereinkommen geschaffen worden ist, ein Unternehmen im Sinne der Artikel 86 und 90 des Vertrages von Rom vom 25. März 1957 zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft dar?

Zur Zuständigkeit des Gerichtshofes

8 Eurocontrol macht geltend, als internationale Organisation, deren Beziehungen zur Gemeinschaft sich nach dem Völkerrecht bestimmten, unterliege sie nicht der Gerichtsbarkeit des Gerichtshofes. Dieser sei daher für die Entscheidung über die Vorlagefrage nicht zuständig.

9 Diese Einrede der Unzuständigkeit ist zurückzuweisen. Der Gerichtshof ist gemäß Artikel 177 EWG-Vertrag für die Entscheidung über die Auslegung von Bestimmungen des EWG-Vertrags zuständig; diese Vorschrift sieht ein unmittelbares Zusammenwirken des Gerichtshofes mit den nationalen Gerichten in einem nichtstreitigen Verfahren vor, in dem die Parteien keinerlei Initiativrechte, sondern nur Gelegenheit zur Äusserung haben (siehe u. a. Urteil vom 9. Dezember 1965 in der Rechtssache 44/65, Hessische Knappschaft, Slg. 1965, 1267).

10 Das nationale Gericht hat dem Gerichtshof eine Frage vorgelegt, die sich nicht auf die Auslegung des Übereinkommens zur Gründung von Eurocontrol oder der Mehrseitigen Vereinbarung über Flugsicherungs-Streckengebühren bezieht, sondern auf die Auslegung der Artikel 86 und 90 EWG-Vertrag.

11 Die Frage, ob Eurocontrol die Vorschriften des Gemeinschaftsrechts entgegengehalten werden können, gehört zur materiellrechtlichen Problematik und wirkt sich auf die Zuständigkeit des Gerichtshofes nicht aus.

Zur Zulässigkeit

12 Eurocontrol trägt ausserdem vor, die Vorabentscheidungsfrage sei unzulässig, da die Entscheidungsgründe des Vorlageurteils in einem wesentlichen Punkt fehlerhaft seien, denn sie beruhten auf der irrigen Grundannahme, daß diese Organisation bei der Flugsicherung und der Erhebung der Streckengebühren eine Monopolstellung einnehme. Ausserdem könnte ein Urteil, durch das Eurocontrol gegebenenfalls den Wettbewerbsregeln des EWG-Vertrags unterworfen würde, nicht vollstreckt werden, da die Staaten, die dem Übereinkommen beigetreten seien, die aber nicht Mitglied der Gemeinschaft seien, durch dieses Urteil rechtlich nicht gebunden wären.

13 Das erste Argument, mit dem die Sachdienlichkeit der von dem nationalen Gericht vorgelegten Vorabentscheidungsfrage bestritten werden soll, ist zurückzuweisen. Zwar ist die Bestimmung des genauen Umfangs des Aufgabenbereichs einer Organisation wie Eurocontrol für die Beantwortung der Vorlagefrage in der Sache von Bedeutung, angeblich unzutreffende Feststellungen des vorlegenden Gerichts über diesen Aufgabenbereich sind aber für die Zulässigkeit des Vorabentscheidungsersuchens unerheblich.

14 Das zweite Argument ist aus denselben Gründen zurückzuweisen, die zur Zurückweisung der Einrede der Unzuständigkeit geführt haben. Es bezieht sich nämlich insoweit auf das materielle Recht, als es die Beantwortung der Frage voraussetzt, ob Eurocontrol ein den Wettbewerbsregeln unterliegendes Unternehmen ist.

Zum materiellen Recht

15 Die Firma SAT macht geltend, Eurocontrol sei ein Unternehmen im Sinne der Artikel 86 und 90 EWG-Vertrag. Die von dieser Organisation ausgeuebten Forschungs- und Koordinierungstätigkeiten sowie die Einziehung der Streckengebühren gehörten nicht zum "ius imperii", sondern stellten Tätigkeiten wirtschaftlicher Art dar, die von privatrechtlichen Organisationen ausgeuebt werden könnten. Selbst die Tätigkeit der Flugverkehrskontrolle habe wirtschaftlichen Charakter, was dadurch bestätigt werde, daß diese Kontrolle in bestimmten Mitgliedstaaten von privaten Unternehmen wahrgenommen werde. Hilfsweise trägt die Firma SAT vor, zumindest die Einziehung der Gebühren, die dem Ausgangsrechtsstreit zugrunde liege, sei eine Tätigkeit kaufmännischer Art, was insbesondere dadurch belegt werde, daß Eurocontrol Klagen zur Beitreibung von Gebühren beim Tribunale de commerce Brüssel erhoben habe.

16 Die deutsche Regierung, die französische Regierung, die Regierung des Vereinigten Königreichs und die griechische Regierung sowie Eurocontrol bestreiten dagegen unter Berufung auf den hoheitlichen Charakter der von Eurocontrol ausgeuebten Tätigkeit, daß diese Organisation ein Unternehmen im Sinne der Wettbewerbsregeln des EWG-Vertrags sei. Sie stützen sich insbesondere auf die die Auslegung des Übereinkommens vom 27. Februar 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen betreffenden Urteile des Gerichtshofes, aus denen hervorgehe, daß Eurocontrol mit einer in Ausübung hoheitlicher Befugnisse tätig werdenden Behörde gleichzusetzen sei (Urteile vom 14. Oktober 1976 in der Rechtssache 29/76, LTU, Slg. 1976, 1541, und vom 14. Juli 1977 in den verbundenen Rechtssachen 9/77 und 10/77, Bavaria Fluggesellschaft und Germanair, Slg. 1977, 1517). Sie machen insbesondere geltend, die Tätigkeit der Flugverkehrskontrolle sei eine ordnungsbehördliche Tätigkeit, durch die die öffentliche Sicherheit gewährleistet werden solle. Was die Tätigkeit der Einziehung der Streckengebühren angehe, so werde diese im Auftrag der Vertragsstaaten ausgeuebt, wobei die Gebühren nur die Gegenleistung für die von diesen Staaten erbrachten Flugsicherungsdienste seien.

17 Auch die Kommission macht geltend, Eurocontrol sei kein Unternehmen im Sinne der Bestimmungen des EWG-Vertrags, und wiederholt in diesem Zusammenhang das Vorbringen der Mitgliedstaaten zur Tätigkeit der Einziehung der Streckengebühren. Sie vertritt darüber hinaus die Auffassung, bei der Tätigkeit der Flugverkehrskontrolle, die nicht unmittelbar Streitgegenstand des Ausgangsverfahrens sei, handele es sich um eine hoheitliche Aufgabe, die keinen wirtschaftlichen Charakter habe, denn sie stelle eine im Allgemeininteresse liegende Dienstleistung dar, durch die sowohl die Nutzer des Luftverkehrs als auch die durch den Überflug von Luftfahrzeugen betroffene Bevölkerung geschützt werden sollten.

18 Aus der Rechtsprechung des Gerichtshofes (siehe insbesondere Urteile vom 23. April 1991 in der Rechtssache C-41/90, Höfner und Elser, Slg. 1991, I-1979, Randnr. 21, und vom 17. Februar 1993 in den verbundenen Rechtssachen C-159/91 und C-160/91, Poucet und Pistre, Slg. 1993, I-637, Randnr. 17) geht hervor, daß der Begriff des Unternehmens im Wettbewerbsrecht der Gemeinschaft jede eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübende Einheit unabhängig von ihrer Rechtsform und der Art ihrer Finanzierung umfasst.

19 Um festzustellen, ob die Tätigkeiten von Eurocontrol Tätigkeiten eines Unternehmens im Sinne der Artikel 86 und 90 EWG-Vertrag sind, ist zu untersuchen, welcher Art diese Tätigkeiten sind.

20 Artikel 1 des am 7. Dezember 1944 in Chicago unterzeichneten Abkommens über die Internationale Zivilluftfahrt (UN Treaty Series Bd. 15, Nr. 105) lautet: "Die Vertragsstaaten erkennen an, daß jeder Staat über seinem Hoheitsgebiet volle und ausschließliche Lufthoheit besitzt." Im Rahmen dieser Lufthoheit nehmen die Staaten - vorbehaltlich der Beachtung der Bestimmungen der geltenden internationalen Übereinkünfte - die Überwachung ihres Luftraums und die Flugverkehrskontrolldienste wahr.

21 Nach dem Übereinkommen über ihre Gründung ist Eurocontrol eine internationale Organisation mit regionaler Aufgabenstellung, die die Zusammenarbeit der Vertragsstaaten auf dem Gebiet der Flugsicherung enger gestalten und gemeinsame Tätigkeiten auf diesem Gebiet unter Berücksichtigung der Erfordernisse der Landesverteidigung und Gewährleistung eines mit dem erforderlichen Sicherheitsgrad zu vereinbarenden Hoechstmasses an Handlungsfreiheit für alle Luftraumbenutzer weiterentwickeln soll. Sie handelt in Zusammenarbeit mit den Zivil- und Militärbehörden der Vertragsstaaten (Artikel 1 des geänderten Übereinkommens).

22 Der Aufgabenbereich von Eurocontrol umfasst nach der Festlegung in Artikel 2 des geänderten Übereinkommens erstens Tätigkeiten der Forschung, der Planung, der Koordinierung der nationalen Politiken und der Ausbildung des Personals.

23 Zweitens ist Eurocontrol für die Festlegung und Einziehung der den Luftraumbenutzern auferlegten Streckengebühren zuständig. Eurocontrol legt nach den von der Internationalen Zivilluftfahrt-Organisation vorgegebenen Leitlinien die einheitliche Formel fest, nach der die Streckengebühren berechnet werden. In dieser Formel werden das Gewicht des Flugzeugs und die zurückgelegte Entfernung berücksichtigt; darauf wird ein "Gebührensatz" angewendet. Dieser Satz wird nicht von Eurocontrol, sondern von jedem Vertragsstaat für die Benutzung seines Luftraums festgesetzt. Für jeden Flug wird eine einzige Gebühr, die die Summe der geschuldeten Gebühren darstellt, von Eurocontrol berechnet und eingezogen. Die Gebühren werden im Auftrag der Staaten erhoben und dann an diese ausgezahlt; dabei wird ein Teil der Einnahme abgezogen, der der Anwendung eines Verwaltungskostensatzes entspricht und die Kosten der Einziehung der Gebühren decken soll.

24 Schließlich ist die operative Tätigkeit der Flugverkehrskontrolle, wie im Protokoll vom 12. Februar 1981 ausdrücklich vorgesehen, beschränkt, da eine solche Tätigkeit von Eurocontrol nur auf Antrag der Vertragsstaaten ausgeuebt werden kann. Unstreitig kontrolliert Eurocontrol in diesem Rahmen über die Zentrale in Maastricht nur den Luftraum über den Beneluxländern und dem nördlichen Teil der Bundesrepublik Deutschland. Zu diesem Zweck verfügt Eurocontrol über diejenigen von der allgemeinen Regelung abweichenden Vorrechte und Befugnisse zum Einsatz von Zwangsmitteln, die diese Kontrolle gegenüber den Benutzern des Luftraums voraussetzt. Bei der Ausübung dieser besonderen Zuständigkeit muß sie für die Beachtung der internationalen Übereinkünfte und der innerstaatlichen Rechtsvorschriften über den Ein- und Überflug und über die Sicherheit des Hoheitsgebiets der betroffenen Vertragsstaaten Sorge tragen.

25 Was die letztgenannte Tätigkeit angeht, ist festzustellen, daß Eurocontrol unstreitig dazu verpflichtet ist, die Flugverkehrskontrolle in diesem Luftraum für jedes Luftfahrzeug, das dort einen Flug durchführt, wahrzunehmen, auch wenn der Betreiber dieses Luftfahrzeugs die Eurocontrol geschuldeten Streckengebühren nicht entrichtet hat.

26 Schließlich erfolgt die Finanzierung der Tätigkeiten von Eurocontrol durch Beiträge der Vertragsstaaten.

27 Eurocontrol nimmt somit für Rechnung der Vertragsstaaten Aufgaben von allgemeinem Interesse wahr, durch die ein Beitrag zur Aufrechterhaltung und zur Verbesserung der Flugsicherung geleistet werden soll.

28 Entgegen dem Vorbringen der Firma SAT lässt sich die die Einziehung der Streckengebühren betreffende Tätigkeit von Eurocontrol, die dem Ausgangsrechtsstreit zugrunde liegt, von den anderen Tätigkeiten der Organisation nicht trennen. Diese Gebühren sind nur die von den Benutzern geforderte Gegenleistung für die vorgeschriebene ausschließliche Nutzung der Flugsicherungseinrichtungen und -dienste. Wie der Gerichtshof im speziellen Rahmen der Auslegung des oben genannten Übereinkommens vom 27. September 1968 bereits festgestellt hat, ist Eurocontrol bei ihrer die Einziehung der Gebühren betreffenden Tätigkeit als eine in Ausübung hoheitlicher Befugnisse handelnde Behörde anzusehen (Urteil LTU, a. a. O., Randnrn. 4 und 5).

29 Eurocontrol wird dabei im Auftrag der Vertragsstaaten tätig, ohne die Höhe der Streckengebühren wirklich beeinflussen zu können. Der von der Firma SAT vor dem vorlegenden Gericht angeführte Umstand, daß die Höhe der Gebühren zeitlich oder je nach dem überflogenen Hoheitsgebiet unterschiedlich ist, ist nicht Eurocontrol, die lediglich eine einheitliche Formel unter den oben angegebenen Bedingungen festlegt und anwendet, sondern den Vertragsstaaten zuzurechnen, die die Höhe der Gebührensätze bestimmen.

30 In ihrer Gesamtheit hängen die Tätigkeiten von Eurocontrol ihrer Art, ihrem Gegenstand und den für sie geltenden Regeln nach mit der Ausübung von Vorrechten zusammen, die die Kontrolle und die Überwachung des Luftraums betreffen; dies sind typischerweise hoheitliche Vorrechte. Sie weisen keinen wirtschaftlichen Charakter auf, der die Anwendung der Wettbewerbsregeln des EWG-Vertrags rechtfertigen würde.

31 Eine internationale Organisation wie Eurocontrol stellt daher kein den Artikeln 86 und 90 EWG-Vertrag unterliegendes Unternehmen dar.

32 Aus diesen Gründen ist auf die Vorlagefrage zu antworten, daß die Artikel 86 und 90 EWG-Vertrag dahin auszulegen sind, daß eine internationale Organisation wie Eurocontrol kein Unternehmen im Sinne dieser Vorschriften darstellt.

Kostenentscheidung:

Kosten

33 Die Auslagen der deutschen Regierung, der Regierung des Vereinigten Königreichs, der französischen Regierung und der griechischen Regierung sowie der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, die vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

auf die ihm von der belgischen Cour de cassation mit Urteil vom 10. September 1992 vorgelegte Frage für Recht erkannt:

Die Artikel 86 und 90 EWG-Vertrag sind dahin auszulegen, daß eine internationale Organisation wie Eurocontrol kein Unternehmen im Sinne dieser Vorschriften darstellt.

Ende der Entscheidung

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