Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Beschluss verkündet am 21.10.2003
Aktenzeichen: C-365/03 P(R)
Rechtsgebiete: EG-Vertrag, Richtlinie 91/414/EWG, VO (EWG) Nr. 3600/92


Vorschriften:

EG-Vertrag Art. 225
Richtlinie 91/414/EWG Art. 8
VO (EWG) Nr. 3600/92 Art. 6
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Wenn der Richter der einstweiligen Anordnung in einer Situation, in der ein Hersteller das einzige Unternehmen ist, das die Eintragung eines Wirkstoffs in Anhang I der Richtlinie 91/414 über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln unterstützt, allerdings nachdem sich ein anderer interessierter Hersteller, der als einziger Hersteller inhaltlich vollständige Unterlagen vorgelegt hatte, aus dem Verfahren zurückgezogen und der Bericht erstattende Mitgliedstaat der Fortsetzung des Prüfungsverfahrens auf der Grundlage dieser Unterlagen zugestimmt hatte, bei der Entscheidung über die Gewichtigkeit der geltend gemachten Gründe nicht ausgeschlossen hat, dass dieses Unternehmen nicht innerhalb einer bestimmten Frist vollständige Unterlagen vorzulegen braucht, kann er nicht ohne Begehung eines Rechtsfehlers gleichzeitig dessen Versäumnis, vollständige Unterlagen vorzulegen, als einen im Rahmen der Würdigung der bestehenden Interessen gegen es sprechenden Umstand werten. Da die übrigen vom Richter der einstweiligen Anordnung im Rahmen dieser Würdigung geprüften Punkte für sich allein nicht die Feststellung eines für dieses Unernehmen ungünstigen Ergebnisses dieser Würdigung stützen und außerdem die Dringlichkeit des Antrags sowie die Gewichtigkeit der vorgebrachten Gründe in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht in dem angefochtenen Beschluss bejaht wurden, reicht dieser Rechtsfehler für die Aufhebung dieses Beschlusses aus.

( vgl. Randnrn. 12-13 )

2. Bei einem Antrag auf Aussetzung des Vollzugs einer Entscheidung über die Nichtaufnahme eines Wirkstoffs in Anhang I der Richtlinie 91/414 über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln und den Widerruf der Zulassungen für Pflanzenschutzmittel mit diesem Wirkstoff ist die Beeinträchtigung des Interesses der Kommission an der Anwendung des Gemeinschaftsrechts und insbesondere der Verordnung Nr. 3600/92 mit Durchführungsbestimmungen für die erste Stufe des Arbeitsprogramms gemäß Artikel 8 Absatz 2 der Richtlinie 91/414 über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln vor dem Erlass des Urteils in der Hauptsache bei der Würdigung der bestehenden Interessen zu relativieren, da für andere Stoffe, die ebenfalls unter Artikel 8 Absatz 2 der Richtlinie 91/414 fallen, für eine begrenzte Zeit weiter eine Zulassung besteht, ohne dass sie der nach der Richtlinie vorgesehenen wissenschaftlichen Bewertung unterworfen worden wären.

( vgl. Randnrn. 17, 23 )


Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofes vom 21. Oktober 2003. - Industrias Químicas del Vallés SA gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften. - Rechtsmittel - Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes - Antrag auf Aussetzung des Vollzugs - Pflanzenschutzmittel - Wirkstoffe - Metalaxyl. - Rechtssache C-365/03 P(R).

Parteien:

In der Rechtssache C-365/03 P(R)

Industrias Químicas del Vallés SA mit Sitz in Barcelona (Spanien), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte C. Fernández Vicién und J. Sabater Marotias,

Rechtsmittelführerin,

betreffend ein Rechtsmittel gegen den Beschluss des Präsidenten des Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften vom 5. August 2003 in der Rechtssache T-158/03 R (Industrias Químicas del Vallés/Kommission, Slg. 2003, II-0000) wegen Aufhebung dieses Beschlusses,

andere Verfahrensbeteiligte:

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch B. Doherty und S. Pardo Quintillán als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Antragsgegnerin im ersten Rechtszug,

erlässt

DER DIE AUFGABEN DES RICHTERS DER EINSTWEILIGEN ANORDNUNG WAHRNEHMENDE RICHTER

in Vertretung des Präsidenten des Gerichtshofes gemäß Artikel 85 Absatz 2 der Verfahrensordnung des Gerichtshofes, der gemäß Artikel 118 der Verfahrensordnung auf das Rechtsmittelverfahren entsprechende Anwendung findet,

nach Anhörung des Generalanwalts A. Tizzano

folgenden

Beschluss

Entscheidungsgründe:

1 Die Industrias Químicas del Vallés SA (im Folgenden: IQV) hat mit Rechtsmittelschrift, die am 22. August 2003 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß den Artikeln 225 EG und 57 Absatz 2 der Satzung des Gerichtshofes ein Rechtsmittel gegen den Beschluss des Präsidenten des Gerichts erster Instanz vom 5. August 2003 in der Rechtssache T-158/03 R (Industrias Químicas del Vallés/Kommission, Slg. 2003, II-0000, im Folgenden: angefochtener Beschluss) eingelegt, mit dem der Präsident des Gerichts ihren Antrag auf Aussetzung des Vollzugs der Entscheidung 2003/308/EG der Kommission vom 2. Mai 2003 über die Nichtaufnahme von Metalaxyl in Anhang I der Richtlinie 91/414/EWG des Rates und den Widerruf der Zulassungen für Pflanzenschutzmittel mit diesem Wirkstoff (ABl. L 113, S. 8, im Folgenden: streitige Entscheidung) zurückgewiesen hat.

2 Mit Schriftsatz, der am 16. September 2003 beim Gerichtshof eingegangen ist, hat die Kommission Stellung genommen.

3 Da die schriftlichen Erklärungen der Verfahrensbeteiligten und die Akten alle Informationen enthalten, die für die Entscheidung über das vorliegende Rechtsmittel erforderlich sind, besteht kein Anlass, die Verfahrensbeteiligten anzuhören.

4 Der rechtliche Rahmen des Rechtsstreits und des Antrags auf Aussetzung des Vollzugs der streitigen Entscheidung ist in den Randnummern 1 bis 16 des angefochtenen Beschlusses dargestellt, auf die verwiesen wird. Zu den anwendbaren Bestimmungen gehören die Richtlinie 91/414/EWG des Rates vom 15. Juli 1991 über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln (ABl. L 230, S. 1) und die Verordnung (EWG) Nr. 3600/92 der Kommission vom 11. Dezember 1992 mit Durchführungsbestimmungen für die erste Stufe des Arbeitsprogramms gemäß Artikel 8 Absatz 2 der Richtlinie 91/414 (ABl. L 366, S. 10).

5 Der dem Rechtsstreit zugrunde liegende Sachverhalt sowie das Verfahren vor dem Gericht und seinem Richter der einstweiligen Anordnung werden in den Randnummern 17 bis 41 des angefochtenen Beschlusses wiedergegeben, auf die verwiesen wird.

Angefochtener Beschluss

6 In den Randnummern 59 bis 76 des angefochtenen Beschlusses hat der Richter der einstweiligen Anordnung angenommen, dass die beantragte Aussetzung des Vollzugs aus der Sicht der IQV dringlich sei. Er hat die Ansicht vertreten, dass die IQV ohne die Aussetzung wahrscheinlich einen schweren und nicht wieder gutzumachenden Schaden erleiden würde, soweit die streitige Entscheidung den Widerruf der Zulassungen der von ihr vermarkteten Pflanzenschutzmittel mit Metalaxyl vor dem 3. November 2003 vorsehe. Ohne die Aussetzung wäre die IQV jedoch kaum in der Lage, ihren Kunden innerhalb kurzer Zeit Ersatzprodukte anzubieten, was für sie in Anbetracht der Wettbewerbsbedingungen auf dem betreffenden Markt zu einem unersetzlichen Verlust von Marktanteilen führen könne.

7 In den Randnummern 84 bis 101 des angefochtenen Beschlusses hat der Richter der einstweiligen Anordnung außerdem festgestellt, dass die Notwendigkeit der Aussetzung des Vollzugs der streitigen Entscheidung durch einige von der IQV vorgetragene Gründe in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht glaubhaft gemacht worden sei (fumus boni iuris). Er hat nämlich den von der IQV geltend gemachten Grund als gewichtig angesehen, wonach insbesondere dadurch gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verstoßen worden sei, dass die Kommission ihr nicht genug Zeit für die Einreichung der vollständigen Unterlagen im Sinne von Artikel 6 Absatz 3 der Verordnung Nr. 3600/92 gelassen habe, um eine umfassende wissenschaftliche Bewertung von Metalaxyl zu ermöglichen. Aus der Begründung der streitigen Entscheidung gehe nämlich nicht hervor, ob die Kommission das Bewertungsverfahren für Metalaxyl unterbrochen habe, weil dieses Verfahren nicht mehr innerhalb der rechtlich zwingenden Fristen habe abgeschlossen werden können, oder ob es sich dabei um eine bloße Verwaltungsmaßnahme gehandelt habe (Randnr. 95 des angefochtenen Beschlusses). Der Richter der einstweiligen Anordnung hat ferner die Ansicht vertreten, dass zwar nicht von vornherein feststehe, dass die Kommission die genannte Verordnung hätte ändern müssen, um die Frist für die Einreichung der für die Bewertung von Metalaxyl erforderlichen Studien zu verlängern, dass dieser Punkt jedoch heikle Grundsatzfragen aufwerfe, die eine gründliche Untersuchung erforderten und nicht im Rahmen der Prüfung eines Antrags auf einstweilige Anordnung beantwortet werden könnten (Randnr. 100 des angefochtenen Beschlusses). Schließlich hat der Richter der einstweiligen Anordnung in Randnummer 101 des angefochtenen Beschlusses entschieden:

Ferner ist zu berücksichtigen, dass es sich bei der Verordnung Nr. 3600/92 um einen komplexen Durchführungstext handelt, dessen einschlägige Bestimmungen mehrmals geändert wurden und der die Situation der Klägerin nicht ausdrücklich berücksichtigt hat, die Tatsache nämlich, dass sie das einzige Unternehmen ist, das die Eintragung eines Wirkstoffs in Anhang I der Richtlinie 91/414 unterstützt, allerdings nachdem sich ein anderer interessierter Hersteller, der als einziger Hersteller inhaltlich vollständige Unterlagen vorgelegt hatte, aus dem fraglichen Verfahren zurückgezogen und der Bericht erstattende Mitgliedstaat der Fortsetzung des Prüfungsverfahrens auf der Grundlage dieser Unterlagen zugestimmt hat. Die Beantwortung der durch den Antrag aufgeworfenen Fragen verlangt daher eine gründliche Untersuchung der sich aus dieser Situation ergebenden tatsächlichen und rechtlichen Umstände, die nach dem Abschluss streitiger Erörterungen durchzuführen ist. Der Richter der einstweiligen Anordnung ist folglich der Ansicht, dass die von der Antragstellerin vorgetragenen Gründe im Stadium der Prüfung des Antrags auf einstweilige Anordnung nicht als offensichtlich unbegründet zurückgewiesen werden können."

8 In den Randnummern 105 bis 118 des angefochtenen Beschlusses hat der Richter der einstweiligen Anordnung die betroffenen Interessen beurteilt. Er hat zunächst festgestellt, dass die streitige Entscheidung nicht wegen der ernsthaften Risiken ergangen sei, die Metalaxyl für die menschliche Gesundheit oder die Umwelt darstelle. Er hat daher die Ansicht vertreten, dass die Anordnung der Aussetzung des Vollzugs dieser Entscheidung nicht zu derartigen Risiken führen würde (Randnr. 108 des angefochtenen Beschlusses). Andererseits hat er den Schaden, den die IQV im Fall einer Zurückweisung des Aussetzungsantrags erleiden würde, mit dem Hinweis darauf relativiert, dass sie die fraglichen Erzeugnisse weiter in neun nicht der Gemeinschaft angehörenden Ländern verkaufen könne (Randnr. 109 des angefochtenen Beschlusses). Sodann hat er die Auffassung geäußert, dass die IQV selbst in erheblichem Maß zu dem von ihr geltend gemachten Schaden beigetragen habe, indem sie ohne objektiven Grund nicht die angemessenen Maßnahmen zur rechtzeitigen Einreichung der vollständigen Unterlagen im Sinne von Artikel 6 Absatz 3 der Verordnung Nr. 3600/92 getroffen habe. Er hat die Idee zurückgewiesen, dass die IQV im Laufe des Verfahrens, das zu der streitigen Entscheidung geführt habe, Zusicherungen erhalten haben könnte, die sie hätten glauben lassen können, dass die Einreichung derartiger Unterlagen nicht mehr von ihr verlangt werden würde (Randnrn. 111 bis 113 des angefochtenen Beschlusses). Der für den Antrag auf Eintragung von Metalaxyl in Anhang I der Richtlinie 91/414 als Berichterstatter benannte Mitgliedstaat scheine zwar dadurch, dass er bestimmte für dieses Verfahren geltende Fristen nicht beachtet habe, weitgehend zu der Situation beigetragen zu haben, doch hätte die IQV im Bewußtsein dieses Versäumnisses Maßnahmen ergreifen müssen, um trotzdem rechtzeitig vollständige Unterlagen einreichen zu können (Randnrn. 114 und 115 des angefochtenen Beschlusses). Der Richter der einstweiligen Anordnung hat ferner ausgeführt, dass die Anordnung der Aussetzung des Vollzugs das allgemeine Interesse der Kommission an der Anwendung des Gemeinschaftsrechts und insbesondere der Verordnung Nr. 3600/92 unmittelbar beeinträchtigen würde (Randnr. 116 des angefochtenen Beschlusses). Schließlich hat er die Ansicht vertreten, dass, wenn die IQV befugt wäre, die Interessen einiger der außerhalb der Gemeinschaft ansässigen Metalaxyl verwendenden Hersteller zum Ausdruck zu bringen, und sich aus der streitigen Entscheidung für diese Hersteller unmittelbar das Verbot der Einfuhr ihrer mit Metalaxyl behandelten Waren in die Gemeinschaft ergeben würde, diese Hersteller wahrscheinlich einen Ersatz für diesen Stoff verwenden könnten. Der Richter der einstweiligen Anordnung hat deshalb festgestellt, dass die IQV nicht das Vorliegen eines Schadens nachgewiesen habe, der den Herstellern entstehe, die gezwungen seien, auf einen solchen Ersatz zurückzugreifen (Randnr. 117 des angefochtenen Beschlusses). Der Richter der einstweiligen Anordnung ist zu dem Schluss gelangt, dass die Beurteilung der betroffenen Interessen gegen eine Aussetzung des Vollzugs der streitigen Entscheidung spreche.

Anträge der Parteien

9 Die IQV beantragt,

- den angefochtenen Beschluss aufzuheben;

- die Aussetzung des Vollzugs der streitigen Entscheidung anzuordnen;

- hilfsweise, die Rechtssache zur Prüfung des Aussetzungsantrags an das Gericht zurückzuverweisen;

- der Kommission die Kosten des Rechtsmittelverfahrens und des Verfahrens der einstweiligen Anordnung aufzuerlegen.

10 Die Kommission beantragt,

- das Rechtsmittel als unzulässig oder, hilfsweise, als unbegründet zurückzuweisen;

- hilfsweise für den Fall, dass dem Rechtsmittel stattgegeben wird, den Antrag auf Aussetzung des Vollzugs der streitigen Entscheidung zurückzuweisen;

- der IQV die Kosten beider Instanzen aufzuerlegen.

Rechtsmittel

11 Die IQV stützt ihr Rechtsmittel auf mehrere Rechtsmittelgründe, insbesondere darauf, dass der Richter der einstweiligen Anordnung dadurch einen Rechtsfehler begangen habe, dass er die betroffenen Interessen nicht angemessen gegeneinander abgewogen habe. Sie macht dazu im Wesentlichen geltend, dass der Richter der einstweiligen Anordnung in Anbetracht der Umstände des Falles und insbesondere der Tatsache, dass das Bewertungsverfahren für Metalaxyl unter Beteiligung eines weiteren Antragstellers eingeleitet worden sei, der sich aus diesem Verfahren erst nach der rechtzeitigen Einreichung der vollständigen Unterlagen im Sinne von Artikel 6 Absatz 3 der Verordnung Nr. 3600/92 zurückgezogen habe, nicht im Rahmen der Beurteilung der betroffenen Interessen als einen gegen ihren Antrag sprechenden Umstand werten könne, dass sie selbst nicht in der Lage gewesen sei, ebenfalls rechtzeitig vollständige Unterlagen einzureichen. Der Richter der einstweiligen Anordnung habe diesem Umstand zu viel Bedeutung beigemessen, ohne die Beteiligung eines Dritten an diesem Verfahren zu berücksichtigen.

12 Es ist festzustellen, dass in der in Randnummer 7 des vorliegenden Beschlusses wiedergegebenen Randnummer 101 des angefochtenen Beschlusses der Richter der einstweiligen Anordnung bei der Entscheidung über die Ernsthaftigkeit der von der IQV geltend gemachten Gründe nicht ausgeschlossen hat, dass unter solchen Umständen der nach der Antragsrücknahme eines anderen Antragstellers noch verbleibende Antragsteller nicht innerhalb einer bestimmten Frist vollständige Unterlagen vorzulegen brauche. Der Richter der einstweiligen Anordnung konnte also nicht, ohne einen Rechtsfehler zu begehen, gleichzeitig das Versäumnis der IQV, vollständige Unterlagen vorzulegen, als einen Umstand werten, der im Rahmen der Beurteilung der betroffenen Interessen gegen sie sprach.

13 Da die übrigen vom Richter der einstweiligen Anordnung im Rahmen dieser Beurteilung geprüften Punkte nicht für sich allein die Schlussfolgerung tragen, dass das Ergebnis dieser Beurteilung für die IQV ungünstig ist, und da außerdem die Dringlichkeit des Antrags sowie die Ernsthaftigkeit der vorgebrachten tatsächlichen und rechtlichen Gründe im angefochtenen Beschluss anerkannt worden sind, genügt dieser Rechtsfehler für die Aufhebung des Beschlusses, ohne dass die übrigen Rechtsmittelgründe geprüft werden müssten.

14 Nach Artikel 61 Absatz 1 der Satzung des Gerichtshofes hebt der Gerichtshof die Entscheidung des Gerichts auf, wenn das Rechtsmittel begründet ist. Er kann sodann den Rechtsstreit selbst endgültig entscheiden, wenn dieser zur Entscheidung reif ist, oder die Sache zur Entscheidung an das Gericht zurückverweisen. Da die Sache zur Entscheidung reif ist, ist über den Antrag auf Aussetzung des Vollzugs der streitigen Entscheidung zu befinden.

Antrag auf Aussetzung des Vollzugs

15 In diesem Stadium des Verfahrens wendet sich die Kommission nur dagegen, dass die Ernsthaftigkeit der von der IQV gegen die streitige Entscheidung vorgebrachten Gründe anerkannt worden sei.

16 Sie betont, dass der Richter der einstweiligen Anordnung in Randnummer 94 des angefochtenen Beschlusses zu dem von der IQV vorgebrachten Grund eines Verstoßes gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz festgestellt habe, dass Gegenstand der Richtlinie 91/414 nicht nur sei, eine vollständige wissenschaftliche Bewertung der dem Verfahren nach Artikel 8 Absatz 2 der Richtlinie unterworfenen Stoffe durchzuführen, sondern auch, dies innerhalb einer bestimmten Frist zu tun. Der Richter der einstweiligen Anordnung habe jedoch anschließend, in Randnummer 95 des angefochtenen Beschlusses, in Zweifel gezogen, dass die streitige Entscheidung aus diesem Grund erlassen worden sei, denn sie sei unklar begründet. Die Kommission bestreitet einen derartigen Begründungsmangel und meint, dass er jedenfalls die Rechtmäßigkeit der streitigen Entscheidung nicht beeinträchtigen könne, berücksichtige man die allgemeine Schlussfolgerung, zu der der Richter der einstweiligen Anordnung in Randnummer 94 des angefochtenen Beschlusses gelangt sei.

17 Dieses Vorbringen ist zurückzuweisen. Selbst wenn die Richtlinie 91/414 verlangt, dass die wissenschaftliche Bewertung der dem Verfahren nach Artikel 8 Absatz 2 der Richtlinie unterworfenen Wirkstoffe innerhalb einer bestimmten Frist stattfindet, so kann sich der Richter, der über die Rechtmäßigkeit zu befinden hat, bei der Entscheidung zur Hauptsache doch vergewissern, ob die in der streitigen Entscheidung dargelegten Gründe eine solche rechtliche Begründung wiedergeben. Es ist aber in Anbetracht des Wortlauts dieser Entscheidung und des Kontextes, in dem sie ergangen ist, nicht ausgeschlossen, dass sie mehr durch Entscheidungen über die Verwaltung sämtlicher Akten über die dem genannten Verfahren unterworfenen Wirkstoffe als durch unantastbare rechtliche Zwänge motiviert worden ist. Insoweit ist zu bemerken, dass für einige in den Anwendungsbereich der Richtlinie 91/414 fallende Wirkstoffe der ursprünglich für ihre ordnungsgemäße Prüfung hinsichtlich der Anforderungen der Richtlinie vorgesehene Zeitraum verlängert wurde. Dies war der Fall, als die Kommission die Verordnung (EG) Nr. 2076/2002 vom 20. November 2002 zur Verlängerung der Frist gemäß Artikel 8 Absatz 2 der Richtlinie 91/414 des Rates und über die Nichtaufnahme bestimmter Wirkstoffe in Anhang I dieser Richtlinie sowie den Widerruf der Zulassungen von Pflanzenschutzmitteln mit diesen Wirkstoffen (ABl. L 319, S. 3) erließ.

18 Die Kommission erklärt anschließend, der Richter der einstweiligen Anordnung habe, als er genau auf das Argument der IQV eingegangen sei, dass die Kommission entweder die von dem anderen Antragsteller eingereichten vollständigen Unterlagen an alle Mitgliedstaaten hätte verteilen lassen können, damit das Bewertungsverfahren für Metalaxyl unverzüglich hätte fortgeführt werden können, oder der IQV eine angemessene Frist hätte setzen können, damit sie solche Unterlagen hätte zusammenstellen können, diese beiden Lösungen abgelehnt, weil die Kommission nicht über eine Rechtsgrundlage verfüge, um den Bericht erstattenden Mitgliedstaat zur Verteilung der genannten Unterlagen zu zwingen, und dass es in Anbetracht der Tatsache, dass die möglicherweise erforderlichen ergänzenden Angaben nach Artikel 7 Absatz 4 der Verordnung Nr. 3600/92 bis zum 25. Mai 2002 hätten verfügbar sein müssen, für die Beschaffung dieser Angaben durch die IQV zu spät gewesen sei. Nachdem der Richter der einstweiligen Anordnung in den Randnummern 98 und 99 des angefochtenen Beschlusses zu diesen Feststellungen gelangt sei, habe er nicht in Randnummer 100 des Beschlusses von Amts wegen eine dritte Möglichkeit prüfen können, nämlich die, dass die Kommission die Verordnung Nr. 3600/92 ändere, um das Datum des 25. Mai 2002 zu verschieben, und davon ausgehen können, dass es nicht ausgeschlossen sei, dass sie von dieser Möglichkeit hätte Gebrauch machen müssen.

19 Auch dieses Argument ist zurückzuweisen. Der Richter der einstweiligen Anordnung hat nämlich entgegen dem Vorbringen der Kommission keineswegs von Amts wegen einen Punkt aufgegriffen, sondern nur die Rüge der IQV geprüft, dass ihr die Kommission eine zusätzliche Frist hätte gewähren können.

20 Auf jeden Fall reichen die in Randnummer 101 des angefochtenen Beschlusses aufgeführten und in Randnummer 7 des vorliegenden Beschlusses wiedergegebenen Gründe aus, um nicht auszuschließen, dass unter den Umständen des vorliegenden Falles nicht von der IQV hätte verlangt werden können, dass sie innerhalb der ihr gesetzten Frist bestimmte Informationen erteilt und vollständige Unterlagen vorlegt. Die Ernsthaftigkeit des Grundes eines Verstoßes gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ist damit nachgewiesen.

21 Durch einige der von der IQV geltend gemachten Gründe ist folglich die Notwendigkeit der Aussetzung des Vollzugs der streitigen Entscheidung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht glaubhaft gemacht worden (fumus boni iuris).

22 Im Übrigen ist nichts ersichtlich, was die in Randnummer 6 des vorliegenden Beschlusses wiedergegebene Beurteilung der Dringlichkeit in Frage stellen könnte.

23 Schließlich spricht die Beurteilung der betroffenen Interessen für die Anordnung der beantragten Aussetzung, betrachtet man sämtliche vom Richter der einstweiligen Anordnung der ersten Instanz berücksichtigten und in Randnummer 8 des vorliegenden Beschlusses zusammengefassten Umstände, mit Ausnahme der Erwägung, dass die IQV dadurch selbst zu ihrem Schaden beigetragen habe, dass sie nicht innerhalb der in Artikel 6 Absatz 1 der Verordnung Nr. 3600/92 vorgesehenen Frist vollständige Unterlagen eingereicht habe. Insbesondere ergibt sich aus den dem Richter der einstweiligen Anordnung gemachten Angaben, dass die Aussetzung des Vollzugs der streitigen Entscheidung nicht zu einer ernsthaften Gefährdung der menschlichen Gesundheit oder der Umwelt führen würde. Was außerdem das allgemeine Interesse der Kommission daran angeht, dass die Gemeinschaftsregelung und insbesondere die Verordnung Nr. 3600/92 vor Erlass des Urteils angewandt werden, so muss die Beeinträchtigung eines solchen Interesses relativiert werden, da nach der Verordnung Nr. 2076/2002 für andere Stoffe als Metalaxyl, für die ebenfalls das Verfahren nach Artikel 8 Absatz 2 der Richtlinie 91/414 gilt, bis zum 31. Dezember 2005 weiter eine Zulassung besteht, ohne dass sie der nach dieser Richtlinie vorgesehenen wissenschaftlichen Bewertung unterzogen worden wären.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER DIE AUFGABEN DES RICHTERS DER EINSTWEILIGEN ANORDNUNG WAHRNEHMENDE RICHTER

beschlossen:

1. Der Beschluss des Präsidenten des Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften vom 5. August 2003 in der Rechtssache T-158/03 R (Industrias Químicas del Vallés/Kommission) wird aufgehoben.

2. Der Vollzug der Entscheidung 2003/308/EG der Kommission vom 2. Mai 2003 über die Nichtaufnahme von Metalaxyl in Anhang I der Richtlinie 91/414/EWG des Rates und den Widerruf der Zulassungen für Pflanzenschutzmittel mit diesem Wirkstoff wird bis zum Erlass des Urteils des Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften in der Rechtssache T-158/03 ausgesetzt.

3. Die Kostenentscheidung bleibt vorbehalten.

Ende der Entscheidung

Zurück