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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 20.06.1991
Aktenzeichen: C-365/89
Rechtsgebiete: EWGV, VO Nr. 136/66/EWG, VO Nr. 1594/83


Vorschriften:

EWGV Art. 177
VO Nr. 136/66/EWG Art. 27
VO Nr. 1594/83 Art. 5 Abs. 2
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Die gemäß Artikel 27 Absatz 1 der Verordnung Nr. 136/66 gewährten Beihilfen für Ölsaaten verstossen gegen diese Vorschrift, sobald ihr tatsächlicher Betrag den Unterschied zwischem dem Richtpreis und dem Weltmarktpreis für eine bestimmte Saatenart übersteigt. Daraus ergibt sich,

daß die Verordnung Nr. 735/85 zur Festsetzung der Beihilfen auf diesem Gebiet insoweit ungültig ist, als sie für die Umrechnung des Ecu in die Währung des Verarbeitungslandes einen falschem Umrechnungskurs verwendet und die endgültige Beihilfe dementsprechend in einer Höhe festsetzt, die den Unterschied zwischen diesen beiden Preisen übersteigt.

2. Zwar ist jedem Gemeinschaftsorgan, das feststellt, daß der von ihm erlassene Rechtsakt rechtswidrig ist, das Recht zuzuerkennen, diesen Rechtsakt innerhalb angemessener Frist rückwirkend zurückzunehmen, doch kann dieses Recht durch das Erfordernis eingeschränkt werden, das berechtigte Vertrauen des Adressaten des Rechtsakts, der auf dessen Rechtmässigkeit vertrauen durfte, zu beachten.

Unter Berücksichtigung dieser Voraussetzungen ist an der Rücknahme eines Rechtsaktes, der so offensichtlich rechtswidrig war, daß dies den betroffenen Wirtschaftsteilnehmern nicht entgehen konnte, nichts auszusetzen, die binnen weniger als drei Monaten erfolgte, nachdem ein Urteil des Gerichtshofes die Notwendigkeit der Rücknahme deutlich gemacht hatte.


URTEIL DES GERICHTSHOFES (SECHSTE KAMMER) VOM 20. JUNI 1991. - CARGILL BV GEGEN PRODUKTSCHAP VOOR MARGARINE, VETTEN EN OLIEN. - ERSUCHEN UM VORABENTSCHEIDUNG: COLLEGE VAN BEROEP VOOR HET BEDRIJFSLEVEN - NIEDERLANDE. - GUELTIGKEIT DER VERORDNUNG (EWG) NR. 1358/89 DER KOMMISSION VOM 18. MAI 1989 ZUR AENDERUNG DER VERORDNUNG (EWG) NR. 735/85 ZUR FESTSETZUNG DER BEIHILFE FUER OELSAATEN. - RECHTSSACHE C-365/89.

Entscheidungsgründe:

1 Das College van Beroep voor het Bedrijfsleven hat mit Beschluß vom 10. November 1989, beim Gerichtshof eingegangen am 4. Dezember 1989, gemäß Artikel 177 EWG-Vertrag drei Fragen nach der Gültigkeit der Verordnung (EWG) Nr. 1358/89 der Kommission vom 18. Mai 1989 zur

Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 735/85 zur Festsetzung der Beihilfe für Ölsaaten (ABl. L 135, S. 22), der Gültigkeit der Verordnung (EWG) Nr. 735/85 der Kommission vom 21. März 1985 zur Festsetzung der Beihilfe für Ölsaaten (ABl. L 80, S. 18) und den Folgen der etwaigen Ungültigkeit einer oder beider genannten Verordnungen zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2 Diese Fragen stellen sich in einem Rechtsstreit zwischen der Cargill BV (im folgenden: Cargill) und der Produktschap voor Margarine, Vetten en Oliën (im folgenden: Produktschap) wegen der Gewährung von Beihilfen für die Verarbeitung von Ölsaaten gemäß der Verordnung Nr. 735/85 auf der Grundlage des Artikels 27 der Verordnung Nr. 136/66/EWG des Rates vom 22. September 1966 über die Errichtung einer gemeinsamen Marktorganisation für Fette.

3 Aus den Akten ergibt sich, daß die Kommission mit der Verordnung Nr. 735/85 auf der Grundlage des Artikels 27 der Verordnung Nr. 136/66, der eine Beihilfe für in der Gemeinschaft geerntete und verarbeitete Ölsaaten vorsieht, den Betrag der Beihilfe und die entsprechenden, mit Wirkung vom 22. März 1985 anzuwendenden Kurse des Ecu festlegte.

4 Am 22. März 1985 kaufte Cargill in Frankreich 10 000 Tonnen Sonnenblumenkerne und reichte am gleichen Tag Anträge auf Vorausfestsetzung der Beihilfe für die Verarbeitung dieser Erzeugnisse bei der zuständigen niederländischen Interventionsstelle ein. Gemäß Artikel 5 Absatz 2 der Verordnung (EWG) Nr. 1594/83 des Rates vom 14. Juni 1983 über die Beihilfe für Ölsaaten (ABl. L 163, S. 44) hätten die Bescheinigungen über die beantragte Beihilfe spätestens am Nachmittag des 23. März 1985 ausgestellt werden müssen.

5 Nachdem die Kommission in der Verordnung Nr. 735/85 einen Fehler bezueglich der Kurse für die Umrechnung der endgültigen Beihilfen in die Währung des Mitgliedstaats der Verarbeitung, wenn

dieser nicht der Erzeugungsstaat ist, bemerkt hatte, der zur Gewährung einer höheren als der in Artikel 27 der Verordnung Nr. 136/66 vorgesehenen Beihilfe führte, setzte sie aufgrund von Artikel 8 der Verordnung Nr. 1594/83 mit der Verordnung (EWG) Nr. 756/85 vom 22. März 1985 (ABl. L 81, S. 38) für die Bescheinigungen, die am 22. März 1985 beantragt worden waren, die Vorausfestsetzung der Beihilfe für Sonnenblumenkerne aus.

6 Am gleichen Tag erließ die Kommission die Verordnung (EWG) Nr. 755/85 (ABl. L 81, S. 36), mit der sie den Beihilfebetrag mit Wirkung vom nächsten Tag auf seine richtige Höhe zurückführte.

7 Mit Entscheidung vom 25. März 1985 lehnte die Produktschap als niederländische Interventionsstelle die Anträge von Cargill auf Vorausfestsetzungsbescheinigungen unter Berufung auf die Aussetzung der Vorausfestsetzung ab.

8 Nachdem gegen diese Entscheidung Klage beim College van Beroep voor het Bedrijfsleven erhoben worden war, legte dieses dem Gerichtshof zwei Fragen nach der Gültigkeit der Verordnung Nr. 756/85 und den etwaigen Folgen ihrer Ungültigkeit zur Vorabentscheidung vor.

9 Mit Urteil vom 28. Februar 1989 in der Rechtssache 201/87 (Slg. 1989, 489) hat der Gerichtshof für Recht erkannt: "Die Verordnung Nr. 756/85 der Kommission ist im Hinblick auf Artikel 8 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1594/83 des Rates ungültig. Solange nicht die Ungültigkeit der Verordnung Nr. 735/85 der Kommission festgestellt worden ist, führt die Ungültigkeit der Verordnung Nr. 756/85 der Kommission dazu, daß die Produktschap verpflichtet ist, der Cargill BV rückwirkend die am 22. März 1985 beantragten Vorausfestsetzungsbescheinigungen auszustellen und ihr die Beihilfe

in Höhe des in der Verordnung Nr. 735/85 der Kommission festgesetzten Betrags zu zahlen."

10 Im Anschluß an dieses Urteil erließ die Kommission die Verordnung Nr. 1358/89, mit der sie rückwirkend die auf die am 22. März 1985 eingereichten Anträge auf Vorausfestsetzung anzuwendenden Umrechnungskurse des Ecu in Anhang III der Verordnung Nr. 735/85 berichtigte.

11 Zur endgültigen Entscheidung des Rechtsstreits hat es das nationale Gericht aufgrund der Annahme, das Urteil des Gerichtshofes vom 28. Februar 1989 lasse die Frage der Gültigkeit der Verordnung Nr. 735/85 offen und der Erlaß der Verordnung Nr. 1358/89 werfe wegen des Grundsatzes der Rechtssicherheit die Frage ihrer Gültigkeit auf, für angezeigt gehalten, den Gerichtshof ein zweites Mal anzurufen und ihm folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1) Ist die Verordnung (EWG) Nr. 1358/89 der Kommission im Lichte der in dieser Vorlageentscheidung dargelegten Erwägungen ungültig?

Bei Bejahung der Frage 1:

2) Ist die Verordnung (EWG) Nr. 735/85 der Kommission wegen Unrichtigkeit der in ihr festgelegten Kurse für die Umrechnung in die Währung des Verarbeitungsstaats, wenn dieser nicht der Erzeugungsstaat ist, ungültig, und kann sie deshalb nicht als Grundlage für die Gewährung der von der Klägerin beantragten Beihilfe dienen?

Bei Bejahung der Frage 1 und Verneinung der Frage 2:

3) a) Sind zusätzliche Forderungen im Sinne von Abschnitt 3 c und d dieser Vorlageentscheidung anhand des Artikels 178 in Verbindung mit Artikel 215 Absatz 2 EWG-Vertrag zu

beurteilen, oder sind solche Forderungen ganz oder teilweise als Nebenforderungen anzusehen, über die das für die Hauptforderung zuständige nationale Gericht zu entscheiden hat?

Bei Bejahung der Fragen 1 und 2:

3) b) Welche Folgen sind im Lichte der hierzu in dieser Vorlageentscheidung dargelegten Erwägungen aus der Ungültigerklärung der Verordnungen (EWG) Nrn. 1358/89 und 735/85 - falls davon die Rede ist - im Hinblick auf die Wiederherstellung des Rechts auf Gemeinschafts- beziehungsweise nationaler Ebene abzuleiten?

12 Wegen weiterer Einzelheiten des rechtlichen Rahmens und des Sachverhalts, des Verfahrensablaufs und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Sitzungsbericht verwiesen. Der Akteninhalt ist im folgenden nur insoweit wiedergegeben, als die Begründung des Urteils dies erfordert.

13 Da die Gültigkeit der Verordnung Nr. 735/85 über die der Verordnung Nr. 1358/89 entscheidet, ist zuerst die zweite Frage zu prüfen.

Zur Gültigkeit der Verordnung Nr. 735/85

14 Zunächst ist an Artikel 27 Absatz 1 der Verordnung Nr. 136/66 zu erinnern, der lautet:

"Ist der für eine bestimmte Saatenart geltende Richtpreis höher als der gemäß Artikel 29 ermittelte Weltmarktpreis dieser Art, so wird für in der Gemeinschaft geerntete und verarbeitete Ölsaaten dieser Art eine Beihilfe gewährt; vorbehaltlich der... Ausnahmen ist diese Beihilfe gleich dem Unterschied zwischen diesen Preisen."

Daraus ist zu schließen, daß die aufgrund dieser Vorschrift gewährten Beihilfen rechtswidrig werden, sobald ihr tatsächlicher Betrag den Unterschied zwischen dem Richtpreis und dem Weltmarktpreis für eine bestimmte Saatenart übersteigt.

15 Sodann ist darauf hinzuweisen, daß bezueglich des Kurses für die Umrechnung des Ecu in französische Franken die Verordnung Nr. 735/85 unzweifelhaft einen Fehler von mehr als 10 v. H. gegenüber dem am 21. und 22. März im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften, Teil C, veröffentlichten Kurs aufwies und daß gerade dieser Fehler zu einer fehlerhaften Festsetzung des Betrages der endgültigen Beihilfe und damit zur Rechtswidrigkeit der genannten Verordnung führte.

16 Dem vorlegenden Gericht ist daher zu antworten, daß die Verordnung Nr. 735/85 insoweit ungültig ist, als sie unter Verstoß gegen Artikel 27 der Verordnung Nr. 136/66 erlassen worden ist.

Zur Gültigkeit der Verordnung Nr. 1358/89

17 Der einzige Zweifel, den das vorlegende Gericht äussert, betrifft die Frage, ob die genannte Verordnung unter Verstoß gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit erlassen wurde.

18 Dazu ist zu bemerken, daß zwar jedem Gemeinschaftsorgan, das feststellt, daß der von ihm erlassene Rechtsakt rechtswidrig ist, das Recht zuzuerkennen ist, diesen Rechtsakt innerhalb angemessener Frist rückwirkend zurückzunehmen, daß aber dieses Recht durch das Erfordernis eingeschränkt werden kann, das berechtigte Vertrauen des Adressaten des Rechtsakts, der auf dessen Rechtmässigkeit vertrauen durfte, zu beachten (vgl. Urteil vom 3. März 1982 in der Rechtssache 14/81, Alpha Steel, Slg. 1982, 749).

19 Infolgedessen ist zu prüfen, ob die Kommission vorliegend diesen Erfordernissen Genüge getan hat.

20 Bezueglich der Art und Weise, in der die Kommission dem etwaigen Vertrauen Rechnung getragen hat, das die Betroffenen in die Rechtmässigkeit der Verordnung Nr. 735/85 haben konnten, ist darauf hinzuweisen, daß der Fehler in dieser Verordnung so offensichtlich war, daß sich mehrere Wirtschaftsteilnehmer bereits am 22. März 1985, also gleich am Tag ihrer Veröffentlichung, an die Kommission wandten, um sie darauf aufmerksam zu machen und sich über die von ihr beabsichtigten Maßnahmen zu informieren. In diesem Zusammenhang konnte ein umsichtiger Wirtschaftsteilnehmer nicht auf die Rechtmässigkeit eines Rechtsakts, der einen solchen Fehler aufwies, vertrauen.

21 Was die Notwendigkeit eines Handelns innerhalb angemessener Frist betrifft, so ist festzustellen, daß sich der Gerichtshof in dem Urteil in der Rechtssache 201/87 nur zur Rechtmässigkeit der Aussetzungsmaßnahme geäussert und die Frage der etwaigen Ungültigkeit der Verordnung Nr. 735/85 offengelassen hat.

22 Daraus ist zu folgern, daß in Anbetracht des Stadiums, in dem sich das Ausgangsverfahren befindet, und des Umstands, daß die Verordnung Nr. 1358/89 binnen weniger als drei Monaten erlassen wurde, nachdem das Urteil in der Rechtssache 201/87 die Notwendigkeit deutlich gemacht hatte, einen offensichtlich rechtswidrigen Rechtsakt zurückzunehmen, zu dessen Gültigkeit sich der Gerichtshof nicht äussern konnte, der Erlaß der fraglichen Verordnung innerhalb angemessener Frist erfolgt ist.

23 Infolgedessen ist dem vorlegenden Gericht zu antworten, daß die Prüfung der ersten Frage nichts ergeben hat, was die Gültigkeit der Verordnung Nr. 1358/89 beeinträchtigen könnte.

Zur dritten Frage

24 Angesichts der Antworten auf die ersten beiden Fragen ist die dritte Frage gegenstandslos.

Kostenentscheidung:

Kosten

25 Die Auslagen der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, die vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben hat, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)

auf die ihm vom College van Beroep voor het Bedrijfsleven mit Beschluß vom 10. November 1989 vorgelegten Fragen für Recht erkannt:

1) Die Verordnung (EWG) Nr. 735/85 der Kommission vom 21. März 1985 zur Festsetzung der Beihilfe für Ölsaaten ist ungültig.

2) Die Prüfung der ersten Frage hat nichts ergeben, was die Gültigkeit der Verordnung (EWG) Nr. 1358/89 der Kommission vom 18. Mai 1989 zur Änderung der Verordnung Nr. 735/85 der Kommission beeinträchtigen könnte.

Ende der Entscheidung

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