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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 14.09.2000
Aktenzeichen: C-369/98
Rechtsgebiete: EGV, Verordnung 3508/92/EWG


Vorschriften:

EGV Art. 177 a.F.
Verordnung 3508/92/EWG Art. 3
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1 Die Artikel 3 Absatz 1 und 9 der Verordnung Nr. 3508/92 zur Einführung eines integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystems für bestimmte gemeinschaftliche Beihilferegelungen in Verbindung mit den allgemeinen Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts gestatten es den zuständigen Behörden, nach Abwägung der Interessen der Betroffenen Daten über die in den Vorjahren angebauten landwirtschaftlichen Kulturpflanzen, die ihnen von einem oder für einen Erzeuger übermittelt wurden, der früher Zahlungen für Ackerflächen beantragt hatte, an einen neuen Betriebsinhaber weiterzugeben, der diese Daten benötigt, um Zahlungen für dieselben Flächen beantragen zu können, und sie nicht auf anderem Weg erhalten kann.

(vgl. Randnr. 39, Tenor 1)

2 Lehnt die zuständige Behörde die Weitergabe von Informationen ab, die für einen ordnungsgemäßen Beihilfeantrag erforderlich sind, so darf sie nicht gegen den Antragsteller auf der Grundlage der Informationen, die sie ihm auf sein Auskunftsgesuch hin vorenthalten hatte, Sanktionen nach Artikel 9 der Verordnung Nr. 3887/92 mit Durchführungsbestimmungen zum integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystem für bestimmte gemeinschaftliche Beihilferegelungen verhängen.

(vgl. Randnr. 47, Tenor 2)


Urteil des Gerichtshofes (Vierte Kammer) vom 14. September 2000. - The Queen gegen Minister of Agriculture, Fisheries and Food, ex parte Trevor Robert Fisher and Penny Fisher. - Ersuchen um Vorabentscheidung: High Court of Justice (England & Wales), Queen's Bench Division (Divisional Court) - Vereinigtes Königreich. - Beihilferegelungen - Informatisierte Datenbank - Zugang zu Informationen. - Rechtssache C-369/98.

Parteien:

In der Rechtssache C-369/98

betreffend ein dem Gerichtshof nach Artikel 177 EG-Vertrag (jetzt Artikel 234 EG) vom High Court of Justice (England & Wales), Queen's Bench Division (Divisional Court) (Vereinigtes Königreich), in dem bei diesem anhängigen Rechtsstreit

The Queen

gegen

Minister of Agriculture, Fisheries & Food,

ex parte: Trevor Robert Fisher and Penny Fisher, handelnd unter der Firma "TR and P Fisher",

"vorgelegtes Ersuchen um Vorabentscheidung über die Auslegung der Artikel 3 Absatz 1 und 9 der Verordnung (EWG) Nr. 3508/92 des Rates vom 27. November 1992 zur Einführung eines integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystems für bestimmte gemeinschaftliche Beihilferegelungen (ABl. L 355, S. 1) und des Artikels 9 der Verordnung (EWG) Nr. 3887/92 der Kommission vom 23. Dezember 1992 mit Durchführungsbestimmungen zum integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystem für bestimmte gemeinschaftliche Beihilferegelungen (ABl. L 391, S. 36)

erlässt

DER GERICHTSHOF

(Vierte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten D. A. O. Edward sowie der Richter P. J. G. Kapteyn (Berichterstatter) und H. Ragnemalm,

Generalanwalt: S. Alber

Kanzler: H. von Holstein, Hilfskanzler

unter Berücksichtigung der schriftlichen Erklärungen

- von Herrn und Frau Fisher, vertreten durch Barrister H. Mercer, beauftragt durch Solicitor P. Till,

- der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch R. Magrill, Treasury Solicitor's Department, als Bevollmächtigte im Beistand von Barrister P. Watson,

- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch X. Lewis, Juristischer Dienst, als Bevollmächtigten,

aufgrund des Sitzungsberichts,

nach Anhörung der mündlichen Ausführungen von Herrn und Frau Fisher, der Regierung des Vereinigten Königreichs und der Kommission in der Sitzung vom 16. Dezember 1999,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 10. Februar 2000,

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

1 Der High Court of Justice (England & Wales), Queen's Bench Division (Divisional Court), hat mit Beschluss vom 13. März 1998, beim Gerichtshof eingegangen am 16. Oktober 1998, gemäß Artikel 177 EG-Vertrag (jetzt Artikel 234 EG) drei Fragen nach der Auslegung der Artikel 3 Absatz 1 und 9 der Verordnung (EWG) Nr. 3508/92 des Rates vom 27. November 1992 zur Einführung eines integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystems für bestimmte gemeinschaftliche Beihilferegelungen (ABl. L 355, S. 1) und des Artikels 9 der Verordnung (EWG) Nr. 3887/92 der Kommission vom 23. Dezember 1992 mit Durchführungsbestimmungen zum integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystem für bestimmte gemeinschaftliche Beihilferegelungen (ABl. L 391, S. 36) zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2 Diese Fragen stellen sich in einem Verfahren der gerichtlichen Überprüfung vor dem High Court of Justice, das auf den Erlass einer "order for certiorari" zur Aufhebung einer Entscheidung des Ministry of Agriculture, Fisheries & Food (Ministerium für Landwirtschaft, Fischerei und Ernährung; im Folgenden: Ministerium), mit der die gegen Herrn und Frau Fisher in Firma "TR and P Fisher" (im Folgenden: Fisher) verhängten Sanktionen bestätigt wurden, auf die Feststellung der Rechtswidrigkeit und Unwirksamkeit dieser Entscheidung sowie auf Schadensersatz gerichtet ist.

Rechtlicher Rahmen

Gemeinschaftsvorschriften

3 Mit der Verordnung (EWG) Nr. 1765/92 des Rates vom 30. Juni 1992 (ABl. L 181, S. 12) wurde eine Stützungsregelung für Erzeuger bestimmter landwirtschaftlicher Kulturpflanzen eingeführt, die in Anhang I definiert sind. Diese Regelung sieht für jede genannte Gruppe von Kulturpflanzen, die auf beihilfefähigem Land angebaut werden, unter bestimmten Voraussetzungen Ausgleichszahlungen ("Arable Area Payments"; im Folgenden: Zahlungen für Ackerflächen) vor. Jeder Erzeuger, der nach der allgemeinen Regelung Zahlungen für Ackerflächen beantragt, muss sich verpflichten, einen Mindestteil der Fläche, für die der Anspruch geltend gemacht wird, stillzulegen; im maßgeblichen Wirtschaftsjahr betrug diese Quote 10 %. Für die Stilllegung kommen Flächen in Betracht, die entweder im Vorjahr bebaut waren oder unter eine Stilllegungsregelung fielen.

4 Mit der Verordnung Nr. 3508/92 wurde das integrierte Verwaltungs- und Kontrollsystem (im folgenden: IVKS) eingeführt. Dieses System soll durch wirksame Sanktionen Unregelmäßigkeiten und Betrug verhindern. Durch die Einführung eines einheitlichen Verwaltungssystems für alle Beihilferegelungen und durch die Verpflichtung aller Mitgliedstaaten zur Einrichtung einer informatisierten Datenbank zur Speicherung von Daten aus den Beihilfeanträgen sollen außerdem die Verwaltungsformalitäten sowohl für die Betriebsinhaber als auch für die Behörden, die für die Verwaltung der verschiedenen Beihilferegelungen verantwortlich sind, beschränkt werden.

5 Die für das Ausgangsverfahren erheblichen Bestimmungen der Verordnung Nr. 3508/92 lauten wie folgt:

"Artikel 2

Das integrierte System umfasst folgende Bestandteile:

a) eine informatisierte Datenbank,

b) ein alphanumerisches System zur Identifizierung der landwirtschaftlich genutzten Parzellen,

c) ein alphanumerisches System zur Identifizierung und Erfassung von Tieren, d) Beihilfeanträge, e) ein integriertes Kontrollsystem.

Artikel 3

(1) In die informatisierte Datenbank werden für jeden Landwirtschaftsbetrieb die Daten aus den Beihilfeanträgen eingespeichert. Diese Datenbank muss es insbesondere ermöglichen, dass bei der zuständigen Behörde des Mitgliedstaats mindestens die Daten der drei letzten aufeinander folgenden Kalender- und/oder Wirtschaftsjahre sofort und direkt abgerufen werden.

...

Artikel 4

Das alphanumerische System zur Identifizierung der landwirtschaftlich genutzten Parzellen stützt sich auf Katasterpläne und -unterlagen, anderes Kartenmaterial oder Luft- oder Satellitenaufnahmen oder andere gleichwertige Belege oder auf mehrere dieser Elemente.

...

Artikel 9

Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, um den Schutz der erhobenen Daten zu gewährleisten."

6 Artikel 9 Absatz 2 der Verordnung Nr. 3887/92 bestimmt:

"Wird festgestellt, dass die in einem Beihilfeantrag "Flächen" angegebene Fläche über der ermittelten Fläche liegt, so wird der Beihilfebetrag auf der Grundlage der bei der Kontrolle tatsächlich ermittelten Fläche berechnet. Außer in Fällen höherer Gewalt wird die tatsächlich ermittelte Fläche jedoch wie folgt gekürzt:

- um das Doppelte der festgestellten Flächen, wenn diese über 2 % oder 2 ha liegt und bis zu 10 % der ermittelten Fläche beträgt;

- um 30 %, wenn die Flächendifferenz über 10 % liegt und bis zu 20 % der ermittelten Fläche beträgt.

Liegt die festgestellte Differenz über 20 % der ermittelten Fläche, so wird keinerlei Beihilfe für Flächen gewährt.

Handelt es sich jedoch um falsche Angaben, die absichtlich oder aufgrund grober Fahrlässigkeit gemacht wurden, so wird der betreffende Betriebsinhaber ausgeschlossen

- von der Gewährung der betreffenden Beihilferegelung für das betreffende Kalenderjahr und

- im Fall absichtlich gemachter falscher Angaben von der Gewährung jeglicher Beihilfe nach Artikel 1 Absatz 1 der Verordnung (EWG) Nr. 3508/92 im folgenden Kalenderjahr entsprechend der Fläche, für die sein Beihilfeantrag abgelehnt wurde.

Die vorgenannten Kürzungen kommen nicht zur Anwendung, wenn der Betriebsinhaber den Nachweis erbringt, dass er sich bei der Flächenbestimmung korrekt auf von der zuständigen Behörde anerkannte Angaben gestützt hat.

..."

Nationale Vorschriften

7 Aus dem Vorlagebeschluss ergibt sich, dass im Vereinigten Königreich Anträge auf Zahlungen für Ackerflächen auf einem IVKS-Formular gestellt werden müssen, das aus zwei Teilen besteht: einem Hauptformular ("Base Form") und einem Felddatenausdruck ("Field Data Printout"). Dieser Ausdruck enthält eine Liste der Parzellen des Antragstellers; der Betriebsinhaber muss für jede Parzelle angeben, welche Kulturpflanzen angebaut werden oder ob sie stillgelegt ist. Das Ministerium übersendet allen Erzeugern, die Zahlungen für Ackerflächen beantragen und nach wie vor dieselben Flächen bewirtschaften, jedes Jahr einen EDV-Ausdruck mit den Daten, die sie in ihrem Antrag vom Vorjahr übermittelt haben. Der Betriebsinhaber muss daher beim Ausfuellen seines IVKS-Antrags nur die erforderlichen Änderungen vornehmen.

8 Der Antragsteller muss auf jedem Hauptformular, das vom Ministerium verwendet wird, erklären, dass die darin enthaltenen Angaben richtig sind und dass sie "von dem/den Landwirtschaftsamt/-ämtern zu Kontrollzwecken, zum Zweck der Beurteilung der von diesem Antrag betroffenen Regelung(en) oder zur Verwendung in den weiteren Arbeitsbereichen der betreffenden Landwirtschaftsämter unter Wahrung der Vertraulichkeit an ordnungsgemäß bevollmächtigte Personen weitergegeben werden dürfen".

9 Wegen dieser im britischen Hauptformular enthaltenen Klausel erhält der Betriebsinhaber im ersten Jahr, in dem er eine bestimmte Parzelle bewirtschaftet, einen leeren Felddatenausdruck; es wird von ihm erwartet, dass er sich die Informationen, die in dem Ausdruck enthalten gewesen wären, aus anderen Quellen als dem Ministerium beschafft. Kann ein Betriebsinhaber dem Ministerium nachweisen, dass besondere Umstände vorliegen, und hat er alle üblichen Mittel zur Beschaffung der Informationen, die normalerweise im Felddatenausdruck enthalten sind, ausgeschöpft, so kann das Ministerium einige dieser Informationen an ihn weitergeben.

Das Ausgangsverfahren

10 Fisher bewirtschaftet drei Höfe, Glebe Farm, Castle Hill Farm und Carlam Hill Farm. Die beiden letzteren gehören der Flint Co. Ltd (im Folgenden: Flint) und waren bis 1995 an Herrn Nicholson verpachtet. Gegen diesen wurde 1994 ein Insolvenzverfahren eröffnet; Flint kündigte ihm den Vertrag.

11 Im Sommer 1995 wurde Fisher von Bevollmächtigten von Flint gebeten, die Kulturen der Castle Hill Farm und der Carlam Hill Farm zu sichten, um festzustellen, was geerntet werden könnte. Diese Besichtigung nahm Herr Fisher zusammen mit einem Agrarexperten vor. Ende Oktober 1995 erhielt Flint die betroffenen landwirtschaftlichen Betriebe zurück, worauf Fisher im Auftrag von Flint mit deren Bewirtschaftung begann.

12 Das vorlegende Gericht führt aus, dass weder Herr Nicholson noch eine für ihn handelnde Person bereit waren, Fisher Informationen über die frühere Bewirtschaftung der beiden Höfe zu geben. Fisher beantragte daher Anfang November 1995 beim Ministerium die Übermittlung dieser Informationen mit der Begründung, er habe sie nicht auf andere Weise bekommen können, was das Ministerium nicht bestritt. Die beantragten Auskünfte betrafen die für Stilllegungsausgleichszahlungen in Betracht kommenden Gebiete und die Felddatenausdrucke der Vorjahre.

13 Das Ministerium lehnte mit Schreiben vom 7. November 1995 unter Hinweis auf den Data Protection Act 1984 (Datenschutzgesetz von 1984) die Weitergabe der angeforderten Informationen ab und erklärte zugleich: "Wenn Sie die erforderlichen Informationen aufgrund außergewöhnlicher Umstände nicht von den genannten Quellen erhalten können, können wir die Weitergabe bestimmter grundlegender Informationen über die Flächen in Betracht ziehen."

14 Mit Schreiben vom 21. November 1995 räumte das Ministerium ein, dass Fisher alle üblichen Mittel ausgeschöpft habe, um die gewünschten Informationen zu erhalten; es übersandte ihm daher bestimmte grundlegende Daten zu den Flächen der beiden Höfe sowie Informationen darüber, welche Flächen in den Vorjahren stillgelegt waren. Es wurden jedoch keine Informationen über die früher angebauten Kulturen gegeben, d. h. über die Kulturen, die nach den Felddatenausdrucken ("Field Data Printouts") der Vorjahre auf den verschiedenen Parzellen angebaut worden waren.

15 Als die Informationen bei Fisher eingingen, hatte dieser bereits einen Teil der Fläche eingesät; der Rest sollte im Folgenden Frühjahr eingesät werden. In der mündlichen Verhandlung vor dem Gerichtshof haben die Parteien allerdings erklärt und anerkannt, dass sämtliche im Herbst 1995 eingesäten Flächen für die Stilllegung in Betracht kamen.

16 Am 3. Mai 1996 reichte Fisher sein IVKS-Formular beim Ministerium ein. Am 26. November 1996 wurde ihm mitgeteilt, dass bei der Bearbeitung seines Antrags festgestellt worden sei, dass zwei Parzellen der Castle Hill Farm und der Carlam Hill Farm wegen der dort früher angebauten Kulturen nicht für die Gewährung von Stilllegungszahlungen in Betracht kämen, sodass die Zahlung abgelehnt werden müsse.

17 Außerdem wurden gegen Fisher Sanktionen gemäß Artikel 9 der Verordnung Nr. 3887/92 verhängt.

18 Fisher legte gegen die Entscheidung über die Verhängung von Sanktionen einen Rechtsbehelf ein. Nachdem dieser zurückgewiesen worden war, leitete er beim vorlegenden Gericht ein Verfahren der gerichtlichen Überprüfung ein, das auf den Erlass einer "order for certiorari" zur Aufhebung der Entscheidung des Ministeriums, mit der die gegen ihn verhängten Sanktionen bestätigt wurden, auf die Feststellung der Rechtswidrigkeit und Unwirksamkeit dieser Entscheidung sowie auf Schadensersatz gerichtet ist.

19 Fisher machte vor dem vorlegenden Gericht geltend, das Versehen bei der Stilllegung von nicht beihilfefähigen Flächen sei auf die Weigerung des Ministeriums zurückzuführen, ihm Informationen über die früher auf den betroffenen Flächen angebauten Kulturen zu übermitteln. Das Ministerium habe in doppelter Hinsicht rechtswidrig gehandelt. Erstens hätte Fisher, wenn er die erforderlichen, von ihm im November 1995 angeforderten Informationen erhalten hätte, gewusst, welche Parzellen für die Stilllegung in Betracht gekommen wären und hätte daher bei der Aussaat im folgenden Frühjahr keine nicht beihilfefähigen Parzellen stillgelegt. Zweitens habe das Ministerium insofern rechtswidrig gehandelt, als es sich bei der Ahndung der Fehler des IVKS-Antrags auf Informationen gestützt habe, deren Weitergabe an Fisher es zuvor trotz dessen Gesuche abgelehnt habe. Das Ministerium hätte Informationen, die es Fisher verweigert habe, nicht gegen diesen verwenden dürfen.

20 Auf den ersten Vorwurf erwiderte das Ministerium vor dem vorlegenden Gericht, es habe die beantragten Informationen über die früher angebauten Kulturen nicht weitergeben können, ohne gegen seine Verpflichtungen gegenüber Herrn Nicholson und einem Liquidator zu verstoßen, von denen es diese Informationen unter Wahrung der Vertraulichkeit gemäß der erwähnten Erklärung in dem Hauptformular erhalten habe. Zum zweiten Vorwurf erklärte das Ministerium, es sei berechtigt und sogar verpflichtet gewesen, die Informationen im Rahmen seines Vorbringens zu den früher angebauten Kulturen zu verwenden, um zu prüfen, ob die stillgelegten Flächen beihilfefähig gewesen seien.

21 Außerdem trug das Ministerium vor, dass sich Fisher - wie auch das vorlegende Gericht festgestellt hat - hätte vergewissern können, ob die stillgelegten Flächen beihilfefähig gewesen seien, wenn er die Informationen, die er bei seiner eigenen Untersuchung im Sommer 1995 habe gewinnen können, und die Informationen, die er im November 1995 vom Ministerium erhalten habe, verwendet hätte. Das vorlegende Gericht war jedoch der Auffassung, dass damit das Vorbringen von Fisher nicht entkräftet sei, und sah es als erwiesen an, dass Fisher, wenn er die von ihm angeforderten zusätzlichen Informationen vor der Aussaat im Frühjahr 1996 erhalten hätte, nur beihilfefähige Flächen stillgelegt hätte. Nach Ansicht des vorlegenden Gerichts ist die Tatsache, dass Fisher dies nicht getan habe, unmittelbar darauf zurückzuführen, dass er die gewünschten zusätzlichen Informationen nicht erhalten habe.

22 Der High Court of Justice (England & Wales), Queen's Bench Division (Divisional Court), hat daher das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen vorgelegt:

1. a) Dürfen nach den Artikeln 3 Absatz 1 und 9 der Verordnung (EWG) Nr. 3508/92 in Verbindung mit den allgemeinen Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts in einer gemäß Artikel 2 eingerichteten informatisierten Datenbank gespeicherte Informationen über Daten, die von einem oder für einen Erzeuger, der früher Zahlungen für Ackerflächen ("Arable Area Payments") beantragt hatte, übermittelt wurden, an Dritte weitergegeben werden?

b) Falls Frage 1 a zu bejahen ist: Ist die Weitergabe, zu der die zuständige Behörde nach dem Gesetz verpflichtet ist, hinsichtlich der Personen, an die Informationen weitergegeben werden dürfen, beschränkt

i) auf Personen, die von dem früheren Antragsteller in dem im Vereinigten Königreich verwendeten Hauptformular ("UK Base Form") ermächtigt werden, und/oder

ii) auf Personen, die die Informationen im Zusammenhang mit ihrem Antrag auf Agrarbeihilfe für dieselben Flächen wie der frühere Antragsteller verlangen, auch wenn sich der frühere Antragsteller weigert, die Informationen weiterzugeben,

und hinsichtlich der weiterzugebenden Informationen

iii) auf die Informationen, die in geschäftlicher Hinsicht keine vertraulichen Informationen darstellen, und/oder

iv) auf die Informationen, deren Weitergabe erforderlich ist, damit derjenige, der sie anfordert, durch geeignete Schritte vermeiden kann, dass gegen ihn im Zusammenhang mit seinem Antrag auf Agrarbeihilfen Sanktionen verhängt werden?

2. Wenn Frage 1 a zu bejahen ist und die zuständigen Behörden es rechtswidrig unterlassen haben, angeforderte Informationen in einem Fall weiterzugeben, in dem die Person, wenn sie die Informationen erhalten hätte, nur beihilfefähiges Land stillgelegt hätte, ist dann die Verhängung von Sanktionen gemäß Artikel 9 der Verordnung (EWG) Nr. 3887/92 schon aus diesem Grund rechtswidrig?

3. Sind die zuständigen Behörden unabhängig davon, ob die von ihnen unterlassene Weitergabe der Informationen rechtmäßig oder rechtswidrig war, berechtigt, gegen eine Person Informationen zu verwenden, deren Weitergabe an diese Person sie trotz entsprechender Gesuche abgelehnt hatten?

Zur ersten Frage

23 Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob es die Artikel 3 Absatz 1 und 9 der Verordnung Nr. 3508/92 in Verbindung mit den allgemeinen Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts den zuständigen Behörden gestatten, Daten über die in den Vorjahren angebauten landwirtschaftlichen Kulturpflanzen, die ihnen von einem oder für einen Erzeuger übermittelt wurden, der früher Zahlungen für Ackerflächen beantragt hatte, an einen neuen Betriebsinhaber weiterzugeben, der diese Daten benötigt, um Zahlungen für dieselben Flächen beantragen zu können.

24 Aus Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung Nr. 3508/92, der ausdrücklich vorsieht, dass die Datenbank, in der die Informationen aus den Beihilfeanträgen gespeichert sind, bei der zuständigen Behörde eingesehen werden kann, ergibt sich zunächst, dass eine Einsichtnahme in diese Datenbank durch andere als innerhalb der zuständigen Behörde beschäftigte Personen nicht ausgeschlossen ist.

25 Außerdem sieht Artikel 9 dieser Verordnung vor, dass die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen treffen, um den Schutz der erhobenen Daten zu gewährleisten; die Bestimmung sagt allerdings nichts zu den Einzelheiten dieses Schutzes.

26 In Ermangelung genauer Angaben hierzu obliegt es den Mitgliedstaaten, den Umfang und die Ausgestaltung dieses Schutzes zu bestimmen, wobei allerdings die nationalen Maßnahmen weder über das hinausgehen dürfen, was für eine ordnungsgemäße Anwendung der Verordnung Nr. 3508/92 erforderlich ist, noch die Reichweite oder Wirksamkeit dieser Verordnung beeinträchtigen dürfen.

27 Insoweit folgt aus der zweiten und der dritten Begründungserwägung der Verordnung Nr. 3508/92, dass diese die Verwaltungs- und Kontrollmaßnahmen effizienter gestalten soll. Wie der Generalanwalt in Nummer 42 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, gehört es zu einem effizienten Verfahren, dass die vom Beihilfeantragsteller gemäß Artikel 6 der Verordnung beizubringenden Informationen von vornherein vollständig und richtig sind und dass dementsprechend der Antragsteller über die erforderlichen Informationen verfügen kann, um sicherzustellen, dass die von ihm der zuständigen Behörde vorzulegenden Anträge ordnungsgemäß sind.

28 Außerdem ist festzustellen, dass der Beihilfeantragsteller im Rahmen der Verordnung Nr. 3508/92 ein wesentliches und schutzwürdiges Interesse daran hat, die nötigen Informationen zu erhalten, um einen ordnungsgemäßen Antrag auf Ausgleichszahlungen stellen zu können, ohne Sanktionen ausgesetzt zu sein.

29 Die Maßnahmen der Mitgliedstaaten zum Schutz der erhobenen Daten dürfen dieses Interesse nicht unberücksichtigt lassen.

30 Entgegen der Auffassung der Regierung des Vereinigten Königreichs genügt eine allgemeine Regelung, nach der die erhobenen Daten nur mit der Zustimmung desjenigen, der die entsprechenden Informationen übermittelt hat, und nur wenn und soweit zwingende Gründe dies erfordern, an einen Dritten weitergegeben werden können, diesen Anforderungen nicht, da sie es nicht erlaubt, dem schutzwürdigen Interesse eines Beihilfeantragstellers an der Kenntnis bestimmter Daten Rechnung zu tragen.

31 Um zu entscheiden, ob bestimmte Informationen aus der Datenbank weitergegeben werden können, muss die zuständige Behörde vielmehr eine Abwägung vornehmen zwischen dem Interesse dessen, der die Daten übermittelt hat, und dem Interesse dessen, der sie zur Verfolgung eines schutzwürdigen Zweckes benötigt.

32 Bei der Bewertung der jeweiligen Interessen der Betroffenen in Bezug auf persönliche Daten muss jedoch der Schutz der Freiheiten und Grundrechte beachtet werden.

33 Die Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr (ABl. L 281, S. 31; im Folgenden: Richtlinie) stellt insoweit Kriterien zur Verfügung, die geeignet sind, bei dieser Bewertung durch die zuständigen Behörden herangezogen zu werden.

34 Auch wenn die Richtlinie zu dem im Ausgangsverfahren maßgeblichen Zeitpunkt noch nicht in Kraft getreten war, folgt aus ihrer zehnten und elften Begründungserwägung, dass sie auf Gemeinschaftsebene allgemeine Grundsätze übernahm, die in den Rechten der Mitgliedstaaten bereits anerkannt waren.

35 Nach Artikel 7 Buchstabe f der Richtlinie ist die Weitergabe von Daten erlaubt, wenn sie erforderlich ist zur Verwirklichung des berechtigten Interesses, das von dem Dritten wahrgenommen wird, dem die personenbezogenen Daten übermittelt werden, sofern nicht das Interesse oder die geschützten Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person überwiegen.

36 Hinsichtlich der Anwendung dieser Kriterien im Ausgangsverfahren ergeben sich aus den Akten keine Anhaltspunkte dafür, dass Fisher ein anderes als das wesentliche und berechtigte Interesse wahrnahm, die Daten zu erhalten, die er benötigte, um seinen Verpflichtungen aus der Verordnung Nr. 3508/92 nachzukommen, und die er nicht auf anderem Weg bekommen konnte.

37 Aus den Akten ergibt sich auch nicht, dass die Weitergabe der angeforderten Daten an Fisher irgendein Interesse des Inhabers dieser Daten oder dessen Grundrechte und Grundfreiheiten beeinträchtigen konnte.

38 Es ist jedoch Sache des nationalen Gerichts, das allein über eine umfassende Kenntnis des Sachverhalts des Ausgangsverfahrens verfügt, die Interessen der Betroffenen zu bewerten, um feststellen zu können, ob die angeforderten Daten an Fisher weitergegeben werden konnten.

39 Auf die erste Frage ist daher zu antworten, dass es die Artikel 3 Absatz 1 und 9 der Verordnung Nr. 3508/92 in Verbindung mit den allgemeinen Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts den zuständigen Behörden gestatten, nach Abwägung der Interessen der Betroffenen Daten über die in den Vorjahren angebauten landwirtschaftlichen Kulturpflanzen, die ihnen von einem oder für einen Erzeuger übermittelt wurden, der früher Zahlungen für Ackerflächen beantragt hatte, an einen neuen Betriebsinhaber weiterzugeben, der diese Daten benötigt, um Zahlungen für dieselben Flächen beantragen zu können, und sie nicht auf anderem Weg erhalten kann.

Zur zweiten und dritten Frage

40 Mit der zweiten und dritten Frage, die gemeinsam zu untersuchen sind, möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob die zuständige Behörde, wenn sie die Weitergabe der angeforderten Informationen abgelehnt hat, berechtigt oder sogar verpflichtet ist, gegen den Antragsteller Sanktionen nach Artikel 9 der Verordnung Nr. 3887/92 zu verhängen, und ob sie sich dabei auf Informationen stützen darf, die sie ihm auf seinen Antrag hin vorenthalten hatte.

41 Nach Auffassung der Regierung des Vereinigten Königreichs war die zuständige Behörde verpflichtet, die in Artikel 9 der Verordnung Nr. 3887/92 vorgeschriebenen Sanktionen für falsche Angaben zu verhängen, da Fisher die einzige in Artikel 9 Absatz 2 Unterabsatz 4 der Verordnung vorgesehene Ausnahme, die den Fall betreffe, dass "der Betriebsinhaber den Nachweis erbringt, dass er sich bei der Flächenbestimmung korrekt auf von der zuständige Behörde anerkannte Angaben gestützt hat", nicht habe für sich in Anspruch nehmen können.

42 Das vorlegende Gericht hat im Ausgangsverfahren festgestellt, dass die Verhängung der Sanktionen ohne Zweifel auf die Ablehnung der Weitergabe der angeforderten Informationen durch die zuständige Behörde zurückzuführen war.

43 Außerdem ist zu berücksichtigen, dass die Verhängung von Sanktionen ausgeschlossen ist, wenn die Angaben infolge unzutreffender Informationen seitens der zuständigen Behörde falsch sind. Die in Artikel 9 Absatz 2 der Verordnung Nr. 3887/92 am Ende vorgesehene Ausnahme findet demnach ihren Grund darin, dass die falschen Angaben des Antragstellers bei der Flächenbestimmung der zuständigen Behörde zuzurechnen sind.

44 Dasselbe gilt, wenn die Angaben wegen fehlender Informationen seitens der zuständigen Behörde falsch sind. Es ist nämlich unstreitig, dass die Unrichtigkeit der Angaben der zuständigen Behörde zuzurechnen ist, wenn sie einem neuen Betriebsinhaber die Weitergabe der erhobenen Daten verweigert hat, die dieser benötigte und nicht auf anderem Weg erhalten konnte.

45 Unter diesen Umständen darf die zuständige Behörde keine Sanktionen gegen den neuen Betriebsinhaber verhängen, wenn ihr bekannt war, dass dieser bei der Antragstellung deshalb nicht über die erforderlichen Informationen verfügte, um sicherzustellen, dass sein Beihilfeantrag ordnungsgemäß war, weil sie die Weitergabe dieser Informationen verweigert hatte.

46 Artikel 9 Absatz 2 der Verordnung Nr. 3887/92 ist deshalb dahin gehend auszulegen, dass er es nicht erlaubt, Sanktionen zu verhängen, wenn die Unrichtigkeit der Angaben auf die Weigerung der zuständigen Behörde zurückzuführen ist, die erhobenen Daten an einen neuen Betriebsinhaber weiterzugeben, der sie benötigt, um sicherzustellen, dass sein Beihilfeantrag ordnungsgemäß ist, und sie nicht auf anderem Weg erhalten kann.

47 Auf die zweite und dritte Frage ist daher zu antworten, dass die zuständige Behörde, wenn sie die Weitergabe der angeforderten Informationen abgelehnt hat, nicht gegen den Antragsteller auf der Grundlage der Informationen, die sie ihm auf seinen Antrag hin vorenthalten hatte, Sanktionen nach Artikel 9 der Verordnung Nr. 3887/92 verhängen darf.

Kostenentscheidung:

Kosten

48 Die Auslagen der Regierung des Vereinigten Königreichs und der Kommission, die Erklärungen vor dem Gerichtshof abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

(Vierte Kammer)

auf die ihm vom High Court of Justice (England & Wales), Queen's Bench Division (Divisional Court), mit Beschluss vom 13. März 1998 vorgelegten Fragen für Recht erkannt:

1. Die Artikel 3 Absatz 1 und 9 der Verordnung (EWG) Nr. 3508/92 des Rates vom 27. November 1992 zur Einführung eines integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystems für bestimmte gemeinschaftliche Beihilferegelungen in Verbindung mit den allgemeinen Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts gestatten es den zuständigen Behörden, nach Abwägung der Interessen der Betroffenen Daten über die in den Vorjahren angebauten landwirtschaftlichen Kulturpflanzen, die ihnen von einem oder für einen Erzeuger übermittelt wurden, der früher Zahlungen für Ackerflächen beantragt hatte, an einen neuen Betriebsinhaber weiterzugeben, der diese Daten benötigt, um Zahlungen für dieselben Flächen beantragen zu können, und sie nicht auf anderem Weg erhalten kann.

2. Lehnt die zuständige Behörde die Weitergabe der angeforderten Informationen ab, so darf sie nicht gegen den Antragsteller auf der Grundlage der Informationen, die sie ihm auf seinen Antrag hin vorenthalten hatte, Sanktionen nach Artikel 9 der Verordnung (EWG) Nr. 3887/92 der Kommission vom 23. Dezember 1992 mit Durchführungsbestimmungen zum integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystem für bestimmte gemeinschaftliche Beihilferegelungen verhängen.

Ende der Entscheidung

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