Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 25.01.2007
Aktenzeichen: C-370/05
Rechtsgebiete: EG


Vorschriften:

EG Art. 234
EG Art. 43
EG Art. 56
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Dritte Kammer)

25. Januar 2007

"Niederlassungsfreiheit - Freier Kapitalverkehr - Art. 43 EG und 56 EG - Beschränkungen für den Erwerb von landwirtschaftlichen Grundstücken - Verpflichtung des Erwerbers, seinen ständigen Wohnsitz auf dem landwirtschaftlichen Grundstück zu begründen"

Parteien:

In der Rechtssache C-370/05

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Vestre Landsret (Dänemark) mit Entscheidung vom 5. Oktober 2005, beim Gerichtshof eingegangen am 10. Oktober 2005, in dem Strafverfahren gegen

Uwe Kay Festersen

erlässt

DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Rosas sowie der Richter A. Tizzano, A. Borg Barthet, J. Malenovský (Berichterstatter) und U. Lõhmus,

Generalanwältin: C. Stix-Hackl,

Kanzler: B. Fülöp, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 12. Juli 2006,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

- von Herrn Festersen, vertreten durch K. Berning, advokat,

- der dänischen Regierung, vertreten durch J. Molde als Bevollmächtigten im Beistand von P. Biering, advokat,

- der norwegischen Regierung, vertreten durch K. Moen und I. Holten als Bevollmächtigte,

- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch H. Støvlbæk als Bevollmächtigten,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 3. Oktober 2006

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 43 EG und 56 EG.

2 Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Strafprozesses gegen Herrn Festersen wegen des Verstoßes gegen die Verpflichtung, auf dem von ihm erworbenen Grundstück im Gebiet der Gemeinde Bov in Südjütland (Dänemark) einen ständigen Wohnsitz zu begründen.

Nationaler rechtlicher Rahmen

3 In § 2 des dänischen Landwirtschaftsgesetzes (landbrugslov) in der Fassung der Bekanntmachung Nr. 598 (lovbekendtgørelse Nr. 598) vom 15. Juli 1999 (im Folgenden: Landwirtschaftsgesetz) heißt es:

"(1) Landwirtschaftliche Grundstücke unterliegen der Bewirtschaftungspflicht nach diesem Gesetz.

(2) Ein landwirtschaftliches Grundstück ist ein Grundstück, das im Kataster als solches eingetragen ist.

..."

4 § 4 Abs. 6 des Landwirtschaftsgesetzes bestimmt:

"Wird ein landwirtschaftliches Grundstück geteilt oder auf andere Weise auf eine Fläche unter 2 Hektar verkleinert, so erlischt die Bewirtschaftungspflicht, es sei denn, der Eigentümer möchte sie beibehalten. ..."

5 § 7 dieses Gesetzes lautet:

"(1) Ein landwirtschaftliches Grundstück muss vorbehaltlich der § 8 Abs. 4 und 6, § 9 Abs. 1 und 2 und § 10 als selbständiger Betrieb aufrechterhalten werden und mit einem entsprechenden Wohngebäude ausgestattet bleiben, von dem aus das Land von den Bewohnern bewirtschaftet wird.

(2) Das landwirtschaftliche Grundstück muss in verantwortlicher Weise unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Nutzungsmöglichkeiten, der veterinärmedizinischen Bedingungen sowie von Natur und Umwelt bewirtschaftet werden.

..."

6 § 16 des Landwirtschaftsgesetzes bestimmt:

"(1) Das Recht an einem landwirtschaftlichen Grundstück, das in der Landwirtschaftszone liegt und dessen Fläche 30 Hektar übersteigt, kann erworben werden, wenn

...

4. der Erwerber binnen sechs Monaten nach dem Erwerb einen ständigen Wohnsitz auf dem Grundstück begründet,

5. der Erwerber das Grundstück selbst bewirtschaftet

...

(2) Das Recht an einem landwirtschaftlichen Grundstück, dessen Fläche 30 Hektar nicht übersteigt, kann erworben werden, wenn der Erwerber die Anforderungen des Abs. 1 Nrn. 1 bis 4 erfüllt.

..."

7 In § 18 des Landwirtschaftsgesetzes heißt es:

"(1) Unbeschadet der in den §§ 16, 17 und 17a behandelten Fälle kann der Erwerb eines landwirtschaftlichen Grundstücks in der Landwirtschaftszone nur mit Genehmigung des Ministers für Nahrungsmittel, Landwirtschaft und Fischerei erfolgen.

...

(4) Der Minister kann den Erwerb eines landwirtschaftlichen Grundstücks genehmigen, wenn

1. der Erwerb zum Zweck einer Verwendung im Sinne von § 4 Abs. 1 Nr. 1 erfolgt und damit zu rechnen ist, dass das Grundstück in naher Zukunft für den betreffenden Zweck verwendet wird,

2. der Erwerb zu Erwerbszwecken im Hinblick auf eine nicht-landwirtschaftliche Verwendung erfolgt, die im Übrigen im Hinblick auf ein allgemeines gesellschaftliches Interesse als wünschenswert anzusehen ist,

3. der Erwerb im Hinblick auf bestimmte Zwecke erfolgt, darunter die Verwendung zu wissenschaftlichen, ausbildungsmäßigen, allgemeingesellschaftlichen, gesundheitlichen oder allgemeinen Erholungszwecken,

4. der Erwerb in Verbindung mit der Schaffung von Feuchtwiesen, der Wiederherstellung der Umwelt o. ä. erfolgt oder

5. andere besondere Umstände hierfür sprechen.

..."

8 § 27 Abs. 2 des Landwirtschaftsgesetzes bestimmt:

"Wird der Antrag auf Genehmigung des Erwerbs eines landwirtschaftlichen Grundstücks oder der Antrag auf Verpachtung eines landwirtschaftlichen Grundstücks nicht rechtzeitig gestellt, kann der Minister den Eigentümer auffordern, das Grundstück innerhalb einer Frist von mindestens sechs Monaten oder höchstens einem Jahr abzugeben oder den Verpächter oder Pächter auffordern, innerhalb einer entsprechenden Frist das Pachtverhältnis aufzuheben. Dasselbe gilt, wenn die Genehmigung versagt wird oder erlischt oder wenn die für die Genehmigung geltenden Bedingungen nicht erfüllt werden. ..."

9 Nach § 33 dieses Gesetzes gilt:

"(1) Mit Geldbuße wird bestraft, wer

...

3. der Aufforderung nach § 8 Abs. 5 und 7, § 9 Abs. 5 oder § 27 nicht nachkommt.

..."

10 § 62 des Runderlasses Nr. 26 zum Landwirtschaftsgesetz vom 22. Februar 2000 bestimmt:

"Nur in Ausnahmefällen kann die Genehmigung nach § 18 des Landwirtschaftsgesetzes für den Erwerb von landwirtschaftlichen Grundstücken unter Befreiung von der Wohnsitzpflicht für unbestimmte Zeit (vgl. § 16 Abs. 1 Nr. 4 des Landwirtschaftsgesetzes) erteilt werden. Dies gilt zum Beispiel in Fällen, in denen es wegen der Besonderheiten der Lage physisch unmöglich ist, die Wohnsitzpflicht während eines großen Teils des Jahres zu erfüllen. Die Vorschrift ist restriktiv anzuwenden. ..."

11 Nach § 4 Abs. 1 der Bekanntmachung Nr. 627 vom 26. Juli 1999 betreffend Ausbildungs- und Wohnsitzerfordernisse im Zusammenhang mit dem Landwirtschaftsgesetz (bekendtgørelse om uddannelseskrav og bopælskrav m.v. i henhold til landbrugsloven) bedeutet das Erfordernis eines ständigen Wohnsitzes auf einem landwirtschaftlichen Grundstück, dass sich der Betreffende fest und beständig auf dem Grundstück aufhält und dort übernachtet, soweit nicht vorübergehend besondere Umstände vorliegen. Der Betreffende muss im Melderegister der Gemeinde als auf dem Grundstück wohnend eingetragen sein, so dass dieses als steuerlicher Hauptwohnsitz dient.

12 Nach § 4 Abs. 2 dieser Bekanntmachung muss der Erwerber die Wohnsitzpflicht ab dem Erwerb eines landwirtschaftlichen Grundstücks acht Jahre lang erfüllen.

Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

13 Der deutsche Staatsangehörige Herr Festersen erwarb 1998 das Eigentum an einem Grundstück in Südjütland, das im Kataster als landwirtschaftliches Grundstück eingetragen ist. Es besteht aus zwei Parzellen, einer in der Bebauungszone gelegenen und bebauten Parzelle mit einer Fläche von 24 Ar und einem in der Landwirtschaftszone gelegenen Weidegrundstück mit einer Fläche von 3,29 Hektar.

14 Da Herr Festersen nicht der Pflicht nachkam, seinen Wohnsitz auf diesem Grundstück zu begründen, gab ihm der Landwirtschaftsausschuss für Südjütland (Jordbrugskommission for Sønderjyllands Amt) auf, seine Situation mit dem anwendbaren Recht in Einklang zu bringen. Am 8. September 2000 forderte ihn der Ausschuss auf, das Grundstück binnen sechs Monaten zu veräußern, sofern er seine Eigentümerposition bis dahin nicht durch Aufhebung der Bewirtschaftungspflicht oder Erfüllung der Wohnsitzpflicht legalisiert habe.

15 Am 16. Juli 2001 räumte der Ausschuss Herrn Festersen eine neue Frist von sechs Monaten zur Veräußerung des Grundstücks ein; diese Frist sollte nur hinfällig werden, wenn Herr Festersen bis dahin entweder die Grundstücksfläche auf weniger als zwei Hektar verringert und die Aufhebung der Bewirtschaftungspflicht beantragt oder aber seinen Wohnsitz auf dem Grundstück begründet hätte.

16 Mit Urteil des Ret Gråsten vom 18. August 2003 wurde Herr Festersen wegen Verstoßes gegen § 33 Abs. 1 Nr. 3 i. V. m. § 27 Abs. 2 des Landwirtschaftsgesetzes zu einer Geldbuße in Höhe von 5 000 DKR verurteilt, da er der Aufforderung des Landwirtschaftsausschusses für Südjütland nicht nachgekommen sei. Ihm wurde ferner ein Zwangsgeld in Höhe von 5 000 DKR für jeden weiteren Monat des Verzugs nach dem 1. Dezember 2003 auferlegt.

17 Herr Festersen begründete am 12. Juni 2003 seinen Wohnsitz auf dem Grundstück und ist seit dem 12. September 2003 mit diesem Wohnsitz im Melderegister der Gemeinde Bov eingetragen.

18 Er legte beim Vestre Landsret gegen seine Verurteilung Berufung ein und beantragte Freispruch. Die Staatsanwaltschaft beantragte, das erstinstanzliche Urteil zu bestätigen.

19 Herr Festersen und die Staatsanwaltschaft sind darüber uneinig, ob das nach dem Landwirtschaftsgesetz bestehende Wohnsitzerfordernis mit den Grundsätzen der Niederlassungsfreiheit und der Kapitalverkehrsfreiheit gemäß den Art. 43 EG und 56 EG vereinbar ist.

20 Unter diesen Umständen hat das Vestre Landsret beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1. Verstößt es gegen Art. 43 EG und Art. 56 EG, wenn ein Mitgliedstaat als Voraussetzung für den Erwerb eines landwirtschaftlichen Grundstücks das Erfordernis aufstellt, dass der Erwerber seinen ständigen Wohnsitz auf dem Grundstück begründet?

2. Ist es für die Beantwortung der ersten Frage von Bedeutung, dass das Grundstück keine sich selbst tragende Einheit darstellen kann und dass das Wohngebäude des Grundstücks in einer Bebauungszone liegt?

Zu den Vorlagefragen

Zur ersten Frage

21 Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob es den Vorschriften des EG-Vertrags über die Niederlassungsfreiheit (Art. 43 EG) und über die Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 56 EG) zuwiderläuft, dass eine nationale Rechtsvorschrift wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende als Voraussetzung für den Erwerb eines landwirtschaftlichen Grundstücks das Erfordernis aufstellt, dass der Erwerber auf diesem Grundstück seinen ständigen Wohnsitz begründet.

22 Zunächst ist daran zu erinnern, dass die Ausübung des Rechts, im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats Immobilien zu erwerben, zu nutzen und darüber zu verfügen, das, wie sich aus Art. 44 Abs. 2 Buchst. e EG ergibt, die notwendige Ergänzung der Niederlassungsfreiheit darstellt (Urteil vom 30. Mai 1989, Kommission/Griechenland, 305/87, Slg. 1989, 1461, Randnr. 22), zu Kapitalverkehr führt (Urteil vom 5. März 2002, Reisch u. a., C-515/99, C-519/99 bis C-524/99 und C-526/99 bis C-540/99, Slg. 2002, I-2157, Randnr. 29).

23 Der Kapitalverkehr umfasst Vorgänge, durch die Personen im Gebiet eines Mitgliedstaats, in dem sie nicht ihren Wohnsitz haben, Investitionen in Immobilien tätigen; dies ergibt sich aus der Nomenklatur für den Kapitalverkehr in Anhang I der Richtlinie 88/361/EWG des Rates vom 24. Juni 1988 zur Durchführung von Artikel 67 des Vertrages [der durch den Vertrag von Amsterdam aufgehoben wurde] (ABl. L 178, S. 5), die ihren Hinweischarakter für die Definition des Begriffs des Kapitalverkehrs behält (vgl. Urteile vom 16. März 1999, Trummer und Mayer, C-222/97, Slg. 1999, I-1661, Randnr. 21, vom 11. Januar 2001, Stefan, C-464/98, Slg. 2001, I-173, Randnr. 5, Reisch u. a., Randnr. 30, und vom 14. September 2006, Centro di Musicologia Walter Stauffer, C-386/04, Slg. 2006, I-0000, Randnr. 22).

24 Es ist daher zu prüfen, ob eine nationale Regelung wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende eine Beschränkung des Kapitalverkehrs darstellt. Insoweit ergibt sich aus der ständigen Rechtsprechung, dass zu den Maßnahmen, die durch Art. 56 Abs. 1 EG als Beschränkungen des Kapitalverkehrs verboten sind, solche gehören, die geeignet sind, Gebietsfremde von Investitionen in einem Mitgliedstaat oder die dort Ansässigen von Investitionen in anderen Mitgliedstaaten abzuhalten (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 23. Februar 2006, Van Hilten-van der Heijden, C-513/03, Slg. 2006, I-1957, Randnr. 44).

25 Auch wenn die dänischen Rechtsvorschriften über die Landwirtschaft keine Diskriminierung zwischen den dänischen Staatsangehörigen und den Staatsangehörigen aus anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder des Europäischen Wirtschaftsraums begründen, so beschränkt doch die darin aufgestellte Voraussetzung des Wohnsitzes, die nur mit Genehmigung des Ministers für Landwirtschaft aufgehoben werden kann, die Kapitalverkehrsfreiheit.

26 Eine solche Maßnahme kann gleichwohl unter der Voraussetzung zulässig sein, dass sie ein im Allgemeininteresse liegendes Ziel verfolgt, nicht diskriminierend angewandt wird und mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in Einklang steht, d. h., geeignet ist, die Erreichung des verfolgten Ziels zu gewährleisten, und nicht über das hinausgeht, was hierzu erforderlich ist (Urteile vom 1. Juni 1999, Konle, C-302/97, Slg. 1999, I-3099, Randnr. 40, Reisch u. a., Randnr. 33, und vom 23. September 2003, Ospelt und Schlössle Weissenberg, C-452/01, Slg. 2003, I-9743, Randnr. 34).

27 Zur Voraussetzung der Verfolgung eines im Allgemeininteresse liegenden Ziels trägt die dänische Regierung vor, dass die nationale Regelung bezwecke, erstens die Bewirtschaftung von Agrarflächen durch den Eigentümer selbst zu erhalten, die eine der traditionellen Bewirtschaftungsformen in Dänemark darstelle und mit dem Ziel verknüpft sei, dass Bauernhöfe überwiegend von den Eigentümern bewohnt und bewirtschaftet würden, zweitens als Raumordnungsziel eine beständige Bevölkerung in den ländlichen Gebieten zu erhalten und drittens eine vernünftige Nutzung der verfügbaren Flächen unter Bekämpfung des Drucks auf den Grundstücksmarkt zu fördern.

28 Diese Ziele liegen als solche im Allgemeininteresse und können Beschränkungen des freien Kapitalverkehrs rechtfertigen (vgl. in diesem Sinne Urteile Konle, Randnr. 40, Reisch u. a., Randnr. 34, und Ospelt und Schlössle Weissenberg, Randnrn. 38 und 39). Überdies entsprechen diese Ziele, wie die dänische Regierung und die Kommission der Europäischen Gemeinschaften ausführen, denen der gemeinsamen Agrarpolitik, die nach Art. 33 Abs. 1 Buchst. b EG darauf abzielt, "der landwirtschaftlichen Bevölkerung ... eine angemessene Lebenshaltung zu gewährleisten", und bei deren Gestaltung nach Art. 33 Abs. 2 Buchst. a EG "die besondere Eigenart der landwirtschaftlichen Tätigkeit, die sich aus dem sozialen Aufbau der Landwirtschaft und den strukturellen und naturbedingten Unterschieden der verschiedenen landwirtschaftlichen Gebiete ergibt", zu berücksichtigen ist (vgl. in diesem Sinne Urteil Ospelt und Schlössle Weissenberg, Randnrn. 40).

29 Hinsichtlich der weiteren Voraussetzung der Verhältnismäßigkeit ist zu prüfen, ob die Verpflichtung des Erwerbers zur Begründung seines ständigen Wohnsitzes auf dem erworbenen landwirtschaftlichen Grundstück, wie die dänische und die norwegische Regierung vortragen, eine geeignete und erforderliche Maßnahme zur Verfolgung der oben in Randnr. 27 genannten Ziele ist.

30 Zur Geeignetheit der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden nationalen Maßnahme ist insoweit festzustellen, dass sie nur eine Wohnsitzpflicht beinhaltet und für den Erwerber eines landwirtschaftlichen Grundstücks mit einer Fläche unter 30 Hektar keine Pflicht vorsieht, das Grundstück selbst zu bewirtschaften. Eine solche Maßnahme scheint daher für sich genommen nicht die Erreichung des angeführten Ziels zu gewährleisten, die traditionelle Form der Bewirtschaftung durch den Eigentümer selbst zu erhalten.

31 Zwar ist zum zweiten Ziel des Landwirtschaftsgesetzes festzustellen, dass die Wohnsitzpflicht ihrem Wesen nach dazu beitragen kann, die Bevölkerung in ländlichen Gebieten zu erhalten, und überdies eher von den Landwirten erfüllt werden wird, die in Übereinstimmung mit einem der allgemeinen Ziele des Landwirtschaftsgesetzes, der Begünstigung der Selbstbewirtschaftung durch den Eigentümer, ihre Produktionsmittel selbst nutzen.

32 Jedoch ist unter Berücksichtigung der gleichzeitig zu verzeichnenden Phänomene einer Verringerung der Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe und der Zusammenlegung dieser Betriebe, wie sie sich aus den beim Gerichtshof eingereichten schriftlichen Erklärungen ergeben und in der mündlichen Verhandlung nicht bestritten worden sind, festzustellen, dass das Ziel des Bevölkerungserhalts im ländlichen Raum nicht erreicht werden kann, wenn der Erwerb durch einen Landwirt erfolgt, der schon auf dem Grundstück eines anderen Betriebs wohnt. In einem solchen Fall gewährleistet die Wohnsitzpflicht nicht, dass das genannte Ziel erreicht wird, und sie erscheint daher in Wirklichkeit nicht geeignet, als solche einem derartigen Ziel zu entsprechen.

33 Zu dem dritten von dem Landwirtschaftsgesetz verfolgten Ziel ist festzustellen, dass die Wohnsitzpflicht darauf ausgelegt ist, die Zahl der möglichen Erwerber von landwirtschaftlichen Grundstücken zu verringern, und folglich geeignet ist, den Druck auf diesen Grundstücksmarkt zu reduzieren. Es ist daher anzuerkennen, dass eine nationale Regelung, die eine solche Verpflichtung begründet, mit der der Erwerb von landwirtschaftlichen Flächen aus rein spekulativen Gründen vermieden werden soll, und die damit darauf gerichtet ist, die Aneignung dieser Flächen vorrangig durch Personen, die sie bewirtschaften wollen, zu erleichtern, in einem Mitgliedstaat, dessen landwirtschaftliche Flächen unstrittig eine knappe natürliche Ressource sind, ein Ziel des Allgemeininteresses verfolgt.

34 Daher ist weiter zu prüfen, ob die Wohnsitzpflicht eine Maßnahme darstellt, die nicht über das hinausgeht, was zur Erreichung eines solchen Ziels erforderlich ist.

35 Bei dieser Prüfung ist zu berücksichtigen, dass die fragliche Pflicht nicht nur die Kapitalverkehrsfreiheit, sondern auch das Recht des Erwerbers, seinen Wohnsitz frei zu wählen, beschränkt, das ihm jedoch in Art. 2 Abs. 1 des Protokolls Nr. 4 zu der am 4. November 1950 in Rom unterzeichneten Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) gewährleistet wird.

36 Nach Art. 6 Abs. 2 EU "achtet" die Europäische Union "die Grundrechte, wie sie in der [EMRK] gewährleistet sind und wie sie sich aus den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten als allgemeine Grundsätze des Gemeinschaftsrechts ergeben" (Urteil vom 27. Juni 2006, Parlament/Rat, C-540/03, Slg. 2006, I-0000, Randnr. 36).

37 Die Wohnsitzpflicht, die damit ein Grundrecht beeinträchtigt, das von der EMRK gewährleistet wird, erweist sich infolgedessen als in besonderem Maße einschränkend. Es stellt sich somit die Frage, ob andere, weniger einschränkende Maßnahmen als diese Verpflichtung erlassen werden könnten.

38 Hierzu trägt die dänische Regierung vor, dass diese Verpflichtung nicht durch weniger einschränkende Maßnahmen ersetzt werden könne, die ebenso effizient verhinderten, dass die Preise der für die landwirtschaftliche Erzeugung bestimmten Flächen durch eine Nachfrage, die ausschließlich durch den Wunsch nach Investitionen motiviert sei, zum Nachteil der berufsmäßigen Landwirte beeinträchtigt würden.

39 Soweit die dänische Regierung vorträgt, dass die einzige sonst verbleibende Möglichkeit, um die Preise auf dem gewünschten Niveau zu halten, deren Regulierung durch den Staat wäre, führt sie indessen nicht aus, warum eine solche Maßnahme einschränkender als die bestehende Wohnsitzpflicht wäre. Sie hat auch nicht begründet, warum eine andere in den Akten genannte Maßnahme, nämlich die Förderung der Vermietung von auf einem landwirtschaftlichen Grundstück erworbenen Wohnhäusern, sich als einschränkender als diese Pflicht erweisen würde. In den Erklärungen der dänischen Regierung wurden auch andere mögliche Maßnahmen weder in Betracht gezogen noch bewertet, die gegebenenfalls die Kapitalverkehrsfreiheit weniger beeinträchtigen, wie Vorschriften über höhere Steuern beim Wiederverkauf von Grundstücken kurz nach deren Erwerb oder das Erfordernis einer beträchtlichen Mindestdauer für die Pacht von landwirtschaftlichen Flächen.

40 Nach alledem kann der Gerichtshof nicht feststellen, dass die Wohnsitzpflicht erforderlich ist, um das angestrebte Ziel zu erreichen.

41 Selbst wenn man annähme, dass die genannte Verpflichtung deshalb als eine erforderliche Maßnahme zur Erreichung des verfolgten Ziels anzuerkennen wäre, weil sie (wegen der mit jedem Wohnsitzwechsel verbundenen Einschränkungen und einer daraus resultierenden Abschreckung von Geschäften der Bodenspekulation) als solche positive Wirkungen auf den Grundstücksmarkt hat, bliebe festzustellen, dass diese Verpflichtung mit der vorgeschriebenen Zusatzbedingung, den Wohnsitz für mindestens acht Jahre beizubehalten, über das, was als erforderlich betrachtet werden könnte, offenkundig hinausgeht, da diese Bedingung insbesondere eine dauerhafte Aussetzung der Ausübung der Grundfreiheit der Wohnsitzwahl mit sich bringt.

42 Wie die dänische Regierung ausführt, erlaubt § 18 des Landwirtschaftsgesetzes dem Minister für Nahrungsmittel, Landwirtschaft und Fischerei zwar, die Genehmigung für den Erwerb von landwirtschaftlichen Grundstücken unter Befreiung von der Wohnsitzpflicht auf unbestimmte Zeit zu erteilen. Die Ausübung dieser Befugnis ist jedoch nach dem Runderlass Nr. 26 strikt auf "Ausnahmefälle" beschränkt und "restriktiv anzuwenden".

43 Außerdem enthält dieser Runderlass, da er nur ein Beispiel für einen Ausnahmefall nennt, für die potenziellen Erwerber keine Hinweise darauf, unter welchen konkreten objektiven Umständen eine Ausnahme von der Wohnsitzpflicht anerkannt oder abgelehnt wird. Bei einer derartigen Unbestimmtheit ist für den Einzelnen der Umfang seiner Rechte und Pflichten aus Art. 56 EG nicht erkennbar, so dass eine solche Regelung gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit verstößt (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 4. Juni 2002, Kommission/Frankreich, C-483/99, Slg. 2002, I-4781, Randnr. 50, und vom 13. Mai 2003, Kommission/Spanien, C-463/00, Slg. 2003, I-4581, Randnrn. 74 und 75). Jedenfalls ist nicht ersichtlich, dass mit dieser Regelung die Situation der Unionsbürger, die nicht in Dänemark ansässig sind, berücksichtigt wurde, um eine diskriminierende Anwendung zu vermeiden.

44 Unter diesen Umständen erscheint die Wohnsitzpflicht, umso mehr als sie im vorliegenden Fall mit der Bedingung einer Dauer von acht Jahren versehen ist, der die im Ausgangsverfahren fragliche nationale Regelung den Erwerb von landwirtschaftlichen Grundstücken mit einer Fläche von unter 30 Hektar unterwirft, nicht als eine Maßnahme, die angesichts des verfolgten Ziels verhältnismäßig wäre, und stellt daher eine mit Art. 56 EG unvereinbare Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit dar.

45 Das weitere Vorbringen der dänischen Regierung ist dahin aufzufassen, dass die im Ausgangsverfahren fragliche Wohnsitzpflicht auch nach der im Protokoll Nr. 16 zum Vertrag enthaltenen Ausnahme zuzulassen sei, wonach "Dänemark [ungeachtet des Vertrages] seine geltenden Rechtsvorschriften für den Erwerb von Zweitwohnungen beibehalten [kann]".

46 Hierzu ist jedoch festzustellen, dass die Verpflichtung, auf dem erworbenen landwirtschaftlichen Grundstück einen Wohnsitz zu begründen, unabhängig davon anwendbar ist, ob dies der Haupt- oder der Zweitwohnsitz ist. Das Protokoll Nr. 16 kann demnach nicht herangezogen werden, um eine solche Verpflichtung zu rechtfertigen.

47 Nach alledem brauchen die Fragen nach der Auslegung von Art. 43 EG nicht mehr geprüft zu werden.

48 Auf die erste Frage ist somit zu antworten, dass es Art. 56 EG zuwiderläuft, dass eine nationale Rechtsvorschrift wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende als Voraussetzung für den Erwerb eines landwirtschaftlichen Grundstücks das Erfordernis aufstellt, dass der Erwerber auf diesem Grundstück seinen ständigen Wohnsitz begründet.

Zur zweiten Frage

49 Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob sich die Auslegung von Art. 56 EG im Rahmen der ersten Frage ändert, wenn das erworbene landwirtschaftliche Grundstück kein lebensfähiger landwirtschaftlicher Betrieb ist und das Wohngebäude in einer Bebauungszone liegt.

50 Aus der Antwort auf die erste Frage ergibt sich, dass Art. 56 EG der betreffenden Wohnsitzpflicht unabhängig von besonderen Umständen, die die Eigenschaften des betroffenen landwirtschaftlichen Grundstücks betreffen, entgegensteht. Umstände wie die vom vorlegenden Gericht in seiner zweiten Frage genannten sind demnach für die Auslegung des genannten Artikels unbeachtlich.

51 Daher ist auf die zweite Frage zu antworten, dass sich diese Auslegung von Art. 56 EG nicht ändert, wenn das erworbene landwirtschaftliche Grundstück kein lebensfähiger landwirtschaftlicher Betrieb ist und das Wohngebäude in einer Bebauungszone liegt.

Kostenentscheidung:

Kosten

52 Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Tenor:

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Dritte Kammer) für Recht erkannt:

1. Es läuft Art. 56 EG zuwider, dass eine nationale Rechtsvorschrift wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende als Voraussetzung für den Erwerb eines landwirtschaftlichen Grundstücks das Erfordernis aufstellt, dass der Erwerber auf diesem Grundstück seinen ständigen Wohnsitz begründet.

2. Diese Auslegung von Art. 56 EG ändert sich nicht, wenn das erworbene landwirtschaftliche Grundstück kein lebensfähiger landwirtschaftlicher Betrieb ist und das Wohngebäude in einer Bebauungszone liegt.



Ende der Entscheidung

Zurück