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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 26.06.1997
Aktenzeichen: C-370/95
Rechtsgebiete: Sechste Richtlinie 77/388/EWG, Gesetz 5/1990 vom 29. Juni 1990


Vorschriften:

Sechste Richtlinie 77/388/EWG Art. 33
Gesetz 5/1990 vom 29. Juni 1990 Art. 38 Abs. 2 S. 2
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Da Artikel 33 der Sechsten Richtlinie 77/388 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern verhindern soll, daß das Funktionieren des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems durch steuerliche Maßnahmen eines Mitgliedstaats beeinträchtigt wird, die den Waren- und Dienstleistungsverkehr in einer mit der Mehrwertsteuer vergleichbaren Weise belasten, sind die Einstufung einer Abgabe und damit die Beurteilung ihrer Vereinbarkeit mit dem Gemeinschaftsrecht nicht nur anhand des Wortlauts der anwendbaren nationalen Rechtsvorschriften, sondern auch anhand ihrer wesentlichen Merkmale, insbesondere der Möglichkeit ihrer Abwälzung auf den Verbraucher vorzunehmen. Daher kann eine Abgabe nicht nur dann den Charakter einer Umsatzsteuer haben, wenn die auf sie anwendbare nationale Regelung ausdrücklich vorsieht, daß sie auf die Verbraucher abgewälzt werden kann.

Im übrigen kann eine Abgabe nicht nur dann den Charakter einer Umsatzsteuer haben, wenn ihre Abwälzung auf die Verbraucher in einer Rechnung oder einem an deren Stelle tretenden Dokument festgehalten ist. Bei der Anwendung dieser Bestimmung ist es Sache des nationalen Gerichts, zu prüfen, ob die streitige Abgabe geeignet ist, den Waren- und Dienstleistungsverkehr in einer mit der Mehrwertsteuer vergleichbaren Weise zu belasten, und dabei zu untersuchen, ob sie deren wesentliche Merkmale aufweist. Dies ist dann der Fall, wenn sie allgemeinen Charakter hat, proportional zum Preis der Dienstleistungen ist, auf jeder Stufe der Erzeugung und des Vertriebs erhoben wird und sich auf den Mehrwert der Dienstleistungen bezieht.


Urteil des Gerichtshofes (Fünfte Kammer) vom 26. Juni 1997. - Careda SA (C-370/95), Federación nacional de operadores de máquinas recreativas y de azar (Femara) (C-371/95) und Asociación española de empresarios de máquinas recreativas (Facomare) (C-372/95) gegen Administración General del Estado. - Ersuchen um Vorabentscheidung: Audiencia Nacional - Spanien. - Steuern auf den Betrieb von Spielautomaten - Umsatzsteuer - Abwälzung auf den Verbraucher. - Verbundene Rechtssachen C-370/95, C-371/95 und C-372/95.

Entscheidungsgründe:

1 Die Audiencia Nacional hat mit Beschlüssen vom 4. Juli (C-370/95), 13. September (C-371/95) und 15. November 1995 (C-372/95), beim Gerichtshof eingegangen am 30. November 1995, gemäß Artikel 177 EG-Vertrag zwei Fragen nach der Auslegung des Artikels 33 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1; im folgenden: Sechste Richtlinie) zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2 Diese Fragen stellen sich in einem Rechtsstreit der Careda SA gegen die Administración General del Estado (spanisches Ministerium für Wirtschaft und Finanzen), bei dem es um einen Abgabenbescheid über die Ergänzungsabgabe zur Steuer auf Gewinnspiele, Wetten und Glücksspiele im Sinne von Artikel 38 Absatz 2 Satz 2 des Gesetzes 5/1990 vom 29. Juni 1990 (BÖ vom 30. Juni 1990) geht, sowie im Rahmen zweier Nichtigkeitsklagen der Federación nacional de operadores de máquinas recreativas y de azar (im folgenden: Femara) und der Asociación española de empresarios de máquinas recreativas (im folgenden: Facomare) gegen die Ministerialverordnung Nr. 23472 vom 6. September 1990 (BÖ vom 22. September 1990; im folgenden: Verordnung vom 6. September 1990), die einen Teil der Rechtsgrundlage der genannten Abgabe darstellt.

3 Das Real Decreto-ley 16/1977 vom 25. Februar 1977 (BÖ vom 7. März 1977) regelt die straf-, verwaltungs- und steuerrechtlichen Gesichtspunkte der Gewinnspiele, Wetten oder Glücksspiele in Spanien. Es führte insbesondere eine Abgabe auf sie ein (im folgenden: Glücksspielsteuer), deren Regelung in Artikel 3 wie folgt lautet:

"Artikel 3. Unbeschadet nationaler und örtlicher Abgaben, zu denen sie nach dem geltenden Recht herangezogen werden, unterliegen Gesellschaften oder Unternehmen, die die in diesem Decreto-ley aufgeführten Tätigkeiten ausführen, sowie Kasinos und andere Lokale, Einrichtungen oder Örtlichkeiten, die eine Zulassung für Spiele besitzen, unter den folgenden Voraussetzungen der Abgabe auf die [Spiele]:

1. Abgabentatbestand: Der Abgabentatbestand besteht in der Genehmigung oder Veranstaltung von Glücksspielen.

2. Abgabenpflichtige: Der Abgabe unterliegen die Veranstalter und die Unternehmen, deren Tätigkeit die Veranstaltung von Glücksspielen umfasst.

Die Eigentümer und die Betreiber von Lokalen, in denen diese Spiele veranstaltet werden, haften gesamtschuldnerisch für die Entrichtung der Abgabe.

3. Bemessungsgrundlage: Die Bemessungsgrundlage besteht in den Nettöinnahmen, die die Kasinos aus dem Spiel erzielen, oder den Beträgen, die die Spieler für ihre Teilnahme an den Spielen begleichen, die in den verschiedenen Lokalen, Einrichtungen oder Örtlichkeiten stattfinden, in denen Gewinnspiele, Wetten oder Glücksspiele veranstaltet werden.

Die Bemessungsgrundlage bestimmt sich unmittelbar oder pauschal. Im ersten Fall ist der Abgabenpflichtige verpflichtet, die Abgabe in der Form und in den Fällen zu entrichten, die durch Verordnung bestimmt werden.

4. Abgabensatz: Der Abgabensatz beträgt:

a) für Kasinos...

b) für die anderen Lokale, Einrichtungen oder Örtlichkeiten: 20 % der Bemessungsgrundlage.

...

5. Entstehungstatbestand

1. Die Verpflichtung zur Entrichtung der Abgabe entsteht allgemein im Zeitpunkt der Genehmigung, anderenfalls im Zeitpunkt der Veranstaltung des Spieles.

2. Bei Glücksspielautomaten wird die Abgabe je Kalenderjahr geschuldet; sie ist fällig am 1. Januar jeden Jahres für die in den vorhergehenden Jahren zugelassenen Automaten..."

4 Artikel 3 Absatz 4 des Decreto-ley 16/1977 wurde mehrmals geändert. So wurde bei Spielautomaten mit Gewinnmöglichkeit vom sogenannten Typ "B" der Abgabensatz in einen festen Tarif umgewandelt. Dieser Satz wurde durch Artikel 38 Absatz 2 Satz 1 des Gesetzes 5/1990 wie folgt aktualisiert:

"Feste Sätze:...

A. Spielautomaten mit Gewinnmöglichkeit bzw. des Typs "B":

a) jährlicher Satz: 375 000 PTA

b) [Anpassung der Sätze, je nachdem, ob es sich um Automaten für zwei oder drei Spieler oder mehr handelt]..."

5 Artikel 38 Absatz 2 Satz 2 des Gesetzes 5/1990 führte im übrigen nur für das Jahr 1990 eine Ergänzungsabgabe ein, die insbesondere für Automaten des Typs "B" galt (im folgenden: Ergänzungsabgabe).

6 Der Betrag der Ergänzungsabgabe entspricht nach derselben Bestimmung dem Unterschied zwischen den in Satz 1 desselben Absatzes festgesetzten Tarifen und denjenigen nach dem Decreto-ley 7/1989 vom 29. Dezember 1989 (BÖ vom 30. Dezember 1989, S. 8325). In welcher Höhe die Ergänzungsabgaben zu erheben waren, wurde im übrigen durch Ministerialverordnung vom 6. September 1990 näher geregelt.

7 Die Klägerinnen machen in ihren Klagen vor der Audiencia Nacional geltend, daß die Zusatzabgabe gemäß der Ministerialverordnung vom 6. September 1990 gegen Artikel 33 der Sechsten Richtlinie verstosse, da sie die gleichen Eigenschaften und wesentlichen Merkmale wie die Umsatzsteuer habe.

8 Artikel 13 Teil B Buchstabe f der Sechsten Richtlinie lautet:

"Unbeschadet sonstiger Gemeinschaftsvorschriften befreien die Mitgliedstaaten unter den Bedingungen, die sie zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehungen, Steuerumgehungen und etwaigen Mißbräuchen festsetzen, von der Steuer:

...

f) Wetten, Lotterien und sonstige Glücksspiele mit Geldeinsatz unter den Bedingungen und Beschränkungen, die von jedem Mitgliedstaat festgelegt werden;

..."

9 Artikel 33 der Sechsten Richtlinie lautete in seiner zur entscheidungserheblichen Zeit geltenden Fassung hingegen wie folgt:

"Unbeschadet anderer Gemeinschaftsbestimmungen hindern die Bestimmungen dieser Richtlinie einen Mitgliedstaat nicht daran, Abgaben auf Versicherungsverträge, auf Spiele und Wetten, Verbrauchsteuern, Grunderwerbssteuern, sowie ganz allgemein alle Steuern, Abgaben und Gebühren, die nicht den Charakter von Umsatzsteuern haben, beizubehalten oder einzuführen."

10 Um die Vereinbarkeit der streitigen Abgabe, genauer des Gesetzes 5/1990 und der Verordnung vom 6. September 1990, die ihr als Rechtsgrundlage dienen, mit dem Gemeinschaftsrecht prüfen zu können, hat es die Audiencia Nacional für angebracht gehalten, dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1. Ist eine Abwälzung der Steuer auf den Verbraucher im Sinne der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG vom 17. Mai 1977 und des übrigen Gemeinschaftsrechts, wie sie Voraussetzung für das Vorliegen einer Umsatzsteuer ist, stets und in jedem Fall nur dann gegeben, wenn das betreffende Abgabengesetz ausdrücklich bestimmt, daß die in Rede stehende Abgabe auf den Verbraucher abgewälzt werden kann, oder genügt es, daß die Abgabe bei vernünftiger Auslegung des betreffenden Gesetzes als tatsächlich im Preis, den der Verbraucher zahlt, inbegriffen gelten kann?

2. Kann eine Abgabe, die zu einem festen Satz erhoben wird, der einen erheblichen Teil der gesamten Einnahmen oder Umsätze ausmacht und der diese Einnahmen berücksichtigt, wenn sie letztlich vom Verbraucher getragen wird, als Umsatzsteuer betrachtet werden, selbst wenn sie nicht ausdrücklich auf den Verbraucher abgewälzt (diesem in Rechnung gestellt) wird, weil es sich um mittels Münzen getätigte automatische Umsätze handelt, wobei ein Preis für die Benutzung feststeht? Verstösst eine so ausgestaltete Abgabe gegen Artikel 33 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG über die Umsatzsteuern, so daß sie daher mit dieser Richtlinie unvereinbar ist?

Zur ersten Frage

11 Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob nach Artikel 33 der Sechsten Richtlinie eine Abgabe nur dann den Charakter einer Umsatzsteuer hat, wenn die nationale Regelung, die auf sie anwendbar ist, ausdrücklich vorsieht, daß sie auf die Verbraucher abgewälzt werden kann.

12 Vor der Beantwortung dieser Frage ist zunächst zu prüfen, ob es für den Begriff der Mehrwertsteuer im Sinne von Artikel 33 der Sechsten Richtlinie wesentlich ist, daß die Abgabe auf den Preis der Gegenstände oder Dienstleistungen abgewälzt werden kann, so daß sie letztlich vom Verbraucher getragen wird.

13 Nach ständiger Rechtsprechung (vgl. insbesondere Urteile vom 27. November 1985 in der Rechtssache 295/84, Rousseau Wilmot, Slg. 1985, 3759, Randnr. 16, und vom 7. Mai 1992 in der Rechtssache C-347/90, Bozzi, Slg. 1992, I-2947, Randnr. 9) belässt Artikel 33 der Sechsten Richtlinie den Mitgliedstaaten die Befugnis zur Beibehaltung oder Einführung bestimmter indirekter Abgaben, wie z. B. von Verbrauchsteuern, sofern es sich dabei nicht um Abgaben handelt, "die... den Charakter von Umsatzsteuern haben"; er soll verhindern, daß das Funktionieren des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems durch steuerliche Maßnahmen eines Mitgliedstaats beeinträchtigt wird, die den Waren- und Dienstleistungsverkehr in einer mit der Mehrwertsteuer vergleichbaren Weise belasten.

14 Als solche Maßnahmen sind zumindest Steuern, Abgaben und Gebühren anzusehen, die die wesentlichen Merkmale der Mehrwertsteuer aufweisen, selbst wenn sie ihr nicht in allen Einzelheiten gleichen. Wie der Gerichtshof mehrfach entschieden hat, sind diese Merkmale folgende: Die Mehrwertsteuer gilt ganz allgemein für alle sich auf Gegenstände und Dienstleistungen beziehenden Geschäfte; sie ist proportional zum Preis dieser Gegenstände und Dienstleistungen; sie wird auf jeder Stufe der Erzeugung und des Vertriebs erhoben; und sie bezieht sich schließlich auf den Mehrwert der Gegenstände und Dienstleistungen, d. h., die bei einem Geschäft fällige Steuer wird unter Abzug der Steuer berechnet, die bei dem vorhergehenden Geschäft schon entrichtet worden ist (insbesondere Urteile vom 3. März 1988 in der Rechtssache 252/86, Bergandi, Slg. 1988, 1343, Randnr. 15, vom 13. Juli 1989 in den Rechtssachen 93/88 und 94/88, Wisselink u. a., Slg. 1989, 2671, Randnr. 18, vom 19. März 1991 in der Rechtssache C-109/90, Giant, Slg. 1991, I-1385, Randnrn. 11 und 12, vom 31. März 1992 in der Rechtssache C-200/90, Dansk Denkavit und Poulsen Trading, Slg. 1992, I-2217, Randnr. 11, und Bozzi a. a. O., Randnr. 12). Der Gerichtshof hat weiter in Randnummer 8 des Urteils Bergandi festgestellt, daß die Mehrwertsteuer aufgrund ihrer wesentlichen Merkmale letztlich vom Verbraucher getragen wird.

15 Nach allem kann eine Abgabe nur dann den Charakter einer Umsatzsteuer im Sinne von Artikel 33 der Richtlinie haben, wenn sie auf den Verbraucher abgewälzt werden kann.

16 Nunmehr ist zu prüfen, ob es nach Artikel 33 der Sechsten Richtlinie Voraussetzung für die Einstufung einer Abgabe als Umsatzsteuer ist, daß die einschlägige nationale Regelung ausdrücklich vorsieht, daß sie auf die Verbraucher abgewälzt werden kann.

17 Unter Berücksichtigung der Zielsetzung des Artikels 33 der Sechsten Richtlinie, wie sie in Randnummer 13 des vorliegenden Urteils dargestellt worden ist, sind die Einstufung einer Abgabe und damit die Beurteilung ihrer Vereinbarkeit mit dem Gemeinschaftsrecht nicht nur anhand des Wortlauts der anwendbaren nationalen Rechtsvorschriften, sondern auch anhand ihrer wesentlichen Merkmale vorzunehmen.

18 Auf die erste Frage ist daher zu antworten, daß nach Artikel 33 der Sechsten Richtlinie eine Abgabe nicht nur dann den Charakter einer Umsatzsteuer haben kann, wenn die auf sie anwendbare nationale Regelung ausdrücklich vorsieht, daß sie auf die Verbraucher abgewälzt werden kann.

Zur zweiten Frage

19 Mit der zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob nach Artikel 33 der Sechsten Richtlinie eine Abgabe nur dann den Charakter einer Umsatzsteuer hat, wenn ihre Abwälzung auf die Verbraucher in einer Rechnung oder einem an deren Stelle tretenden Dokument festgehalten ist.

20 Aus den Akten geht hervor, daß die Ausstellung einer Rechnung oder eines an deren Stelle tretenden anderen Dokuments an den Benutzer von Spielautomaten wegen des automatischen Charakters der besteuerten Tätigkeit und deren kurzfristiger Wiederholbarkeit tatsächlich unmöglich ist.

21 Nach Artikel 22 Absatz 3 Buchstabe a der Sechsten Richtlinie ist die Ausstellung einer Rechnung für die Lieferung von Gegenständen und die Erbringung von Dienstleistungen durch einen Steuerpflichtigen an einen anderen Steuerpflichtigen (Unterabsatz 1) und für Vorauszahlungen eines Steuerpflichtigen an einen anderen Steuerpflichtigen, bevor die Lieferung oder Dienstleistung bewirkt ist (Unterabsatz 2), verbindlich vorgeschrieben, unbeschadet der Befugnis der Mitgliedstaaten nach Artikel 22 Absatz 8 der Sechsten Richtlinie, weitere Pflichten vorzusehen, um die genaue Erhebung der Steuer sicherzustellen und Steuerhinterziehungen zu vermeiden.

22 Im übrigen kann ein Steuerpflichtiger nach Artikel 18 Absatz 1 Buchstabe a der Sechsten Richtlinie von seinem Recht auf Vorsteuerabzug gemäß Artikel 17 Absatz 2 Buchstabe a nur Gebrauch machen, wenn er eine nach Artikel 22 Absatz 8 ausgestellte Rechnung besitzt.

23 Aus diesen Bestimmungen ergibt sich, daß die Richtlinie den Besitz oder die Ausstellung einer Rechnung, wie der Generalanwalt in Nummer 40 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, namentlich in den Beziehungen zwischen den Steuerpflichtigen und dem Endverbraucher nicht unter allen Umständen vorschreibt. Der Besitz oder die Ausstellung einer Rechnung kann daher kein wesentliches Merkmal der Umsatzsteuer im Sinne des Artikels 33 der Richtlinie darstellen.

24 Artikel 33 der Sechsten Richtlinie soll verhindern, daß Steuern, Abgaben und Gebühren eingeführt werden, die die Funktion des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems beeinträchtigen.

25 In dem Ausgangsverfahren ist es daher Sache des nationalen Gerichts, zu prüfen, ob die streitige Abgabe den Waren- und Dienstleistungsverkehr in einer mit der Mehrwertsteuer vergleichbaren Weise belastet, und dabei zu untersuchen, ob sie deren wesentliche Merkmale aufweist. Dies ist dann der Fall, wenn sie allgemeinen Charakter hat, proportional zum Preis der Dienstleistungen ist, auf jeder Stufe der Erzeugung und des Vertriebs erhoben wird, sich auf den Mehrwert der Dienstleistungen bezieht und unter diesen Umständen auf den Verbraucher abgewälzt werden kann.

26 Somit ist auf die zweite Frage zu antworten, daß nach Artikel 33 der Sechsten Richtlinie eine Abgabe nicht nur dann den Charakter einer Umsatzsteuer haben kann, wenn ihre Abwälzung auf die Verbraucher in einer Rechnung oder einem an deren Stelle tretenden Dokument festgehalten ist. Bei der Anwendung dieser Bestimmung ist es Sache des nationalen Gerichts, zu prüfen, ob die streitige Abgabe geeignet ist, den Waren- und Dienstleistungsverkehr in einer mit der Mehrwertsteuer vergleichbaren Weise zu belasten, und dabei zu untersuchen, ob sie deren wesentliche Merkmale aufweist. Dies ist dann der Fall, wenn sie allgemeinen Charakter hat, proportional zum Preis der Dienstleistungen ist, auf jeder Stufe der Erzeugung und des Vertriebs erhoben wird und sich auf den Mehrwert der Dienstleistungen bezieht.

Kostenentscheidung:

Kosten

27 Die Auslagen der spanischen Regierung und der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, die vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien der Ausgangsverfahren ist das Verfahren ein Zwischenstreit in den bei dem nationalen Gericht anhängigen Rechtsstreitigkeiten; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

(Fünfte Kammer)

auf die ihm von der Audiencia Nacional mit Beschlüssen vom 4. Juli, 13. September und 15. November 1995 vorgelegten Fragen für Recht erkannt:

1. Nach Artikel 33 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1) kann eine Abgabe nicht nur dann den Charakter einer Umsatzsteuer haben, wenn die auf sie anwendbare nationale Regelung ausdrücklich vorsieht, daß sie auf die Verbraucher abgewälzt werden kann.

2. Nach Artikel 33 der Sechsten Richtlinie kann eine Abgabe nicht nur dann den Charakter einer Umsatzsteuer haben, wenn ihre Abwälzung auf die Verbraucher in einer Rechnung oder einem an deren Stelle tretenden Dokument festgehalten ist. Bei der Anwendung dieser Bestimmung ist es Sache des nationalen Gerichts, zu prüfen, ob die streitige Abgabe geeignet ist, den Waren- und Dienstleistungsverkehr in einer mit der Mehrwertsteuer vergleichbaren Weise zu belasten, und dabei zu untersuchen, ob sie deren wesentliche Merkmale aufweist. Dies ist dann der Fall, wenn sie allgemeinen Charakter hat, proportional zum Preis der Dienstleistungen ist, auf jeder Stufe der Erzeugung und des Vertriebs erhoben wird und sich auf den Mehrwert der Dienstleistungen bezieht.

Ende der Entscheidung

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