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Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 08.06.1993
Aktenzeichen: C-373/92
Rechtsgebiete: EWG-Vertrag


Vorschriften:

EWG-Vertrag Art. 30
EWG-Vertrag Art. 36
EWG-Vertrag Art. 169
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Ein Mitgliedstaat verstösst gegen seine Verpflichtungen aus den Artikeln 30 und 36 des Vertrages, wenn er für steriles medizinisches Zubehör mit Ursprung in anderen Mitgliedstaaten Laborversuche und -analysen vorschreibt, die bereits in diesen Mitgliedstaaten durchgeführt worden sind und deren Ergebnisse seinen Behörden mitgeteilt werden können. Zwar können nämlich die Mitgliedstaaten mangels einer vollständigen Gemeinschaftsregelung in diesem Bereich Maßnahmen einführen, die sicherstellen sollen, daß die eingeführten Erzeugnisse nicht dazu angetan sind, die öffentliche Gesundheit zu gefährden, jedoch gilt dies nur, sofern die eingeführten Maßnahmen geeignet sind, das Ziel des Gesundheitsschutzes zu erreichen, und dieses Ziel nicht durch Maßnahmen erreicht werden kann, die den innergemeinschaftlichen Handel weniger beeinträchtigen.


URTEIL DES GERICHTSHOFES VOM 8. JUNI 1993. - KOMMISSION DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN GEGEN KOENIGREICH BELGIEN. - VERTRAGSVERLETZUNG EINES MITGLIEDSTAATS - ARZNEIMITTEL - VERPFLICHTUNG, EINE BEREITS IM URSPRUNGSMITGLIEDSTAAT VORGENOMMENE UNTERSUCHUNG IM EINFUHRMITGLIEDSTAAT ERNEUT DURCHZUFUEHREN. - RECHTSSACHE C-373/92.

Entscheidungsgründe:

1 Die Kommission hat mit Klageschrift, die am 25. September 1992 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 169 EWG-Vertrag Klage auf Feststellung erhoben, daß das Königreich Belgien dadurch gegen seine Verpflichtungen aus den Artikeln 30 und 36 EWG-Vertrag verstossen hat, daß es für steriles medizinisches Zubehör mit Ursprung in anderen Mitgliedstaaten Laborversuche oder -analysen vorschreibt, die bereits in diesen Mitgliedstaaten durchgeführt worden sind und deren Ergebnisse den belgischen Behörden mitgeteilt werden können.

2 In Belgien unterliegt das Inverkehrbringen von Arzneimitteln insbesondere der Königlichen Verordnung vom 6. Juni 1960 über die Herstellung, die Zubereitung und den Großvertrieb von Arzneimitteln sowie über ihre Abgabe (Moniteur belge vom 22. Juni 1960, S. 4684).

3 Nach Artikel 15 Absatz 2 dieser Königlichen Verordnung können aus anderen Mitgliedstaaten stammende Arzneimittel in Belgien erst in den Verkehr gebracht werden, nachdem sie einer Prüfung unterzogen worden sind, die ergeben hat, daß sie den Gesetzen und Verordnungen dieses Landes vollständig entsprechen.

4 Diese Verpflichtung betrifft insbesondere auch steriles medizinisches Zubehör, das in Artikel 1 Absatz 1 Teil B Buchstaben d bis g der Königlichen Verordnung wie folgt definiert wird:

"d) chirurgisches Nahtmaterial, d. h. steriler Faden jeder Art, der in der Chirurgie verwendet wird;

e) steriles Verbandsmaterial, d. h. jedes saugfähige oder gekämmte Material, welcher Art auch immer, das als steril angeboten wird;

f) steriles Injektions-, Perfusions-, Transfusions- oder Drainagematerial sowie Sonden und Katheter, d. h. alle Behältnisse, Einfuellgeräte, Infusionsnadeln und alle als steril angebotenen Gegenstände, die zur Injektion, zur Perfusion, zur Transfusion oder zur Drainage bestimmt sind, sowie jedes für medizinische und geburtshilfliche Eingriffe bestimmte und als steril angebotene Material;

g) internes Ersatz- oder Prothesenmaterial, d. h. jedes Erzeugnis oder Gerät, welcher Art auch immer, mit Ausnahme menschlicher Substanzen, das dazu bestimmt ist, durch ein chirurgisches Verfahren länger oder endgültig in den menschlichen Organismus eingebracht zu werden".

5 Gegen Personen, die dieser Verpflichtung nicht nachkommen, können Gerichtsverfahren und Verwaltungsmaßnahmen eingeleitet werden. So müssen nach Artikel 53 der Königlichen Verordnung Chargen eines Medikaments, das nicht der vorgeschriebenen Prüfung unterzogen wurde, bei jeder späteren Einfuhr systematisch durch ein zugelassenes Labor kontrolliert werden.

6 Nach Ansicht der Kommission stellt das Erfordernis einer Prüfung des sterilen medizinischen Zubehörs bei dessen Einfuhr im belgischen Hoheitsgebiet eine Behinderung des freien Warenverkehrs dar, die nicht durch den Schutz der öffentlichen Gesundheit gerechtfertigt sei, wenn eine ähnliche Prüfung bereits im Ursprungsmitgliedstaat durchgeführt worden sei und die Ergebnisse dieser Prüfung den belgischen Behörden mitgeteilt werden könnten.

7 Die belgische Regierung stellt die ihr vorgeworfene Vertragsverletzung nicht in Abrede und teilt mit, es sei der Entwurf einer Königlichen Verordnung in Vorbereitung, mit der die vorstehend beschriebene Regelung mit dem EWG-Vertrag in Einklang gebracht werden solle.

8 Um über die vorliegende Klage zu befinden, ist daran zu erinnern, daß die Mitgliedstaaten mangels einer vollständigen Gemeinschaftsregelung in diesem Bereich Maßnahmen einführen können, die sicherstellen sollen, daß die eingeführten Erzeugnisse nicht dazu angetan sind, die öffentliche Gesundheit zu gefährden, sofern die eingeführten Maßnahmen geeignet sind, das Ziel des Gesundheitsschutzes zu erreichen, und dieses Ziel nicht durch Maßnahmen erreicht werden kann, die den innergemeinschaftlichen Handel weniger beschränken (vgl. Urteil vom 8. April 1992 in der Rechtssache C-62/90, Kommission/Deutschland, Slg. 1992, I-2575).

9 In dieser Hinsicht ist festzustellen, daß, wie die belgische Regierung eingeräumt hat, das Erfordernis einer Prüfung überfluessig ist, wenn die eingeführten Erzeugnisse im Ursprungsmitgliedstaat einer gleichartigen Prüfung unterzogen worden sind, wie sie im Inland durchgeführt wird, und die Ergebnisse dieser Prüfung den nationalen Behörden mitgeteilt werden können.

10 Unter diesen Umständen ist festzustellen, daß das Königreich Belgien dadurch gegen seine Verpflichtungen aus den Artikeln 30 und 36 EWG-Vertrag verstossen hat, daß es für steriles medizinisches Zubehör mit Ursprung in anderen Mitgliedstaaten Laborversuche oder -analysen vorschreibt, die bereits in diesen Mitgliedstaaten durchgeführt worden sind und deren Ergebnisse den belgischen Behörden mitgeteilt werden können.

Kostenentscheidung:

Kosten

11 Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da das Königreich Belgien mit seinem Vorbringen unterlegen ist, sind ihm die Kosten aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

für Recht erkannt und entschieden:

1) Das Königreich Belgien hat dadurch gegen seine Verpflichtungen aus den Artikeln 30 und 36 EWG-Vertrag verstossen, daß es für steriles medizinisches Zubehör mit Ursprung in anderen Mitgliedstaaten Laborversuche oder -analysen vorschreibt, die bereits in diesen Mitgliedstaaten durchgeführt worden sind und deren Ergebnisse den belgischen Behörden mitgeteilt werden können.

2) Das Königreich Belgien trägt die Kosten des Verfahrens.

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