Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 04.10.2007
Aktenzeichen: C-375/05
Rechtsgebiete: Verordnung (EWG) Nr. 805/68, Verordnung (EWG) Nr. 3886/92


Vorschriften:

Verordnung (EWG) Nr. 805/68 Art. 4a dritter Gedankenstrich Ziff. ii
Verordnung (EWG) Nr. 3886/92 Art. 33 Abs. 2
Verordnung (EWG) Nr. 3886/92 Art. 33 Abs. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Erste Kammer)

4. Oktober 2007

"Rindfleisch - Prämie für die Erhaltung des Mutterkuhbestands"

Parteien:

In der Rechtssache C-375/05

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Bundesverwaltungsgericht (Deutschland) mit Entscheidung vom 23. August 2005, beim Gerichtshof eingegangen am 12. Oktober 2005, in dem Verfahren

Erhard Geuting

gegen

Direktor der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen für den Bereich Landwirtschaft

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten P. Jann sowie der Richter R. Schintgen, A. Borg Barthet (Berichterstatter), M. Ilešic und E. Levits,

Generalanwalt: P. Mengozzi,

Kanzler: R. Grass,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

- von Herrn Geuting, vertreten durch Rechtsanwalt F. Schulze,

- des Direktors der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen für den Bereich Landwirtschaft, jetzt Direktor der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen, vertreten durch M. Günther als Bevollmächtigten,

- der belgischen Regierung, vertreten durch L. Van den Broeck als Bevollmächtigten,

- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch C. Cattabriga und F. Erlbacher als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 4a dritter Gedankenstrich Ziff. ii der Verordnung (EWG) Nr. 805/68 des Rates vom 27. Juni 1968 über die gemeinsame Marktorganisation für Rindfleisch (ABl. L 148, S. 24) in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 2222/96 des Rates vom 18. November 1996 (ABl. L 296, S. 50) (im Folgenden: Verordnung Nr. 805/68) bezüglich der Ersetzung von Mutterkühen sowie die Auslegung von Art. 33 Abs. 2 und 4 der Verordnung (EWG) Nr. 3886/92 der Kommission vom 23. Dezember 1992 mit Durchführungsvorschriften für die Prämienregelung gemäß der Verordnung Nr. 805/68 und zur Aufhebung der Verordnungen (EWG) Nr. 1244/82 und (EWG) Nr. 714/89 (ABl. L 391, S. 20) in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 2311/96 der Kommission vom 2. Dezember 1996 (ABl. L 313, S. 9) (im Folgenden: Verordnung Nr. 3886/92) bezüglich der Übertragung der Prämienansprüche auf die nationale Reserve.

2 Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn Geuting und dem Direktor der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen für den Bereich Landwirtschaft, jetzt Direktor der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen, wegen des Antrags von Herrn Geuting auf Mutterkuhprämie für das Wirtschaftsjahr 1998.

Rechtlicher Rahmen

3 Art. 4a dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 805/68 definiert den Begriff der "Mutterkuh" wie folgt:

"i) eine Kuh, die einer Fleischrasse angehört oder aus der Kreuzung mit einer dieser Rassen hervorgegangen ist und zu einem Bestand gehört, der zur Aufzucht von Kälbern für die Fleischerzeugung dient,

und

ii) eine trächtige Färse, die dieselben Voraussetzungen erfüllt und eine Mutterkuh ersetzt".

4 Art. 4d Abs. 5 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 805/68 bestimmt:

"Die Prämie wird Erzeugern gewährt, die während zwölf Monaten vom Tag des Prämienantrags an weder Milch noch Milcherzeugnisse aus ihrem Betrieb abliefern und die während mindestens sechs aufeinanderfolgenden Monaten vom Tag des Prämieantrags an mindestens die in dem Anhang angemeldete Zahl von Mutterkühen halten."

5 Art. 4f Abs. 1, 2 und 4 der Verordnung Nr. 805/68 bestimmt:

"(1) Jeder Mitgliedstaat bildet eine einzelstaatliche Ausgangsreserve in Höhe von mindestens 1 v. H. und höchstens 3 v. H. der Gesamtzahl der Tiere, für die Erzeugern, deren Betriebe in seinem Hoheitsgebiet liegen, eine Mutterkuhprämie für das Bezugsjahr gewährt wurde. ...

(2) Die Mitgliedstaaten verwenden ihre einzelstaatlichen Reserven, um - in den Grenzen dieser Reserven - insbesondere den nachstehend bezeichneten Erzeugern Prämienansprüche einzuräumen:

a) Erzeugern, die vor dem 1. Januar 1993 einen Prämienantrag gestellt und der zuständigen Behörde hinreichend nachgewiesen haben, dass durch die Anwendung der individuellen Höchstgrenzen gemäß Artikel 4d Absatz 2 die Lebensfähigkeit ihres Betriebes gefährdet würde, und zwar aufgrund der Ausführung eines vor dem 1. Januar 1993 aufgestellten Investitionsprogramms im Rindfleischsektor;

b) Erzeugern, die einen Prämienantrag auf der Grundlage des Bezugsjahres gestellt haben, der infolge außergewöhnlicher Umstände nicht der tatsächlichen, nach Maßgabe der vorangegangenen Jahre ermittelten Lage entspricht;

c) Erzeugern, die - abgesehen von dem Bezugsjahr - regelmäßig einen Prämienantrag gestellt haben;

d) Erzeugern, die erstmals im Laufe des Jahres, das auf das Referenzjahr folgt, oder im Laufe der folgenden Jahre einen Prämienantrag stellen;

e) Erzeugern, die einen Teil der Flächen erworben haben, die zuvor von anderen Erzeugern zur Rinderzucht genutzt wurden.

...

(4) Die Kommission erlässt die Durchführungsbestimmungen zu diesem Artikel nach dem Verfahren des Artikels 27.

Nach dem gleichen Verfahren wird Folgendes erlassen:

- die Maßnahmen, die anzuwenden sind, falls die einzelstaatliche Reserve in einem Mitgliedstaat nicht in Anspruch genommen wird;

- die Maßnahmen betreffend die 1997 und 1998 nicht genutzten und der einzelstaatlichen Reserve zugeführten individuellen Ansprüche;

- die Übergangsmaßnahmen, die erforderlich sind, um den Übergang von der bisherigen Regelung zu der mit dieser Verordnung vorgesehenen Regelung zu erleichtern, insbesondere im Falle von Erzeugern, die die Mutterkuhprämie erstmals für das Jahr 1991 oder 1992 erhalten haben, falls dieses Jahr auf das von dem betreffenden Mitgliedstaat gewählte Bezugsjahr unmittelbar folgt."

6 Art. 33 der Verordnung Nr. 3886/92 enthält Durchführungsbestimmungen bezüglich der in Art. 4f der Verordnung Nr. 805/68 vorgesehenen nationalen Reserve. Dieser Art. 33 lautet wie folgt:

"(1) Ein Erzeuger, der Ansprüche besitzt, kann diese entweder selber nutzen und/oder zeitlich begrenzt einem anderen Erzeuger abtreten.

(2) Hat ein Erzeuger in jedem Jahr nicht mindestens 70 % seiner Ansprüche genutzt, so wird der nicht genutzte Anteil der nationalen Reserve zugeführt, außer

- wenn der Erzeuger höchstens sieben Prämienansprüche besitzt. Hat dieser Erzeuger in jedem von zwei aufeinanderfolgenden Kalenderjahren nicht mindestens 70 % seiner Ansprüche genutzt, so wird der im letzten Kalenderjahr nicht genutzte Anteil der nationalen Reserve zugeführt;

- wenn sich der Erzeuger an einem von der Kommission anerkannten Extensivierungsprogramm beteiligt;

- wenn sich der Erzeuger an einer von der Kommission anerkannten Vorruhestandsregelung beteiligt, die keine Übertragung und/oder zeitliche begrenzte Abtretung von Ansprüchen vorschreibt,

oder

- wenn ein ordnungsgemäß begründeter Ausnahmefall vorliegt.

...

(4) Für die Jahre 1997 und 1998 wird die in Absatz 2 und im ersten Unterabsatz des Absatzes 3 genannte Zahl von 70 % auf 90 % angehoben. In diesem Fall können die der nationalen Reserve zugeführten Ansprüche in den Jahren 1998 und 1999 nicht wieder verteilt werden."

7 Art. 10 der Verordnung (EWG) Nr. 3887/92 der Kommission vom 23. Dezember 1992 mit Durchführungsbestimmungen zum integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystem für bestimmte gemeinschaftliche Beihilferegelungen (ABl. L 391, S. 36) setzt die Berechnungsgrundlage für die Prämien fest, für die eine individuelle Höchstgrenze gilt, und sieht die Kürzung dieser Prämien in bestimmten Fällen vor. Dieser Artikel bestimmt:

"...

(2) Wird festgestellt, dass die Zahl der in einem Beihilfeantrag angegebenen Tiere über der Zahl der bei der Kontrolle festgestellten Tiere liegt, so wird der Beihilfebetrag auf der Grundlage der Zahl der festgestellten Tiere berechnet. ...

...

(4) Die im Betrieb vorhandenen Rinder werden nur berücksichtigt, wenn es sich um die im Beihilfeantrag identifizierten Tiere handelt, oder im Falle der Anwendung von Absatz 3, falls sie mit Hilfe des Registers identifiziert werden können.

Jedoch kann eine für die Prämie angegebene Mutterkuh oder ein für die Ausgleichsentschädigung im Sinne der Verordnung (EWG) Nr. 2328/91 angegebenes Rind durch eine andere Mutterkuh bzw. ein anderes Rind ersetzt werden, sofern dies innerhalb einer Frist von 20 Tagen geschieht, nachdem das Tier den Betrieb verlassen hat und diese Ersetzung spätestens am dritten Tag nach der Ersetzung im besonderen Register eingetragen wird."

8 Art. 1 der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 2988/95 des Rates vom 18. Dezember 1995 über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften (ABl. L 312, S. 1) lautet:

"(1) Zum Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften wird eine Rahmenregelung für einheitliche Kontrollen sowie für verwaltungsrechtliche Maßnahmen und Sanktionen bei Unregelmäßigkeiten in Bezug auf das Gemeinschaftsrecht getroffen.

(2) Der Tatbestand der Unregelmäßigkeit ist bei jedem Verstoß gegen eine Gemeinschaftsbestimmung als Folge einer Handlung oder Unterlassung eines Wirtschaftsteilnehmers gegeben, die einen Schaden für den Gesamthaushaltsplan der Gemeinschaften oder die Haushalte, die von den Gemeinschaften verwaltet werden, bewirkt hat bzw. haben würde, sei es durch die Verminderung oder den Ausfall von Eigenmitteleinnahmen, die direkt für Rechnung der Gemeinschaften erhoben werden, sei es durch eine ungerechtfertigte Ausgabe."

9 Art. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 1244/82 der Kommission vom 19. Mai 1982 zur Durchführung der Prämienregelung für die Erhaltung des Mutterkuhbestands (ABl. L 143, S. 20) in der Fassung der Verordnung (EWG) Nr. 2079/90 der Kommission vom 20. Juli 1990 (ABl. L 190, S. 15) (im Folgenden: Verordnung Nr. 1244/82) lautet wie folgt:

"Die Anträge auf Gewährung der Prämie für die Erhaltung des Mutterkuhbestands sind alljährlich zwischen dem 15. Juni und dem 31. Januar bei der von jedem Mitgliedstaat bezeichneten zuständigen Behörde für die am Tag des Antragseingangs vorhandenen Mutterkühe zu stellen. Die Mitgliedstaaten können jedoch innerhalb dieses Zeitraums einen oder mehrere Zeiträume für die Antragstellung bestimmen.

Die Zahl der für die Prämiengewährung zu berücksichtigenden Kühe ist gleich oder niedriger als die Zahl der Mutterkühe, ausgenommen trächtige Färsen, die am Tag der Antragstellung auf dem Betrieb gehalten werden.

Während der Antragsfrist zwischen dem 15. Juni und dem 31. Januar kann ein Erzeuger nur einen Antrag einreichen."

Sachverhalt und Vorlagefragen

10 Am 20. April 1998 beantragte der Kläger des Ausgangsverfahrens für das Wirtschaftsjahr 1998 die Mutterkuhprämie für insgesamt 64 Mutterkühe unter Hinweis auf seine individuelle Höchstgrenze von 65,3 Prämienansprüchen. 47 Tiere waren unbestreitbar Mutterkühe. 17 waren trächtige Färsen, die der Kläger des Ausgangsverfahrens in seinem Antrag als Ersatztiere für Mutterkühe angab.

11 Von diesen 17 Färsen hatte der Kläger des Ausgangsverfahrens zehn bereits im vorangegangenen Haltungszeitraum als Ersatztiere für Mutterkühe bestimmt, die am 21. Oktober 1997 aus seinem Bestand ausgeschieden waren. Die sieben anderen sollten Mutterkühe ersetzen, die zwischen dem 21. Januar und dem 17. April 1998 aus dem Bestand ausgeschieden waren. 13 der trächtigen Färsen kalbten vor dem 15. Mai 1998, dem Ende der Antragsfrist für die Prämie, ab.

12 Mit Bescheid vom 3. Mai 1999 setzte der Beklagte des Ausgangsverfahrens die individuelle Höchstgrenze der Prämienansprüche des Klägers des Ausgangsverfahrens mit Wirkung vom 10. Juni 1998 auf 47 Mutterkühe mit der Begründung herab, dass die trächtigen Färsen nicht als Mutterkühe anerkannt werden könnten. Der Kläger des Ausgangsverfahrens habe im Jahr 1998 nicht mindestens 90 % seiner Prämienansprüche genutzt, so dass der ungenutzte Teil zugunsten der nationalen Reserve freizusetzen sei.

13 Mit Bescheid vom 23. August 2001 lehnte der Beklagte des Ausgangsverfahrens den Prämienantrag des Klägers des Ausgangsverfahrens für das Wirtschaftsjahr 1998 insgesamt ab und forderte den schon gezahlten Vorschuss zuzüglich Zinsen mit der Begründung zurück, dass die Differenz zwischen der Zahl der angegebenen und der Zahl der festgestellten Tiere mehr als 20 % betrage.

14 Die vom Kläger des Ausgangsverfahrens gegen die beiden Bescheide eingelegten Widersprüche wies der Beklagte des Ausgangsverfahrens mit Bescheiden vom 5. November 1999 bzw. 11. Januar 2002 zurück. Das mit den Klagen gegen diese Bescheide befasste Bundesverwaltungsgericht hat das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Zur Auslegung von Art. 4a dritter Gedankenstrich Ziff. ii der Verordnung Nr. 805/68:

a) Ist eine trächtige Färse nur dann eine Mutterkuh im Sinne des Abschnitts 1 der Verordnung Nr. 805/68, wenn sie eine Mutterkuh ersetzt, für die ein Prämienantrag gestellt wurde?

b) Ist eine trächtige Färse auch dann eine Mutterkuh im Sinne des Abschnitts 1 der Verordnung, wenn sie im vorangegangenen Wirtschaftsjahr eine Mutterkuh, für die ein Prämienantrag gestellt worden ist, ersetzt hat und als prämienfähig anerkannt worden ist?

c) Wird eine trächtige Färse, für die ein Prämienantrag gestellt wurde, jedenfalls dann prämienfähig, wenn sie noch vor dem Ablauf der Antragsfrist abkalbt?

2. Zur Auslegung von Art. 33 Abs. 2 und 4 der Verordnung Nr. 3886/92:

a) Hat ein Erzeuger Prämienansprüche in einem Wirtschaftsjahr auch dann nicht genutzt, wenn er die Prämie zwar beantragt hat, der Antrag jedoch abgelehnt wurde, weil die betreffenden Tiere nicht prämienfähig waren?

Gilt dies auch dann, wenn kein Anhaltspunkt für eine missbräuchliche Antragstellung gegeben ist?

Wäre dies mit dem gemeinschaftsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar?

b) Ist Art. 33 Abs. 2 der Verordnung Nr. 3886/92 dahin auszulegen, dass in Fällen wie dem vorliegenden Prämienansprüche erhalten bleiben, weil ein (ordnungsgemäß begründeter) Ausnahmefall vorliegt?

c) Sind Prämienansprüche, die einem Erzeuger auf der Grundlage von Art. 33 Abs. 4 der Verordnung Nr. 3886/92 entzogen wurden, weil er im Wirtschaftsjahr 1998 seine Prämienansprüche zwar zu mehr als 70 %, aber zu weniger als 90 % genutzt hat, nach Ablauf der zweijährigen Sperrfrist bevorzugt an diesen Erzeuger zu vergeben?

Zu den Vorlagefragen

Zu Frage 1a

15 Mit dieser Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob eine trächtige Färse nur dann eine Mutterkuh im Sinne von Art. 4a dritter Gedankenstrich Ziff. ii der Verordnung Nr. 805/68 ist, wenn sie eine Mutterkuh ersetzt, für die ein Prämienantrag gestellt wurde.

16 Zunächst ist festzustellen, dass nach dieser Vorschrift nur eine trächtige Färse, die eine Mutterkuh ersetzt, als Mutterkuh im Sinne der genannten Vorschrift angesehen werden kann. Es wird darin jedoch nicht genauer ausgeführt, ob sich die Ersetzung auf eine Mutterkuh beziehen muss, die im Prämienantrag bereits aufgeführt ist, oder ob sie sich auf irgendeine Mutterkuh im Bestand des betreffenden Züchters beziehen kann.

17 Dagegen sieht Art. 10 Abs. 4 der Verordnung Nr. 3887/92 ausdrücklich vor, dass nur die im Beihilfeantrag identifizierten Rinder berücksichtigt werden können, wobei diese Tiere durch andere ersetzt werden können, sofern dies innerhalb einer Frist von 20 Tagen geschieht, nachdem die Tiere den Betrieb verlassen haben und diese Ersetzung innerhalb von drei Tagen im besonderen Register eingetragen wird. Es ist somit nicht möglich, dass eine trächtige Färse eine Mutterkuh ersetzt, die im Prämienantrag nicht identifiziert ist.

18 Hinsichtlich des Zeitpunkts der Ersetzung führt das vorlegende Gericht zu Recht aus, dass dem Wortlaut von Art. 4a dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 805/68 nicht zu entnehmen ist, ob die Ersetzung unbedingt nach Einreichung des Prämienantrags erfolgen muss oder ob sie auch vorher durchgeführt werden kann. Die weitere Entwicklung des einschlägigen Gemeinschaftsrechts gibt jedoch Aufschluss darüber. So erlaubt nunmehr Art. 6 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1254/1999 des Rates vom 17. Mai 1999 über die gemeinsame Marktorganisation für Rindfleisch (ABl. L 160, S. 21), die seit dem 1. Januar 2000 die Verordnung Nr. 805/68 ersetzt, die Prämie sowohl für Mutterkühe als auch für Färsen zu gewähren. Aus dem siebten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1254/1999 ergibt sich aber, dass der Gesetzgeber die Regelung für die Erzeuger flexibler gestalten wollte, indem er die Mutterkuhprämie auf Färsen ausweitete, die denselben Anforderungen wie Mutterkühe entsprechen. Da die neue Regelung ausdrücklich beabsichtigt, die alte Regelung zu ändern, indem sie Färsen prämienfähig macht, kann daraus geschlossen werden, dass die Färsen nach der für das Ausgangsverfahren geltenden früheren Regelung nicht prämienfähig waren.

19 Die Auslegung von Art. 4a dritter Gedankenstrich Ziff. ii der Verordnung Nr. 805/68, wonach für trächtige Färsen nicht ohne Weiteres eine Prämie beantragt werden kann, wird auch durch das frühere Recht bestätigt. Die Mutterkuhprämie wurde mit der Verordnung (EWG) Nr. 1357/80 des Rates vom 5. Juni 1980 zur Einführung einer Prämienregelung für die Erhaltung des Mutterkuhbestands (ABl. L 140, S. 1) eingeführt und durch die Verordnung Nr. 1244/82 ergänzt. Art. 1 Abs. 1 Unterabs. 2 dieser Verordnung bestimmt: "Die Zahl der für die Prämiengewährung zu berücksichtigenden Kühe ist gleich [der] Zahl der Mutterkühe, ausgenommen trächtige Färsen, die am Tag der Antragstellung auf dem Betrieb gehalten werden". Nach dieser Vorschrift kann für trächtige Färsen keine Mutterkuhprämie beantragt werden. Später wurde die Verordnung Nr. 1244/82 durch die Verordnung Nr. 3886/92 aufgehoben, die die Regelung der Verordnung Nr. 1244/82 über die Mutterkuhprämie im Wesentlichen übernahm. Aus dem siebten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 3886/92 ergibt sich nämlich der Wille des Gemeinschaftsgesetzgebers, weiterhin die Verwaltungsbestimmungen der alten Mutterkuhprämienregelung anzuwenden. Bestimmte Änderungen wie die Änderung der prämienfähigen Rassen wurden jedoch bewusst eingeführt. Da die Vorschrift, trächtige Färsen nicht als prämienfähig anzuerkennen, von diesen Änderungen nicht betroffen war, kann daraus geschlossen werden, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber damals nicht die Absicht hatte, diese Vorschrift zu ändern.

20 Somit ergibt sich aus der Entwicklung des einschlägigen Gemeinschaftsrechts, dass eine trächtige Färse nur dann als Mutterkuh im Sinne von Art. 4a dritter Gedankenstrich Ziff. ii der Verordnung Nr. 805/68 angesehen werden kann, wenn die Ersetzung nach Einreichung des Prämienantrags stattfindet.

21 Auf die Frage 1a ist somit zu antworten, dass Art. 4a dritter Gedankenstrich Ziff. ii der Verordnung Nr. 805/68 dahin auszulegen ist, dass eine trächtige Färse nur dann als Mutterkuh im Sinne von Abschnitt 1 der Verordnung angesehen werden kann, wenn sie nach Einreichung des Prämienantrags für das Wirtschaftsjahr eine Mutterkuh ersetzt, die in diesem Antrag aufgeführt ist.

Zu Frage 1b

22 Mit dieser Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob eine trächtige Färse eine Mutterkuh im Sinne der Verordnung Nr. 805/68 ist, wenn sie im vorangegangenen Wirtschaftsjahr eine Mutterkuh, für die ein Prämienantrag gestellt wurde, ersetzt hat und als prämienfähig anerkannt worden ist.

23 Nach Ansicht des Beklagten des Ausgangsverfahrens ist diese Frage zu verneinen. Eine bejahende Antwort würde seiner Meinung nach voraussetzen, dass die Ersetzung ein Zustand sei, der andauere, bis die trächtige Färse abgekalbt habe, auch wenn in der Zwischenzeit ein neues Wirtschaftsjahr begonnen habe.

24 Der Wertung des Beklagten des Ausgangsverfahrens ist jedoch nicht zu folgen, da sie auf einer zu engen Betrachtung der Fälle beruht, die von dieser Vorlagefrage erfasst werden. Wegen der Tragezeit von neun Monaten bei Rindern ist es nämlich denkbar, dass eine trächtige Färse am Ende eines Wirtschaftsjahrs eine Mutterkuh ersetzt hat und im folgenden Wirtschaftsjahr, da sie immer noch nicht abgekalbt hat, erneut eine andere Mutterkuh ersetzt, die im Prämienantrag dieses zweiten Wirtschaftsjahrs aufgeführt ist.

25 Hierzu hat die Kommission zu Recht ausgeführt, dass allein die Tatsache, dass der Kläger des Ausgangsverfahrens bestimmte trächtige Färsen als Ersatztiere für das Jahr 1997 bestimmt habe, nicht ausschließe, dass diese Färsen im Jahr 1998 erneut Mutterkühe ersetzen könnten, so dass zu prüfen sei, ob diese Färsen im Jahr 1998 die Voraussetzungen erfüllten, um erneut Mutterkühe zu ersetzen. In den einschlägigen Vorschriften weist nämlich nichts darauf hin, dass dieselbe trächtige Färse nicht in zwei aufeinanderfolgenden Wirtschaftsjahren Mutterkühe ersetzen kann, soweit sie alle Voraussetzungen hierfür erfüllt, insbesondere diejenigen, die im Rahmen der Antwort auf Frage 1a genannt wurden.

26 Auf Frage 1b ist somit zu antworten, dass eine trächtige Färse, die in einem Wirtschaftsjahr eine Mutterkuh ersetzt hat, für die ein Prämienantrag gestellt wurde, und als prämienfähig anerkannt worden ist, als Mutterkuh im Sinne von Art. 4a dritter Gedankenstrich Ziff. ii der Verordnung Nr. 805/68 angesehen werden kann, wenn sie im folgenden Jahr die Voraussetzungen erfüllt, um erneut eine Mutterkuh zu ersetzen.

Zu Frage 1c

27 Mit dieser Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 4a dritter Gedankenstrich Ziff. ii der Verordnung Nr. 805/68 dahin auszulegen ist, dass eine trächtige Färse, für die ein Prämienantrag gestellt wurde, prämienfähig ist, wenn sie noch vor Ablauf der Antragsfrist abkalbt.

28 Der Kläger des Ausgangsverfahrens macht geltend, dass die 13 Färsen, die vor Ablauf dieser Frist am 15. Mai 1998 abgekalbt hätten, als prämienfähig anerkannt werden müssten, weil die Tatsache, dass er seinen Antrag früher gestellt habe, nämlich am 20. April 1998, ihm keine Nachteile bringen dürfe.

29 Es ist also zu entscheiden, ob die Tiere, für die ein Prämienantrag eingereicht wurde, zum Zeitpunkt der Antragstellung alle für ihre Prämienfähigkeit erforderlichen Merkmale aufweisen müssen, insbesondere, dass sie keine trächtigen Färsen mehr sind, sondern Mutterkühe, oder ob es genügt, dass sie diese Voraussetzungen bei Ablauf der Antragsfrist erfüllen. Zu diesem Zeitpunkt waren nämlich die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden 13 Tiere Mutterkühe geworden.

30 Dazu ist zunächst auf die Entscheidung des Gerichtshofs zu verweisen, nach der das mit der Verordnung Nr. 3887/92 errichtete integrierte Verwaltungs- und Kontrollsystem erfordert, dass die vom Beihilfeantragsteller vorgelegten Angaben von vornherein vollständig und richtig sind, damit er einen ordnungsgemäßen Antrag auf Ausgleichszahlungen vorlegen und Sanktionen vermeiden kann. Ein Betriebsinhaber hat in seinem Beihilfeantrag die Tiere anzugeben, die die verschiedenen Voraussetzungen gemäß der gemeinschaftlichen Regelung für die Gewährung der fraglichen Beihilfen auch tatsächlich erfüllen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. Mai 2002, Schilling und Nehring, C-63/00, Slg. 2002, I-4483, Randnrn. 34 und 33).

31 Außerdem wird nach Art. 4d Abs. 5 der Verordnung Nr. 805/68 die Prämie Erzeugern gewährt, die während zwölf Monaten vom Tag des Prämienantrags an weder Milch noch Milcherzeugnisse aus ihrem Betrieb abliefern und in diesem Zeitraum während mindestens sechs aufeinanderfolgenden Monaten mindestens die in dem Antrag angemeldete Zahl von Mutterkühen halten. Da die Einreichung des Prämienantrags den Beginn des Haltungszeitraums bestimmt und die Anzahl der Mutterkühe zu diesem Zeitpunkt erfasst wird, folgt daraus, dass die Tiere alle für ihre Prämienfähigkeit erforderlichen Merkmale ebenfalls zu diesem Zeitpunkt erfüllen müssen.

32 Schließlich kann ein Mitgliedstaat gemäß Art. 41 Abs. 2 der Verordnung Nr. 3886/92 dem Erzeuger erlauben, im Rahmen seiner individuellen Höchstgrenze erneut einen Prämienantrag für die neue Mutterkuh innerhalb der für einen solchen Antrag vorgesehenen Frist zu stellen. Unabhängig davon, ob die Bundesrepublik Deutschland von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht hat, ergibt sich aus den dem Gerichtshof vorgelegten Akten, dass der Kläger des Ausgangsverfahrens im vorliegenden Fall die Möglichkeit hatte, den Prämienantrag nach dem Abkalben der trächtigen Färsen, aber vor Ablauf der Antragsfrist zu stellen, so dass ein solcher Antrag den Voraussetzungen für die Zuerkennung der Prämienansprüche genügt hätte.

33 Somit ist auf die Frage 1c zu antworten, dass Art. 4a dritter Gedankenstrich Ziff. ii der Verordnung Nr. 805/68 dahin auszulegen ist, dass eine trächtige Färse, für die ein Prämienantrag gestellt wurde, nicht prämienfähig ist, wenn sie vor Ablauf der Antragsfrist abkalbt.

Zu Frage 2a

34 Mit dieser Frage nach der Auslegung von Art. 33 Abs. 2 und 4 der Verordnung Nr. 3886/92 möchte das vorlegende Gericht wissen, ob ein Erzeuger seine Prämienansprüche genutzt hat, wenn er die Prämie zwar beantragt hat, der Antrag aber abgelehnt worden ist, weil die betreffenden Tiere nicht prämienfähig waren. Hilfsweise möchte es wissen, ob an einer eventuellen Verneinung dieser Frage auch dann festzuhalten wäre, wenn kein Anhaltspunkt für eine missbräuchliche Antragstellung gegeben ist, und, wenn dies zu bejahen ist, ob dies mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz vereinbar wäre.

35 Der Kläger des Ausgangsverfahrens beantragte tatsächlich eine Mutterkuhprämie für 64 Tiere, doch wurde ihm die Prämie nur für 47 Tiere gewährt, was weniger als 90 % seiner Ansprüche darstellt. Es erhebt sich somit die Frage, ob er mit der Antragstellung seine Prämienansprüche für sämtliche 64 Tiere genutzt hat, oder ob er - so der Beklagte des Ausgangsverfahrens - für 17 Tiere nur versucht hat, diese Ansprüche zu nutzen, so dass die Voraussetzungen von Art. 33 Abs. 2 und 4 der Verordnung Nr. 3886/92 erfüllt und die Ansprüche folglich der nationalen Reserve zuzuführen wären.

36 Dazu ist auf den neunten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 3886/92 zu verweisen, in dem es heißt: "Angesichts der marktregulierenden Wirkung der Regelung der individuellen Höchstgrenzen ist es angezeigt vorzusehen, dass Prämienansprüche, die während einer bestimmten Zeit nicht genutzt wurden, wieder auf die nationale Reserve übertragen werden." Außerdem wird im vierten Erwägungsgrund der Verordnung (EG) Nr. 1846/95 der Kommission vom 26. Juli 1995 zur Änderung der Verordnung Nr. 3886/92 (ABl. L 177, S. 28), aus der Art. 33 Abs. 1 bis 3 der Verordnung Nr. 3886/92 hervorgegangen ist, von der Absicht gesprochen, "die zur Verfügung stehenden, ... jedoch nicht genutzten Prämienansprüche verstärkt in Anspruch [zu nehmen]". Ziel der Regelung, nicht genutzte Ansprüche der nationalen Reserve zuzuführen, ist also, dass alle bestehenden Prämienansprüche tatsächlich genutzt werden, um zu verhüten, dass manche Erzeuger, die keinen unmittelbaren Gebrauch davon machen, sie ansammeln und so verhindern, sie anderen Erzeugern zuzuteilen. Somit müssen die Prämienansprüche, die jemand besitzt, der tatsächlichen und aktuellen Situation des Betriebs entsprechen.

37 Zum Zeitpunkt der Einreichung eines Prämienantrags ist es aber nicht möglich, zu wissen, ob die in diesem Antrag beschriebene Situation tatsächlich derjenigen des Betriebs entspricht. Darüber hinaus ist es für eine Nutzung der Prämienansprüche erforderlich, dass die Situation des Betriebs die Voraussetzungen für die Gewährung der beantragten Prämie erfüllt, was eine Beurteilung durch die zuständigen nationalen Behörden erforderlich macht. In einem Kontext wie dem des Ausgangsverfahrens, in dem die Situation des Betriebs diesen Voraussetzungen nicht entspricht, weil die im Prämienantrag aufgeführten Tiere für die beantragten Prämien nicht in Betracht kommen konnten, können die Prämienansprüche nicht als genutzt angesehen werden.

38 Das vorlegende Gericht wirft insbesondere die Frage auf, ob eine solche Auslegung mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar ist. Es ist der Ansicht, dass diese Auslegung nämlich einer zusätzlichen Sanktion für Unregelmäßigkeiten bei der Antragstellung gleichkommen könnte, die wegen der langfristigen Folgen der Herabsetzung der individuellen Höchstgrenze so einschneidend wäre, dass sie gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen würde.

39 Dieser Ansicht kann jedoch nicht gefolgt werden. Aus den oben genannten Erwägungsgründen der Verordnungen Nrn. 3886/92 und 1864/95 ergibt sich nämlich, dass die Regelung der Übertragung von Prämienansprüchen auf die nationale Reserve nicht Missbräuche bestrafen will. Auch wenn diese Maßnahme zu Nachteilen für den betroffenen Erzeuger führen kann, hat sie mangels einer Unregelmäßigkeit im Sinne von Art. 1 der Verordnung Nr. 2988/95, die durch diese Maßnahme verhindert oder bestraft werden sollte, tatsächlich keinen Sanktionscharakter. Der einzige Verstoß gegen eine Gemeinschaftsbestimmung als Folge einer Handlung oder Unterlassung eines Wirtschaftsteilnehmers, die einen Schaden für den Gesamthaushaltsplan bewirkt haben würde und die eine Unregelmäßigkeit im Sinne von Abs. 2 dieses Artikels darstellen kann, ist die Einreichung eines Prämienantrags, der unrichtige Angaben enthält. Im Fall eines Erzeugers, der gemäß den Vorschriften des Gemeinschaftsrechts Prämienansprüche für eine genaue Zahl von Mutterkühen, die jedoch unter seiner individuellen Höchstgrenze liegt, geltend machen würde, würde diese Höchstgrenze ebenso herabgesetzt wie im Fall eines Erzeugers, der einen unrichtigen Antrag gestellt hat. Somit sind die Folgen die gleichen, ob es sich nun um ein schuldhaftes Verhalten handelt oder nicht. Da daraus deutlich wird, dass die betreffende Maßnahme nicht darauf gerichtet ist, eine Unregelmäßigkeit zu ahnden, kann sie nicht als Sanktion im Sinne der Verordnung Nr. 2988/95 angesehen werden.

40 Da die in Art. 33 Abs. 2 und 4 vorgesehenen Folgen nicht den Charakter einer Sanktion im Sinne der Verordnung Nr. 2988/95 haben, stellen sie lediglich eine Maßnahme zur Anpassung der individuellen Höchstgrenze an die tatsächlichen Verhältnisse des Betriebs dar.

41 Da außerdem die Herabsetzung der individuellen Höchstgrenze, die aus der Übertragung auf die nationale Reserve resultiert, keine Sanktion, sondern eine einfache Folge einer objektiven Situation ist, kommt es weder auf die Absicht, die dem Verhalten zugrunde liegt, das zu dieser Herabsetzung führt, noch darauf an, ob dieses Verhalten schuldhaft ist, so dass sich die Frage erübrigt, ob ein teilweise abgelehnter Prämienantrag missbräuchlich gestellt worden ist.

42 Im Übrigen stellt sich, da keine Sanktion vorliegt, die Frage, ob die Maßnahme, die in der Herabsetzung der individuellen Höchstgrenze besteht, mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz vereinbar ist, anders, als das vorlegende Gericht meint, weil es nicht um die Verhältnismäßigkeit einer doppelten Sanktion geht, sondern nur um die Verhältnismäßigkeit dieser Maßnahme, die die Folge der Reduzierung der Zahl der prämienfähigen Tiere ist.

43 Insoweit ist auf die ständige Rechtsprechung des Gerichtshofs zum Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu verweisen, wie er insbesondere im Rahmen der gemeinsamen Agrarpolitik Anwendung findet.

44 Der Gemeinschaftsgesetzgeber verfügt in diesem Bereich über ein weites Ermessen, das seiner politischen Verantwortung, die ihm die Art. 34 EG bis 37 EG übertragen, entspricht. Folglich hat sich die Kontrolle durch den Gemeinschaftsrichter auf die Prüfung der Frage zu beschränken, ob die betreffende Maßnahme nicht mit einem offensichtlichen Irrtum oder einem Ermessensmissbrauch behaftet ist oder ob die betreffende Behörde die Grenzen ihres Ermessens nicht offensichtlich überschritten hat (vgl. in diesem Sinne u. a. Urteile vom 9. September 2004, Spanien/Kommission, C-304/01, Slg. 2004, I-7655, Randnr. 23, und vom 7. September 2006, Spanien/Rat, C-310/04, Slg. 2006, I-7285, Randnr. 96).

45 Was die Kontrolle der Verhältnismäßigkeit anbelangt, so ist daran zu erinnern, dass nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der zu den allgemeinen Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts gehört, die Handlungen der Gemeinschaftsorgane nicht die Grenzen dessen überschreiten dürfen, was zur Erreichung der mit der fraglichen Regelung zulässigerweise verfolgten Ziele geeignet und erforderlich ist, wobei, wenn mehrere geeignete Maßnahmen zur Auswahl stehen, die am wenigsten belastende zu wählen ist und die verursachten Nachteile nicht außer Verhältnis zu den angestrebten Zielen stehen dürfen (Urteile vom 12. Juli 2001, Jippes u. a., C-189/01, Slg. 2001, I-5689, Randnr. 81 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 7. September 2006, Spanien/Rat, Randnr. 97).

46 Was die gerichtliche Kontrolle der Beachtung dieses Grundsatzes betrifft, so kann aufgrund des weiten Ermessens, über das der Gemeinschaftsgesetzgeber im Bereich der gemeinsamen Agrarpolitik verfügt, die Rechtmäßigkeit einer in diesem Bereich erlassenen Maßnahme nur dann beeinträchtigt sein, wenn diese Maßnahme zur Erreichung des Ziels, das das zuständige Organ verfolgt, offensichtlich ungeeignet ist (Urteile vom 10. Januar 2006, IATA und ELFAA, C-344/04, Slg. 2006, I-403, Randnr. 80, sowie vom 7. September 2006, Spanien/Rat, Randnr. 98).

47 Es geht somit nicht darum, ob die vom Gesetzgeber erlassene Maßnahme die einzig mögliche oder die bestmögliche Maßnahme war, sondern darum, ob sie offensichtlich ungeeignet war (Urteil vom 7. September 2006, Spanien/Rat, Randnr. 99).

48 Aus Randnr. 36 des vorliegenden Urteils und den dort genannten Erwägungsgründen ergibt sich, dass durch die Übertragung nicht genutzter Ansprüche auf die nationale Reserve gewährleistet werden soll, dass alle Prämienansprüche auch tatsächlich genutzt werden. Diese Maßnahme stellt ein geeignetes Mittel zur Erreichung des Ziels einer verstärkten Inanspruchnahme der zur Verfügung stehenden, jedoch nicht genutzten Prämienansprüche dar. Im Übrigen wurde von keinem der Beteiligten, die Erklärungen beim Gerichtshof abgegeben haben, geltend gemacht, dass die genannte Maßnahme möglicherweise offensichtlich ungeeignet sei.

49 Da die Übertragung von Ansprüchen auf die nationale Reserve kein offensichtlich ungeeignetes Mittel zur Erreichung des verfolgten Ziels darstellt, verstößt die beanstandete Maßnahme nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.

50 Auf Frage 2a ist deshalb zu antworten, dass Art. 33 Abs. 2 und 4 der Verordnung Nr. 3886/92 dahin auszulegen ist, dass ein Erzeuger seine Prämienansprüche in einem Wirtschaftsjahr nicht genutzt hat, wenn er einen Prämienantrag gestellt hat, dieser Antrag aber abgelehnt worden ist, weil die betreffenden Tiere nicht prämienfähig waren; dies gilt auch dann, wenn der Antrag nicht missbräuchlich gestellt worden ist. Diese Auslegung verstößt nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.

Zu Frage 2b

51 Mit dieser Frage möchte das vorlegende Gericht hilfsweise wissen, ob unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens von einem ordnungsgemäß begründeten Ausnahmefall im Sinne von Art. 33 Abs. 2 letzter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 3886/92 ausgegangen werden kann.

52 Ein ordnungsgemäß begründeter Ausnahmefall erlaubt es, von der Regel der Übertragung des nicht genutzten Teils der Prämienansprüche auf die nationale Reserve abzuweichen, und verlangt deshalb eine enge Auslegung. Diese Auslegung ist durch den Gebrauch des Wortes "Ausnahme" in der genannten Vorschrift geboten.

53 Art. 33 Abs. 2 letzter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 3886/92 erscheint vor dem Hintergrund der allgemeinen Systematik dieser Vorschrift als allgemeine Billigkeitsklausel, die dazu bestimmt ist, andere Situationen als die in den vorhergehenden Gedankenstrichen aufgeführten zu erfassen, in denen die Anwendung des allgemeinen Grundsatzes eine außergewöhnliche Härte bedeuten würde, die aber nicht alle einzeln aufgeführt werden können. Wie bei den in den vorhergehenden Gedankenstrichen genannten Fällen handelt es sich um Situationen, in denen es gerecht und billig ist, dem Erzeuger zu erlauben, seine Prämienansprüche, auch wenn er sie aufgrund außergewöhnlicher Umstände vorübergehend nicht nutzen kann, später geltend zu machen.

54 Weder die Vorschriften dieser Verordnung noch deren Erwägungsgründe bestimmen, welche Kriterien berücksichtigt werden müssen, um eine solche Ausnahme zu rechtfertigen. Folglich ist festzustellen, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber den Begriff des Ausnahmefalls weder weiter präzisieren noch ihn an bestimmte Kriterien knüpfen wollte. Es sind somit sämtliche Umstände, sowohl subjektiver als auch objektiver Natur, zu berücksichtigen, um zu bestimmen, ob es darunter einen oder mehrere gibt, die eine Ausnahme rechtfertigen können. Diese Bewertung kann nur im Einzelfall durch die Behörden erfolgen, die mit der Anwendung von Art. 33 Abs. 2 letzter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 3886/92 betraut sind. Dem vorlegenden Gericht, das mit dem Ausgangsverfahren befasst und allein in der Lage ist, den maßgeblichen Sachverhalt festzustellen, obliegt es, diese Bewertung im Rahmen dieses Rechtsstreits unter Berücksichtigung des Erfordernisses einer restriktiven Anwendung dieser Vorschrift vorzunehmen.

55 Auf jeden Fall ist eine unzutreffende Auslegung der anwendbaren Rechtsvorschriften, ohne dass besondere Umstände vorliegen, kein Ausnahmefall im Sinne von Art. 33 Abs. 2 letzter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 3886/92.

56 Darüber hinaus ist schon nach dem Wortlaut dieser Vorschrift für deren Anwendbarkeit erforderlich, dass der Erzeuger ordnungsgemäß begründet hat, inwiefern seine Lage einen Ausnahmefall darstellt.

57 Auf Frage 2b ist somit zu antworten, dass dem vorlegenden Gericht die Entscheidung obliegt, ob in Anbetracht sämtlicher ordnungsgemäß begründeter Umstände, die für die Lage des Klägers des Ausgangsverfahrens kennzeichnend sind, ein Ausnahmefall vorliegt, der die Anwendung der Ausnahmevorschrift des Art. 33 Abs. 2 letzter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 3886/92 gebietet, wobei das Erfordernis einer restriktiven Anwendung dieser Vorschrift zu berücksichtigen ist.

Zu Frage 2c

58 Schließlich möchte das vorlegende Gericht weiter hilfsweise wissen, ob die Prämienansprüche, die einem Erzeuger auf der Grundlage von Art. 33 Abs. 4 der Verordnung Nr. 3886/92 entzogen worden sind, weil er im Wirtschaftsjahr 1998 seine Prämienansprüche zwar zu mindestens 70 %, aber zu weniger als 90 % genutzt hat, nach Ablauf einer zweijährigen Sperrfrist bevorzugt an diesen Erzeuger zu vergeben sind. Es ist nämlich der Ansicht, dass es durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geboten sein könnte, die bisherigen Inhaber zu bevorzugen, da diese von der Erhöhung des Prozentsatzes der Nutzung von 70 % auf 90 % im Rahmen der Sondermaßnahmen infolge der BSE-Krise in besonderem Maße betroffen wurden.

59 Die Vergabe der zur nationalen Reserve gehörenden Prämienansprüche durch die Mitgliedstaaten ist in Art. 4f Abs. 2 der Verordnung Nr. 805/68 geregelt, der die Erzeuger aufzählt, denen Prämienansprüche eingeräumt werden können. Der Gebrauch des Wortes "insbesondere" im Wortlaut dieser Vorschrift weist darauf hin, dass es sich nicht um eine abschließende Liste handelt.

60 Die Kommission hat zu Recht ausgeführt, dass Art. 4f Abs. 4 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 805/68 sie ermächtigt hat, die Maßnahmen betreffend die 1997 und 1998 nicht genutzten und der einzelstaatlichen Reserve zugeführten individuellen Ansprüche zu erlassen, dass diese Maßnahmen aber nie erlassen worden sind. Folglich ist den Mitgliedstaaten ihr Handlungsspielraum hinsichtlich der Nutzung ihrer nationalen Reserve in vollem Umfang erhalten geblieben. Sie können daher vorsehen, dass die Prämienansprüche bevorzugt den Erzeugern eingeräumt werden, die ihre Ansprüche dieser Reserve zuführen mussten, weil sie die Ansprüche im Wirtschaftsjahr 1998 zwar zu mindestens 70 %, aber zu weniger als 90 % genutzt haben.

61 Somit ist auf die Frage 2c zu antworten, dass Art. 33 Abs. 4 der Verordnung Nr. 3886/92 in Verbindung mit Art. 4f Abs. 4 der Verordnung Nr. 805/68 dahin auszulegen ist, dass die Mitgliedstaaten Prämienansprüche, die einem Erzeuger entzogen worden sind, weil er im Wirtschaftsjahr 1998 seine Ansprüche zwar zu mindestens 70 %, aber zu weniger als 90 % genutzt hat, nach Ablauf einer zweijährigen Sperrfrist bevorzugt an diesen Erzeuger vergeben können.

Kostenentscheidung:

Kosten

62 Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Tenor:

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Erste Kammer) für Recht erkannt:

1. Art. 4a dritter Gedankenstrich Ziff. ii der Verordnung (EWG) Nr. 805/68 des Rates vom 27. Juni 1968 über die gemeinsame Marktorganisation für Rindfleisch in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 2222/96 des Rates vom 18. November 1996 ist dahin auszulegen, dass eine trächtige Färse nur dann als Mutterkuh im Sinne von Abschnitt 1 der Verordnung angesehen werden kann, wenn sie nach Einreichung des Prämienantrags für das Wirtschaftsjahr eine Mutterkuh ersetzt, die in diesem Antrag aufgeführt ist.

2. Eine trächtige Färse, die in einem Wirtschaftsjahr eine Mutterkuh ersetzt hat, für die ein Prämienantrag gestellt wurde, und als prämienfähig anerkannt worden ist, kann als Mutterkuh im Sinne von Art. 4a dritter Gedankenstrich Ziff. ii der Verordnung Nr. 805/68 in der Fassung der Verordnung Nr. 2222/96 angesehen werden, wenn sie im folgenden Jahr die Voraussetzungen erfüllt, um erneut eine Mutterkuh zu ersetzen.

3. Art. 4a dritter Gedankenstrich Ziff. ii der Verordnung Nr. 805/68 in der Fassung der Verordnung Nr. 2222/96 ist dahin auszulegen, dass eine trächtige Färse, für die ein Prämienantrag gestellt wurde, nicht prämienfähig ist, wenn sie vor Ablauf der Antragsfrist abkalbt.

4. Art. 33 Abs. 2 und 4 der Verordnung (EWG) Nr. 3886/92 der Kommission vom 23. Dezember 1992 mit Durchführungsvorschriften für die Prämienregelung gemäß der Verordnung Nr. 805/68 und zur Aufhebung der Verordnungen (EWG) Nr. 1244/82 und (EWG) Nr. 714/89 in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 2311/96 der Kommission vom 2. Dezember 1996 ist dahin auszulegen, dass ein Erzeuger seine Prämienansprüche in einem Wirtschaftsjahr nicht genutzt hat, wenn er einen Prämienantrag gestellt hat, dieser Antrag aber abgelehnt worden ist, weil die betreffenden Tiere nicht prämienfähig waren; dies gilt auch dann, wenn der Antrag nicht missbräuchlich gestellt worden ist. Diese Auslegung verstößt nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.

5. Dem vorlegenden Gericht obliegt die Entscheidung, ob in Anbetracht sämtlicher ordnungsgemäß begründeter Umstände, die für die Lage des Klägers des Ausgangsverfahrens kennzeichnend sind, ein Ausnahmefall vorliegt, der die Anwendung der Ausnahmevorschrift des Art. 33 Abs. 2 letzter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 3886/92 in der Fassung der Verordnung Nr. 2311/96 gebietet, wobei das Erfordernis einer restriktiven Anwendung dieser Vorschrift zu berücksichtigen ist.

6. Art. 33 Abs. 4 der Verordnung Nr. 3886/92 in der Fassung der Verordnung Nr. 2311/96 in Verbindung mit Art. 4f Abs. 4 der Verordnung Nr. 805/68 in der Fassung der Verordnung Nr. 2222/96 ist dahin auszulegen, dass die Mitgliedstaaten Prämienansprüche, die einem Erzeuger entzogen worden sind, weil er im Wirtschaftsjahr 1998 seine Ansprüche zwar zu mindestens 70 %, aber zu weniger als 90 % genutzt hat, nach Ablauf einer zweijährigen Sperrfrist bevorzugt an diesen Erzeuger vergeben können.

Ende der Entscheidung

Zurück