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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 27.04.1993
Aktenzeichen: C-375/90
Rechtsgebiete:


Vorschriften:

Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Wenn die genaue Anzahl pathogener Mikroorganismen, von der an ein Erzeugnis eine Gefahr für die Gesundheit darstellt, anhand der beim gegenwärtigen Stand der naturwissenschaftlichen Forschung verfügbaren Angaben nicht mit Sicherheit bestimmt werden kann, ist es Sache der Mitgliedstaaten, mangels einer Harmonisierung auf diesem Gebiet unter Berücksichtigung der Erfordernisse des freien Warenverkehrs das Niveau zu bestimmen, auf dem sie den Schutz der Gesundheit und des Lebens von Menschen gewährleisten wollen.

2. In einem Verfahren nach Artikel 169 des Vertrages ist es Sache der Kommission, das Vorliegen der behaupteten Vertragsverletzung zu beweisen.


URTEIL DES GERICHTSHOFES VOM 27. APRIL 1993. - KOMMISSION DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN GEGEN REPUBLIK GRIECHENLAND. - MENGENMAESSIGE BESCHRAENKUNGEN - GESUNDHEITSSCHUTZ - TIEFGEFRORENE HAEHNCHEN. - RECHTSSACHE C-375/90.

Entscheidungsgründe:

1 Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften hat mit Klageschrift, die am 18. Dezember 1990 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 169 EWG-Vertrag Klage erhoben auf Feststellung, daß die Griechische Republik dadurch ihre Verpflichtungen aus der Richtlinie 71/118/EWG des Rates vom 15. Februar 1971 zur Regelung gesundheitlicher Fragen beim Handelsverkehr mit frischem Gefluegelfleisch (ABl. L 55, S. 23), aus der Richtlinie 83/643/EWG des Rates vom 1. Dezember 1983 zur Erleichterung der Kontrollen und Verwaltungsformalitäten im Güterverkehr zwischen den Mitgliedstaaten in der Fassung der Richtlinie 87/53/EWG des Rates vom 15. Dezember 1986 (ABl. L 24, S. 33), aus der Verordnung (EWG) Nr. 2967/76 des Rates vom 23. November 1976 zur Festlegung gemeinsamer Normen für den Wassergehalt von gefrorenen und tiefgefrorenen Hähnen, Hühnern und Hähnchen (ABl. L 339, S. 1), aus der Verordnung (EWG) Nr. 2777/75 des Rates vom 29. Oktober 1975 über die gemeinsame Marktorganisation für Gefluegelfleisch (ABl. L 282, S. 77) sowie aus den Artikeln 30 und 36 EWG-Vertrag verletzt hat, daß sie die Einfuhr einer Partie von 90 Tonnen gefrorener Hähnchen aus Frankreich deswegen verboten hat, weil Salmonellen auf der Oberfläche bestimmter Tierkörper vorhanden waren, daß sie die Einfuhr von mehr als 40 Tonnen Hähnchen unter dem Vorwand verboten hat, es liege ein zu hoher Gehalt an Fremdwasser vor, und daß sie die Einfuhr mehrerer Partien gefrorener Hähnchen systematisch und wiederholt verzögert hat.

2 Im Laufe des Jahres 1987 erhielten die Dienststellen der Kommission Beschwerden, mit denen vorgebracht wurde, die griechischen Behörden hätten die Einfuhr gefrorener Hähnchen aus Frankreich beschränkt.

3 Der ersten Beschwerde zufolge sollen die griechischen Behörden ohne Rechtfertigung 90 Tonnen gefrorener Hähnchen mit der Begründung beschlagnahmt haben, bei einer von diesen Behörden durchgeführten tierärztlichen Untersuchung seien Salmonellen auf der Haut der entnommenen Stichproben gefunden worden. Ausserdem sollen diese Behörden die in der Richtlinie 71/118 festgelegten Verfahren nicht eingehalten haben.

4 Wegen dieser Beschwerde wurde am 2. Dezember 1987 gemäß Artikel 10 dieser Richtlinie von einem tierärztlichen Sachverständigen, der nicht die französische oder griechische Staatsangehörigkeit besitzt, ein Gutachten erstellt. Darin wurde hervorgehoben, die Salmonellen gingen auf eine nach der Schlachtung erfolgte Verunreinigung der Haut der Hähnchen zurück. Festgestellt wurde auch, der Unterschied zwischen den Ergebnissen der in Griechenland und der in Frankreich durchgeführten Untersuchungen sei auf die Tatsache zurückzuführen, daß die griechischen Tierärzte Gewebe unter der Haut, vom Brustmuskel und von der Haut entnommen hätten, während bei dem in Frankreich angewandten Verfahren 25 g Muskelgewebe nach Entfernung der Haut untersucht worden seien. Der Sachverständige kam zu dem Ergebnis, die fraglichen Partien genügten den Anforderungen der Richtlinie 71/118.

5 Auf Verlangen der Dienststellen der Kommission wurde zu einer Partie von 50 Hähnchen ein neues Gutachten angefertigt. Dabei wurde eine Hälfte jedes Hähnchens nach dem griechischen Verfahren und die andere Hälfte nach dem französischen Verfahren untersucht. Die nach dem französischen Verfahren untersuchten Stichproben ergaben keine Spur von Salmonellen, bei den nach dem griechischen Verfahren untersuchten Stichproben fanden sich dagegen Spuren von Salmonellen auf zwei Hähnchen.

6 Der zweiten Beschwerde zufolge wurden seit Oktober 1987 zwei Partien Hähnchen unter dem Vorwand festgehalten, diese Hähnchen wiesen einen über den Gemeinschaftsnormen liegenden Wassergehalt auf.

7 Hierzu ergab ein am 25. und 26. Januar 1988 erstelltes Gegengutachten, daß der Gehalt an Fremdwasser, der nach dem in Anhang II der Verordnung Nr. 2967/76 festgelegten Schnellverfahren ermittelt wurde, 4,9 % betrug, also unter dem nach dieser Verordnung zulässigen Hoechstwert lag. Bei einer zweiten Untersuchung von sieben Tierkörpern, die nach dem in Anhang III dieser Verordnung beschriebenen Verfahren erfolgte, ergab sich jedoch ein Wassergehalt, der die in dieser Verordnung festgelegten Grenzwerte überstieg.

8 Der dritten Beschwerde zufolge sollen die griechischen Behörden 1987 dreimal die Freigabe von Partien gefrorener Hähnchen zum Verbrauch auf dem griechischen Markt verzögert haben.

9 Nach Prüfung dieser Vorgänge leitete die Kommission ein Verfahren gemäß Artikel 169 des Vertrages ein und forderte die griechische Regierung mit Schreiben vom am 18. April 1988 zur Äusserung auf.

10 Mit Schreiben vom 22. Juli 1988 bestritten die griechischen Behörden, die einschlägigen Vorschriften des Gemeinschaftsrechts verletzt zu haben, und erklärten, sie hätten die gesundheitsrechtlichen Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts wortgetreu und ° soweit es an solchen fehle ° die einschlägigen Vorschriften des innerstaatlichen Rechts angewandt und es sei dabei keinerlei Unterschied nach dem Herkunftsland der Erzeugnisse, die der Gesundheitskontrolle unterzogen worden seien, gemacht worden.

11 Da die Kommission diese Antwort der griechischen Behörden nicht befriedigend fand, stellte sie der Griechischen Republik am 28. September 1989 eine mit Gründen versehene Stellungnahme mit der Aufforderung zu, dieser binnen einem Monat ab Zustellung nachzukommen.

12 Mit Schreiben vom 18. Dezember 1989 teilte die Griechische Republik mit, sie bleibe bei ihrem Standpunkt, die fraglichen Maßnahmen seien zum Schutze der öffentlichen Gesundheit gerechtfertigt gewesen.

13 Daraufhin erhob die Kommission die vorliegende Klage.

14 Wegen weiterer Einzelheiten der Vorgeschichte des Rechtsstreits, des Verfahrensablaufs sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Sitzungsbericht verwiesen. Der Akteninhalt wird im folgenden nur insoweit wiedergegeben, als die Begründung des Urteils dies erfordert.

Zum ersten Vorwurf (Verletzung des Artikels 30 des Vertrages und der Richtlinie 71/118 des Rates)

15 Nach Artikel 9 der Richtlinie 71/118 "kann ein Mitgliedstaat untersagen, daß aus einem anderen Mitgliedstaat stammendes frisches Gefluegelfleisch in seinem Hoheitsgebiet in den Verkehr gebracht wird, wenn... festgestellt worden ist, daß dieses frische Gefluegelfleisch untauglich zum Genuß für Menschen ist". Wie der Gerichtshof schon entschieden hat, ist diese Befugnis in der Richtlinie 71/118 den Mitgliedstaaten ausdrücklich in der Erwartung einer weitergehenden Harmonisierung vorbehalten worden (vgl. Urteil vom 22. Mai 1990 in der Rechtssache C-332/88, Alimenta, Slg. 1990, I-2077, Randnr. 17).

16 Wie ebenfalls in diesem Urteil festgestellt wurde, ist zwar das tierärztlichen Gutachten, das in Artikel 10 der Richtlinie 71/118 vorgesehen ist, ein wichtiges Element der Beurteilung für die innerstaatlichen Behörden, doch kommt ihm keine entscheidende und bindende Wirkung zu.

17 In erster Linie macht die Kommission geltend, nach den Vorschriften der Richtlinie seien die Hähnchen nur dann zum Verzehr untauglich, wenn sie eine ansteckende Krankheit aufwiesen. Nur bei dieser Sachlage hätte die Griechische Republik also das Recht gehabt, die Einfuhr der fraglichen Partien zu untersagen. Wenn Salmonellen auf der Haut von Hähnchen gefunden würden, bedeute dies aber keineswegs, daß dieses Gefluegel eine Infektionskrankheit, im vorliegenden Fall die Salmonellose, eine von einer Blutvergiftung herrührende Infektion im Magendarmbereich, gehabt habe.

18 Die Griechische Republik beruft sich zur Rechtfertigung der streitigen Maßnahmen auf Artikel 36 des Vertrages. Sie ist der Ansicht, eine Gefahr für die menschliche Gesundheit bestehe schon, wenn Salmonellen auf der Haut eines Hähnchens, ganz gleich, ob es Salmonellose habe oder nicht, gefunden würden, denn diese Mikroben könnten Infektionskrankheiten bei Menschen auslösen.

19 Nach ständiger Rechtsprechung ist es, wenn die genaue Anzahl pathogener Mikroorganismen, von der an ein Erzeugnis eine Gefahr für die Gesundheit darstellt, anhand der beim gegenwärtigen Stand der naturwissenschaftlichen Forschung verfügbaren Angaben nicht mit Sicherheit bestimmt werden kann, Sache der Mitgliedstaaten, mangels einer Harmonisierung auf diesem Gebiet unter Berücksichtigung der Erfordernisse des freien Warenverkehrs das Niveau zu bestimmen, auf dem sie den Schutz der Gesundheit und des Lebens von Menschen gewährleisten wollen (vgl. insbesondere Urteil vom 6. Juni 1984 in der Rechtssache 97/83, Melkunie, Slg. 1984, 2367, Randnr. 18).

20 Die Kommission räumt ein, daß diese Rechtsprechung im vorliegenden Fall einschlägig ist, meint aber, bei den von den griechischen Behörden durchgeführten Untersuchungen sei der Grundsatz der Verhältnismässigkeit nicht beachtet worden. Hierzu macht sie in erster Linie geltend, die griechische Republik habe nicht nur Muskelgewebe, sondern auch Haut und Unterhautgewebe untersucht, also ein Verfahren angewandt, das kein Mitgliedstaat, auch nicht die Griechische Republik selbst anwende, wenn ein solches Erzeugnis aus der einheimischen Produktion vor der Vermarktung untersucht werde. Ferner könne die Gefahr für die öffentliche Gesundheit, die von Salmonellen auf der Haut von Gefluegel ausgehe, durch hygienische Maßnahmen und namentlich durch eine Behandlung mit hoher Temperatur ausgeschaltet werden. Schließlich lägen die Salmonellenspuren, die auf den entnommenen Stichproben gefunden worden seien, eindeutig unter der Mindestmenge, die eine Lebensmittelvergiftung hervorrufen könne.

21 Dem kann nicht gefolgt werden.

22 Zum ersten Argument ist festzustellen, daß die Kommission in der mündlichen Verhandlung auf eine Frage des Gerichtshofes erklärt hat, sie verfüge nicht über Angaben zur Beschreibung der Verfahren, die in Griechenland zur Ermittlung von Salmonellen auf griechischen Hähnchen tatsächlich angewandt werden, und daß sie jedenfalls nicht vorgebracht hat, die Griechische Republik habe Verfahren angewandt, die eingeführte Erzeugnisse diskriminieren. Ausserdem lässt sich den von der Kommission selbst gemachten Angaben entnehmen, daß in bestimmten anderen Mitgliedstaaten die fraglichen Untersuchungen in gleicher Weise wie in der Griechischen Republik auf der Haut und auf dem Muskelgewebe des Gefluegels durchgeführt werden. Schließlich hat die Französische Republik, die die Anträge der Kommission als Streithelferin unterstützt, eingeräumt, die griechischen Behörden hätten in Ermangelung gemeinschaftsrechtlicher Bestimmungen das Recht gehabt, Untersuchungen anhand von Stichproben vorzunehmen, die sich aus einer Mischung von Haut und Muskeln zusammensetzen.

23 Zum zweiten Argument kann dem wissenschaftlichen Schrifttum, das die Parteien auf Verlangen des Gerichtshofes vorgelegt haben, entnommen werden, daß Salmonellen, auch wenn sie sich nur auf der Haut von Gefluegel finden, eine Gefahr für die menschliche Gesundheit bilden können, und zwar insbesondere deshalb, weil die Gefahr besteht, daß vor dem Garen des Fleisches die dazu verwendeten Räume, Geräte und andere Lebensmittel verunreinigt worden sind.

24 Zum dritten Argument hat die Griechische Republik in der mündlichen Verhandlung, ohne daß dies von der Kommission bestritten worden wäre, erklärt, das fragliche zur Entdeckung von Salmonellen angewandte Verfahren, ein Anreicherungsverfahren, erlaube nur die Feststellung, ob Salmonellen vorhanden seien oder nicht, nicht aber die Bestimmung der genauen Zahl vorhandener Salmonellen. Selbst wenn nur eine verhältnismässig kleine Menge Salmonellen vorhanden ist, kann zudem den vorgelegten Schriftstücken entnommen werden, daß bestimmte Bevölkerungsgruppen, insbesondere Kinder, ältere Menschen und bereits kranke Personen besonders anfällig sind und daß folglich auch eine verhältnismässig kleine Menge zu ihrer Ansteckung ausreicht.

25 Danach steht fest, daß die Kommission die Richtigkeit ihrer Ansicht nicht belegt hat, den streitigen Kontrollen fehle es im Hinblick auf das verfolgte Ziel an der Verhältnismässigkeit. Der erste Vorwurf ist also ingesamt zurückzuweisen.

Zum zweiten Vorwurf (Verletzung der Verordnung Nr. 2967/76 des Rates)

26 Artikel 4 der Verordnung Nr. 2967/76 lautet:

"(1) Die Kontrolle des Wassergehalts kann zunächst nach dem in Anhang II beschriebenen Schnellverfahren durchgeführt werden.

Wenn der Verdacht besteht, daß bei der Aufbereitung Stoffe verwendet wurden, die bewirken, daß Wasser im Gefluegel in verstärktem Masse zurückgehalten wird, so wird der Wassergehalt unmittelbar nach Wahl des Mitgliedstaats nach einem der in Anhang III oder IV beschriebenen Analyseverfahren festgestellt.

Liegt das Ergebnis der Kontrolle nach dem Schnellverfahren nicht über dem in Anhang II Nummer 7 festgelegten Grenzwert, so gilt das Gefluegel als vorschriftsmässig im Sinne dieser Verordnung.

(2) Übersteigen die Ergebnisse der Kontrolle nach dem Schnellverfahren den in Anhang II Nummer 7 festgelegten Grenzwert oder findet eine Kontrolle nach diesem Verfahren nicht statt, so wird eine chemische Analyse nach einem der in den Anhängen III und IV beschriebenen Verfahren nach Wahl des Mitgliedstaats durchgeführt.

Übersteigen die Ergebnisse der nach einem Analyseverfahren des Anhangs III oder IV durchgeführten Kontrolle die zulässigen Grenzwerte, so gilt das Gefluegel als nicht vorschriftsmässig im Sinne dieser Verordnung. In diesem Fall kann jedoch der Verfügungsberechtigte eine nach dem gleichen Verfahren vorzunehmende Gegenanalyse verlangen."

27 Die Kommission bringt vor, bei der Untersuchung der zwei fraglichen Hähnchenpartien hätten die griechischen Behörden zunächst das in Anhang II der Verordnung Nr. 2967/76 beschriebene Schnellverfahren angewandt und dabei habe sich gezeigt, daß der Wassergehalt der Hähnchen den zulässigen Grenzwert nicht erreicht habe. Nach Artikel 4 Absatz 1 der Verordnung hätte das Gefluegel also als vorschriftsmässig im Sinne der Verordnung angesehen werden müssen, und es hätte keine zweite Untersuchung stattfinden dürfen, die die griechischen Behörden nach dem in Anhang III der Verordnung beschriebenen Verfahren vorgenommen hätten.

28 Die Griechische Republik hat in ihren Antworten auf das Aufforderungsschreiben und die mit Gründen versehene Stellungnahme, in der Klagebeantwortung und auch in der mündlichen Verhandlung erklärt, sie habe im vorliegenden Fall nicht das in Anhang II erwähnte Schnellverfahren, sondern ausschließlich das in Anhang III der Verordnung Nr. 2967/76 beschriebene Untersuchungsverfahren angewandt. Zu dem Schnellverfahren sei es nur im Rahmen einer neuen Untersuchung auf Verlangen des Sachverständigen gekommen.

29 Dieser Erklärung ist die Kommission weder im schriftlichen Verfahren noch in der mündlichen Verhandlung entgegengetreten. Somit ist festzustellen, daß die Kommission die Richtigkeit ihres Vorbringens nicht belegt hat, die Griechische Republik sei an die Ergebnisse der nach dem Verfahren des Anhangs II durchgeführten Untersuchung gebunden gewesen und sie habe folglich nicht das Recht gehabt, eine zweite Untersuchung nach dem in Anhang III der Verordnung Nr. 2967/76 beschriebenen Verfahren durchzuführen.

30 In der mündlichen Verhandlung hat die Kommission die Ansicht vertreten, nach Artikel 4 der Verordnung Nr. 2967/76 hätte die Griechische Republik jedenfalls zunächst das in Anhang II beschriebene Schnellverfahren anwenden müssen, denn auf das in Anhang III erwähnte Verfahren hätten die griechischen Behörden nur zurückgreifen können, wenn zu vermuten gewesen wäre, daß die Verwendung bestimmter Stoffe bei der Zubereitung des Gefluegels zu einer Erhöhung des Wassergehalts in den Geweben geführt hätte.

31 Dieses Argument ist weder im Vorverfahren noch im schriftlichen Verfahren vor dem Gerichtshof vorgebracht worden. Es kann also vom Gerichtshof nicht berücksichtigt werden.

32 Hilfsweise hat die Kommission geltend gemacht, die Griechische Republik habe bei der Untersuchung der fraglichen Hähnchen die in Anhang III der Verordnung Nr. 2967/76 festgelegten technischen Anforderungen nicht beachtet, was zu Zweifeln an der Zuverlässigkeit dieser Untersuchungen berechtige.

33 Nach ständiger Rechtsprechung (vgl. insbesondere Urteile vom 17. November 1992 in der Rechtssache C-157/91, Kommission/Niederlande, Slg. 1992, I-5899, Randnr. 12, und vom 25. April 1989 in der Rechtssache 141/87, Kommission/Italien, Slg. 1989, 943, Randnrn. 15 und 16) ist es in einem Verfahren nach Artikel 169 EWG-Vertrag Sache der Kommission, das Vorliegen der behaupteten Vertragsverletzung zu beweisen.

34 Im vorliegenden Fall hat die Kommission zwar den von ihr vorgebrachten Klagegrund auf eine Reihe von Angaben gestützt, doch hat die Griechische Republik in ihren Schriftsätzen und in der mündlichen Verhandlung eingehende Angaben gemacht, um darzutun, daß die in Anhang III festgelegten Anforderungen tatsächlich beachtet worden seien; die Richtigkeit dieser Angaben ist von der Kommission nicht bestritten worden.

35 Daraus folgt, daß die Kommission eine Verletzung der Vorschriften der Verordnung Nr. 2967/76 nicht nachgewiesen hat. Auch der zweite Vorwurf ist also zurückzuweisen.

Zum dritten Vorwurf (Verletzung des Artikels 30 des Vertrages und des Artikels 6 der Richtlinie 83/643 des Rates)

36 Hiermit wirft die Kommission der Griechischen Republik vor, sie habe die Einfuhr mehrerer Partien gefrorener Hähnchen systematisch und wiederholt verzögert. Dabei geht es um eine Partie von 112 Tonnen, die im April 1987 mit einer Verspätung von einem Monat zum Verbrauch freigegeben worden ist, um eine Partie von 216 Tonnen, bei der sich im Juli 1987 eine Verzögerung von zwei Wochen ergeben hat, und um zwei Partien von jeweils 22 Tonnen, bei denen es im Oktober 1987 zu Verzögerungen von zwei bzw. vier Wochen gekommen ist.

37 Dieser Vorwurf stützt sich auf Artikel 30 des Vertrages und auf Artikel 6 der durch die Richtlinie 87/53 geänderten Richtlinie 83/643. Artikel 6 lautet:

"Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, damit die Wartezeiten bei den Kontrollen und Formalitäten nicht länger sind als für ihre ordnungsgemässe Durchführung notwendig. Zu diesem Zweck organisieren sie die Öffnungszeiten der Dienststellen, die die Kontrollen und Formalitäten zu erledigen haben, das zur Verfügung stehende Personal sowie die Behandlungsverfahren für Waren und Dokumente im Zusammenhang mit der Durchführung von Kontrollen und Formalitäten so, daß die Wartezeiten bei der Verkehrsabfertigung auf ein Mindestmaß beschränkt werden."

38 Zur Rechtfertigung der Verzögerungen hat die Griechische Republik eine Reihe von Erklärungen vorgetragen, auf die im folgenden einzugehen ist.

39 Zu der Partie von 216 Tonnen und einer der Partien von 22 Tonnen bringt die Griechische Republik vor, die Verzögerungen seien auf den Umstand zurückgegangen, daß die fraglichen Hähnchen einen die Grenzwerte der Verordnung Nr. 2967/76 übersteigenden Gehalt an Fremdwasser aufgewiesen hätten. Gemäß Artikel 2 der Verordnung (EWG) Nr. 2785/80 der Kommission vom 30. Oktober 1980 zur Durchführung der Verordnung Nr. 2967/76 (ABl. L 288, S. 13) hätten die Hähnchen also unter der Kontrolle der zuständigen Behörde bleiben müssen, bis der Verfügungsberechtigte unter der Kontrolle dieser Behörde ein Etikett mit dem Vermerk "Wassergehalt über dem EWG-Hoechstwert" angebracht habe. Unter diesen Umständen sei die Griechische Republik für die beanstandete Verzögerung nicht verantwortlich.

40 Nach Ansicht der Kommission ist dieses Argument deshalb nicht stichhaltig, weil der Wassergehalt von den griechischen Behörden nicht ordnungsgemäß untersucht worden sei. Diese könnten sich also auf den genannten Umstand nicht berufen, um die Verzögerung der Einfuhren zu rechtfertigen.

41 Hierzu ist darauf hinzuweisen, daß der zweite Vorwurf der Kommission ° Verletzung der Vorschriften der Verordnung Nr. 2967/76, die sich auf die Kontrolle des Gehalts an Fremdwasser beziehen ° zurückgewiesen worden ist. Soweit sich der zweite und der dritte Vorwurf auf dieselben Partien beziehen, ist also festzustellen, daß die Kommission eine Verletzung der im Rahmen des dritten Vorwurfs angezogenen Vorschriften nicht nachgewiesen hat; soweit es um andere Partien geht, steht ausserdem fest, daß sie keine neuen Tatsachen angeführt hat, die die Feststellung des behaupteten Verstosses zulassen würden.

42 Die von der Kommission zu den beiden erwähnten Partien vorgetragenen Argumente sind also nicht stichhaltig.

43 Zu der zweiten Partie von 22 Tonnen macht die Griechische Republik, die die den Mitgliedstaaten nach der Richtlinie 83/643 obliegenden Verpflichtungen nicht in Abrede stellt, geltend, die Verzögerung sei durch aussergewöhnliche Umstände gerechtfertigt gewesen. Sie gehe nämlich darauf zurück, daß die zur Kontrolle des Gehalts an Fremdwasser verwendete Maschine ausgefallen sei, daß eine Instandsetzung nicht möglich gewesen sei und daß sie durch eine aus dem Ausland eingeführte Maschine habe ersetzt werden müssen, was zu der von der Kommission kritisierten Verzögerung von einem Monat geführt habe.

44 Die Kommission hat die Richtigkeit dieser Angaben nicht bestritten, sie hat dazu aber ausgeführt, interne Schwierigkeiten könnten Behinderungen des Handels nicht rechtfertigen.

45 Hierzu ist festzustellen, daß Artikel 6 der Richtlinie 83/643 für die Mitgliedstaaten eine Sorgfaltspflicht begründet, damit die Wartezeiten bei der Verkehrsabwicklung auf ein Minimum beschränkt bleiben. Die Kommission hat aber nicht nachgewiesen, daß mangelnde Sorgfalt der griechischen Behörden den fraglichen Ausfall hervorgerufen hat, daß die griechischen Behörden zuviel Zeit gebraucht haben, um die schadhafte Maschine zu ersetzen, oder daß es auf andere Weise möglich gewesen wäre, die kritisierte Wartezeit zu verkürzen.

46 Der sich auf die zweite Partie von 22 Tonnen Hähnchen beziehende Vorwurf der Kommission ist also gleichfalls zurückzuweisen.

47 Zu der Partie von 112 Tonnen hat die Griechische Republik ausgeführt, die bei der Einfuhr dieser Partie entstandene Verzögerung von einem Monat sei dadurch verursacht worden, daß die Hähnchen keine Etiketten mit den Daten der Schlachtung und des Einfrierens gehabt hätten; ausserdem hätten die Osterferien zu der Verzögerung beigetragen.

48 Dem kann nicht gefolgt werden.

49 Ein Etikettierungserfordernis lässt sich durch keine Vorschrift des Gemeinschaftsrechts rechtfertigen. Zu der Erklärung, die Verspätung gehe zum Teil auf die Osterferien zurück, genügt der Hinweis, daß die griechischen Behörden gemäß Artikel 6 der Richtlinie 83/643 verpflichtet waren, dafür zu sorgen, daß die Wartezeiten bei den Kontrollen und Formalitäten nicht länger sind als für ihre ordnungsgemässe Durchführung notwendig, und daß sie im Rahmen dieser Verpflichtung gehalten waren, die Wartezeiten bei der Verkehrsabfertigung auf ein Mindestmaß zu beschränken.

50 Es ist also festzustellen, daß die Griechische Republik, was die genannte Partie angeht, diese Verpflichtung nicht eingehalten hat, denn in der von ihr gegebenen Erklärung kann eine vernünftige Rechtfertigung nicht gesehen werden.

51 Allerdings wirft die Kommission ° so der Wortlaut des dritten Vorwurfs ° der Griechischen Republik vor, die Einfuhr mehrerer Partien gefrorener Hähnchen systematisch und wiederholt verzögert zu haben. Im vorliegenden Verfahren hat die Kommission indessen nur gezeigt, daß es eine ungerechtfertigte Verzögerung bei der Abfertigung einer einzigen Partie zum freien Verkehr gegeben hat.

52 Die Kommission hat also nicht nachgewiesen, daß die Griechische Republik die Einfuhr mehrerer Partien Hähnchen systematisch und wiederholt verzögert hat. Das letzte von der Kommission vorgebrachte Argument und folglich auch der dritte Vorwurf sind somit zurückzuweisen.

53 Nach alledem ist die Klage abzuweisen.

Kostenentscheidung:

Kosten

54 Gemäß Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kommission mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

für Recht erkannt und entschieden:

1) Die Klage wird abgewiesen.

2) Die Kommission trägt die Kosten des Verfahrens.

Ende der Entscheidung

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