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Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 14.07.1994
Aktenzeichen: C-379/92
Rechtsgebiete: EWG-Vertrag


Vorschriften:

EWG-Vertrag Art. 3f
EWG-Vertrag Art. 7
EWG-Vertrag Art. 30
EWG-Vertrag Art. 48
EWG-Vertrag Art. 52
EWG-Vertrag Art. 59
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Es ist nicht Sache des Gerichtshofes, über die Vereinbarkeit der Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats mit einem völkerrechtlichen Vertrag wie dem Internationalen Übereinkommen zur Verhütung der Meeresverschmutzung durch Schiffe, dem sogenannten "Marpol -Übereinkommen" zu entscheiden, da die Gemeinschaft nicht Vertragspartei dieses Abkommens ist und sie nicht aufgrund des EWG-Vertrags die früher von den Mitgliedstaaten in seinem Anwendungsbereich ausgeuebten Befugnisse übernommen hat und nicht an seine Bestimmungen gebunden ist.

2. In Anbetracht dessen, daß zum einen Artikel 59 EWG-Vertrag immer dann eingreift, wenn ein Leistungserbringer Dienstleistungen in einem anderen Mitgliedstaat als demjenigen anbietet, in dem er niedergelassen ist, und daß zum anderen Artikel 1 Absatz 1 der Verordnung Nr. 4055/86 vorsieht, daß der Grundsatz des freien Dienstleistungsverkehrs in der Seeschiffahrt zwischen Mitgliedstaaten sowie zwischen Mitgliedstaaten und Drittländern für Staatsangehörige der Mitgliedstaaten mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat als dem des Dienstleistungsnehmers gilt, kann sich ein Schiffsfrachtführer, der Transporte in andere Mitgliedstaaten durchführt, gegenüber dem Mitgliedstaat, in dem er niedergelassen ist und dessen Flagge seine Schiffe führen, auf einen Verstoß gegen den gemeinschaftsrechtlich anerkannten Grundsatz des freien Dienstleistungsverkehrs in der Seeschiffahrt berufen.

Seine Situation unterscheidet sich jedoch unter dem Gesichtspunkt der Rügen, die er diesem Staat gegenüber geltend machen kann, von der eines Frachtführers mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat, der in diesen Staat kommt, um Dienstleistungen zu erbringen, und deshalb gleichzeitig die Vorschriften zweier Mitgliedstaaten ° desjenigen seiner Flagge und desjenigen, in dem er vorübergehend seine Tätigkeit ausüben will ° beachten muß.

3. Beruht die durch eine nationale Regelung vorgenommene unterschiedliche Behandlung von inländischen Schiffsfrachtführern und Schiffsfrachtführern der anderen Mitgliedstaaten darauf, daß die Befugnisse, die nach dem Recht der Flagge gegenüber den erstgenannten ausgeuebt werden können, nicht die gleichen sind wie diejenigen, die gegenüber den zweitgenannten ausgeuebt werden können und die auf die Befugnisse beschränkt sind, die ein Staat in den unter seiner Hoheitsgewalt stehenden Gewässern ausüben kann, so liegt keine Diskriminierung vor, die nach Artikel 9 der Verordnung Nr. 4055/86 zur Anwendung des Grundsatzes des freien Dienstleistungsverkehrs auf die Seeschiffahrt zwischen Mitgliedstaaten sowie zwischen Mitgliedstaaten und Drittländern verboten wäre. Jedenfalls kann die Anwendung nationaler Rechtsvorschriften nicht allein deshalb als Verstoß gegen den Grundsatz der Nichtdiskriminierung angesehen werden, weil andere Mitgliedstaaten weniger strenge Vorschriften anwenden.

Ausserdem kann, wenn eine nationale Regelung unter den Schiffen nicht danach unterscheidet, ob sie inländische Transporte oder Transporte nach anderen Mitgliedstaaten durchführen, keine unterschiedliche Dienstleistung für ausgeführte Erzeugnisse und für auf dem Inlandsmarkt vermarktete Erzeugnisse vorsieht und weder dem Inlandsmarkt, noch den inländischen Transportunternehmen oder den inländischen Erzeugnissen einen besonderen Vorteil bietet, nicht davon ausgegangen werden, daß sie für den freien Dienstleistungsverkehr nach anderen Mitgliedstaaten Beschränkungen mit sich bringt, die aufgrund der vorgenannten Verordnung verboten wären.

Die mittelbaren Vorteile, die die Transportunternehmen der anderen Mitgliedstaaten daraus ziehen können, daß sie weniger strengen Zwängen unterliegen, sind nur die Folge des Fehlens einer Harmonisierung der nationalen Rechtsvorschriften, denen die verschiedenen Dienstleistenden in den verschiedenen Mitgliedstaaten, in denen sie niedergelassen sind, unterliegen.

4. Es verstösst nicht gegen die Artikel 3 Buchstabe f, 7, 30, 48, 52, 59, 62, 84 und 130r EWG-Vertrag sowie die Verordnung Nr. 4055/86 zur Anwendung des Grundsatzes des freien Dienstleistungsverkehrs auf die Seeschiffahrt zwischen Mitgliedstaaten sowie zwischen Mitgliedstaaten und Drittländern, wenn die Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats allen Schiffen ohne Unterscheidung nach der Flagge die Einleitung schädlicher chemischer Stoffe in die Hoheits- und Binnengewässer dieses Mitgliedstaats verbieten, das gleiche Verbot auf hoher See nur den unter nationaler Flagge fahrenden Schiffe auferlegen und schließlich für den Fall der Zuwiderhandlung die Schiffskapitäne, die Angehörige dieses Mitgliedstaats sind, damit bestrafen, daß ihnen zeitweilig die Berufsausübung untersagt wird.


URTEIL DES GERICHTSHOFES VOM 14. JULI 1994. - STRAFVERFAHREN GEGEN MATTEO PERALTA. - ERSUCHEN UM VORABENTSCHEIDUNG: PRETURA CIRCONDARIALE DI RAVENNA - ITALIEN. - ARTIKEL 3 BUCHSTABE F, 7, 30, 48, 52, 59, 62, 84 UND 130R EWG-VERTRAG. - RECHTSSACHE C-379/92.

Entscheidungsgründe:

1 Der Pretore von Ravenna hat mit Beschluß vom 24. September 1992, beim Gerichtshof eingegangen am 19. Oktober 1992, gemäß Artikel 177 EWG-Vertrag sechs Fragen nach der Auslegung der Artikel 3 Buchstabe f, 7, 30, 48, 52, 59, 62, 84 und 130r EWG-Vertrag zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2 Diese Fragen stellen sich in einem von den italienischen Behörden wegen Verstosses gegen das Gesetz Nr. 979 vom 31. Dezember 1982 über den Schutz des Meeres (GURI Nr. 16 vom 18. Januar 1983, Supplemento ordinario, S. 5) eingeleiteten Strafverfahren gegen Matteo Peralta.

3 In Artikel 16 dieses Gesetzes heisst es:

"Im Bereich der Hoheitsgewässer und der Binnenmeeresgewässer einschließlich der Häfen ist es allen Schiffen ohne Unterscheidung nach ihrer Nationalität verboten, Kohlenwasserstoffe oder Kohlenwasserstoffgemische und die anderen für die Meeresumwelt schädlichen Stoffe, die in Anlage 'A' dieses Gesetzes aufgeführt sind, ins Meer einzuleiten oder ihre Einleitung zu veranlassen.

Ebenso ist es Schiffen, die die italienische Flagge führen, auch ausserhalb der Hoheitsgewässer verboten, die im vorstehenden Absatz genannten Stoffe abzulassen."

4 Verstösse gegen diese Vorschriften werden nach Maßgabe des Artikels 20 desselben Gesetzes mit einer Geldstrafe von 500 000 LIT bis 10 Mio. LIT und mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren geahndet. Diese strafrechtlichen Sanktionen werden durch berufliche Sanktionen ergänzt. Besitzt der Kapitän des Schiffes die italienische Staatsangehörigkeit, so wird ihm für bis zu zwei Jahren die Berufsausübung untersagt. Schiffskapitänen mit anderer Staatsangehörigkeit wird für eine vom Minister der Handelsmarine zu bestimmende Zeit das Anlegen in italienischen Häfen verboten.

5 Aus den Akten der Rechtssache ergibt sich, daß Herr Peralta, der die italienische Staatsangehörigkeit besitzt, Kapitän eines unter italienischer Flagge fahrenden Tankschiffes ist, das für den Transport von chemischen Stoffen besonders ausgerüstet ist. Reeder des Schiffes ist eine Gesellschaft italienischen Rechts.

6 Es steht fest, daß Herr Peralta im ersten Quartal 1990 wiederholt die Anweisung gab, Wasser, das für die Reinigung der zuvor mit Natronlauge gefuellten Tanks verwendet worden war, ins Meer einzuleiten, während sich das Schiff ausserhalb der italienischen Hoheitsgewässer (in den meisten Fällen in einer Zone zwischen 12 und 24 Meilen von den italienischen Basislinien) befand. Natronlauge ist aber einer der in Anhang A des genannten Gesetzes vom 31. Dezember 1982 aufgeführten schädlichen Stoffe.

7 Der Pretore von Ravenna, bei dem die Berufung gegen das Strafurteil, das gegen Herrn Peralta erging, anhängig ist, hat das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1) Stellen die Artikel 16 und 20 des Gesetzes Nr. 979/82 Beschränkungen im Sinne der Artikel 7, 48, 52 und 59 EWG-Vertrag dar, und sind sie als solche gemäß Artikel 62 EWG-Vertrag verboten, weil sie nicht aus objektiven Gründen des Schutzes der öffentlichen Interessen des betreffenden Staates gerechtfertigt sind?

2) Ist beim gegenwärtigen Stand des Gemeinschaftsrechts eine nationale Regelung der fraglichen Art mit den in der Frage 1 genannten gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften vereinbar, wenn sie aufgrund der Staatsangehörigkeit eine ° auch strafbewehrte ° Behandlung vorschreibt, die für die anderen der Gemeinschaftsrechtsordnung unterstehenden Personen bei gleichem Verhalten nicht vorgesehen ist? Ist eine solche Strafregelung, die unter anderem für den Kapitän des Schiffes als automatische und zwingende Nebenstrafe die zeitweilige Aussetzung der Ausübung seiner Berufstätigkeit und Arbeit vorschreibt, mit dem in der Gemeinschaftsrechtsordnung garantierten Verhältnismässigkeitsgrundsatz vereinbar?

3) Darf beim gegenwärtigen Stand des Gemeinschaftsrechts der sogenannte "Strafvorbehalt" der Staaten Auswirkungen auf die vom EWG-Vertrag garantierten Grundfreiheiten wie die des freien Waren- und Personenverkehrs haben, und behindern insbesondere die Artikel 16 und 20 des Gesetzes Nr. 979/82 die Ausübung dieser Freiheiten?

4) Stehen die in der Gemeinschaftsrechtsordnung aufgestellten Grundsätze des Umweltschutzes, insbesondere der in den Artikeln 130r ff. EWG-Vertrag verankerte Grundsatz der Vorbeugung, der Regelung eines Mitgliedstaats entgegen, die den nationalen Schiffen ein absolutes Verbot, Kohlenwasserstoffe und schädliche Stoffe in exterritoriale Meeresgewässer abzulassen, auferlegt und damit diese Schiffe praktisch verpflichtet, ein anderes Beseitigungssystem zu benutzen, das in jeder Hinsicht ineffizient ist und jedenfalls im Widerspruch zu den Verpflichtungen steht, die dieser Staat auf internationaler Ebene eingegangen ist und die Gegenstand von Gemeinschaftsmaßnahmen zu ihrer Erfuellung sind?

5) Stehen die Grundsätze des Gemeinschaftsrechts, die garantieren sollen, daß sich zwischen Personen der Gemeinschaft, die auf Meer und Häfen bezogene Dienstleistungen erbringen, ein freier, fairer Wettbewerb ohne künstliche Verzerrungen entwickelt und daß die Nachfrage nach Dienstleistungen unter möglichst geringer Schädigung der Umwelt befriedigt wird, insbesondere die Artikel 3 Buchstabe f und 84 EWG-Vertrag, einer nationalen Regelung wie derjenigen der Artikel 16 (17) und 20 des Gesetzes Nr. 979/82 entgegen, die nur den unter nationaler Flagge fahrenden Schiffen ein absolutes Verbot auferlegt, zur Reinigung von Tanks verwendete Flüssigkeiten in exterritoriale Meeresgewässer abzulassen, auch wenn diese Schiffe mit den teuersten Entgiftungsanlagen, die durch auf Gemeinschaftsebene ratifizierte internationale Übereinkommen vorgeschrieben sind, ausgestattet sind, was zu Verzerrungen des Wettbewerbs zwischen den Seehäfen und den Schiffahrtsgesellschaften der Gemeinschaft führt?

6) Ist Artikel 30 EWG-Vertrag mit der Regelung eines Mitgliedstaats vereinbar, die nur den nationalen Schiffen, selbst wenn sie mit den teuersten Technologien, die in den einschlägigen Übereinkommen vorgeschrieben sind, ausgestattet sind, ein absolutes Verbot, Kohlenwasserstoffe und schädliche Stoffe in exterritoriale Meeresgewässer abzulassen, auferlegt und damit diese Schiffe verpflichtet, sich besonderer Technologien zu bedienen und ein anderes Beseitigungssystem zu benutzen, das ineffizient und unwirtschaftlich ist sowie jedenfalls im Widerspruch zu den Verpflichtungen steht, die dieser Staat auf internationaler Ebene eingegangen ist und die Gegenstand von Gemeinschaftsmaßnahmen zu ihrer Erfuellung sind?

Sind insbesondere die fraglichen strafrechtlichen Sanktionen und die wirtschaftlichen Belastungen, die nur die nationale Flotte in offensichtlich diskriminierender und völlig vernunftwidriger Weise treffen, Maßnahmen gleicher Wirkung wie mengenmässige Einfuhrbeschränkungen? Diese Belastungen verursachen nämlich zusätzliche Kosten mit Auswirkungen auf den Preis der beförderten Waren sowie auf die Einfuhren.

8 Die Vorabentscheidungsfragen betreffen die Bestimmungen, die für das Einleiten von Kohlenwasserstoffen und anderen schädlichen Stoffen als Kohlenwasserstoffen ins Meer gelten. Es steht jedoch fest, daß es im Ausgangsverfahren nur um das Einleiten von natronlaugehaltigem Reinigungswasser ins Meer geht. Folglich ist der Umfang der vorgelegten Fragen auf das Einleiten von anderen schädlichen Stoffen als Kohlenwasserstoffen ins Meer zu beschränken.

9 Aus den gesamten Akten ergibt sich, daß das vorlegende Gericht den Gerichtshof im wesentlichen danach fragt, ob das Gemeinschaftsrecht einer Regelung wie der italienischen insoweit entgegensteht, als diese die Tätigkeit inländischer Seeschiffahrtsunternehmen wie desjenigen, das Herrn Peralta beschäftigt, behindert. Eine derartige Regelung könnte insbesondere bewirken, daß die Reinigung der Tankschiffe, die unter Einhaltung der einschlägigen internationalen Übereinkommen, denen Italien beigetreten ist, auf See hätte erfolgen können, sich verzögert oder schwieriger oder kostspieliger wird als für Schiffe der anderen Mitgliedstaaten.

10 In seinen Fragen erwähnt das vorlegende Gericht verschiedene Aspekte dieser Behinderung, und es geht auf die Vorwürfe ein, die gegen die italienische Regelung erhoben werden könnten:

° Nichtbeachtung von "auf Gemeinschaftsebene ratifizierten internationalen Übereinkommen";

° Verstoß gegen Artikel 7 EWG-Vertrag wegen Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit;

° Einführung von gegen die Artikel 3 Buchstabe f, 30, 48, 52, 59 und 62 EWG-Vertrag sowie insbesondere gegen den Grundsatz des freien Dienstleistungsverkehrs in der Seeschiffahrt verstossenden Beschränkungen durch die italienische Regelung;

° Verstoß gegen Artikel 130r EWG-Vertrag.

Zum Gemeinschaftsrecht, das zur Zeit der im Ausgangsverfahren beanstandeten Handlungen anwendbar war

11 Im Ausgangsverfahren geht es um die Anwendung einer italienischen Regelung, die die Schiffe und die Seeschiffahrt betrifft. Im Zweiten Teil des EWG-Vertrages ist dem Verkehr ein besonderer Titel, Titel IV, gewidmet.

12 In diesem Titel IV bestimmt Artikel 84 Absatz 2, daß der Rat darüber entscheiden kann, ob geeignete Vorschriften für die Seeschiffahrt zu erlassen sind. Nach Artikel 61 EWG-Vertrag betreffen diese besonderen Vorschriften insbesondere den "freien Dienstleistungsverkehr".

13 Auf der Grundlage von Artikel 84 Absatz 2 erließ der Rat die Verordnung (EWG) Nr. 4055/86 vom 22. Dezember 1986 zur Anwendung des Grundsatzes des freien Dienstleistungsverkehrs auf die Seeschiffahrt zwischen Mitgliedstaaten sowie zwischen Mitgliedstaaten und Drittländern (ABl. L 378, S. 1). Diese Verordnung trat am 1. Januar 1987 in Kraft. Sie war somit zur Zeit der streitigen Ereignisse anwendbar.

14 Die Vorschriften dieses Artikels 84 schließen jedoch die Anwendbarkeit des Vertrages auf den Verkehr nicht aus, und die Seeschiffahrt unterliegt aus den gleichen Gründen wie die übrigen Verkehrsarten den allgemeinen Vertragsvorschriften (vgl. Urteil vom 4. April 1974 in der Rechtssache 167/73, Kommission/Frankreich, Slg. 1974, 359, Randnrn. 31 und 32).

Zur Einhaltung der internationalen Übereinkommen über das Einleiten schädlicher Stoffe ins Meer

15 Obwohl dies im Vorlagebeschluß nicht klargestellt wird, ergibt sich aus den Verfahrensakten, daß das vorlegende Gericht den Gerichtshof nach der Vereinbarkeit der italienischen Regelung mit dem Internationalen Übereinkommen zur Verhütung der Meeresverschmutzung durch Schiffe, dem sogenannten "Marpol-Übereinkommen" (Recüil des traités des Nations unies, Bd. 1341, Nr. 22484), fragt. Das Gericht geht offenbar davon aus, daß dieses Übereinkommen in der Gemeinschaftsrechtsordnung Wirkungen entfaltet.

16 Soweit der Gerichtshof zur Vereinbarkeit der italienischen Regelung mit dem Marpol-Übereinkommen befragt wird, genügt die Feststellung, daß die Gemeinschaft nicht Vertragspartei dieses Übereinkommens ist. Ausserdem hat die Gemeinschaft nicht aufgrund des EWG-Vertrages die früher von den Mitgliedstaaten im Anwendungsbereich dieses Übereinkommens ausgeuebten Befugnisse übernommen, so daß sie nicht an die Bestimmungen dieses Übereinkommens gebunden ist (vgl. Urteil vom 12. Dezember 1972 in den Rechtssachen 21/72, 22/72, 23/72 und 24/72, International Fruit Company u. a., Slg. 1972, 1219, Randnr. 18).

17 Es ist daher nicht Sache des Gerichtshofes, über die Vereinbarkeit einer von einem Mitgliedstaat erlassenen nationalen Vorschrift mit einem Übereinkommen wie dem Marpol-Übereinkommen zu entscheiden.

Zu Artikel 7 EWG-Vertrag

18 Es ist daran zu erinnern, daß Artikel 7 EWG-Vertrag (Artikel 6 EG-Vertrag), in dem das Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit als allgemeiner Grundsatz niedergelegt ist, autonom nur auf durch das Gemeinschaftsrecht geregelte Situationen angewendet werden kann, für die der Vertrag keine besonderen Diskriminierungsverbote vorsieht (vgl. Urteil vom 10. Dezember 1991 in der Rechtssache C-179/90, Merci convenzionali porto di Genova, Slg. 1991, I-5889, Randnr. 11). Daher ist die Frage, ob eine Regelung, wie sie im Ausgangsverfahren in Rede steht, mit dem EWG-Vertrag vereinbar ist, im Hinblick auf die besonderen Vorschriften zu prüfen, die diesen Grundsatz konkretisieren.

Zu Artikel 3 Buchstabe f EWG-Vertrag

19 Das vorlegende Gericht fragt sich, ob nicht die gemeinschaftsrechtlichen Grundsätze, die einen unverfälschten Wettbewerb gewährleisten sollen, einer nationalen Regelung wie der streitigen italienischen Regelung entgegenstehen. Das Gericht ist der Auffassung, diese Regelung führe zu Wettbewerbsverzerrungen zwischen den Häfen und den Reedern der Gemeinschaft.

20 Die Wettbewerbsregeln des EWG-Vertrages, insbesondere die Artikel 85 bis 90, sind im Verkehrssektor anwendbar (vgl. Urteile vom 30. April 1986 in den Rechtssachen 209/84, 210/84, 211/84, 212/84 und 213/84, Asjes u. a., Slg. 1986, 1425, Randnr. 45, und vom 17. November 1993 in der Rechtssache C-185/91, Reiff, Slg. 1993, I-5801, Randnr. 12). Dies gilt u. a. auch für den Bereich des Seeverkehrs (siehe insbesondere Verordnung [EWG] Nr. 4056/86 des Rates vom 22. Dezember 1986 über die Einzelheiten der Anwendung der Artikel 85 und 86 des Vertrages auf den Seeverkehr, ABl. L 378, S. 4).

21 Im Hinblick auf die Auslegung der Artikel 3 Buchstabe f, 5 Absatz 2 und 85 EWG-Vertrag ist darauf hinzuweisen, daß Artikel 85 an sich nur das Verhalten von Unternehmen und nicht durch Gesetz oder Verordnung getroffene Maßnahmen der Mitgliedstaaten betrifft. Nach ständiger Rechtsprechung dürfen die Mitgliedstaaten jedoch aufgrund von Artikel 85 in Verbindung mit Artikel 5 EWG-Vertrag keine Maßnahmen, auch nicht in Form von Gesetzen oder Verordnungen, treffen oder beibehalten, die die praktische Wirksamkeit der für die Unternehmen geltenden Wettbewerbsregeln aufheben könnten. Nach der Rechtsprechung ist ein solcher Fall dann gegeben, wenn ein Mitgliedstaat gegen Artikel 85 verstossende Kartellabsprachen vorschreibt, erleichtert oder deren Auswirkungen verstärkt oder wenn er seiner eigenen Regelung dadurch ihren staatlichen Charakter nimmt, daß er die Verantwortung für den Erlaß von in die Wirtschaft eingreifenden Entscheidungen privaten Wirtschaftsteilnehmern überträgt (vgl. Urteile vom 21. September 1988 in der Rechtssache 267/86, Van Eycke, Slg. 1988, 4769, Randnr. 16, und vom 17. November 1993 in der Rechtssache C-2/91, Meng, Slg. 1993, I-5751, Randnr. 14).

22 Diese Vorschriften können aber nicht einer Regelung wie der italienischen entgegengehalten werden. Diese Regelung schreibt wettbewerbswidrige Verhaltensweisen weder vor, noch erleichtert sie sie, da das in ihr ausgesprochene Verbot für sich allein wirksam ist. Sie verstärkt auch nicht die Auswirkungen einer bestehenden Kartellabsprache (vgl. Urteil Meng, a. a. O., Randnrn. 15 und 19).

Zu Artikel 30 EWG-Vertrag

23 Das vorlegende Gericht fragt sich, ob die italienische Regelung mit Artikel 30 vereinbar ist, soweit sie italienischen Schiffen kostspielige Ausrüstungen vorschreibt. Es erwägt, ob dies nicht zu einer Verteuerung der Einfuhren chemischer Erzeugnisse nach Italien und damit zu einer nach diesem Artikel verbotenen Behinderung führe.

24 Insoweit genügt die Feststellung, daß eine Regelung wie die in Rede stehende nicht nach dem Ursprung der transportierten Stoffe unterscheidet, daß sie nicht den Warenhandel mit den anderen Mitgliedstaaten regeln soll und daß die beschränkenden Wirkungen, die sie für den freien Warenverkehr haben könnte, zu ungewiß und zu mittelbar sind, als daß die in ihr aufgestellte Verpflichtung als geeignet angesehen werden könnte, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu behindern (vgl. Urteile vom 7. März 1990 in der Rechtssache C-69/88, Krantz, Slg. I-583, Randnr. 11, und vom 13. Oktober 1993 in der Rechtssache C-93/92, CMC Motorradcenter, Slg. 1993, I-5009, Randnr. 12).

25 Artikel 30 steht somit einer Regelung wie der streitigen nationalen Regelung nicht entgegen.

Zu Artikel 48 EWG-Vertrag

26 Das vorlegende Gericht fragt sich, ob ein System von Sanktionen wie das in der streitigen italienischen Regelung festgelegte mit Artikel 48 vereinbar ist, das, indem es den italienischen Kapitänen, die gegen das Verbot des Einleitens schädlicher Stoffe ins Meer verstossen, zeitweilig die Berufsausübung untersagt, diese Kapitäne strenger bestraft als Kapitäne mit anderer Staatsangehörigkeit.

27 Nach ständiger Rechtsprechung können die Vertragsbestimmungen über die Freizuegigkeit der Arbeitnehmer nicht auf eine Situation angewandt werden, die einen Mitgliedstaat rein intern betrifft. Insbesondere kann die blosse Tatsache, daß nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats die Situation eines ausländischen Arbeitnehmers günstiger wäre als die eines Angehörigen dieses Mitgliedstaats nicht dazu führen, daß auf diesen Inländer die Gemeinschaftsvorschriften über die Freizuegigkeit der Arbeitnehmer anzuwenden sind, wenn sich alles, was seine Situation kennzeichnet, nur innerhalb des Mitgliedstaats, dem er angehört, abspielt (vgl. Urteile vom 15. Januar 1986 in der Rechtssache 44/84, Hurd, Slg. 1986, 29, Randnrn. 55 und 56, und vom 28. Januar 1992 in der Rechtssache C-332/90, Steen, Slg. 1992, I-341, Randnrn. 5, 9 und 10).

28 Nach den zu den Akten gereichten Unterlagen besitzt Herr Peralta die italienische Staatsangehörigkeit, ist bei einer italienischen Reederei beschäftigt und führt das Kommando über ein unter italienischer Flagge fahrendes Schiff. Er befindet sich somit in einer rein internen Situation und kann sich nicht auf Artikel 48 berufen.

29 Daraus folgt, daß Artikel 48 einer Regelung wie der italienischen nicht entgegensteht, nach der den italienischen Kapitänen, die gegen das in ihr enthaltene Verbot verstossen haben, zeitweilig die Ausübung ihres Berufs untersagt wird.

Zu Artikel 52 EWG-Vertrag

30 Der Vorlagebeschluß lässt nicht erkennen, weshalb das vorlegende Gericht die Frage nach dem Verhältnis des streitigen Gesetzes zu Artikel 52 EWG-Vertrag aufwirft. Mangels einer Begründung ist darauf hinzuweisen, daß dieses Gesetz nach Ansicht des Herrn Peralta den italienischen Seeschiffahrtsunternehmen, die unter italienischer Flagge fahrende Schiffe betreiben, die Möglichkeit nimmt, sich in einem anderen Mitgliedstaat niederzulassen, und sie zur Kabotage in den italienischen Hoheitsgewässern zwingt. Ihre Schiffe könnten nämlich in den Häfen der anderen Mitgliedstaaten nicht die Einrichtungen zur Behandlung der Reinigungswässer vorfinden, die zur Durchführung der italienischen Rechtsvorschriften erforderlich seien.

31 Zwar sollen die Vertragsbestimmungen, die die Niederlassungsfreiheit gewährleisten, nach ihrem Wortlaut insbesondere die Inländerbehandlung im Aufnahmemitgliedstaat sicherstellen, sie verbieten es aber auch dem Herkunftsstaat, daß er die Niederlassung eines seiner Staatsangehörigen oder einer nach seinem Recht gegründeten Gesellschaft, die im übrigen der Definition des Artikels 58 entspricht, in einem anderen Mitgliedstaat behindert. Die durch Artikel 52 ff. garantierten Rechte wären nämlich ihrer Substanz beraubt, wenn der Herkunftsstaat den Unternehmen verbieten könnte, auszuwandern, um sich in einem anderen Mitgliedstaat niederzulassen (vgl. Urteil vom 27. September 1988 in der Rechtssache 81/87, Daily Mail and General Trust, Slg. 1988, 5483, Randnr. 16).

32 Eine Regelung wie die italienische enthält jedoch keine Bestimmung, die der Niederlassung der italienischen Transportunternehmer in einem anderen Mitgliedstaat als Italien entgegenstehen könnte.

33 Ausserdem ist daran zu erinnern, daß nach dem Urteil vom 25. Juli 1991 in der Rechtssache C-221/89 (Factortame u. a., Slg. 1991, I-3905, Randnr. 23) die Voraussetzungen für die Registrierung von Schiffen der Niederlassungsfreiheit nicht entgegenstehen dürfen. Eine Regelung wie die in Rede stehende betrifft aber nicht die Registrierung von Schiffen.

34 Sicher kann ein Mitgliedstaat, sofern es keine Harmonisierung auf Gemeinschaftsebene gibt, Seeschiffahrtsunternehmen, die ° wie das Unternehmen, das Herrn Peralta beschäftigt ° in seinem Hoheitsgebiet niedergelassen sind und unter seiner Flagge fahrende Schiffe betreiben, unmittelbar oder mittelbar technische Regeln vorschreiben, die nur für ihn gelten und in den anderen Mitgliedstaaten nicht zwangsläufig zu finden sind. Die Schwierigkeiten, die sich daraus für diese Unternehmen ergeben können, beeinträchtigen aber nicht die Niederlassungsfreiheit im Sinne von Artikel 52 EWG-Vertrag. Diese Schwierigkeiten wären nämlich grundsätzlich nicht anderer Art als diejenigen, die auf Unterschiede zwischen den nationalen Rechtsvorschriften, z. B. in den Lohnkosten, den Sozialabgaben oder dem Steuersystem, zurückzuführen sind.

35 Artikel 52 steht daher einer Regelung wie der italienischen nicht entgegen.

Zu Artikel 59 EWG-Vertrag

36 Das vorlegende Gericht befragt den Gerichtshof zu einer Situation, in der sich ein italienischer Kapitän, der von einem Dienstleistenden, der die italienische Staatsangehörigkeit besitzt, mit der Führung eines unter italienischer Flagge fahrenden Schiffes beauftragt wurde, darauf beruft, daß Italien, d. h. der Niederlassungsmitgliedstaat des Dienstleistenden, gegen den Grundsatz des freien Dienstleistungsverkehrs in der Seeschiffahrt verstosse.

Zur Möglichkeit der Berufung auf den Grundsatz des freien Dienstleistungsverkehrs in der Seeschiffahrt

37 Wie der Gerichtshof in Randnummer 13 dieses Urteils festgestellt hat, war die Verordnung Nr. 4055/86 zur Zeit der streitigen Ereignisse anwendbar.

38 Artikel 1 Absatz 1 dieser Verordnung lautet:

"Der Grundsatz des freien Dienstleistungsverkehrs in der Seeschiffahrt zwischen Mitgliedstaaten sowie zwischen Mitgliedstaaten und Drittländern gilt für Staatsangehörige der Mitgliedstaaten mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat als dem des Dienstleistungsnehmers."

39 Zum einen folgt schon aus dem Wortlaut dieses Artikels, daß er auf die Seeschiffahrt zwischen Mitgliedstaaten, wie sie im Ausgangsverfahren in Rede steht, anwendbar ist. Er definiert diejenigen, denen der Grundsatz des freien Dienstleistungsverkehrs in der Seeschiffahrt zugute kommt, im wesentlichen mit den gleichen Worten wie Artikel 59 EWG-Vertrag.

40 Zum anderen hat der Gerichtshof im Urteil vom 17. Mai 1994 in der Rechtssache C-18/93 (Corsica Ferries Italia, Slg. 1994, I-0000, Randnr. 30) entschieden, daß sich ein Unternehmen gegenüber dem Staat, in dem es ansässig ist, auf den freien Dienstleistungsverkehr in der Seeschiffahrt zwischen Mitgliedstaaten berufen kann, sofern die Leistungen Dienstleistungsnehmern erbracht werden, die in einem anderen Mitgliedstaat ansässig sind.

41 Ausserdem ist darauf hinzuweisen, daß der Gerichtshof entschieden hat, daß Artikel 59 EWG-Vertrag bezweckte, die Beschränkungen der freien Dienstleistung solcher Personen zu beseitigen, die nicht in dem Staat niedergelassen sind, in dessen Gebiet die Dienstleistung erbracht werden soll, und daß Artikel 59 demgemäß immer dann eingreift, wenn ein Leistungserbringer Dienstleistungen in einem anderen Mitgliedstaat als demjenigen anbietet, in dem er niedergelassen ist (vgl. Urteil vom 26. Februar 1991 in der Rechtssache C-154/89, Kommission/Frankreich, Slg. 1991, I-659, Randnrn. 9 und 10).

42 Unter diesen Umständen kann sich Herr Peralta gegenüber Italien auf einen angeblichen Verstoß gegen den gemeinschaftsrechtlich anerkannten Grundsatz des freien Dienstleistungsverkehrs in der Seeschiffahrt berufen, da mit dem von ihm geführten Schiff Lieferungen in andere Mitgliedstaaten durchgeführt werden.

Zum Vorliegen einer Diskriminierung zwischen Schiffen aus Gründen der Flagge

43 Nach Artikel 9 der Verordnung Nr. 4055/86, der den Grundsatz des Artikels 7 EWG-Vertrag aufgreift, besteht die Mindestanforderung, die an eine Regelung wie die zu stellen ist, um die es im Ausgangsverfahren geht, darin, daß unter den Dienstleistenden in der Seeschiffahrt nicht nach der Staatszugehörigkeit diskriminiert wird.

44 In diesem Punkt entspricht eine derartige Regelung dem Erfordernis der Nichtdiskriminierung in bezug auf das System für die Schiffe, die sich in den italienischen Hoheits- und Binnengewässern befinden. Alle Schiffe unterliegen ungeachtet ihrer Flagge und der Staatszugehörigkeit der sie betreibenden Unternehmen dem Verbot, schädliche Stoffe einzuleiten.

45 Ausserhalb der Hoheitsgewässer unterscheidet die italienische Regelung zwischen ausländischen Schiffen und unter nationaler Flagge fahrenden Schiffen, die allein dem Verbot der Einleitung schädlicher Stoffe unterliegen.

46 Aus den Antworten der italienischen Regierung und der Kommission auf eine Frage des Gerichtshofes ergibt sich, daß Italien im Mittelmeer keine ausschließliche Wirtschaftszone errichtet hat. Daher kann Italien nach den Regeln des Völkerrechts seine Hoheitsgewalt ausserhalb der Hoheitsgewässer nur auf den Schiffen ausüben, die unter seiner Flagge fahren.

47 Folglich stellt die durch eine Regelung wie die streitige vorgenommene unterschiedliche Behandlung von Schiffen, die unter italienischer Flagge fahren, und Schiffen, die nicht unter italienischer Flagge fahren, zum alleinigen Nachteil der italienischen Schiffe keine nach dem EWG-Vertrag verbotene Diskriminierung dar, da die italienische Regelung auf hoher See nicht für Schiffe gelten kann, die nicht unter italienischer Flagge fahren. Die Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats können nicht deshalb beanstandet werden, weil sie nur die Schiffe erfassen, auf denen dieser Staat berechtigt ist, seine Befugnisse jenseits der territorialen Grenzen seiner Hoheitsgewalt auszuüben.

48 Ausserdem kann, wie der Gerichtshof im Urteil vom 14. Juli 1981 in der Rechtssache 155/80 (Öbel, Slg. 1981, 1993, Randnr. 9) ausgeführt hat, die Anwendung nationaler Rechtsvorschriften nicht allein deshalb als Verstoß gegen den Grundsatz der Nichtdiskriminierung angesehen werden, weil andere Mitgliedstaaten weniger strenge Vorschriften anwenden (vgl. auch Urteil vom 13. Februar 1969 in der Rechtssache 14/68, Wilhelm u. a., Slg. 1969, 1, Randnr. 13).

Zum Vorliegen von Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs in der Seeschiffahrt

49 Das vorlegende Gericht erwähnt Beschränkungen, die sich aus der italienischen Regelung für den freien Dienstleistungsverkehr im Seeverkehr nach anderen Mitgliedstaaten auch dann ergäben, wenn diese Regelung nicht als diskriminierend anzusehen sei.

50 Es ist darauf hinzuweisen, daß die Behinderung der Ausfuhr, auf die sich Herr Peralta beruft, nicht aus dem Recht eines Mitgliedstaats folgt, in dessen Hoheitsgebiet eine Transportdienstleistung erbracht wird, sondern aus dem Recht des Mitgliedstaats, in dem das Unternehmen das Schiff, das der Betreffende führt, hat registrieren lassen und in dem es niedergelassen ist, also in Italien. Die Situation dieses Unternehmens gegenüber seinem eigenen Niederlassungsmitgliedstaat kann somit nicht mit der eines Seeschiffahrtsunternehmens mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat als Italien gleichgesetzt werden, das vorübergehend in diesem letztgenannten Staat tätig ist und deshalb gleichzeitig die Vorschriften des Rechts des Mitgliedstaats, dessen Flagge sein Schiff führt, als auch die des italienischen Rechts beachten muß.

51 Eine Regelung wie die italienische, die das Einleiten schädlicher chemischer Stoffe ins Meer verbietet, gilt aber objektiv für alle Schiffe, ohne daß danach unterschieden wird, ob sie Transporte innerhalb Italiens oder Transporte nach anderen Mitgliedstaaten durchführen. Sie sieht keine unterschiedliche Dienstleistung für ausgeführte Erzeugnisse und für in Italien vermarktete Erzeugnisse vor. Sie verschafft dem italienischen Binnenmarkt, den italienischen Transportunternehmen oder den italienischen Erzeugnissen keinen besonderen Vorteil.

52 Herr Peralta beschwert sich vielmehr über die mittelbaren Vorteile, die den Transportunternehmen der anderen Mitgliedstaaten zugute kämen, die dem Verbot des Einleitens von Natronlaugerückständen ins Meer nicht in gleicher Weise unterlägen. Bei Fehlen einer Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten in diesem Bereich sind diese Beschränkungen jedoch nur die Folge der nationalen Regelung des Niederlassungslandes, der der Wirtschaftsteilnehmer weiterhin unterliegt.

53 Aus dem Vorstehenden folgt, daß die Verordnung Nr. 4055/86 den Vorschriften einer Regelung wie der italienischen über die Einleitung schädlicher Stoffe ins Meer durch die Handelsflotte nicht entgegensteht.

54 Folglich nötigt der Hinweis des vorlegenden Gerichts auf Artikel 62, auf den Artikel 1 Absatz 3 der Verordnung verweist, nicht zu einer anderen Antwort. Artikel 62, der eine Ergänzung des Artikels 59 darstellt, kann nämlich keine Beschränkungen verbieten, die nicht in den Geltungsbereich des Artikels 59 fallen (vgl. Urteil vom 4. Oktober 1991 in der Rechtssache C-159/90, Society for the Protection of Unborn Children Ireland, Slg. 1991, I-4685, Randnr. 29).

Zu Artikel 130r EWG-Vertrag

55 Das vorlegende Gericht fragt sich schließlich, ob die Artikel 130r ff. einer Regelung wie der streitigen italienischen Regelung entgegenstehen, die bewirke, daß von den italienischen Schiffen verlangt werde, daß sie ein anderes System zur Abwasserbehandlung benutzten, das nach Ansicht des vorlegenden Gerichts ineffizient ist und im Widerspruch zu den Verpflichtungen steht, die Italien auf internationaler Ebene eingegangen ist.

56 Hierzu ist zum einen daran zu erinnern, daß es, wie der Gerichtshof oben in Randnummer 17 festgestellt hat, nicht Sache des Gerichtshofes ist, über die Vereinbarkeit einer von einem Mitgliedstaat erlassenen nationalen Vorschrift mit einem Übereinkommen wie dem Marpol-Übereinkommen zu entscheiden. Es ist auch nicht Sache des Gerichtshofes, Artikel 130r im Hinblick auf ein internationales Übereinkommen auszulegen, das die Gemeinschaft nicht bindet und dem im übrigen nicht alle Mitgliedstaaten beigetreten sind.

57 Zum anderen beschränkt sich Artikel 130r darauf, die allgemeinen Ziele der Gemeinschaft im Umweltbereich festzulegen. Gemäß Artikel 130s ist der Rat damit betraut, über das Tätigwerden zu beschließen. Überdies bestimmt Artikel 130t, daß die Schutzmaßnahmen, die gemeinsam aufgrund des Artikels 130s getroffen werden, die einzelnen Mitgliedstaaten nicht daran hindern, verstärkte Schutzmaßnahmen beizubehalten oder zu ergreifen, die mit dem Vertrag vereinbar sind.

58 Artikel 130r steht daher einer Regelung, wie sie im Ausgangsverfahren in Rede steht, nicht entgegen.

59 Daher ist dem vorlegenden Gericht zu antworten, daß es nicht gegen die Artikel 3 Buchstabe f, 7, 30, 48, 52, 59, 62, 84 und 130r EWG-Vertrag sowie die Verordnung Nr. 4055/86 verstösst, wenn die Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats allen Schiffen ohne Unterscheidung nach der Flagge die Einleitung schädlicher chemischer Stoffe in die Hoheits- und Binnengewässer dieses Mitgliedstaats verbieten, das gleiche Verbot auf hoher See nur den unter nationaler Flagge fahrenden Schiffen auferlegen und schließlich für den Fall der Zuwiderhandlung die Schiffskapitäne, die Angehörige dieses Mitgliedstaats sind, damit bestrafen, daß ihnen zeitweilig die Berufsausübung untersagt wird.

Kostenentscheidung:

Kosten

60 Die Auslagen der italienischen Regierung und der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, die vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

auf die ihm vom Pretore von Ravenna mit Beschluß vom 24. September 1992 vorgelegten Fragen für Recht erkannt:

Es verstösst nicht gegen die Artikel 3 Buchstabe f, 7, 30, 48, 52, 59, 62, 84 und 130r EWG-Vertrag sowie die Verordnung (EWG) Nr. 4055/86 des Rates vom 22. Dezember 1986 zur Anwendung des Grundsatzes des freien Dienstleistungsverkehrs auf die Seeschiffahrt zwischen Mitgliedstaaten sowie zwischen Mitgliedstaaten und Drittländern, wenn die Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats allen Schiffen ohne Unterscheidung nach der Flagge die Einleitung schädlicher chemischer Stoffe in die Hoheits- und Binnengewässer dieses Mitgliedstaats verbieten, das gleiche Verbot auf hoher See nur den unter nationaler Flagge fahrenden Schiffe auferlegen und schließlich für den Fall der Zuwiderhandlung die Schiffskapitäne, die Angehörige dieses Mitgliedstaats sind, damit bestrafen, daß ihnen zeitweilig die Berufsausübung untersagt wird.

Ende der Entscheidung

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