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Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 10.11.1993
Aktenzeichen: C-39/92
Rechtsgebiete: Verordnung Nr. 1984/83/EWG, EWG-Vertrag
Vorschriften:
Verordnung Nr. 1984/83/EWG Art. 10 | |
EWG-Vertrag Art. 85 Abs. 1 |
Eine Vereinbarung über eine Tankstelle, die vor dem Beitritt des Königreichs Spanien und der Portugiesischen Republik auf unbestimmte Dauer oder für eine Dauer von mehr als 10 Jahren geschlossen wurde, kann nach Artikel 15 Absätze 3 und 4 der Verordnung Nr. 1984/83 über die Anwendung von Artikel 85 Absatz 3 des Vertrages auf Gruppen von Alleinbezugsvereinbarungen in den Genuß der in dieser Verordnung vorgesehenen Gruppenfreistellung kommen, wenn sie ausser der in Artikel 12 Absatz 1 Buchstabe c aufgestellten Voraussetzung der Dauer die Voraussetzungen der Verordnung erfuellt.
URTEIL DES GERICHTSHOFES (ERSTE KAMMER) VOM 10. NOVEMBER 1993. - PETROLEOS DE PORTUGAL - PETROGAL SA GEGEN CORREIA SIMOES & CO. LDA UND CORREIA SOUSA & CRISOSTOMO LDA. - ERSUCHEN UM VORABENTSCHEIDUNG: TRIBUNAL CIVEL DA COMARCA DE LISBOA - PORTUGAL. - WETTBEWERB - GRUPPENFREISTELLUNG - ALLEINBEZUGSVEREINBARUNG - DAUER DER VEREINBARUNG - NICHTIGKEIT - WIRKUNGEN. - RECHTSSACHE C-39/92.
Entscheidungsgründe:
1 Das Tribunal Cível da Comarca Lissabon hat mit Beschluß vom 22. März 1991, beim Gerichtshof eingegangen am 13. Februar 1992, gemäß Artikel 177 EWG-Vertrag eine Frage nach der Auslegung des Artikels 85 Absatz 2 EWG-Vertrag und des Artikels 12 Absatz 1 Buchstabe c der Verordnung (EWG) Nr. 1984/83 der Kommission vom 22. Juni 1983 über die Anwendung von Artikel 85 Absatz 3 des Vertrages auf Gruppen von Alleinbezugsvereinbarungen (ABl. L 173, S. 5) zur Vorabentscheidung vorgelegt.
2 Diese Frage stellt sich im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Firma Petróleos de Portugal SA ° Petrogal (Klägerin) und den Firmen Correia, Simões & Companhia, Ld.a (Wiederverkäufer) und Correia, Sousa & Crisóstomo, Ld.a (Bürge), aufgrund der einseitigen Kündigung eines am 17. Mai 1982 für eine Dauer von 15 Jahren, also bis zum 17. Mai 1997, geschlossenen Vertrages durch den Wiederverkäufer.
3 In Artikel 1 dieses Vertrages hatte sich die Klägerin verpflichtet, Kraftstoffe und Schmiermittel an den Wiederverkäufer zu liefern, der verpflichtet war, sie zu kaufen, um sie in seiner Abfuellstation weiterzuverkaufen. Der Bürge hatte gegenüber der Klägerin die selbstschuldnerische Bürgschaft für den Wiederverkäufer übernommen.
4 Der Vertrag wurde vom Wiederverkäufer am 14. Mai 1990 gekündigt. Die Klägerin verklagte ihn vor dem Tribunal Cível da Comarca Lissabon wegen Nichterfuellung seiner Verpflichtungen.
5 Das Tribunal Cível da Comarca Lissabon hat dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:
"Führt der Umstand, daß in einer Vereinbarung in bezug auf eine Abfuellstation im Sinne von Artikel 10 der Verordnung (EWG) Nr. 1984/83 vom 22. Juni 1983 entgegen Artikel 12 Absatz 1 Buchstabe c der Verordnung eine unbestimmte Dauer oder eine Dauer von mehr als zehn Jahren vorgesehen ist, nach Artikel 85 Absatz 2 EWG-Vertrag zur völligen Nichtigkeit der Vereinbarung oder kann, da die Nichtigkeit nur diesen Punkt betrifft, die Vereinbarung verkürzt und für die in der Verordnung zugelassene Hoechstdauer von zehn Jahren für gültig erklärt werden?"
6 Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts des Ausgangsverfahrens, des Verfahrensablaufs und der beim Gerichtshof eingereichten schriftlichen Erklärungen wird auf den Sitzungsbericht verwiesen. Der Akteninhalt ist im folgenden nur insoweit wiedergegeben, als die Begründung des Urteils dies erfordert.
7 Die Vorlagefrage scheint von der Annahme auszugehen, daß die Verordnung Nr. 1984/83 die Gültigkeit von Tankstellenverträgen im Hinblick auf die gemeinschaftlichen Wettbewerbsbestimmungen regele.
8 Die Verordnung Nr. 1984/83 ist aber ausschließlich eine Verordnung über Gruppenfreistellung, die von der Kommission aufgrund der Verordnung Nr. 19/65/EWG des Rates vom 2. März 1965 über die Anwendung von Artikel 85 Absatz 3 des Vertrages auf Gruppen von Vereinbarungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen (ABl. 1965, Nr. 36, S. 533), zuletzt geändert durch die Akte über die Bedingungen des Beitritts des Königreichs Spanien und der Portugiesischen Republik und die Anpassung der Verträge vom 12. Juni 1985 (ABl. L 302, S. 23; Beitrittsakte) erlassen wurde. Auch wenn eine Vereinbarung nicht alle in einer solchen Verordnung niedergelegten Voraussetzungen der Freistellung erfuellt, muß sie deshalb nicht gegen Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag verstossen. Es obliegt dann dem nationalen Gericht, zu prüfen, ob die Vereinbarung mit Artikel 85 Absatz 1 vereinbar ist.
9 Artikel 10 der Verordnung Nr. 1984/83 erklärt Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag für nicht anwendbar auf bestimmte, in ihm beschriebene Vereinbarungen über eine Abfuellstation. Für solche Vereinbarungen kommt eine Gruppenfreistellung nur in Betracht, wenn sie die in den Artikeln 11 bis 13 der Verordnung genannten Voraussetzungen erfuellen.
10 Gemäß Artikel 12 Absatz 1 Buchstabe c ist Artikel 10 nicht anwendbar, wenn die Vereinbarung für einen unbestimmten Zeitraum oder für einen solchen von mehr als 10 Jahren geschlossen wird.
11 Gemäß Artikel 15 Absatz 3 und dem durch Artikel 26 der Beitrittsakte hinzugefügten Absatz 4 gilt das Verbot des Artikels 85 Absatz 1 EWG-Vertrag für die in Artikel 10 bezeichneten Gruppenvereinbarungen, die im Zeitpunkt des Beitritts in Kraft waren, bis zum Ende der Vereinbarung, spätestens aber bis zum Ende der Geltung der Verordnung am 31. Dezember 1997 nicht, sofern der Lieferant den Wiederverkäufer vor dem 1. Januar 1989 aus allen Verpflichtungen entlässt, die einer Freistellung entgegenstehen.
12 Damit gilt die Bestimmung über die Hoechstdauer der Vereinbarung in Artikel 12 Absatz 1 Buchstabe c der Verordnung für eine vor dem Zeitpunkt des Beitritts geschlossene Vereinbarung der im Ausgangsfall streitigen Art nicht.
13 Eine Vereinbarung, die vor dem Beitritt auf unbestimmte Dauer oder für eine Dauer von mehr als 10 Jahren geschlossen wurde, kann also bis zum Ende der Vereinbarung oder spätestens bis zum 31. Dezember 1997 in den Genuß der in der Verordnung Nr. 1984/83 vorgesehenen Freistellung kommen, sofern ihr Inhalt bis zum 1. Januar 1989 mit den Artikeln 10 bis 13 dieser Verordnung mit Ausnahme der Bestimmung über die Dauer der Vereinbarung in Artikel 12 Absatz 1 Buchstabe c in Einklang gebracht wurde.
14 Die Vorlagefrage ist demgemäß dahin zu beantworten, daß eine Vereinbarung in bezug auf eine Abfuellstation, die vor dem Beitritt des Königreichs Spanien und der Portugiesischen Republik für einen unbestimmten Zeitraum oder für einen solchen von mehr als 10 Jahren geschlossen wurde, nach Artikel 15 Absätze 3 und 4 der Verordnung Nr. 1984/83 in den Genuß der in dieser Verordnung vorgesehenen Gruppenfreistellung kommen kann, wenn sie mit Ausnahme der Bestimmung über die Dauer in Artikel 12 Absatz 1 Buchstabe c der Verordnung entspricht.
Kostenentscheidung:
Kosten
15 Die Auslagen der Regierungen der Portugiesischen und der Griechischen Republik sowie der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, die Erklärungen vor dem Gerichtshof abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.
Tenor:
Aus diesen Gründen
hat
DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)
auf die ihm vom Tribunal Cível da Comarca Lissabon mit Beschluß vom 22. März 1991 vorgelegte Frage für Recht erkannt:
Eine Vereinbarung in bezug auf eine Abfuellstation, die vor dem Beitritt des Königreichs Spanien und der Portugiesischen Republik für einen unbestimmten Zeitraum oder für einen solchen von mehr als 10 Jahren geschlossen wurde, kann nach Artikel 15 Absätze 3 und 4 der Verordnung (EWG) Nr. 1984/83 der Kommission vom 22. Juni 1983 über die Anwendung von Artikel 85 Absatz 3 des Vertrages auf Gruppen von Alleinbezugsvereinbarungen in den Genuß der in dieser Verordnung vorgesehenen Gruppenfreistellung kommen, wenn sie mit Ausnahme der Bestimmung über die Dauer in Artikel 12 Absatz 1 Buchstabe c der Verordnung entspricht.
Ende der Entscheidung
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