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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 10.05.2007
Aktenzeichen: C-391/04
Rechtsgebiete: EG, Richtlinie 89/592/EWG


Vorschriften:

EG Art. 234
Richtlinie 89/592/EWG Art. 1
Richtlinie 89/592/EWG Art. 2
Richtlinie 89/592/EWG Art. 3
Richtlinie 89/592/EWG Art. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Dritte Kammer)

10. Mai 2007

"Richtlinie 89/592/EWG - Insidergeschäfte - Begriffe 'Insider-Information' und 'Ausnutzung einer Insider-Information' - Vorher abgesprochene Börsengeschäfte, die innerhalb einer Gruppe von Personen durchgeführt wurden, die die Eigenschaft von Insidern haben können - Künstliche Erhöhung des Kurses der übertragenen Wertpapiere"

Parteien:

In der Rechtssache C-391/04

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Symvoulio tis Epikrateias (Griechenland) mit Entscheidung vom 6. Juli 2004, beim Gerichtshof eingegangen am 14. September 2004, in dem Verfahren

Ypourgos Oikonomikon,

Proïstamenos DOY Amfissas

gegen

Charilaos Georgakis

erlässt

DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Rosas sowie der Richter A. Borg Barthet und U. Lõhmus (Berichterstatter),

Generalanwalt: P. Mengozzi,

Kanzler: L. Hewlett, Hauptverwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 13. Juli 2006,

unter Berücksichtigung der Erklärungen:

- von Herrn Georgakis, vertreten durch N. Korogiannakis und A. Mouzaki, dikigoroi,

- der griechischen Regierung, vertreten durch M. Apessos, S. Spyropoulos, S. Trekli und M. Tassopoulou als Bevollmächtigte,

- der italienischen Regierung, vertreten durch I. M. Braguglia als Bevollmächtigten im Beistand von P. Gentili, avvocato dello Stato,

- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch G. Braun und G. Zavvos als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 26. Oktober 2006

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 1 bis 4 der Richtlinie 89/592/EWG des Rates vom 13. November 1989 zur Koordinierung der Vorschriften betreffend Insider-Geschäfte (ABl. L 334, S. 30).

2 Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem Ypourgos Oikonomikon (Finanzminister) und dem Proïstamenos DOY Amfissas (Finanzverwaltung Amphissa) auf der einen sowie Herrn Georgakis auf der anderen Seite wegen Ausnutzung einer Insider-Information durch seine Beteiligung, zusammen mit den anderen Hauptaktionären und Vorstandsmitgliedern einer Gesellschaft, an vorher unter ihnen abgesprochenen Börsengeschäften, mit denen das Ziel verfolgt wurde, den Kurs der Wertpapiere dieser Gesellschaft künstlich zu erhöhen.

Rechtlicher Rahmen

Gemeinschaftsrecht

3 Art. 1 der Richtlinie 89/592 bestimmt:

"Für die Zwecke dieser Richtlinie gelten folgende Definitionen:

1. Insider-Information: eine nicht öffentlich bekannte präzise Information, die einen oder mehrere Emittenten von Wertpapieren oder ein oder mehrere Wertpapiere betrifft und die, wenn sie öffentlich bekannt würde, geeignet wäre, den Kurs dieses Wertpapiers oder dieser Wertpapiere beträchtlich zu beeinflussen;

2. Wertpapiere:

a) Aktien und Schuldverschreibungen sowie Effekten, die mit Aktien und Schuldverschreibungen vergleichbar sind;

...

wenn sie zum Handel auf einem Markt zugelassen sind, der von staatlich anerkannten Stellen reglementiert und überwacht wird, regelmäßig stattfindet und der Öffentlichkeit direkt oder indirekt zugänglich ist."

4 Art. 2 Abs. 1 dieser Richtlinie lautet:

"Jeder Mitgliedstaat untersagt den Personen, die

- als Mitglieder eines Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsorgans des Emittenten,

- durch ihre Beteiligung am Kapital des Emittenten

oder

- aufgrund ihrer Arbeit, ihres Berufs oder ihrer Aufgaben zu dieser Information Zugang haben,

über eine Insider-Information verfügen, unter Ausnutzung derselben in Kenntnis der Sache für eigene oder fremde Rechnung entweder selbst oder indirekt die Wertpapiere des bzw. der von dieser Information betroffenen Emittenten zu erwerben oder zu veräußern."

5 Art. 3 der Richtlinie 89/592 sieht vor:

"Jeder Mitgliedstaat untersagt den Personen, die dem Verbot nach Artikel 2 unterliegen und über eine Insider-Information verfügen,

a) diese Insider-Information an einen Dritten weiterzugeben, soweit dies nicht in einem normalen Rahmen in Ausübung ihrer Arbeit oder ihres Berufes oder in Erfüllung ihrer Aufgaben geschieht;

b) auf der Grundlage dieser Insider-Information einem Dritten zu empfehlen, auf seinen Wertpapiermärkten im Sinne von Artikel 1 Ziffer 2 letzter Satzteil zum Handel zugelassene Wertpapiere zu erwerben oder zu veräußern bzw. erwerben oder veräußern zu lassen."

6 Art. 4 dieser Richtlinie bestimmt:

"Jeder Mitgliedstaat sieht das Verbot in Artikel 2 auch für andere als in jenem Artikel genannte Personen vor, die in Kenntnis der Sache über eine Insider-Information verfügen, die unmittelbar oder mittelbar nur von einer in Artikel 2 genannten Person stammen kann."

Nationales Recht

7 Die Richtlinie 89/592 wurde durch das griechische Präsidialdekret Nr. 53/1992 betreffend Handlungen von Personen, die im Besitz von Insider-Informationen sind (im Folgenden: Dekret), in griechisches Recht umgesetzt. Dieses Dekret soll die Rechtsvorschriften betreffend die Wertpapierbörsen an diese Richtlinie anpassen.

8 Durch die Art. 2, 3 und 4 des Dekrets werden die Art. 1, 2 und 3 der Richtlinie 89/592 übernommen.

9 Art. 5 des Dekrets, der auf Art. 4 der Richtlinie beruht, bestimmt:

"Die Verbote in Art. 3 und 4 dieses Dekrets gelten auch für andere als in diesen Artikeln genannte Personen, die in Kenntnis der Sache über eine Insider-Information verfügen, die unmittelbar oder mittelbar nur von einer in Art. 3 genannten Person stammen kann."

10 Art. 11 des Dekrets sieht vor:

"Im Falle eines Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 und 2 und gegen die Art. 4 und 5 dieses Dekrets verhängt der Kapitalmarktausschuss neben den Sanktionen gemäß Art. 30 Abs. 1 und 3 des Gesetzes Nr. 1806/1988 eine Geldbuße in Höhe von mindestens 10 Mio. GRD und höchstens 1 Mrd. GRD oder in fünffacher Höhe des aus den Insider-Informationen gezogenen Gewinns."

11 Art. 34 des Gesetzes Nr. 3632/1928 bestimmt:

"Mit Freiheitsstrafe und Geldstrafe bis zu 50 000 GRD oder einer dieser Strafen wird bestraft,

a) wer wissentlich besondere Mittel zur Irreführung des Publikums durch Beeinflussung der Börsenkurse ausnutzt, um sich einen ungerechtfertigten Vorteil zu verschaffen ..."

12 Art. 72 Abs. 1 des Gesetzes Nr. 1969/1991 sieht vor:

"Wer über die Presse oder in anderer Weise wissentlich falsche oder ungenaue Informationen verbreitet, die den Kurs eines oder mehrerer börsennotierter Wertpapiere beeinflussen können, wird mit Freiheitsstrafe und mit Geldstrafe von bis zu 100 Mio. GRD bestraft."

13 Art. 76 Abs. 10 dieses Gesetzes lautet:

"Vorbehaltlich der Anwendung der einschlägigen strafrechtlichen Vorschriften ist der Kapitalmarktausschuss befugt, Geldbußen von bis zu 100 Mio. GRD gegen Unternehmen zu verhängen, die gegen die kapitalmarktrechtlichen Vorschriften oder gegen Entscheidungen des Kapitalmarktausschusses verstoßen."

14 Art. 30 des Gesetzes Nr. 1806/1988 verhängt strafrechtliche Sanktionen gegen die Besitzer von vertraulichen Informationen, die diese Informationen unrechtmäßig verwenden.

Ausgangsverfahren und Vorlagefrage

15 Nach der Börsenkrise von November 1996 führte die Direktion Kapitalmärkte und Wertpapierbörsen des Wirtschaftsministeriums Kontrollen der Wertpapiergeschäfte der Firmen Parnassos und Atemke durch. Die Personen, gegen die ernsthafte Indizien für Verstöße gegen kapitalmarktrechtliche Vorschriften vorlagen, wurden aufgefordert, schriftliche Erklärungen abzugeben.

16 Nach den Informationen der Athener Börse waren Herr Georgakis und Angehörige seiner Familie (im Folgenden: Gruppe Georgakis) im August 1996 die Hauptaktionäre von Parnassos. Zur gleichen Zeit hielten Parnassos und ihre Tochtergesellschaft Syrios AVEE die Mehrheit der Aktien von Atemke. In allen Fällen handelte es sich um Namensaktien. Sowohl Herr Georgakis als auch die meisten Mitglieder dieser Gruppe waren Vorstandsmitglieder der Firmen Parnassos und Atemke, in denen sie Geschäftsführungsaufgaben wahrnahmen.

17 Die Mitglieder der Gruppe Georgakis beschlossen auf Empfehlung ihrer Finanzberater, den Kurs der Parnassos-Aktie zu einer Zeit zu stützen, als Tendenzen für einen Kursrückgang dieses Wertpapiers spürbar wurden. Infolgedessen tätigten sie verschiedene Verkäufe, Käufe und Rückkäufe von Parnassos- und Atemke-Aktien, die zwischen ihnen, der Firma Parnassos und einem ausländischen institutionellen Anleger durchgeführt wurden.

18 Der Kapitalmarktausschuss war der Ansicht, dass Herr Georgakis somit Wertpapiergeschäfte unter Ausnutzung einer Insider-Information getätigt hatte, und verhängte gegen ihn eine Geldbuße in Höhe von 70 000 000 GRD. Diese Entscheidung wurde vom Trimeles Dioikitiko Protodikeio Livadias (Verwaltungsgericht erster Instanz Livadia) bestätigt.

19 Bei den Herrn Georgakis zur Last gelegten Transaktionen handelte es sich insbesondere um die Veräußerung von 92 000 Parnassos-Aktien und 11 100 Atemke-Aktien sowie um die Beteiligung als Käufer an einem der 26 streitigen Geschäfte, die die Parnassos-Aktie betrafen, und um die Beteiligung als Verkäufer eines Teils von 112 500 Atemke-Aktien, die ein Mitglied der Gruppe von einigen anderen Mitgliedern kaufte. Der Vorwurf wurde damit begründet, dass bei diesen Transaktionen keine Aktie auf dem freien Markt in Umlauf gekommen sei und alle Aktien im Wesentlichen unter den Mitgliedern der Gruppe Georgakis verkauft und gekauft worden seien. Diese Transaktionen seien vorher abgesprochen gewesen, da die Mitglieder der Gruppe die Verkäufe und Käufe im Anschluss an ihre Entscheidung getätigt hätten, die Parnassos-Aktie zu stützen. Sie hätten die Umsätze der Parnassos-Aktie künstlich erhöhen sollen, um ein irreführendes Bild von ihrem Wert zu vermitteln, der nicht dem Wert entsprochen habe, der ohne diese künstlichen Geschäfte erreicht worden wäre.

20 Herr Georgakis legte gegen das erstinstanzliche Urteil ein Rechtsmittel ein, dem vom Dioikitiko Efeteio Peiraios (Oberverwaltungsgericht Piräus) stattgegeben wurde

21 Der Ypourgos Oikonomikon und der Proïstamenos DOY Amfissas legten gegen dieses Urteil Kassationsbeschwerde zum Symvoulio tis Epikrateias ein.

22 Das Symvoulio tis Epikrateias hat unter diesen Umständen das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Sind im Falle von vorher abgesprochenen Börsengeschäften, die zwischen Personen oder Personengruppen, die eine der in Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 89/592 genannten Eigenschaften besitzen, getätigt werden und die zu einer Überbewertung oder künstlichen Erhöhung des Kurses der übertragenen Wertpapiere führen, die Personen, die diese Geschäfte tätigen, als Inhaber von Insider-Informationen im Sinne der Art. 1 und 2 dieser Richtlinie anzusehen, so dass ihre Handlungen unter das in den Art. 2, 3 und 4 der Richtlinie aufgestellte Verbot der Ausnutzung von Insider-Informationen fallen?

Zur Vorlagefrage

23 Mit seiner Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Art. 1 und 2 der Richtlinie 89/592 dahin auszulegen sind, dass die Hauptaktionäre und Vorstandsmitglieder einer Gesellschaft, die vereinbaren, untereinander Börsengeschäfte mit Wertpapieren dieser Gesellschaft zu tätigen, um deren Kurs künstlich zu stützen, in diesem Fall über eine Insider-Information verfügen, die sie in Kenntnis der Sache ausnutzen, wenn sie diese Geschäfte durchführen.

24 Um festzustellen, ob unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens eine Gruppe von Personen auf der Grundlage einer Insider-Information handelt, über die die Mitglieder dieser Gruppe verfügen, ist zunächst zu prüfen, ob die Entscheidung, die Börsengeschäfte durchzuführen, auf Auskünften beruht, die unmittelbar oder mittelbar von einer Person übermittelt wurden, die zu einer der in Art. 2 der Richtlinie 89/592 genannten Gruppen gehört und über eine "Insider-Information" im Sinne von Art. 1 Abs. 1 dieser Richtlinie verfügt.

25 Aus dem Vorlagebeschluss ergibt sich, dass die Mitglieder der Gruppe Georgakis ihre Entscheidung, auf dem Sekundärmarkt für Wertpapiere in abgestimmter Weise tätig zu werden, um den Kurs der Aktie der Firma Parnassos zu stützen, deren Hauptaktionäre und Vorstandsmitglieder sie waren, infolge der Empfehlungen ihrer Finanzberater getroffen hatten.

26 Nach dem Wortlaut von Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 89/592 muss eine Information mehrere Voraussetzungen erfüllen, um als "Insider-Information" angesehen werden zu können: Sie darf nicht öffentlich bekannt sein, muss präzise sein, einen Emittenten von Wertpapieren oder Wertpapiere als solche betreffen und, wenn sie öffentlich bekannt würde, geeignet sein, den Kurs dieser Wertpapiere beträchtlich zu beeinflussen.

27 Eine einfache Empfehlung, bestimmte Maßnahmen zu treffen, die allein auf die Sachkunde in der Angelegenheit gegründet ist, erfüllt diese Voraussetzungen somit nicht.

28 Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 89/592 untersagt den Personen, die u. a. als Mitglieder eines Verwaltungsorgans oder aufgrund ihrer Arbeit, ihres Berufs oder ihrer Aufgaben über eine Insider-Information über ein oder mehrere Wertpapiere verfügen, diese Information durch Erwerb oder Veräußerung dieser Wertpapiere auszunutzen (vgl. Urteil vom 22. November 2005, Grøngaard und Bang, C-384/02, Slg. 2005, I-9939, Randnr. 23).

29 Art. 3 der Richtlinie 89/592 untersagt diesen Personen, eine solche Information an Dritte weiterzugeben oder einem Dritten auf der Grundlage dieser Insider-Information zu empfehlen, unmittelbar oder mittelbar Wertpapiere zu erwerben oder zu veräußern, während Art. 4 dieser Richtlinie für andere Personen das Verbot vorsieht, eine Insider-Information auszunutzen, die von einer Person übermittelt wurde, die zu einer der in Art. 2 Abs. 1 dieser Richtlinie genannten Gruppen gehört.

30 Aus der Vorlageentscheidung ergibt sich jedoch, dass sich die Finanzberater der Gruppe Georgakis nicht in einer der in Art. 2 Abs. 1 genannten Situationen befanden und dass ihre Empfehlung zur Unterstützung der Aktie der Firma Parnassos, als Tendenzen für einen Kursrückgang dieses Wertpapiers spürbar wurden, ebenfalls nicht auf der Grundlage einer Information abgegeben wurde, die ihnen von einer Person übermittelt wurde, die sich in einer der genannten Situationen befand.

31 Folglich wurden die Mitglieder der Gruppe Georgakis, als sie den Empfehlungen ihrer Finanzberater nachkamen, nicht auf der Grundlage einer Information, die die in Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 89/592 genannten Voraussetzungen erfüllt, dazu veranlasst, ihre im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Geschäfte zu tätigen. Sie wurden auch nicht auf der Grundlage einer unmittelbar von einer der in Art. 2 dieser Richtlinie genannten Personengruppen oder mittelbar über Dritte erhaltenen Empfehlung oder Gesamtheit von Empfehlungen tätig.

32 Weiter ist zu prüfen, ob die Mitglieder dieser Gruppe über eine Insider-Information im Sinne von Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 89/592 verfügten, weil sie unter den oben beschriebenen Umständen an einer Entscheidung beteiligt waren, wie sie im Ausgangsverfahren in Rede steht.

33 Mit ihrer Entscheidung über die Stützung der Parnassos-Aktie hatten sich die Mitglieder der Gruppe Georgakis auf eine gemeinsame Handlung gegenüber den Geschäften festgelegt, die unter ihnen getätigt werden sollten, um den Kurs der Wertpapiere der Firma Parnassos künstlich zu erhöhen. Die Kenntnis vom Vorliegen einer solchen Entscheidung und ihres Inhalts stellt für diejenigen, die an ihr beteiligt waren, eine Insider-Information im Sinne von Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 89/592 dar.

34 Es handelt sich nämlich um eine nicht öffentlich bekannte, präzise Information, die Wertpapiere betrifft und die, wenn sie öffentlich bekannt geworden wäre, den Kurs der Parnassos-Aktie beträchtlich hätte beeinflussen, ja sogar ihren Zusammenbruch an der Börse bewirken können.

35 Daraus folgt, dass Personen wie die Mitglieder der Gruppe Georgakis, da sie eine solche Insider-Information erzeugt und in ihrer Eigenschaft als Hauptaktionäre der Firma Parnassos und als Vorstandsmitglieder über sie verfügt haben, unter das Verbot des Art. 2 der Richtlinie 89/592 fallen, sie in Kenntnis der Sache auszunutzen.

36 Schließlich ist zu prüfen, ob die Mitglieder einer solchen Gruppe durch die Verwirklichung einer Entscheidung, wie sie in der Gruppe Georgakis getroffen wurde, d. h. durch die Ausführung abgesprochener Börsengeschäfte, die Insider-Information, die sie besaßen, im Sinne von Art. 2 der Richtlinie 89/592 ausnutzten. Aus dieser Vorschrift und aus dem zwölften Erwägungsgrund dieser Richtlinie ergibt sich nämlich, dass das Insidergeschäft nicht nur voraussetzt, dass jemand über eine Insider-Information verfügt, sondern auch, dass er sie ausnutzt.

37 Die Richtlinie 89/592 bezweckt nach ihrem zweiten und ihrem fünften Erwägungsgrund, das reibungslose Funktionieren des Sekundärmarktes für Wertpapiere zu gewährleisten und das Vertrauen der Anleger zu erhalten, das insbesondere darauf beruht, dass sie gleichgestellt und gegen die unrechtmäßige Verwendung einer Insider-Information geschützt sind (Urteil Grøngaard und Bang, Randnr. 33).

38 Folglich verfolgt das in Art. 2 der Richtlinie 89/592 enthaltene Verbot das Ziel, die Gleichheit der Vertragspartner bei einem Börsengeschäft zu gewährleisten, indem es verhindert, dass einer von ihnen, der über eine Insider-Information verfügt und deshalb einen Vorteil gegenüber den anderen Anlegern hat, daraus zum Nachteil des anderen, der dies nicht weiß, einen Nutzen zieht.

39 Wenn in einer Rechtssache wie im Ausgangsverfahren alle Vertragspartner über dieselbe Information verfügen, sind sie somit gleichgestellt, und die Information hat für sie bei der Ausführung der in der Gruppe getroffenen Entscheidung keinen Insidercharakter mehr. In diesem Fall, wenn keiner von ihnen in der Lage ist, aus der Information einen Vorteil gegenüber den anderen zu ziehen, stellen die zwischen den Mitgliedern der Gruppe auf der Grundlage dieser Information vorgenommenen Geschäfte keine Ausnutzung einer Insider-Information in Kenntnis der Sache im Sinne von Art. 2 der Richtlinie 89/592 dar.

40 Die griechische und die italienische Regierung sind jedoch der Auffassung, dass die Durchführung einer Entscheidung wie der im Ausgangsverfahren vorliegenden nicht vom Anwendungsbereich der Richtlinie 89/592 ausgeschlossen werden könne. Wenn mit der vorherigen Entscheidung, ein Geschäft zu tätigen, versucht werde, das Anlagepublikum zu täuschen, und damit ein Risiko für das Funktionieren des Wertpapiermarktes verbunden sei und die Absicht verfolgt werde, einen bestimmten Gewinn daraus zu ziehen, sei die entsprechende Information von entscheidender Bedeutung, und ihre Ausnutzung könne einen "schweren Schlag" für die Transparenz des Marktes bedeuten.

41 Zwar kann im vorliegenden Fall die Durchführung von Praktiken mit dem Ziel, durch abgestimmte Geschäfte einen künstlichen Anstieg des Kurses bestimmter Wertpapiere herbeizuführen, tatsächlich einen Verlust des Vertrauens der Anleger in die Integrität der Finanzmärkte bewirken, doch ist der Anwendungsbereich der Richtlinie 89/592, die als einzige Gemeinschaftsregelung auf den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens anwendbar ist, auf die Ausnutzung einer Insider-Information durch Personen, die Insider sind, oder auf die Weitergabe der Information durch diese Personen an Dritte beschränkt. Folglich finden die Vorschriften dieser Richtlinie keine Anwendung auf Handlungen, deren Ziel es ist, in abgestimmter Weise den Kurs bestimmter Wertpapiere künstlich festzulegen.

42 Für diese Auslegung spricht auch der elfte Erwägungsgrund der Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2003 über Insider-Geschäfte und Marktmanipulation (Marktmissbrauch) (ABl. L 96, S. 16), in dem bestätigt wird, dass bei Erlass der Richtlinie der gemeinschaftsrechtliche Rahmen zum Schutz der Integrität der Finanzmärkte unvollständig war, da es in einigen Mitgliedstaaten keine Rechtsvorschriften zur Ahndung von Kursmanipulationen oder der Verbreitung irreführender Informationen gab. Dafür spricht ebenfalls das Ziel dieser Richtlinie, das darin besteht, Marktmissbrauch sowohl in Form von Insider-Geschäften als auch in Form von Marktmanipulationen, die in Art. 1 Abs. 2 dieser Richtlinie definiert werden, vorzubeugen und zu bestrafen.

43 Schließlich ist die Notwendigkeit der Gewährleistung von Transparenz bei Geschäften von Personen, die bei einem Emittenten von Wertpapieren Führungsaufgaben wahrnehmen, und gegebenenfalls von in enger Beziehung zu ihnen stehenden Personen als solche nicht in der Richtlinie 89/592 aufgeführt, während sich aus dem fünfzehnten, sechsundzwanzigsten und siebenundzwanzigsten Erwägungsgrund der Richtlinie 2003/6 ergibt, dass mit dem Erlass dieser Richtlinie im Jahr 2003, die mit ihrem Inkrafttreten die Richtlinie 89/592 aufgehoben hat, der Begriff der Transparenz als Maßnahme zur Verhütung von Marktmissbrauch in den Gemeinschaftsrahmen für den Schutz der Märkte für Finanzinstrumente eingefügt wurde.

44 Folglich ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass die Art. 1 und 2 der Richtlinie 89/592 dahin auszulegen sind, dass die Hauptaktionäre und Vorstandsmitglieder einer Gesellschaft, die vereinbaren, untereinander Börsengeschäfte mit Wertpapieren dieser Gesellschaft zu tätigen, um deren Kurs künstlich zu stützen, in diesem Fall über eine Insider-Information verfügen, die sie nicht in Kenntnis der Sache ausnutzen, wenn sie diese Geschäfte durchführen.

Kostenentscheidung:

Kosten

45 Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Tenor:

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Dritte Kammer) für Recht erkannt:

Die Art. 1 und 2 der Richtlinie 89/592/EWG des Rates vom 13. November 1989 zur Koordinierung der Vorschriften betreffend Insider-Geschäfte sind dahin auszulegen, dass die Hauptaktionäre und Vorstandsmitglieder einer Gesellschaft, die vereinbaren, untereinander Börsengeschäfte mit Wertpapieren dieser Gesellschaft zu tätigen, um deren Kurs künstlich zu stützen, in diesem Fall über eine Insider-Information verfügen, die sie nicht in Kenntnis der Sache ausnutzen, wenn sie diese Geschäfte durchführen.

Ende der Entscheidung

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