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Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 03.10.2002
Aktenzeichen: C-394/01
Rechtsgebiete: Richtlinie 90/684 EWG
Vorschriften:
Richtlinie 90/684 EWG Art. 4 Abs. 7 |
1. Die Rechtmäßigkeit einer Entscheidung im Bereich der staatlichen Beihilfen ist aufgrund der Informationen zu beurteilen, über die die Kommission bei deren Erlass verfügte. So kann sich ein Mitgliedstaat vor dem Gerichtshof nicht auf Tatsachen berufen, die im Vorverfahren nach Artikel 88 EG nicht vorgetragen wurden.
( vgl. Randnr. 34 )
2. Das Bestehen wirtschaftlicher und finanzieller Schwierigkeiten, von denen eine Inselgruppe betroffen ist, reicht nicht aus, um Beihilfen für den Schiffbau oder den Schiffsumbau als solche anzusehen, die einem Entwicklungsland als Entwicklungshilfe" im Sinne von Artikel 4 Absatz 7 der Richtlinie 90/684 gewährt worden sind, wonach solche Beihilfen, ohne dass die in Artikel 4 Absätze 1 bis 3 der Richtlinie beschriebene Hoechstgrenze beachtet werden müsste, als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar gelten, sofern sie den Bedingungen der OECD-Vereinbarung über Exportkredite für Schiffe entsprechen. Der Beitrag dieser Beihilfen zur Entwicklung muss nämlich Gegenstand einer Einzelfallbeurteilung sein.
Im Übrigen hat es keinen Einfluss auf die Beurteilung der streitigen Beihilfe, die selbständig zu prüfen ist, dass die Kommission in der Vergangenheit möglicherweise andere Vorhaben der gleichen Art in Bezug auf die überseeischen Gebiete genehmigt hat.
( vgl. Randnrn. 52-53 )
Urteil des Gerichtshofes (Fünfte Kammer) vom 3. Oktober 2002. - Französische Republik gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften. - Staatliche Beihilfen - Entwicklungshilfe - Passagierschiff.Le Levant', das in St. Pierre und Miquelon betrieben wird - Klage auf Nichtigerklärung der Entscheidung der Kommission über die von der Französischen Republik gewährte staatliche Beihilfe. - Rechtssache C-394/01.
Parteien:
In der Rechtssache C-394/01
Französische Republik, vertreten durch G. de Bergues und F. Million als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Klägerin,
gegen
Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch G. Rozet als Bevollmächtigten, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
eklagte,
wegen Nichtigerklärung der Entscheidung 2001/882/EG der Kommission vom 25. Juli 2001 über die staatliche Beihilfe in Form einer Entwicklungshilfe Frankreichs für das Passagierschiff Le Levant" der Werft Alstom Leroux Naval für St.-Pierre und Miquelon (ABl. L 327, S. 37)
erlässt
DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten P. Jann sowie der Richter S. von Bahr (Berichterstatter), M. Wathelet, C. W. A. Timmermans und A. Rosas,
Generalanwalt: J. Mischo
Kanzler: R. Grass
aufgrund des Berichts des Berichterstatters,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 11. Juni 2002,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe:
1 Die Französische Republik hat mit am 8. Oktober 2001 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangener Klageschrift gemäß Artikel 230 Absatz 1 EG Klage auf Nichtigerklärung der Entscheidung 2001/882/EG der Kommission vom 25. Juli 2001 über die staatliche Beihilfe in Form einer Entwicklungshilfe Frankreichs für das Passagierschiff Le Levant" der Werft Alstom Leroux Naval für St.-Pierre und Miquelon (ABl. L 327, S. 37, im Folgenden: angefochtene Entscheidung) erhoben.
Anwendbare Vorschriften
2 Die Richtlinie 90/684/EWG des Rates vom 21. Dezember 1990 über Beihilfen für den Schiffbau (ABl. L 380, S. 27), deren Anwendung durch die Verordnung (EG) Nr. 3094/95 des Rates vom 22. Dezember 1995 über Beihilfen für den Schiffbau (ABl. L 332, S. 1) verlängert worden ist, sieht spezielle Regeln für Beihilfen an diesen Sektor vor, die eine Ausnahme von dem allgemeinen Verbot des Artikels 92 Absatz 1 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 87 Absatz 1 EG) darstellen.
3 Nach Artikel 4 Absatz 1 der Richtlinie 90/684 kann eine Produktionsbeihilfe zugunsten des Schiffbaus und des Schiffsumbaus als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar angesehen werden, sofern ihre Höhe eine in dieser Vorschrift festgelegte Hoechstgrenze nicht überschreitet.
4 Artikel 4 Absatz 7 der Richtlinie 90/684 bestimmt:
Beihilfen für den Schiffbau oder den Schiffsumbau, die einem Entwicklungsland als Entwicklungshilfe gewährt werden, unterliegen nicht der Beihilfehöchstgrenze. Sie dürfen als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar gelten, sofern sie den Bedingungen entsprechen, die zu diesem Zweck von der Arbeitsgruppe 6 der OECD in ihrer Vereinbarung über die Auslegung der Artikel 6 bis 8 der... OECD-Vereinbarung [über Exportkredite für Schiffe] oder in einem späteren Zusatz oder einer Berichtigung zu dieser Vereinbarung festgelegt worden sind.
Die einzelnen Beihilfevorhaben dieser Art müssen der Kommission zuvor mitgeteilt werden. Die Kommission prüft, welches besondere Entwicklungsziel mit der geplanten Beihilfe verfolgt wird und ob sie in den Anwendungsbereich der in Unterabsatz 1 genannten Vereinbarung fällt."
Sachverhalt
5 Der Ablauf des Vorverfahrens, wie er sich aus den Nummern 1 bis 3 und 12 der Begründung der angefochtenen Entscheidung ergibt, lässt sich wie folgt darstellen.
6 Die Kommission erfuhr Ende 1998 aus einem in Lloyds List erschienenen Artikel, dass das in Frankreich von der Werft Alstom Leroux Naval zu einem Vertragpreis von 228,55 Millionen FRF gebaute Passagierschiff Le Levant" durch Steuerermäßigungen zugunsten der am Schiffbau beteiligten Investoren finanziert worden war. Diese Beihilfe war der Kommission nicht mitgeteilt worden.
7 Mit Schreiben vom 2. Dezember 1999 teilte die Kommission den französischen Behörden mit, dass sie das Verfahren nach Artikel 88 Absatz 2 EG eröffnen werde. Diese Entscheidung wurde im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften vom 5. Februar 2000 (ABl. C 33, S. 6) veröffentlicht, und alle Beteiligten wurden zur Stellungnahme aufgefordert.
8 Die Französische Republik nahm dazu mit Schreiben vom 12. Januar 2000, 14. Juni 2000, 30. April 2001 und 11. Juni 2001 Stellung.
9 Die Einzelheiten und der Kontext der Beihilfe sind in Nummer 5 der Begründung der angefochtenen Entscheidung wie folgt beschrieben: Die Beihilfe wurde 1996 anlässlich des Erwerbs des Passagierschiffs Le Levant" durch eine Gruppe von Privatinvestoren, die sich zu diesem Zweck zusammengeschlossen hatten, auf Initiative einer Gesellschaft (im Folgenden: Gesellschaft X) gewährt. Das Schiff wurde später an die Compagnie des Iles du Levant (im Folgenden: CIL), eine Tochtergesellschaft einer in Wallis und Futuna (französisches Überseegebiet) eingetragenen französischen Gesellschaft, vermietet. Die Investoren durften ihre Beteiligungen von ihrem steuerbaren Einkommen absetzen. Aufgrund dieser Steuerermäßigungen in Höhe von schätzungsweise insgesamt 78 Millionen FRF konnte CIL das Schiff zu günstigen Bedingungen betreiben. Die Investoren mussten ihre Schiffsanteile nach fünf Jahren, d. h. Anfang 2004, an die Gesellschaft X verkaufen. CIL musste diese Anteile anschließend von dieser Gesellschaft zu einem Preis erwerben, der dem Wert der Beihilfe Rechnung trägt. CIL wurde zudem verpflichtet, das Schiff mindestens fünf Jahre lang insbesondere auf der Strecke von und nach St.-Pierre und Miquelon (vor der kanadischen Ostküste gelegenes französisches Überseegebiet) an 160 Tagen im Jahr zu betreiben.
Angefochtene Entscheidung
10 In Nummer 16 der Begründung der angefochtenen Entscheidung weist die Kommission darauf hin, dass die fragliche Beihilfe gemäß Artikel 4 Absatz 7 der Richtlinie 90/684 gewürdigt werden müsse, da es sich um eine 1996 als Entwicklungshilfe gewährte Schiffbaubeihilfe aufgrund einer durch das so genannte Gesetz Pons eingeführten und von der Kommission 1992 genehmigten Beihilferegelung handele.
11 In Nummer 17 der Begründung der angefochtenen Entscheidung führt die Kommission aus, dass sie die Entwicklungskomponente der fraglichen Beihilfe prüfen und sich vergewissern müsse, dass sie in den Anwendungsbereich der in Artikel 4 Absatz 7 der Richtlinie 90/684 erwähnten Vereinbarung falle. In Nummer 21 der Begründung stellt sie fest, dass die Beihilfe die in dieser Vereinbarung festgelegten Kriterien erfuelle, weist in der folgenden Nummer aber darauf hin, dass die Beihilfe nicht das Entwicklungskriterium erfuelle.
12 Die wesentlichen Argumente der Kommission für ihre Schlussfolgerung, dass die streitige Beihilfe keine Entwicklungshilfe darstelle, sind in den Nummern 22 bis 33 der Begründung der angefochtenen Entscheidung enthalten.
13 Aus den von den französischen Behörden mitgeteilten Informationen gehe hervor, dass sich die von ihnen veranschlagten wirtschaftlichen Auswirkungen der streitigen Beihilfe vor allem auf die Hypothese stützten, dass das Schiff während der 160 Tage zwischen Ende Mai und Anfang Oktober, an denen Kreuzfahrten in dem betreffenden Gebiet aufgrund der klimatischen Verhältnisse möglich seien, 50-mal in der Saison in St. Pierre und Miquelon anlege.
14 Die Realität sehe jedoch ganz anders aus. Die französischen Behörden hätten in ihrem Schreiben vom 30. April 2001 angegeben, dass 1999 und 2000 nur neun bzw. elf Kreuzfahrten von oder nach St. Pierre und Miquelon stattgefunden hätten. Das Schiff habe somit in diesen beiden Jahren statt der vorgesehenen 100-mal nur elfmal angelegt, was einer Quote von 11 % entspreche.
15 Für das Jahr 2001 seien laut demselben Schreiben dreizehn Kreuzfahrten von oder nach St. Pierre und Miquelon und fünf Mini-Kreuzfahrten, bei denen diese Inselgruppe sowohl Ausgangspunkt als auch Ziel gewesen sei, geplant gewesen, so dass statt der vorgesehenen 50-mal insgesamt nur zwölfmal angelegt worden sei, was einer Quote von 24 % entspreche.
16 Anhand der Zahlen für die Jahre 1999 und 2000 gelangt die Kommission zu dem Schluss, dass die Hypothesen, auf die sich die Berechnung der wirtschaftlichen Auswirkungen für St. Pierre und Miquelon stützten, falsch gewesen seien. Deswegen habe sie die voraussichtlichen wirtschaftlichen Auswirkungen anhand der Zahlen der französischen Behörden und unter Berücksichtigung der weit geringeren Zahl an tatsächlich gemachten Zwischenstationen neu veranschlagt.
17 Die französischen Behörden hätten hinsichtlich der direkten wirtschaftlichen Auswirkungen für den Betrieb des Schiffes Ausgaben in Höhe von 10,8 Millionen FRF jährlich veranschlagt und die Ausgaben der Passagiere auf 1,2 Millionen FRF jährlich geschätzt, was insgesamt 12 Millionen FRF ergebe. Für beide Arten von Ausgaben beruhten die Berechnungen auf 50 vorgesehenen Zwischenstationen jährlich.
18 Angesichts der Art der in diesen Berechnungen vorgesehenen Einnahmen, die u. a. den Verkauf von Lebensmitteln und Material sowie Hafengebühren umfassten, sei anzunehmen, dass diese Einnahmen in einem Verhältnis zur Zahl der Zwischenstationen ständen.
19 Unter Zugrundelegung der tatsächlichen Zahl an Zwischenstationen für die Jahre 1999 und 2000 und der voraussichtlichen Zahl an Zwischenstationen für die drei folgenden Jahre geht die Kommission in der Annahme, dass die Berechnungen der französischen Behörden hinsichtlich der Auswirkungen der Zwischenstationen des Schiffes richtig sind, davon aus, dass sich die Einnahmen für Jahre 1999 bis 2003 auf 11,28 Millionen FRF belaufen, die wie folgt aufzuteilen seien:
- 1999 und 2000 hätten die Einnahmen 11 % von 12 Millionen FRF, also jährlich 1,32 Millionen FRF betragen;
- für 2001 könnten die Einnahmen auf 24 % von 12 Millionen FRF, also 2,88 Millionen FRF geschätzt werden;
- für 2002 und 2003 seien die Einnahmen, da das Kreuzfahrtprogramm noch nicht bekannt sei, unter Zugrundelegung der Zahl für 2001 auf jährlich 24 % von 12 Millionen FRF, also jährlich 2,88 Millionen FRF zu schätzen.
20 Mit insgesamt 78 Millionen FRF übersteige die streitige Beihilfe die für die Inselgruppe St. Pierre und Miquelon erwarteten wirtschaftlichen Auswirkungen also um fast das Siebenfache.
21 Die französischen Behörden hätten hinsichtlich der 55 direkten Arbeitsplätze angegeben, dass vor allem Angehörige von St. Pierre und Miquelon eingestellt würden. Die einzige Information hierzu besage, dass vier ehemalige Fischer dieser Inselgruppe eine Ausbildung erhalten hätten, um auf dem Schiff zu arbeiten. Daher sei anzunehmen, dass nicht viele Angehörige der Inselgruppe zur Besatzung gehörten.
22 Die Behauptungen zu weiteren indirekten Einnahmen seien nicht durch Zahlen belegt.
23 Auch das Argument der französischen Behörden, dass ein längerer Zeitraum als die Jahre 1999 bis 2003 in Betracht gezogen werden müsste, sei zurückzuweisen, da CIL nach Ablauf dieses Zeitraums keineswegs verpflichtet sei, das Schiff von und nach St. Pierre und Miquelon weiter zu betreiben.
24 Die Kommission gelangt daher zu dem Schluss, dass der Entwicklungscharakter des Vorhabens, das Gegenstand der streitigen Beihilfe gewesen sei, nicht nachgewiesen worden sei. Zum einen seien die angeblichen Auswirkungen auf die direkte Beschäftigung nicht nachgewiesen worden, und sie beruhten nicht auf realistischen Annahmen. Zum anderen seien die angeblichen direkten wirtschaftlichen Auswirkungen längst nicht so bedeutend wie diese Beihilfe, was beweise, dass sie in keinem Verhältnis zu dem erwarteten Ergebnis stehe.
25 Die Kommission stellt fest, dass die Französische Republik die streitige Beihilfe in Zuwiderhandlung gegen Artikel 88 Absatz 3 EG durchgeführt habe. Die Beihilfe stehe mit der Richtlinie 90/684 nicht in Einklang, sei folglich mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar und müsse zuzüglich Zinsen zurückgezahlt werden.
Anträge der Parteien
26 Die Französische Republik, die ihre Klage auf einen einzigen Klagegrund stützt, beantragt, die angefochtene Entscheidung für nichtig zu erklären und der Kommission die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
27 Die Kommission beantragt, die Klage als unbegründet abzuweisen und der Französischen Republik die Kosten aufzuerlegen.
Zum geltend gemachten Klagegrund
28 Die französische Regierung beanstandet mit ihrem einzigen Klagegrund die Schlussfolgerung der Kommission, die streitige Beihilfe sei keine Entwicklungshilfe. Nach ihrer Ansicht konnte die Kommission die Qualifizierung als Entwicklungshilfe nur aufgrund von Sachverhaltsirrtümern, Rechtsfehlern und offensichtlichen Beurteilungsfehlern ausschließen, die zur Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung führen müssten.
29 Dieser Klagegrund gliedert sich in zwei Teile. Erstens habe die Kommission bei den Beschäftigungsdaten nicht die richtige Zahl von Angestellten berücksichtigt, die auf St. Pierre und Miquelon wohnten. Zweitens sei die Beurteilung der wirtschaftlichen Auswirkungen durch die Kommission falsch.
Zu den Beschäftigungsdaten
Vorbringen der Parteien
30 Die französische Regierung macht geltend, dass das Vorhaben, das Gegenstand der streitigen Beihilfe gewesen sei, sein Ziel im Bereich der Schaffung von Arbeitsplätzen erreicht habe. Die Kommission sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass nur vier ehemalige Fischer eine Ausbildung erhalten hätten, um auf dem betreffenden Schiff zu arbeiten, und dass wohl nicht viele Angehörige von St. Pierre und Miquelon zur Besatzung gehörten. Nach Angaben der französischen Regierung stammten zwölf der eingestellten Besatzungsmitglieder von dieser Inselgruppe und siebzehn von den Antillen.
31 Die Kommission erwidert, dass sie keinen Sachverhaltsirrtum begangen habe und dass die Information, zwölf der eingestellten Besatzungsmitglieder stammten von St. Pierre und Miquelon, neu sei. Sie ergebe sich nicht aus den im Vorverfahren gemachten Angaben und dürfe daher im Rahmen der vorliegenden Klage nicht berücksichtigt werden. Die Information über die siebzehn Besatzungsmitglieder von den Antillen sei im Rahmen eines Vorgangs, der die Entwicklung von St. Pierre und Miquelon betreffe, unbeachtlich.
32 In ihrer Erwiderung räumt die französische Regierung ein, dass sie die Kommission nicht sofort über die Herkunft der Besatzungsmitglieder unterrichtet habe, die nach ihrem Schreiben vom 12. Mai 1999 an die Kommission, in dem sie auf die Ausbildung von vier ehemaligen Fischern hingewiesen habe, eingestellt worden seien.
Würdigung durch den Gerichtshof
33 Es ist festzustellen, dass die französische Regierung der Kommission im Vorverfahren die in der Klageschrift enthaltene Information über die Einstellung von zwölf Besatzungsmitgliedern von St. Pierre und Miquelon nicht mitgeteilt hatte.
34 Insoweit ist daran zu erinnern, dass nach ständiger Rechtsprechung die Rechtmäßigkeit einer Entscheidung im Bereich der staatlichen Beihilfen aufgrund der Informationen zu beurteilen ist, über die die Kommission bei deren Erlass verfügte (vgl. u. a. Urteil vom 5. Oktober 2000 in der Rechtssache C-288/96, Deutschland/Kommission, Slg. 2000, I-8237, Randnr. 34). Wie der Generalanwalt in Nummer 20 seiner Schlussanträge ausführt, kann sich ein Mitgliedstaat vor dem Gerichtshof nicht auf Tatsachen berufen, die im Vorverfahren nach Artikel 88 EG nicht vorgetragen wurden (in diesem Sinne Urteile vom 14. September 1994 in den Rechtssachen C-278/92 bis C-280/92, Spanien/Kommission, Slg. 1994, I-4103, Randnr. 31, und vom 13. Juni 2002 in der Rechtssache C-382/99, Niederlande/Kommission, Slg. 2002, I-0000, Randnrn. 49 und 76).
35 Folglich kann sich die französische Regierung vor dem Gerichtshof nicht auf das von ihr erstmals in der Klageschrift geltend gemachte Argument stützen, dass die von ihr genannte Zahl von Besatzungsmitgliedern auf St.-Pierre und Miquelon wohne.
36 Der erste Teil des Klagegrundes ist daher unzulässig.
Zu den wirtschaftlichen Auswirkungen
37 Die französische Regierung untergliedert den zweiten Teil ihres Klagegrundes in vier Abschnitte.
Zum ersten Abschnitt: der Zeitraum 2001 bis 2003
Vorbringen der Parteien
38 Die französische Regierung wirft der Kommission erstens vor, einen Rechtsfehler begangen zu haben, indem sie die wirtschaftlichen Auswirkungen der streitigen Beihilfe für den Zeitraum 2001 bis 2003 anhand einer Hochrechnung der Zahlen für die Jahre 1999 und 2000 beurteilt habe. Der Fehler sei um so schwerwiegender, als das betreffende Schiff in diesen beiden Jahren technische Havarien erlitten habe.
39 Die Kommission erwidert darauf, dass der Vorwurf der französischen Regierung auf einer unrichtigen Auslegung der angefochtenen Entscheidung beruhe. Aus der Entscheidung gehe klar hervor, dass die Kommission ihre Berechnungen für den Zeitraum 2001 bis 2003 nicht auf die Zahlen der Jahre 1999 und 2000 gestützt habe, sondern auf die für das Jahr 2001 mitgeteilten Schätzungen.
Würdigung durch den Gerichtshof
40 Hierzu genügt die Feststellung, dass die Kommission in Nummer 29 der Begründung der angefochtenen Entscheidung die für das Jahr 2001 mitgeteilte Schätzung verwendet hat, um die wirtschaftlichen Auswirkungen während des Zeitraums 2001 bis 2003 zu beurteilen. Die Kommission ist daher zu Recht der Ansicht, dass die von der französischen Regierung vertretene Auslegung der angefochtenen Entscheidung ihrem ausdrücklichen Wortlaut widerspreche.
41 Das Vorbringen der französischen Regierung im Rahmen des ersten Abschnitts des zweiten Teils des Klagegrunds ist daher als unbegründet zurückzuweisen.
Zum zweiten Abschnitt: die Zeit der Nutzung des Schiffes
Vorbringen der Parteien
42 Die französische Regierung macht zweitens geltend, die Kommission habe zu Unrecht angenommen, dass bei den Schätzungen der wirtschaftlichen Auswirkungen von einem im Gebiet St. Pierre und Miquelon verbrachten Zeitraum von 160 Tagen pro Jahr ausgegangen worden sei. Die insoweit ursprünglich eingegangene Verpflichtung habe sich lediglich auf 130 Tage erstreckt, und dieses Ziel sei 2001 um fünf Tage übertroffen und 1999 und 2000 fast erreicht worden.
43 Die Kommission erwidert, dass dieses Vorbringen im Widerspruch zu den Zahlen des vorliegenden Falles stehe. Die einzigen Angaben, die die französischen Behörden hierzu gemacht hätten, befänden sich in deren Schreiben vom 12. Mai 1999 und vom 14. Juni 2000, in denen ausschließlich von 160 Tagen und nicht 130 Tagen die Rede sei und die sich auf die Dauer des Betriebs des Schiffes und nicht auf die im Gebiet St. Pierre und Miquelon verbrachte Zeit bezögen.
44 Die französische Regierung räumt in ihrer Erwiderung ein, dass die von ihr erwähnte Tageszahl 160 und nicht 130 gewesen sei, macht aber geltend, dass es sich hierbei um einen Schreibfehler handele.
45 In ihrer Gegenerwiderung bestreitet die Kommission diese Erklärung der französischen Regierung.
Würdigung durch den Gerichtshof
46 Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die französische Regierung einräumt, in ihrem Schriftwechsel mit der Kommission von einem Zeitraum von 160 Tagen und nicht 130 Tagen gesprochen zu haben.
47 Es ist festzustellen, dass diese Angaben, wie die Kommission in ihrer Gegenerwiderung geltend macht, nicht als auf einem Schreibfehler beruhend angesehen werden können, da die französische Regierung in diesem Schriftwechsel zweimal ausdrücklich von einer Verpflichtung spricht, das Schiff in dem betreffenden Gebiet während 160 Tagen zu betreiben.
48 Das Vorbringen der französischen Regierung im Rahmen des zweiten Abschnitts des zweiten Teils des Klagegrunds ist daher als unbegründet zurückzuweisen.
Zum dritten Abschnitt: die wirtschaftlichen Gegebenheiten
Vorbringen der Parteien
49 Die französische Regierung macht drittens geltend, die Kommission hätte bei der Beurteilung der Auswirkungen der streitigen Beihilfe jedenfalls die Gegebenheiten der Inselgruppe, insbesondere ihre Größe und ihre wirtschaftlichen Perspektiven, berücksichtigen müssen. In ihrer Erwiderung weist sie auf die Probleme der Umstellung und der wirtschaftlichen Diversifikation der Inselgruppe St. Pierre und Miquelon hin und fügt hinzu, dass die Beanstandung der streitigen Beihilfe das sehr empfindliche wirtschaftliche Gleichgewicht dieser Inselgruppe nur noch mehr gefährden könne. Außerdem macht sie geltend, die Kommission habe in der Vergangenheit keine Einwände gegen solche Vorhaben in Bezug auf ein überseeisches Gebiet erhoben, und verweist beispielhaft auf die Entscheidung 1999/719/EG der Kommission vom 30. März 1999 über das Beihilfevorhaben Frankreichs in Form einer Entwicklungshilfe für den Verkauf von zwei in den Chantiers de l'Atlantique für Renaissance Financial in Französisch-Polynesien gebauten Passagierschiffen (ABl. L 292, S. 23).
50 Die Kommission erwidert, dass die Prüfung, die sie in der angefochtenen Entscheidung vorgenommen habe, den von den französischen Behörden gelieferten Daten zur Auswirkung auf die Beschäftigung und zu den direkten Auswirkungen des Betriebs des betreffenden Schiffes Rechnung trage. Die Angaben zu den indirekten Auswirkungen auf die Entwicklung der Infrastrukturen und zum möglichen Zuzug weiterer Unternehmer seien nicht durch Zahlen belegt worden und beträfen nicht den Beitrag der streitigen Beihilfe zur Entwicklung.
51 Zum Vorbringen, die Beanstandung der streitigen Beilhilfe könne das wirtschaftliche Gleichgewicht von St. Pierre und Miquelon nur noch mehr gefährden, weist die Kommission darauf hin, dass die Richtlinie 90/684 bestimmte Beihilfen zugunsten von Entwicklungsländern gestatte. Es liege in der Natur der vorgesehenen Fälle, dass sich solche Länder in einer finanziell schwierigen Lage befänden, diese reiche aber für sich genommen nicht aus, den Beitrag einer bestimmten Beihilfe zur Entwicklung nachzuweisen. Nach Ansicht der Kommission wirkt sich der Umstand, dass sie in der Vergangenheit andere gleichartige Vorhaben in überseeischen Gebieten gebilligt habe, nicht auf die streitige Beihilfe aus. Dies zeige lediglich, dass die Kommission derartigen Beihilfen nicht von vornherein ablehnend gegenüber stehe, sofern die Voraussetzungen nach Artikel 4 Absatz 7 der Richtlinie 90/684 erfuellt seien.
Würdigung durch den Gerichtshof
52 In dieser Hinsicht ist festzustellen, dass die französische Regierung nur die wirtschaftlichen und finanziellen Schwierigkeiten beschreibt, denen die Inselgruppe St. Pierre und Miquelon gegenüber stehe, ohne darzutun, dass die Kommission bei ihrer Prüfung der streitigen Beihilfe einen Sachverhaltsirrtum oder einen Rechtsfehler begangen habe. Wie die Kommission zutreffend ausführt, reicht das Bestehen solcher Schwierigkeiten nicht aus, um Beihilfen für den Schiffbau oder den Schiffsumbau als solche anzusehen, die einem Entwicklungsland als Entwicklungshilfe" im Sinne von Artikel 4 Absatz 7 der Richtlinie 90/684 gewährt worden sind.
53 Im Übrigen hat es, wie die Kommission geltend macht, keinen Einfluss auf die Beurteilung der streitigen Beihilfe, die selbständig zu prüfen ist, dass die Kommission in der Vergangenheit möglicherweise andere Vorhaben der gleichen Art in Bezug auf die überseeischen Gebiete genehmigt hat.
54 Das Vorbringen der französischen Regierung im Rahmen des dritten Abschnitts des zweiten Teils des Klagegrunds ist daher als unbegründet zurückzuweisen.
Zum vierten Abschnitt: die Zahl der Zwischenstationen und die Höhe der Einnahmen
Vorbringen der Parteien
55 Die französische Regierung macht viertens geltend, dass nicht sie, sondern die Kommission die Zahl von 100 Zwischenstationen genannt habe, die die Kommission bei der Beurteilung der Einnahmen für die Jahre 1999 und 2000, also 50 Zwischenstationen pro Jahr, zugrunde gelegt habe. Sie habe lediglich von 50 Landberührungen gesprochen. Jede Zwischenstation umfasse zwei Landberührungen, nämlich eine beim An- und eine beim Ablegen des Schiffes. Zudem beliefen sich die Einnahmen aufgrund der streitigen Beihilfe nach den letzten verfügbaren Zahlen auf 492 000 Euro im Jahr 1999, auf 349 000 Euro im Jahr 2000 und auf 821 000 Euro im Jahr 2001, also auf über 1 600 000 Euro für die ersten drei Jahre des Betriebs des Schiffes.
56 Nach Ansicht der Kommission ist dieses Vorbringen unbegründet und jedenfalls unzulässig.
57 Die von der französischen Regierung vertretene Definition der Landberührungen sei überraschend und widerspreche der Definition der Zwischenstation in den Wörterbüchern der französischen Sprache. Zwischenstation" und Landberührung" seien Synonyme, so dass eine Zwischenstation eine Landberührung darstelle und nicht zwei. Außerdem habe die französische Regierung diese Definition der Landberührungen erstmals in ihrer Erwiderung erwähnt. Sie habe sie zu keinem Zeitpunkt des Verfahrens, das zum Erlass der streitigen Entscheidung geführt habe, vorgetragen, obwohl die Kommission während der gesamten Untersuchung deutlich gemacht habe, welche Bedeutung sie der Zahl der Zwischenstationen beimesse. Die vorgeschlagene Definition dürfe daher nicht berücksichtigt werden.
58 Die Kommission untersucht auch die neuen Zahlen, die in der Erwiderung in Bezug auf die Einnahmen aufgrund der streitigen Beihilfe angegeben werden. Sie weist darauf hin, dass die Angaben erst nach der angefochtenen Entscheidung gemacht worden seien und daher nicht berücksichtigt werden dürften. Jedenfalls bestreitet sie, dass die neuen Zahlen, die weder erläutert noch begründet würden, entscheidungserheblich seien.
Würdigung durch den Gerichtshof
59 Hierzu ist gleich zu Beginn darauf hinzuweisen, dass die von der französischen Regierung vertretene Bedeutung des Wortes Landberührung" nicht durch die Definition dieses Begriffes in den Wörterbüchern der französischen Sprache gestützt wird.
60 Außerdem ist festzustellen, dass die französische Regierung jedenfalls das Argument in Bezug auf die Zahl der Landberührungen pro Zwischenstation und die neuen Zahlen, die sie hinsichtlich der Einnahmen aufgrund der streitigen Beihilfe angibt, erstmals im Zeitpunkt der Erwiderung vorgetragen hat. Vorher, insbesondere im Vorverfahren, hat sie nicht davon gesprochen. Wie sich aus den Verfahrensunterlagen ergibt, konnte ihr nicht entgangen sein, welche Bedeutung die Kommission der Zahl der Zwischenstationen bei der Beurteilung der Einnahmen aufgrund der streitigen Beihilfe und der Höhe dieser Einnahmen beimaß.
61 Gemäß der in Randnummer 34 dieses Urteils wiedergegebenen Rechtsprechung ist daher das verspätete Vorbringen der französischen Regierung im Rahmen des vierten Abschnitts des zweiten Teils des Klagegrunds unzulässig.
62 Da keiner der vier Abschnitte des Vorbringens der französischen Regierung zur Begründung des zweiten Teils ihres Klagegrunds durchgreift, ist dieser Teil insgesamt zurückzuweisen.
63 Nach alledem ist der einzige Klagegrund der französischen Regierung zurückzuweisen und die Klage somit abzuweisen.
Kostenentscheidung:
Kosten
64 Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kommission die Verurteilung der Französischen Republik beantragt hat und diese mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind der Französischen Republik die Kosten aufzuerlegen.
Tenor:
Aus diesen Gründen
hat
DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)
für Recht erkannt und entschieden:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Französische Republik trägt die Kosten des Verfahrens.
Ende der Entscheidung
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