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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 16.09.2004
Aktenzeichen: C-396/02
Rechtsgebiete: Kombinierte Nomenklatur in Anhang I der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 des Rates vom 23. Juli 1987 über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif in der Fassung der Verordnungen (EG) Nr. 3115, Verordnung (EWG) Nr. 396/92 der Kommission vom 18. Februar 1992 über die Einreihung von bestimmten Waren in die Kombinierte Nomenklatur


Vorschriften:

Kombinierte Nomenklatur in Anhang I der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 des Rates vom 23. Juli 1987 über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif in der Fassung der Verordnungen (EG) Nr. 3115 Unterposition 8704 10
Verordnung (EWG) Nr. 396/92 der Kommission vom 18. Februar 1992 über die Einreihung von bestimmten Waren in die Kombinierte Nomenklatur Nr. 3 des Anhangs
Verordnung (EWG) Nr. 396/92 der Kommission vom 18. Februar 1992 über die Einreihung von bestimmten Waren in die Kombinierte Nomenklatur Nr. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Urteil des Gerichtshofes (Dritte Kammer) vom 16. September 2004. - DFDS BV gegen Inspecteur der Belastingdienst - Douanedistrict Rotterdam. - Ersuchen um Vorabentscheidung: Gerechtshof te Amsterdam - Niederlande. - Gemeinsamer Zolltarif - Kombinierte Nomenklatur - Zolltarifliche Einreihung - Unterposition 8704 10 - Mit komplexem Kippsystem ausgestatteter 'Minitrac' zum Transport und zum Abkippen von Sand, Erde und Gestein. - Rechtssache C-396/02.

Parteien:

In der Rechtssache C-396/02

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Artikel 234 EG,

eingereicht vom Gerechtshof Amsterdam (Niederlande) mit Entscheidung vom

6. November 2002

, eingegangen am

11. November 2002

, in dem Verfahren

DFDS BV

gegen

Inspecteur der Belastingdienst - Douanedistrict Rotterdam

erlässt

DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung des Richters A. Rosas in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Dritten Kammer sowie der Richter R. Schintgen und K. Schiemann (Berichterstatter),

Generalanwältin: C. Stix-Hackl,

Kanzler: R. Grass,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

- der DFDS BV, vertreten durch R. G. A. Tusveld und G. J. van Slooten, advocaten,

- der niederländischen Regierung, vertreten durch S. Terstal als Bevollmächtigte,

- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch C. Schieferer und M. van Beek als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom

15. Januar 2004,

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

1. Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Unterposition 8704 10 der Kombinierten Nomenklatur in Anhang I der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 des Rates vom 23. Juli 1987 über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif (ABl. L 256, S. 1) in der Fassung der Verordnungen (EG) Nr. 3115/94 der Kommission vom 20. Dezember 1994 (ABl. L 345, S. 1) und Nr. 3009/95 der Kommission vom 22. Dezember 1995 (ABl. L 319, S. 1) (im Folgenden KN).

2. Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der DFDS BV (im Folgenden: DFDS) mit Sitz in Amsterdam (Niederlande) und dem Inspecteur der Belastingdienst - Douanedistrict Rotterdam über die zolltarifliche Einreihung bestimmter Minitracs genannter Fahrzeuge in die Unterposition 8704 10 19 KN als zur Verwendung außerhalb des Straßennetzes gebaute Muldenkipper.

Rechtlicher Rahmen

3. Die durch die Verordnung Nr. 2658/87 eingeführte KN soll sowohl den Erfordernissen des Gemeinsamen Zolltarifs als auch denen der Außenhandelsstatistik der Gemeinschaft entsprechen. Sie stützt sich auf das Harmonisierte System zur Bezeichnung und Codierung der Waren (im Folgenden: HS), das vom Rat für die Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Zollwesens, jetzt Weltzollorganisation, ausgearbeitet und durch das am 14. Juni 1983 in Brüssel geschlossene Internationale Übereinkommen (im Folgenden: HS-Übereinkommen) eingeführt wurde; dieses wurde von der Gemeinschaft mitsamt seinem Änderungsprotokoll vom 24. Juni 1986 mit dem Beschluss 87/369/EWG des Rates vom 7. April 1987 (ABl. L 198, S. 1) genehmigt.

4. Die Position 8704 gehört zu Kapitel 87 in Abschnitt XVII des Teils II der KN. Dieses Kapitel betrifft Zugmaschinen, Kraftwagen, Krafträder, Fahrräder und andere nicht schienengebundene Landfahrzeuge, Teile davon und Zubehör. Im Zeitpunkt des Entstehens der Zollschuld in den Jahren 1995 und 1996 wies die Position 8704 in der Fassung der Verordnungen Nr. 3115/94 und Nr. 3009/95, die für diese Position identisch sind, folgende Unterteilung auf:

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5. Die Allgemeinen Vorschriften für die Auslegung der KN in deren Teil I Titel I Buchstabe A Nummer 1 und Nummer 3 Buchstabe a, die in den Fassungen von 1995 und 1996 identisch sind, bestimmen insbesondere:

1. Die Überschriften der Abschnitte, Kapitel und Teilkapitel sind nur Hinweise. Maßgebend für die Einreihung sind der Wortlaut der Positionen und der Anmerkungen zu den Abschnitten oder Kapiteln und - soweit in den Positionen oder in den Anmerkungen zu den Abschnitten oder Kapiteln nichts anderes bestimmt ist - die nachstehenden Allgemeinen Vorschriften.

...

3. Kommen für die Einreihung von Waren bei Anwendung der Allgemeinen Vorschrift 2 b) oder in irgendeinem anderen Fall zwei oder mehr Positionen in Betracht, so wird wie folgt verfahren:

a) Die Position mit der genaueren Warenbezeichnung geht den Positionen mit allgemeiner Warenbezeichnung vor....

6. Die Erläuterungen zur KN vom 5. Dezember 1994 (ABl. C 342, S. 1) enthalten hinsichtlich der Muldenkipper (Dumper), zur Verwendung außerhalb des Straßennetzes gebaut, und insbesondere hinsichtlich der Unterpositionen 8704 10 10 bis 8704 10 90 folgende Klarstellungen:

1. Hierher gehören in erster Linie Fahrzeuge mit einer Kippmulde über der Vorder- oder Hinterachse oder mit einem Aufbau mit Klappboden, die speziell für die Beförderung von Sand, Kies, Erde, Gestein usw. in Steinbrüchen und Bergwerken oder auf Baustellen (zum Bau von Straßen, Flugplätzen und Häfen) konstruiert sind. Darstellungen der verschiedenen Typen von Muldenkippern sind am Ende dieser Erläuterung wiedergegeben.

2. Hierher gehören auch kleinere Fahrzeuge der beschriebenen Art, die auf Baustellen zum Befördern von Erde, Bauschutt, Zement, frischem Beton usw. eingesetzt werden. Diese haben ein festes oder ein Gelenkfahrgestell und Zwei- oder Vierradantrieb; die Kippmulde befindet sich über der einen Achse und der Fahrersitz über der anderen. Der Fahrersitz ist gewöhnlich nicht durch ein Führerhaus geschützt.

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7. Nach Artikel 6 Absatz 1 des HS-Übereinkommens wird ein als Ausschuss für das Harmonisierte System bezeichneter Ausschuss, der aus Vertretern aller Vertragsparteien zusammengesetzt ist, innerhalb des Rates für die Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Zollwesens eingerichtet. Nach Artikel 7 Absatz 1 des HS-Übereinkommens besteht die Aufgabe dieses Ausschusses u. a. darin, Änderungen des Übereinkommens vorzuschlagen und Erläuterungen, Einreihungsavise und sonstige Stellungnahmen zur Auslegung des HS auszuarbeiten.

8. In den Erläuterungen zum HS heißt es in Bezug auf die Position 8704:

Zu dieser Position gehören ebenfalls:

1) Muldenkipper (Dumper). Dies sind robust gebaute Fahrzeuge mit Kippmulde oder Aufbau mit Klappboden, die zum Befördern von Abraum und anderem Schüttgut eingerichtet sind. Diese mit starrem Fahrgestell oder Gelenkfahrgestell ausgestatteten Fahrzeuge sind gewöhnlich mit geländegängigen Rädern ausgerüstet und können auf Böden mit weichem Untergrund fahren. Zu dieser Gruppe gehören Dumper schwerer und leichter Bauart; die letzteren besitzen manchmal als Besonderheit einen drehbaren Fahrersitz, zwei einander gegenüber angeordnete Fahrersitze oder zwei Lenkräder, damit der Fahrer das Fahrzeug mit Sicht auf die Ladefläche lenken und das Entladen besser durchführen kann.

...

9. Zur Unterposition 8704 10 führen die HS-Erläuterungen Folgendes aus:

Muldenkipper (Dumper) dieser Unterposition können von anderen Kraftwagen zum Befördern von Gütern (insbesondere von Kipplastwagen) im Allgemeinen aufgrund folgender Merkmale unterschieden werden:

- die Mulde ist aus sehr starkem Stahlblech gefertigt; die Muldenvorderwand ist als ein über das Führerhaus gezogenes Schutzdach ausgeführt; der ganze Boden oder ein Teil des Bodens ist nach hinten hochgezogen;

...

Bestimmte Muldenkipper sind speziell für die Arbeit in Bergwerken oder Tunnels konstruiert, z. B. solche mit einem Aufbau mit Klappboden. Diese weisen einige der oben erwähnten Merkmale auf, besitzen aber kein Fahrerhaus und keine als Schutzdach vorgezogene Muldenvorderwand.

10. Die Verordnung (EWG) Nr. 396/92 der Kommission vom 18. Februar 1992 über die Einreihung von bestimmten Waren in die Kombinierte Nomenklatur (ABl. L 44, S. 9) hat, wie aus den Nummern 3 und 4 ihres Anhangs hervorgeht, bestimmte Waren der Position 8704 wie folgt eingereiht:

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Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefrage

11. Die DFDS meldete 1995 und 1996 als Zollspediteur für Rechnung der Maveco Maschinen Handelsgesellschaft mbH mit Sitz in Liechtenstein Minitracs des Typs 709, 1005 und 1302 zum zollrechtlich freien Verkehr an. Diese Minitracs sind speziell zur Verwendung außerhalb des Straßennetzes gebaute Fahrzeuge zum Laden und Entladen von Schüttgut. Die DFDS meldete die Fahrzeuge unter der Unterposition 8704 10 19 KN an, die sich auf zur Verwendung außerhalb des Straßennetzes gebaute Muldenkipper (Dumper) bezieht.

12. Da die niederländischen Zollbehörden der Auffassung waren, dass diese Fahrzeuge unter der Unterposition 8704 21 91 KN hätten angemeldet werden müssen, die sich auf andere Lastkraftwagen bezieht und für die höhere Zollabgaben anfallen, sandten sie der DFDS einen Zahlungsbescheid.

13. Gegen diesen Bescheid legte die DFDS Einspruch ein, der für die Fahrzeuge des Typs 1005 und 1302 zurückgewiesen wurde. Sie erhob daraufhin Klage bei der Tariefcommissie, an deren Stelle mit Wirkung vom 1. Januar 2002 die Douanekamer des Gerechtshof Amsterdam getreten ist.

14. Das vorlegende Gericht beschreibt die betreffenden Waren folgendermaßen:

Die fraglichen Minitracs sind Fahrzeuge, die gebaut wurden, um hauptsächlich auf Bauplätzen zum Transport und Abkippen von Schutt, Erde, Kies, Sand und ähnlichen Materialien benutzt zu werden.

Der Minitrac 1005 (Länge 257 cm, Breite 112 cm und Höhe 138 cm) ist mit einem 7kWDieselmotor ausgestattet.

Der Minitrac 1302 (Länge 264 cm, Breite 124 cm und Höhe 138 cm) verfügt über einen 9,5kW-Dieselmotor.

Beide Fahrzeuge haben vier Vorwärts- und drei Rückwärtsgänge. Ihre Hoechstgeschwindigkeit beträgt 7,3 km/h.

Die Fahrzeuge sind mit Raupenketten, einem (offenen) Fahrersitz mit Bedien- und Lenkmechanismus sowie einer Ladefläche ausgestattet, deren Fracht durch einen hydraulischen Kippmechanismus abgekippt werden kann. Die Ladefläche besteht aus einem Aufbau mit Seitenwänden, die beim Kippen geöffnet oder umgeklappt werden können. Auf diese Weise ist es möglich, die Ladefläche - ohne die Position des Fahrzeugs zu verändern - nach drei Seiten zu kippen. Das Modell 1302 kann statt der nach drei Seiten kippbaren Ladefläche auch mit einer nach hinten kippbaren Ladefläche ausgestattet werden, die mittels eines gesonderten hydraulischen Zylinders und eines hydraulischen Ventils sowie eines Drehmechanismus stufenlos um 180 Grad gedreht werden kann.

Der Minitrac 1005 hat ein Eigengewicht von 830 kg und eine Ladefähigkeit von 1 000 kg.

Der Minitrac 1302 hat ein Eigengewicht von 1 060/1 200 kg und eine Ladefähigkeit von 1 300/1 500 kg.

15. Das vorlegende Gericht hält die Einreihung der fraglichen Waren in die Unterposition 8704 10 KN nicht grundsätzlich für ausgeschlossen. Es hat aber Zweifel in Bezug auf die Frage, ob Fahrzeuge, die zur Verwendung außerhalb des Straßennetzes gebaut wurden und zum Befördern von Abraum und Schüttgut bestimmt sind, nur wegen der technologischen Merkmale und der Konstruktionseigenschaften des Kippmechanismus, wodurch die Güter auf verschiedene Weise und präziser als die Vorgängermodelle desselben Typs von der Ladefläche abgekippt werden könnten, von der Position 8704 10 KN auszuschließen seien.

16. Nach Ansicht des Gerichts ist die Verordnung Nr. 396/92 zu berücksichtigen, in der die Unterposition 8704 31 91 KN beschrieben werde. Der Unterschied zwischen den Unterpositionen 8704 21 und 8704 31 betreffe die Motoren. Bei Unterposition 8704 21 handele es sich um Verbrennungsmotoren mit Selbstzündung, bei Unterposition 8704 31 hingegen um solche mit Zündkerzen.

17. Unter diesen Umständen hat der Gerechtshof Amsterdam beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:

Sind Lastwagen, die zur Verwendung außerhalb des Straßennetzes gebaut wurden und zum Transport und Abkippen von Schüttgut bestimmt und zu diesem Zweck insbesondere mit einer komplizierten, vielseitigen und präzisen Kippfunktion ausgestattet sind, vom Begriff des Muldenkippers in Position 8704 10 des Gemeinsamen Zolltarifs ausgeschlossen?

Zur Vorlagefrage

Beim Gerichtshof eingereichte Erklärungen

18. Die DFDS ist der Auffassung, dass Fahrzeuge vom Typ der streitigen Minitracs als Muldenkipper in die Unterposition 8704 10 KN einzureihen seien. Diese Minitracs seien in Australien, Kanada, den Vereinigten Staaten, Japan und der Tschechischen Republik als Muldenkipper eingestuft worden.

19. Die Annahme sei falsch, dass ein Kipplastwagen in bestimmter Weise konzipiert sein oder eine bestimmte Form haben müsse und dass das Abkippen mit Hilfe eines einfachen (mechanischen oder manuellen) Verfahrens zu erfolgen habe. Die Mulde und der Kippmechanismus erfuellten gemeinsam eine Funktion und seien als technische Gesamtheit zu betrachten. In Anbetracht des technischen Fortschritts seien die Kipp- und Drehmöglichkeiten verbessert worden, so dass Bauart und Mechanismen komplexer geworden seien. Hierbei handele es sich aber nur um Einzelheiten der Konzeption. Schließlich komme es nicht darauf an, wie das Abkippen erfolge; wesentlich sei, dass es auf engem Raum geschehe. Im Hinblick auf ihre Funktion müssten die Waren als Muldenkipper eingestuft werden.

20. Die DFDS schlägt daher vor, die Vorlagefrage so zu beantworten, dass eine komplizierte, vielseitige und präzise Kippfunktion der Einreihung der Minitracs als Muldenkipper im Sinne der Unterposition 8704 10 KN nicht entgegensteht.

21. Nach Ansicht der niederländischen Regierung verstößt die zolltarifliche Einreihung durch die Zollverwaltung nicht gegen die KN.

22. Die HS-Erläuterungen zeigten, dass sich ein Muldenkipper im Allgemeinen durch eine bestimmte Anzahl spezifischer Merkmale von anderen Kraftwagen zum Befördern von Gütern unterscheide, u. a. dadurch, dass er ein zwar robustes, aber relativ einfach gebautes Fahrzeug mit einer Mulde aus sehr starkem Stahlblech und mit hochgezogenem Boden sei. Die streitigen Fahrzeuge entsprächen nicht dieser Begriffsbestimmung, weil sie eine gerade Mulde hätten, die sich nach drei Seiten öffne und nicht aus sehr starkem Stahlblech bestehe. Dies werde durch die Erläuterungen zur KN bestätigt, in denen von Fahrzeugen mit einer Kippmulde über der Vorder- oder Hinterachse oder mit einem Aufbau mit Klappboden die Rede sei.

23. Die niederländische Regierung fügt hinzu, dass der Bundesfinanzhof (Deutschland) entschieden habe, dass die fraglichen Minitrac-Modelle 1302 und 1005 nicht der Begriffsbestimmung der Muldenkipper entsprächen.

24. Die Kommission teilt im Wesentlichen die Argumente der niederländischen Regierung. Die Muldenkipper der Unterposition 8704 10 KN seien einfach gebaute Fahrzeuge, die dadurch gekennzeichnet seien, dass ihre Mulden im Allgemeinen die Form einer manuell nach vorne oder nach hinten abkippbaren Wanne hätten, deren Boden ganz oder zum Teil nach hinten hochgezogen sei. Diese Merkmale ergäben sich aus den Erläuterungen zur KN für die Unterpositionen 8704 10 10 bis 8704 10 90, die HS-Erläuterungen zur Position 8704 und zur Unterposition 8704 10 sowie aus der Verordnung Nr. 396/92, die der KN entspreche.

25. Da die streitigen Minitracs mit einer flachen Kipplade mit komplexem Mechanismus ausgestattet seien, die hydraulisch sowohl seitlich als auch nach hinten gekippt werden könne, oder mit einer Kipplade, die mittels eines gesonderten hydraulischen Zylinders und eines gesonderten hydraulischen Ventils sowie eines Drehmechanismus stufenlos bis zu 180 Grad drehbar sei, fielen sie wohl nicht unter die Unterposition 8704 10 KN.

26. Abschließend schlägt die Kommission dem Gerichtshof vor, die Vorlagefrage wie folgt zu beantworten:

Lastwagen, die zur Verwendung außerhalb des Straßennetzes gebaut wurden und zum Transport und Abkippen von Schüttgut bestimmt und zu diesem Zweck mit einer komplizierten, vielseitigen und präzisen Kippfunktion ausgestattet sind, sind vom Begriff des Muldenkippers in Unterposition 8704 10 des Gemeinsamen Zolltarifs auszuschließen.

Es ist Sache des nationalen Gerichts, das um eine Vorabentscheidung ersucht hat, aufgrund aller ihm zur Verfügung stehenden Angaben die korrekte Tarifierung zu bestimmen.

Antwort des Gerichtshofes

27. Zunächst ist daran zu erinnern, dass nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes im Interesse der Rechtssicherheit und der leichten Nachprüfbarkeit das entscheidende Kriterium für die zollrechtliche Tarifierung von Waren allgemein in deren objektiven Merkmalen und Eigenschaften zu suchen ist, wie sie im Wortlaut der Positionen der KN und der Anmerkungen zu den Abschnitten oder Kapiteln festgelegt sind (vgl. u. a. Urteile vom 7. Februar 2002 in der Rechtssache C276/00, Turbon International, Slg. 2002, I1389, Randnr. 21, und vom 7. November 2002 in den Rechtssachen C260/00 bis 263/00, Lohmann und Medi Bayreuth, Slg. 2002, I10045, Randnr. 30).

28. Die zur KN von der Kommission und zum HS vom Rat für die Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Zollwesens ausgearbeiteten Erläuterungen tragen erheblich zur Auslegung der einzelnen Tarifpositionen bei, ohne jedoch rechtsverbindlich zu sein (vgl. Urteil vom 28. April 1999 in der Rechtssache C405/97, Mövenpick Deutschland, Slg. 1999, I-2397, Randnr. 18).

29. Darüber hinaus kann der Verwendungszweck der Ware ein objektives Tarifierungskriterium sein, sofern er der Ware innewohnt, was sich anhand der objektiven Merkmale und Eigenschaften der Ware beurteilen lässt (vgl. Urteil des Gerichtshofes vom 1. Juni 1995 in der Rechtssache C-459/93, Thyssen Haniel Logistic, Slg. 1995, I1381, Randnr. 13).

30. Es ist festzustellen, dass das einzige Kriterium, das die niederländische Regierung und die Kommission gegen eine Tarifierung der Minitracs als Muldenkipper im Sinne der Unterposition 8704 10 KN angeführt haben, in dem besonders fortschrittlichen Kippmechanismus der Lade und ihrer diesem Mechanismus angepassten Form besteht.

31. Der Wortlaut dieser Unterposition setzt voraus, dass ein Fahrzeug zwei Voraussetzungen erfuellen muss, um in diese Unterposition eingereiht zu werden, d. h., es muss sich um einen Muldenkipper handeln, und das Fahrzeug muss zur Verwendung außerhalb des Straßenverkehrs gebaut sein. Während die zweite Voraussetzung im vorliegenden Fall unproblematisch ist, enthält die KN keine zusätzliche Klarstellung in Bezug auf die Definition eines Muldenkippers.

32. Aus den Beschreibungen dieser Fahrzeuge in den Erläuterungen zur KN und zum HS ergibt sich, dass ein wesentliches Merkmal der Muldenkipper das Vorhandensein einer Kippmulde oder eines Aufbaus mit Klappboden ist, der den Transport von Abraum oder anderem Schüttgut ermöglicht. Dagegen enthalten diese Erläuterungen keinen Hinweis darauf, dass Form oder Funktionsweise der Kippmulden für sich allein ein entscheidendes Kriterium für die Tarifierung eines Fahrzeugs als Muldenkipper sein könnte.

33. Die Erläuterung des HS zur Position 8704 beschreibt die Muldenkipper als robust gebaute Fahrzeuge. Unterstellt, dass das Kriterium der Robustheit eines Fahrzeugs ausreichend objektiv ist, um als Tarifierungskriterium herangezogen werden zu können, so kann doch keineswegs aus einem solchen Kriterium abgeleitet werden, dass ein fortschrittlicher Kippmechanismus nicht robust sein könnte oder dass die Robustheit des Fahrzeugs nach der Robustheit seines Entlademechanismus zu beurteilen wäre.

34. Hinsichtlich der Unterposition 8704 10 wird in den Erläuterungen zur KN und zum HS durch Gebrauch der adverbialen Bestimmungen im Allgemeinen und in erster Linie ausdrücklich betont, dass die Kriterien nur Hinweischarakter haben und keine zwingend zu erfuellenden Voraussetzungen darstellen. Die Tatsache, dass ein Fahrzeug keine traditionell gestaltete Mulde besitzt oder sich diese Mulde nicht nur vorwärts oder rückwärts, sondern auch seitwärts abkippen lässt, kann für sich allein die Tarifierung des fraglichen Fahrzeugs als Muldenkipper nicht ausschließen.

35. Allgemeiner gesagt, ist im vorliegenden Fall unter Berücksichtigung des Verwendungszwecks der Muldenkipper, nämlich des Transports und des Abkippens von Abraum und anderem Schüttgut, kein Umstand ersichtlich, der den Schluss zuließe, dass Änderungen in der Bauart dieser Fahrzeuge, die vorgenommen werden, um diese (u. a. durch präziseres Abladen auf engem Raum) für ihren Verwendungszweck besser geeignet zu machen, zur Folge haben könnten, dass ihre Tarifierung als Muldenkipper ausgeschlossen wäre.

36. In Bezug auf Nummer 4 des Anhangs der Verordnung Nr. 396/92, der eine Auslegung der Unterposition 8704 31 91 durch die Kommission enthält, genügt die Feststellung, dass er nicht als Grundlage für eine Auslegung der Unterposition 8704 10 KN dienen kann, die dem Wortlaut dieser Unterposition im Licht der Erläuterungen zur KN widerspräche.

37. Somit ist auf die vorgelegte Frage zu antworten, dass die Tatsache, dass ein Muldenfahrzeug mit einer komplizierten, vielseitigen und präzisen Kippfunktion ausgestattet ist, seiner Tarifierung als Muldenkipper im Sinne der Unterposition 8704 10 KN nicht entgegensteht.

Kostenentscheidung:

Kosten

38. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Tenor:

Aus diesen Gründen hat

der Gerichtshof (Dritte Kammer)

für Recht erkannt:

Die Tatsache, dass ein Muldenfahrzeug mit einer komplizierten, vielseitigen und präzisen Kippfunktion ausgestattet ist, steht seiner Tarifierung als Muldenkipper im Sinne der Unterposition 8704 10 der Kombinierten Nomenklatur in Anhang I der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 des Rates vom 23. Juli 1987 über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif in der Fassung der Verordnungen (EG) Nr. 3115/94 der Kommission vom 20. Dezember 1994 und Nr. 3009/95 der Kommission vom 22. Dezember 1995 nicht entgegen.

Ende der Entscheidung

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