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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 27.05.2004
Aktenzeichen: C-398/02
Rechtsgebiete: Richtlinie 75/442/EWG vom 15. Juli 1975 über Abfälle in der durch die Richtlinie 91/156/EWG vom 18. März 1991 geänderten Fassung


Vorschriften:

Richtlinie 75/442/EWG vom 15. Juli 1975 über Abfälle in der durch die Richtlinie 91/156/EWG vom 18. März 1991 geänderten Fassung Art. 4
Richtlinie 75/442/EWG vom 15. Juli 1975 über Abfälle in der durch die Richtlinie 91/156/EWG vom 18. März 1991 geänderten Fassung Art. 9 Abs. 1
Richtlinie 75/442/EWG vom 15. Juli 1975 über Abfälle in der durch die Richtlinie 91/156/EWG vom 18. März 1991 geänderten Fassung Art. 13
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

URTEIL DES GERICHTSHOFES (Vierte Kammer)

27. Mai 2004(1)

"Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats - Richtlinie 75/442/EWG - Umwelt - Abfallbewirtschaftung"

Parteien:

In der Rechtssache C-398/02

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch G. Valero Jordana und M. Konstantinidis als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Klägerin,

gegen

Königreich Spanien, vertreten durch L. Fraguas Gadea als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Beklagter,

wegen Feststellung, dass das Königreich Spanien dadurch gegen seine Verpflichtungen aus der Richtlinie 75/442/EWG des Rates vom 15. Juli 1975 über Abfälle (ABl. L 194, S. 47) in der durch die Richtlinie 91/156/EG des Rates vom 18. März 1991 (ABl. L 78, S. 32) geänderten Fassung verstoßen hat, dass es nicht die erforderlichen Maßnahmen getroffen hat, um in Bezug auf die Mülldeponie in La Bañeza (Spanien) die Anwendung der Artikel 4, 9 und 13 dieser Richtlinie zu gewährleisten,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J. N. Cunha Rodrigues (Berichterstatter), des Richters J.-P. Puissochet und der Richterin F. Macken,

Generalanwalt: L. A. Geelhoed,

Kanzler: R. Grass,

aufgrund des Berichts des Berichterstatters,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

1 Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften hat mit Klageschrift, die am 11. November 2002 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, nach Artikel 226 EG Klage erhoben auf Feststellung, dass das Königreich Spanien dadurch gegen seine Verpflichtungen aus der Richtlinie 75/442/EWG des Rates vom 15. Juli 1975 über Abfälle (ABl. L 194, S. 47) in der durch die Richtlinie 91/156/EWG des Rates vom 18. März 1991 (ABl. L 78, S. 32) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 75/442) verstoßen hat, dass es nicht die erforderlichen Maßnahmen getroffen hat, um in Bezug auf die Mülldeponie in La Bañeza (Spanien) die Anwendung der Artikel 4, 9 und 13 dieser Richtlinie zu gewährleisten.

Rechtlicher Rahmen

2 Artikel 4 der Richtlinie 75/442 lautet:

"Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass die Abfälle verwertet oder beseitigt werden, ohne dass die menschliche Gesundheit gefährdet wird und ohne dass Verfahren oder Methoden verwendet werden, welche die Umwelt schädigen können, insbesondere ohne dass

- Wasser, Luft, Boden und die Tier- und Pflanzenwelt gefährdet werden,

- Geräusch- oder Geruchsbelästigungen verursacht werden,

- die Umgebung und das Landschaftsbild beeinträchtigt werden.

Die Mitgliedstaaten ergreifen ferner die erforderlichen Maßnahmen, um eine unkontrollierte Ablagerung oder Ableitung von Abfällen und deren unkontrollierte Beseitigung zu verbieten."

3 Artikel 9 Absatz 1 der Richtlinie 75/442 sieht vor, dass u. a. für die Zwecke des Artikels 4 der Richtlinie alle Anlagen oder Unternehmen, die Abfallbeseitigungsmaßnahmen durchführen, einer Genehmigung durch die für die Durchführung der Bestimmungen der Richtlinie zuständige Behörde bedürfen. Diese Genehmigung erstreckt sich insbesondere auf:

- Art und Menge der Abfälle,

- die technischen Vorschriften,

- die Sicherheitsvorkehrungen,

- den Ort der Beseitigung und

- die Beseitigungsmethode.

4 Artikel 13 der Richtlinie 75/442 bestimmt:

"Die Anlagen oder Unternehmen, die die in den Artikeln 9 bis 12 genannten [Maßnahmen zur Abfallbeseitigung] durchführen, werden von den zuständigen Behörden regelmäßig angemessen überprüft."

Vorprozessuales Verfahren

5 Infolge einer schriftlichen Anfrage eines Abgeordneten an das Europäische Parlament, in der darauf hingewiesen wurde, dass es möglicherweise bei La Bañeza eine rechtswidrige Mülldeponie gebe, ersuchte die Kommission die spanischen Behörden um Stellungnahme zu dieser Behauptung und zu den Maßnahmen, die zur Umsetzung der Richtlinie 75/442 getroffen worden seien.

6 Mit Schreiben vom 22. November 2000 teilten die spanischen Behörden der Kommission mit, dass für die Mülldeponie von La Bañeza keine Genehmigung nach Artikel 9 der Richtlinie 75/442 vorliege, weil sie vor dem Erlass der Richtlinie errichtet worden sei. Außerdem sei die Vertiefung des Geländes, auf dem sich die Abfälle häuften, aufgeschüttet worden und der Zweckverband der Gemeinden La Bañeza und Cuatro Riberas (Spanien) verfüge über keine Abfallbehandlungsanlage. An der Mülldeponie seien Ausbau- und Sanierungsarbeiten vorgenommen worden, um die von ihr ausgehenden Beeinträchtigungen zu beseitigen und sie zu erhalten, bis das Abfallbehandlungszentrum der Provinz León seinen Betrieb aufnehme.

7 Da die Kommission durch diese Stellungnahme nicht überzeugt war, richtete sie am 5. April 2001 ein Mahnschreiben an das Königreich Spanien wegen nicht ordnungsgemäßer Anwendung der Artikel 4, 9 und 13 der Richtlinie 75/442.

8 Die spanischen Behörden gaben in ihrer Antwort an, dass die fragliche Mülldeponie in den Jahren 1979/80 genehmigt worden sei und die durch die damals geltende Regelung festgelegten Voraussetzungen erfülle. Jedoch wurde keine Kopie der Betriebserlaubnis vorgelegt. Die spanischen Behörden übermittelten der Kommission erneut die Informationen über die Ausbau- und Sanierungsarbeiten an dieser Mülldeponie, die durchgeführt worden seien, um deren Auswirkungen auf die Umwelt zu beseitigen, ihren Fortbestand zu verlängern und ihre Bewirtschaftung zu verbessern. Dabei wiederholten sie, dass es sich um vorläufige Maßnahmen handele, die bis zur Aufnahme des Betriebes des Abfallbehandlungszentrums von San Román de la Vega (Spanien) ergriffen worden seien.

9 Da die Kommission der Auffassung war, dass der ihr bekannte Sachverhalt einen Verstoß gegen die Richtlinie 75/442 darstelle, richtete sie am 21. Dezember 2001 eine mit Gründen versehene Stellungnahme an das Königreich Spanien und forderte dieses auf, die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um dieser Stellungnahme innerhalb von zwei Monaten nach ihrer Bekanntgabe nachzukommen.

10 Mit Schreiben vom 28. Februar 2002 antwortete die spanische Regierung auf die mit Gründen versehene Stellungnahme und brachte dieselben Argumente wie in ihrer Antwort auf das Mahnschreiben vor. Sie wies u. a. darauf hin, dass die fragliche Mülldeponie geschlossen werde, nachdem die Arbeiten zur Errichtung des Abfallbehandlungszentrums von San Román de la Vega abgeschlossen seien.

11 Da die Kommission der Auffassung war, dass das Königreich Spanien nicht die Maßnahmen ergriffen habe, die auf eine Beendigung der gerügten Zuwiderhandlung schließen ließen, hat sie beschlossen, die vorliegende Klage zu erheben.

Zur Vertragsverletzung

12 Nach Ansicht der Kommission ist die Mülldeponie von La Bañeza rechtswidrig, da für sie keine Genehmigung vorliege, die die Voraussetzung des Artikels 9 der Richtlinie 75/442 erfüllen könnte.

13 Zudem ende die Verpflichtung, eine Genehmigung zu erhalten, erst mit der endgültigen Stilllegung oder der Sanierung der Mülldeponie. Es sei unstreitig, dass die Mülldeponie nach Ablauf der Frist, die dem Königreich Spanien gesetzt worden sei, um der mit Gründen versehenen Stellungnahme nachzukommen, also am 21. Februar 2002, immer noch geöffnet gewesen sei und die Arbeiten zur Errichtung des Abfallbehandlungszentrums von San Román de la Vega noch nicht abgeschlossen gewesen seien.

14 Die Mülldeponie genüge auch nicht den Erfordernissen des Artikels 4 Absatz 1 der Richtlinie 75/442, da die Siedlungsabfälle dort abgeladen würden, ohne dass Verfahren angewandt würden, die die Gefährdung der menschlichen Gesundheit und Umweltschäden verhinderten. Eine solche Situation sei im Bericht der Regierung von Kastilien und León vom 27. Juni 2000 und im hydrogeologischen Bericht der Comisaría de Aguas (Wasserbehörde) der Confederación Hidrográfica del Duero (Wasserverband vom Duero) vom 5. April 2002 eingeräumt worden. Aus Letzterem gehe hervor, dass die Mülldeponie von La Bañeza weiterhin die Umwelt verschmutze und dass dies nur dadurch unterbunden werden könne, dass sie wasserdicht gemacht werde.

15 Was den Verstoß gegen Artikel 13 der Richtlinie 75/442 angeht, macht die Kommission geltend, dass die spanischen Behörden in ihrer Antwort auf die mit Gründen versehene Stellungnahme nicht auf die Frage nach den von ihr angeforderten Informationen über die regelmäßigen Kontrollen eingegangen seien, die gemäß dieser Bestimmung durchzuführen seien.

16 Die spanische Regierung bemerkt lediglich, dass die Mülldeponie von La Bañeza in den Jahren 1979/80 genehmigt worden sei und dass Ausbau- und Sanierungsarbeiten durchgeführt worden seien, um sie mit Artikel 4 der Richtlinie 75/442 in Einklang zu bringen. Sie sei derzeit stillgelegt und werde endgültig geschlossen, wenn die Bauarbeiten am neuen Abfallbehandlungszentrum von San Román de la Vega abgeschlossen seien.

17 Nach ständiger Rechtsprechung ist das Vorliegen einer Vertragsverletzung anhand der Lage zu beurteilen, in der sich der Mitgliedstaat bei Ablauf der Frist befand, die in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzt wurde (vgl. u. a. Urteile vom 20. März 2003 in der Rechtssache C-143/02, Kommission/Italien, Slg. 2003, I-2877, Randnr. 11, und vom 12. Juni 2003 in der Rechtssache C-446/01, Kommission/Spanien, Slg. 2003, I-6053, Randnr. 15).

18 Das Königreich Spanien räumt mit seinem Vorbringen ein, dass die fragliche Deponie bei Ablauf der Frist, die in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzt worden war, noch benutzt wurde, und zwar unter Verstoß gegen die Artikel 4 und 9 der Richtlinie 75/442. Im Übrigen ist unstreitig, dass die spanischen Behörden nicht die von der Kommission verlangten Angaben über die regelmäßigen Kontrollen gemacht haben, denen Aufgaben der Abfallbeseitigung wahrnehmende Einrichtungen unterliegen. Die Klage der Kommission ist daher begründet.

19 Infolgedessen ist festzustellen, dass das Königreich Spanien dadurch gegen seine Verpflichtungen aus der Richtlinie 75/442 verstoßen hat, dass es nicht die erforderlichen Maßnahmen getroffen hat, um in Bezug auf die Mülldeponie von La Bañeza die Anwendung der Artikel 4, 9 und 13 dieser Richtlinie zu gewährleisten.

Kostenentscheidung:

Kosten

20 Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kommission die Verurteilung des Königreichs Spanien beantragt hat und dieses mit seinem Vorbringen unterlegen ist, sind ihm die Kosten aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1. Das Königreich Spanien hat dadurch gegen seine Verpflichtungen aus der Richtlinie 75/442 EWG des Rates vom 15. Juli 1975 über Abfälle in der durch die Richtlinie 91/156/EWG des Rates vom 18. März 1991 geänderten Fassung verstoßen, dass es nicht die erforderlichen Maßnahmen getroffen hat, um in Bezug auf die Mülldeponie von La Bañeza (Spanien) die Anwendung der Artikel 4, 9 und 13 dieser Richtlinie zu gewährleisten.

2. Das Königreich Spanien trägt die Kosten des Verfahrens.

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 27. Mai 2004.

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