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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 02.12.2004
Aktenzeichen: C-398/03
Rechtsgebiete: Richtlinie 90/642/EWG des Rates vom 27. November 1990 über die Festsetzung von Höchstgehalten an Rückständen von Schädlingsbekämpfungsmitteln auf und in bestimmten Erzeugnissen pflanzlichen Ursprungs


Vorschriften:

Richtlinie 90/642/EWG des Rates vom 27. November 1990 über die Festsetzung von Höchstgehalten an Rückständen von Schädlingsbekämpfungsmitteln auf und in bestimmten Erzeugnissen pflanzlichen Ursprungs Art. 1 Abs. 1 Unterabs. 1
Richtlinie 90/642/EWG des Rates vom 27. November 1990 über die Festsetzung von Höchstgehalten an Rückständen von Schädlingsbekämpfungsmitteln auf und in bestimmten Erzeugnissen pflanzlichen Ursprungs Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Urteil des Gerichtshofes (Vierte Kammer) vom 2. Dezember 2004. - E. Gavrielides Oy. - Ersuchen um Vorabentscheidung: Helsingin hallinto-oikeus - Finnland. - Richtlinie 90/642/EWG - Höchstgehalte an Rückständen von Schädlingsbekämpfungsmitteln - Weinblätter. - Rechtssache C-398/03.

Parteien:

In der Rechtssache C-398/03

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Artikel 234 EG,

eingereicht vom Helsingin hallinto-oikeus (Finnland) mit Entscheidung vom

22. September 2003

, beim Gerichtshof eingegangen am

24. September 2003

, in dem Verfahren

E. Gavrielides Oy

erlässt

DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten K. Lenaerts (Berichterstatter) sowie der Richter J. N. Cunha Rodrigues und K. Schiemann,

Generalanwältin: J. Kokott,

Kanzler: L. Hewlett, Hauptverwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom

16. September 2004,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

- der E. Gavrielides Oy, vertreten durch E. Gavrielides,

- der griechischen Regierung, vertreten durch K. Marinou und V. Kontolaimos als Bevollmächtigte,

- der finnischen Regierung, vertreten durch A. Guimaraes-Purokoski als Bevollmächtigte,

- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch E. Paasivirta, B. Doherty und P. Aalto als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom

23. September 2004,

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

1. Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Richtlinie 90/642/EWG des Rates vom 27. November 1990 über die Festsetzung von Hoechstgehalten an Rückständen von Schädlingsbekämpfungsmitteln auf und in bestimmten Erzeugnissen pflanzlichen Ursprungs, einschließlich Obst und Gemüse (ABl. L 350, S. 71), in der Fassung der Richtlinie 2000/42/EG der Kommission vom 22. Juni 2000 (ABl. L 158, S. 51) (im Folgenden: Richtlinie 90/642).

2. Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Gesellschaft E. Gavrielides Oy (im Folgenden: Gavrielides) und der finnischen Zollverwaltung über Entscheidungen, mit denen diese die Einfuhr von Weinblättern durch Gavrielides nach Finnland untersagt hatte.

Rechtlicher Rahmen

3. Artikel 1 Absatz 1 Unterabsatz 1 der Richtlinie 90/642 bestimmt:

Diese Richtlinie gilt für die in Spalte 1 des Anhangs I aufgeführten Erzeugnisgruppen, für die in Spalte 2 Beispiele genannt werden, soweit diese Erzeugnisse oder die in Spalte 3 des Anhangs genannten Teile dieser Erzeugnisse Rückstände von Schädlingsbekämpfungsmitteln enthalten können.

4. Artikel 3 Absatz 1 Unterabsatz 1 der Richtlinie 90/642 bestimmt:

Die unter Artikel 1 fallenden Erzeugnisse oder gegebenenfalls Teile davon dürfen ab dem Zeitpunkt des Inverkehrbringens keine höheren als die in der Liste in Anhang II aufgeführten Hoechstgehalte an Rückständen von Schädlingsbekämpfungsmitteln aufweisen.

5. Anhang I der Richtlinie 90/642 enthält eine Liste der in ihrem Artikel 1 genannten Erzeugnisgruppen und Erzeugnisse.

6. In Spalte 1 dieses Anhangs wird u. a. die Gruppe Beeren- und Kleinobst aufgeführt. Als zu dieser Gruppe gehörende Erzeugnisse werden in Spalte 2 Tafel- und Keltertrauben genannt. Nach Spalte 3 beziehen sich die Hoechstgehalte an Rückständen von Schädlingsbekämpfungsmitteln auf das ganze... Erzeugnis nach Entfernung der Kelche und Stiele.

7. In Spalte 1 des genannten Anhangs wird auch die Gruppe der Blattgemüse und frischen Kräuter aufgeführt. Als zu dieser Gruppe gehörende Erzeugnisse werden in Spalte 2 die frischen Kräuter genannt. Nach Spalte 3 beziehen sich die Hoechstgehalte an Rückständen von Schädlingsbekämpfungsmitteln auf das ganze... Erzeugnis nach Entfernung der verwelkten Außenblätter sowie der Wurzeln und Erde (falls vorhanden).

8. Anhang II der Richtlinie 90/642 bestimmt die Hoechstgehalte an Rückständen von Schädlingsbekämpfungsmitteln für die verschiedenen in Artikel 1 der Richtlinie genannten Erzeugnisse oder Teile von Erzeugnissen. Dort werden u. a. im Rahmen der Gruppe Beeren- und Kleinobst die Tafel- und Keltertrauben erwähnt; im Rahmen der Gruppe der Blattgemüse und frischen Kräuter wird die Untergruppe der frischen Kräuter genannt. Diese Untergruppe enthält eine Aufzählung der Erzeugnisse und nennt dabei Kerbel, Schnittlauch, Petersilie, Sellerieblätter sowie eine Rubrik Sonstige.

9. Der Hoechstgehalt an Chlorpyrifos wird in diesem Anhang II für Tafel- und Keltertrauben auf 0,5 mg/kg und für frische Kräuter auf 0,05 mg/kg festgesetzt.

10. In demselben Anhang wird der Hoechstgehalt an Fenarimol für Tafel- und Keltertrauben auf 0,3 mg/kg und für frische Kräuter auf 0,02 mg/kg festgesetzt.

11. Die Richtlinie 90/642 ist in das finnische Recht durch die Entscheidung Nr. 896/1999 des Handels- und Industrieministeriums über die Hoechstgehalte an Schädlingsbekämpfungsmitteln in Früchten, Gemüsen, Getreide, Eiern und Erzeugnissen auf Eierbasis umgesetzt worden.

12. Artikel 3 Absatz 1 dieser Entscheidung verweist hinsichtlich der Bestimmung der Hoechstgehalte an Rückständen von Schädlingsbekämpfungsmitteln auf eine dieser Entscheidung als Anhang beigefügte Liste der Substanzen. Diese Liste übernimmt hinsichtlich der Hoechstgehalte an Chlorpyrifos und Fenarimol, die für Trauben bzw. frische Kräuter zulässig sind, die in den Randnummern 9 und 10 des vorliegenden Urteils genannten Sätze.

Dem Rechtsstreit zugrunde liegender Sachverhalt und Verfahren

13. Gavrielides wollte im März 2002 einen Posten mit Reis gefuellter Weinblätter und im Juli 2002 einen Posten in Salzlake eingelegter Weinblätter nach Finnland importieren.

14. Das Labor der finnischen Zollverwaltung entnahm Proben dieser Erzeugnisse, um deren Gehalt an Rückständen von Schädlingsbekämpfungsmitteln zu bestimmen, und stellte bei den gefuellten Weinblättern einen Wert von 0,28 mg/kg Chlorpyrifos und bei den Weinblättern in Salzlake Werte von 0,11 mg/kg Chlorpyrifos und 0,14 mg/kg Fenarimol fest.

15. Aufgrund der Ergebnisse dieser Analyse und weil die Zollverwaltung der Auffassung war, dass Weinblätter bei Anwendung der Regelung über die Hoechstgehalte an Rückständen von Schädlingsbekämpfungsmitteln in die Gruppe der Blattgemüse und frischen Kräuter einzuordnen seien, innerhalb deren sie den frischen Kräutern gleichzustellen seien, untersagte die Zollverwaltung mit Entscheidungen vom 29. Juli 2002 und vom 12. August 2002 die Einfuhr, die Ausfuhr, das Aufbewahren zum Zweck des Weiterverkaufs, das Anbieten sowie jede andere Form der Veräußerung dieser Erzeugnisse, weil der bei ihnen festgestellte Gehalt an Rückständen von Schädlingsbekämpfungsmitteln die für die Rückstände an Chlorpyrifos und Fenarimol bei frischen Kräutern festgelegten Hoechstsätze überschritt.

16. Gavrielides erhob beim Helsingin hallinto-oikeus (Verwaltungsgericht Helsinki) eine Anfechtungsklage gegen diese Entscheidungen der finnischen Zollverwaltung.

17. Da das Helsingin hallinto-oikeus feststellte, dass die nationale Regelung mit der Gemeinschaftsregelung in diesem Punkt identisch ist, vertritt es die Auffassung, dass die Entscheidung des Ausgangsrechtsstreits von der Frage abhängt, ob die Richtlinie 90/642 dahin auszulegen ist, dass sie zwingend Hoechstgehalte an Chlorpyrifos- und Fenarimolrückständen für Weinblätter festlegt.

18. Da zu dieser Frage keine Rechtsprechung vorliegt, hat das Helsingin hallinto-oikeus beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1. Ist Artikel 1 Absatz 1 der Richtlinie 90/642/EWG des Rates vom 27. November 1990 über die Festsetzung von Hoechstgehalten an Rückständen von Schädlingsbekämpfungsmitteln auf und in bestimmten Erzeugnissen pflanzlichen Ursprungs, einschließlich Obst und Gemüse, mit ihren späteren Änderungen so auszulegen, dass die Richtlinie auf Weinblätter anwendbar ist?

2. Falls die Richtlinie anwendbar ist:

a) Ist Anhang I der Richtlinie so auszulegen, dass Weinblätter der Erzeugnisgruppe Blattgemüse und frische Kräuter angehören, und ist Anhang II der Richtlinie so auszulegen, dass Weinblätter unter den Eintrag Kräuter, sonstige fallen?

b) In welche Erzeugnisgruppe und unter welchen Eintrag fallen Weinblätter, wenn sie nicht dem Eintrag Kräuter, sonstige zuzuordnen sind?

Würdigung durch den Gerichtshof

19. Es steht fest, dass Weinblätter weder in der Richtlinie 90/642 noch in deren Anhängen erwähnt werden.

20. Mit seinen Fragen möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob trotz dieser fehlenden Erwähnung die Richtlinie 90/642 dahin auszulegen ist, dass sie auf Weinblätter anwendbar ist, und unter welche Erzeugniskategorie und Rubrik diese gegebenenfalls einzuordnen sind.

21. Artikel 1 Absatz 1 der Richtlinie 90/642, der deren Geltungsbereich bestimmt, bezeichnet die Erzeugnisse der in Anhang I dieser Richtlinie aufgeführten Gruppen als Beispiele. Außerdem trägt die erste Spalte in Anhang II der genannten Richtlinie die Überschrift Gruppen und Beispiele von Einzelerzeugnissen, für die die Rückstandshöchstgehalte gelten, und eine große Anzahl der Gruppen und Untergruppen der in diesem Anhang genannten Erzeugnisse enthält am Ende einer Erzeugnisaufzählung eine Rubrik Sonstige.

22. Wie die finnische Regierung und die Kommission der Europäischen Gemeinschaften ausführen und entgegen dem, was Gavrielides und die griechische Regierung in erster Linie vortragen, folgt daraus, dass der Umstand, dass ein Erzeugnis nicht in den Anhängen der Richtlinie 90/642 aufgeführt wird, als solcher nicht ausschließt, dass die Richtlinie für dieses Erzeugnis gilt. Zu prüfen ist jedoch, ob das fragliche Erzeugnis im Rahmen der Regelung über die Hoechstgehalte an Rückständen von Schädlingsbekämpfungsmitteln einem Erzeugnis oder einer Erzeugnisgruppe zugeordnet werden kann, die ausdrücklich von der Richtlinie 90/642 erfasst wird.

23. Bei einer solchen Prüfung ist das allgemeine Ziel dieser Richtlinie zu berücksichtigen, das nach deren ersten sechs Begründungserwägungen und den Ausführungen der Generalanwältin in den Nummern 32 und 33 ihrer Schlussanträge darin besteht, das Erfordernis des wirksamen Schutzes der Pflanzen und Pflanzenerzeugnisse gegen Schadorganismen und Unkraut zur Gewährleistung des Ertrags der pflanzlichen Erzeugung und der Produktivität der Landwirtschaft in der Gemeinschaft mit dem Erfordernis des Schutzes der Gesundheit von Mensch, Tier und der Umwelt vor den schädlichen Auswirkungen der Schädlingsbekämpfungsmittel in Einklang zu bringen.

24. Folglich setzt die Einbeziehung eines nicht in den Anhängen der Richtlinie 90/642 erwähnten Erzeugnisses in eine Gruppe oder Untergruppe von Erzeugnissen, die in dieser Richtlinie genannt werden, voraus, dass, wie die Kommission in ihren schriftlichen Erklärungen ausführt, dieses nicht erwähnte Erzeugnis zuvor einer wissenschaftlichen Bewertung unterzogen wurde, die auf einer Abwägung der in der vorhergehenden Randnummer genannten Erfordernisse beruht und verdeutlicht, dass es im Hinblick auf dieses doppelte Erfordernis zulässig ist, auf das betreffende Erzeugnis diejenigen Hoechstgehalte anzuwenden, die für Rückstände von Schädlingsbekämpfungsmitteln für eine Gruppe oder Untergruppe von Erzeugnissen, der dieses Erzeugnis nun zugeordnet werden soll, festgelegt wurden.

25. Dieses Erfordernis einer vorherigen wissenschaftlichen Bewertung wird durch die dreizehnte Begründungserwägung der Richtlinie 90/642 bestätigt, der zufolge die Festlegung verbindlicher Hoechstgehalte an Rückständen von Schädlingsbekämpfungsmitteln langwieriger technischer Prüfungen [bedarf].

26. In Bezug auf das Ausgangsverfahren ist festzustellen, dass die positiven und negativen Auswirkungen der Schädlingsbekämpfungsmittel auf Weinblätter nach den Hinweisen der Kommission bislang noch nicht Gegenstand einer wissenschaftlichen Bewertung waren, so dass es nicht zulässig ist, diese Blätter in die Rubrik Sonstige der Untergruppe der frischen Kräuter im Rahmen der Gruppe der Blattgemüse und frischen Kräuter einzuordnen, wie es die finnische Regierung möchte, oder sie in die Untergruppe der Tafel- oder Keltertrauben im Rahmen der Gruppe Beeren- und Kleinobst aufzunehmen, was Gavrielides und die griechische Regierung hilfsweise geltend machen.

27. Hinsichtlich der vermeintlichen Möglichkeit einer Einordnung der Weinblätter in die Untergruppe der frischen Kräuter ist hinzuzufügen, dass diese Blätter im Vergleich zu den Beispielen für frische Kräuter, die in den Anhängen I und II der Richtlinie 90/642 erwähnt werden, nämlich Kerbel, Schnittlauch, Petersilie und Sellerieblätter, Unterschiede hinsichtlich ihrer Beschaffenheit, der Art des Verzehrs, der Bedingungen des Anbaus und der Gefährdung durch Schadorganismen aufweisen, die es in Ermangelung einer aktuellen wissenschaftlichen Grundlage verbieten, auf sie die Hoechstgehalte an Rückständen von Schädlingsbekämpfungsmitteln anzuwenden, die für frische Kräuter festgesetzt worden sind.

28. Die finnische Regierung stützt ihre Argumentation auf ein Dokument mit dem Titel Einordnung (weniger) wichtiger Pflanzen, die nicht im Anhang der Richtlinie 90/642/EWG des Rates aufgeführt werden (Classification of [minor] crops not listed in the Appendix of Council Directive 90/642/EEC), auf dessen Seiten 107 und 108 Weinblätter den frischen Kräutern gleichgestellt werden.

29. Dieses Dokument bildet den Anhang eines Orientierungspapiers der Kommission vom 22. Juli 1997 mit dem Titel Leitlinien für die Datenerhebung hinsichtlich der in Anhang II Teil A Nr. 6 und in Anhang III Teil A Nr. 8 der Richtlinie 91/414/EWG über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln genannten Rückstände (Guidelines for the generation of data concerning residues as provided in Annex II, part A, section 6 and Annex III, part A, section 8 of Directive 91/414/EEC concerning the placing of plant protection products on the market).

30. Allerdings kann das von der finnischen Regierung angeführte Dokument die oben dargelegte Analyse nicht in Frage stellen.

31. Denn dieses Dokument bringt lediglich, wie aus den Hinweisen der Kommission hervorgeht, den Standpunkt der Dienststellen der Kommission zum Ausdruck und nicht den des Ständigen Ausschusses für Pflanzenschutz, der sich hierzu noch nicht geäußert hat. Die angeregte Gleichstellung beruht mithin nicht auf einer wissenschaftlichen Bewertung.

32. Außerdem betrifft ausweislich des Titels des Orientierungspapiers vom 22. Juli 1997, dem das angeführte Dokument als Anhang beigefügt ist, die genannte Gleichstellung einen speziellen Rechtsrahmen, nämlich den der Richtlinie 91/414/EWG des Rates vom 15. Juli 1991 über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln (ABl. L 230, S. 1).

33. In ihrem Anhang I enthält diese Richtlinie eine Liste der für die Verwendung in Pflanzenschutzmitteln zulässigen Wirkstoffe. Im Unterschied zur Richtlinie 90/642 setzt sie jedoch keine Rückstandshöchstwerte für die Wirkstoffe fest, für die sie gilt. Wie die Kommission in ihren schriftlichen Erklärungen geltend gemacht hat, stellt die Richtlinie 91/414 in ihrem Artikel 4 Absatz 1 den Grundsatz auf, dass das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln, die solche Substanzen enthalten, von einer vorherigen Zulassung durch den betreffenden Mitgliedstaat abhängig ist, der, wenn er vorläufig Rückstandshöchstwerte festgelegt hat, diese der Kommission zur Prüfung ihrer Annehmbarkeit mitzuteilen hat.

34. In diesem Rahmen betrifft die Gleichstellung der Weinblätter mit frischen Kräutern, die das in Randnummer 28 des vorliegenden Urteils erwähnte Dokument vorschlägt, wie sich aus der Überschrift der Leitlinien ergibt, denen das genannte Dokument als Anhang beigefügt ist, die Bereitstellung von Informationen anlässlich der Vorlage eines Dossiers zur Aufnahme eines neuen Wirkstoffs in den Anhang I der Richtlinie 91/414 oder eines Zulassungsdossiers zum Inverkehrbringen eines Pflanzenschutzmittels, wobei diese Informationen nach Anhang II Teil A Nr. 6 und Anhang III Teil A Nr. 8 der Richtlinie 91/414 bei kontrollierten Versuchen gewonnen wurden und sich auf das Rückstandsverhalten der Substanz oder des fraglichen Erzeugnisses in oder auf behandelten Erzeugnissen, Lebensmitteln und Futtermitteln bezogen.

35. Eine solche Gleichstellung, die im Zusammenhang mit der Richtlinie 91/414 lediglich zum Zweck des Sammelns von Informationen über die Ergebnisse von Versuchen in Betracht gezogen wurde, die sich auf das Rückstandsverhalten von Wirkstoffen oder Pflanzenschutzmitteln auf behandelte Lebensmittel oder Erzeugnisse bezogen, kann in Ermangelung einer wissenschaftlichen Grundlage nicht auf die Festsetzung von Hoechstgehalten an Rückständen von Schädlingsbekämpfungsmitteln ausgedehnt werden, um die es in der Richtlinie 90/642 geht.

36. Daraus folgt, dass im Zusammenhang mit der Richtlinie 90/642 Weinblätter nicht frischen Kräutern gleichgestellt werden können.

37. Hinsichtlich der vermeintlichen Möglichkeit einer Gleichstellung der Weinblätter mit Trauben ist erstens noch darauf hinzuweisen, dass die Untergruppe Tafel- und Keltertrauben zum einen Tafeltrauben und zum anderen Keltertrauben umfasst. Eine Rubrik Sonstige enthält sie nicht, weswegen die Aufzählung der Erzeugnisse dieser Untergruppe als abschließend anzusehen ist und einer Einordnung anderer Erzeugnisse, wie etwa der Weinblätter, in diese entgegensteht.

38. Zweitens ist zu beachten, dass, was die Gruppe Beeren- und Kleinobst anbelangt, zu der die Untergruppe Tafel- und Keltertrauben gehört, die Hoechstgehalte an Rückständen von Schädlingsbekämpfungsmitteln nach Spalte 3 des Anhangs I der Richtlinie 90/642 für das ganze... Erzeugnis gelten. Diese Klarstellung steht einer Einbeziehung von Pflanzenteilen wie Weinblättern, die von der Beere oder dem Kleinobst abzutrennen wären, in die genannte Erzeugnisgruppe entgegen.

39. Drittens findet diese Auslegung ihre Bestätigung in den Unterschieden, die zwischen Weinblättern und Trauben bestehen. Denn abgesehen davon, dass sie sich stark in der Art ihres Verzehrs unterscheiden, sind diese Erzeugnisse, wie die Kommission in ihren schriftlichen Erklärungen geltend macht, verschieden hinsichtlich ihrer Beschaffenheit und somit in Bezug auf ihre Fähigkeit, Rückstände an Schädlingsbekämpfungsmitteln zu speichern, sowie hinsichtlich der Bedingungen ihrer Ernte und somit der Dauer ihrer Gefährdung durch Schadorganismen.

40. Daraus folgt, dass Weinblätter im Zusammenhang mit der Richtlinie 90/642 nicht Tafel- oder Keltertrauben gleichgestellt werden können.

41. Nach alledem ist festzustellen, dass die Richtlinie 90/642 nicht auf Weinblätter anwendbar ist.

42. Somit ist dem vorlegenden Gericht zu antworten, dass die Richtlinie 90/642 nicht auf Weinblätter anwendbar ist.

Kostenentscheidung:

Kosten

43. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Tenor:

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Vierte Kammer) für Recht erkannt:

Die Richtlinie 90/642/EWG des Rates vom 27. November 1990 über die Festsetzung von Hoechstgehalten an Rückständen von Schädlingsbekämpfungsmitteln auf und in bestimmten Erzeugnissen pflanzlichen Ursprungs, einschließlich Obst und Gemüse, in der Fassung der Richtlinie 2000/42/EG der Kommission vom 22. Juni 2000 ist nicht auf Weinblätter anwendbar.

Ende der Entscheidung

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