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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 09.08.1994
Aktenzeichen: C-398/93 P
Rechtsgebiete: EG-Satzung, EWG/EAG BeamtStat


Vorschriften:

EG-Satzung Art. 49
EWG/EAG BeamtStat Art. 90
EWG/EAG BeamtStat Art. 4
EWG/EAG BeamtStat Art. 29
EWG/EAG BeamtStat Art. 45
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Ein Verfahren, durch das innerhalb eines Organs die Rotation der Bediensteten gewährleistet werden soll und bei dem die Beamten mit ihrer Planstelle zugewiesen werden, stellt kein Verfahren zur Besetzung einer freien Planstelle dar. Die Artikel 4, 29 und 45 des Statuts sind deshalb auf ein solches Verfahren nicht anwendbar.

Ebensowenig ist es möglich, aus der Ernennung eines Bediensteten auf Zeit in einer Stelle, die von den für die Feststellung des Haushaltsplans zuständigen Organen auf Zeit eingerichtet worden ist, auf das Bestehen einer freien Planstelle zu schließen.

2. Im System des öffentlichen Dienstes der Gemeinschaft ergibt sich das Bestehen einer freien Planstelle aus der Entscheidung des für die Feststellung des Haushaltsplans zuständigen Organs, während das Bestehen einer bestimmten Funktion von der Entscheidung des für die Organisation der Dienststellen zuständigen Organs abhängt, so daß aus dem Umstand, daß eine zuvor von einem Beamten wahrgenommene Funktion nicht mehr wahrgenommen wird, nicht auf das Bestehen einer freien Planstelle geschlossen werden kann.

3. Zwar sieht Artikel 9 der Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten der Gemeinschaften vor, daß ein Bediensteter auf Zeit nur zur Besetzung einer freien Planstelle eingestellt werden darf, er verbietet jedoch nicht, daß die im Haushaltsplan ausgewiesenen Stellen in Dauerplanstellen und auf Zeit eingerichtete Planstellen aufgeteilt werden, die gemäß Artikel 2 Buchstabe b bzw. Buchstabe a der Beschäftigungsbedingungen besetzt werden.


URTEIL DES GERICHTSHOFES (SECHSTE KAMMER) VOM 9. AUGUST 1994. - LARS BO RASMUSSEN GEGEN KOMMISSION DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN. - RECHTSMITTEL - BEAMTE - ROTATIONSVERFAHREN - EINSTELLUNG EINES BEDIENSTETEN AUF ZEIT. - RECHTSSACHE C-398/93 P.

Entscheidungsgründe:

1 Lars Bo Rasmussen hat mit Rechtsmittelschrift, die am 6. September 1993 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, nach Artikel 49 der EWG-Satzung und den entsprechenden Bestimmungen der EGKS- und der EAG-Satzung des Gerichtshofes ein Rechtsmittel gegen das Urteil des Gerichts erster Instanz vom 6. Juli 1993 in der Rechtssache T-32/92, Lars Bo Rasmussen/Kommission (Slg. 1993, II-765), eingelegt, soweit dieses seine Klage auf Aufhebung der Entscheidung der Kommission über die Ablehnung seiner Bewerbung für die Stelle des Leiters des Presse- und Informationsbüros der Gemeinschaft in Lissabon und der Entscheidung, für eine Zeitstelle der Besoldungsgruppe A 3 auf externe Bewerbungen zurückzugreifen, abgewiesen hat.

2 Aus den Feststellungen des Gerichts in seinem Urteil ergibt sich, daß die Kommission für das Personal ihrer Presse- und Informationsbüros in den Mitgliedstaaten ein Rotationssystem eingeführt hat. Die am 24. November 1976 erlassenen Bestimmungen dieses Systems (nachstehend: die Bestimmungen vom 24. November 1976) sehen vor, daß die Beamten im Rahmen einer allgemeinen Personalbewegung mit ihrer Planstelle zugewiesen werden.

3 Im Rahmen dieses Rotationssystems veröffentlichte die Kommission die Ausschreibung Nr. 587 zur Besetzung der Stelle des Leiters des Büros in Lissabon. Herr Rasmussen, Beamter der Kommission der Besoldungsgruppe A 5, bewarb sich am 28. November 1990 für diese Funktion. Der Rotationsausschuß gelangte jedoch zu der Ansicht, daß keiner der Bewerber über alle erforderlichen Qualifikationen verfüge. Die Anstellungsbehörde beschloß, das Rotationsverfahren zu beenden und dem Büro der Gemeinschaft in Portugal eine Zeitstelle der Besoldungsgruppe A 3 zuzuweisen. Sie führte demgemäß das von der Kommission für die Bediensteten auf Zeit vorgesehene externe Ausleseverfahren durch.

4 Nachdem seine gemäß Artikel 90 des Statuts eingelegte Beschwerde zurückgewiesen worden war, erhob Herr Rasmussen mit Klageschrift vom 30. April 1992 beim Gericht die erwähnte Klage.

5 Zur Unterstützung seiner Klage berief sich der Kläger auf zwei Gründe, einen Verstoß gegen die Artikel 4 und 29 des Statuts, wonach eine freie Planstelle vorrangig im Wege der Beförderung oder Versetzung zu besetzen sei, und einen Verstoß gegen Artikel 45 des Statuts, der eine ordnungsgemässe Abwägung zwischen den Bewerbern um eine Beförderung oder Versetzung vorschreibe.

6 Das Gericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, daß "die Artikel 4, 29 und 45 des Statuts nicht auf das vorliegende Verfahren anwendbar" seien (Randnr. 42 des angefochtenen Urteils).

7 Der Rechtsmittelführer stützt sein Rechtsmittel auf einen einzigen Grund, mit dem er einen Verstoß des Gerichts gegen die Artikel 4, 29 und 45 des Statuts geltend macht. Der Rechtsmittelgrund ist in zwei Teile gegliedert. Das Gericht habe gegen die genannten Bestimmungen verstossen, indem es festgestellt habe, sie seien nicht anwendbar, weil die Ausschreibung Nr. 587 im Rahmen des Rotationssystems erfolgt sei und das externe Ausleseverfahren aufgrund des Artikels 2 Buchstabe a der Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten der Europäischen Gemeinschaften (nachstehend: Beschäftigungsbedingungen) durchgeführt worden sei, während (erster Teil) auf die allgemeinen Einstellungsbestimmungen hätte zurückgegriffen werden müssen, da das Rotationsverfahren beendet worden sei, und (zweiter Teil) Artikel 9 der Beschäftigungsbedingungen für das Einstellungsverfahren bei den Bediensteten auf Zeit nicht danach unterscheide, ob sie eine Dauerplanstelle oder eine auf Zeit eingerichtete Planstelle besetzen sollten.

Zum ersten Teil des Rechtsmittelgrundes

8 Das Gericht hat (in Randnr. 37 des Urteils) die Ansicht vertreten, daß, da das durch die Ausschreibung Nr. 587 eröffnete Verfahren bezweckt habe, einen Beamten zu finden, der mit seiner Planstelle im Rahmen des Rotationssystems zugewiesen werde, es sich nicht um die Besetzung einer freien Planstelle im Sinne der Artikel 4 und 29 des Statuts habe handeln können. Das Gericht hat ausserdem festgestellt (Randnr. 38), daß diese Schlußfolgerung weder durch das Bestehen der Funktion eines Büroleiters in Lissabon noch durch die spätere Ernennung eines Bediensteten auf Zeit der Besoldungsgruppe A 3 für diese Funktion beeinträchtigt werde.

9 Der Rechtsmittelführer rügt, daß das Gericht die Artikel 4, 29 und 45 des Statuts nicht angewandt habe. Er führt hierzu aus, nach Abschluß des Rotationsverfahrens hätte auf die allgemeinen Einstellungsbestimmungen zurückgegriffen werden müssen. Das Rotationsverfahren betreffe die Einweisung in Dauerplanstellen. Da die Funktion eines Büroleiters in Lissabon den Charakter einer Dauerplanstelle habe, hätte die Einstellung gemäß den Artikeln 4, 29 und 45 des Statuts erfolgen müssen.

10 Zunächst ist daran zu erinnern, daß das in Rede stehende Verfahren in den Rahmen des durch die Bestimmungen vom 24. November 1976 errichteten Rotationssystems gehört und daß dieses System auf dem Grundsatz beruht, daß der Beamte mit seiner Planstelle zugewiesen wird.

11 Sodann ist festzustellen, daß nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes die in den Artikeln 4 und 29 des Statuts vorgeschriebenen Formalitäten nicht bei einer Neuzuweisung des Beamten mit seiner Planstelle gelten, da eine derartige Umsetzung keine freie Planstelle zur Folge hat (vgl. Urteil vom 24. Februar 1981 in den verbundenen Rechtssachen 161/80 und 162/80, Carbognani und Coda Zabetta/Kommission, Slg. 1981, 543, Randnr. 19). Entgegen dem Vorbringen des Rechtsmittelführers stellt das genannte Rotationsverfahren keine Versetzung im Sinne des Statuts dar, auch wenn die von der Kommission verwendete Terminologie gelegentlich unpassend ist (dasselbe Urteil, Randnr. 20).

12 Das Gericht hat also zu Recht entschieden, daß es sich nicht um die Besetzung einer freien Planstelle im Sinne der Artikel 4 und 29 des Statuts handeln konnte und daß diese Bestimmungen sowie Artikel 45 des Statuts, der nur für die Beförderung im Sinne dieser Artikel gilt, nicht anwendbar waren.

13 Diese Schlußfolgerung wird keineswegs durch das Argument des Rechtsmittelführers beeinträchtigt, daß das Bestehen einer Dauerplanstelle im vorliegenden Fall daraus geschlossen werden könne, daß man beabsichtigt habe, einem Beamten die Funktion eines Büroleiters in Lissabon zuzuweisen, und daß somit nach Beendigung des Rotationsverfahrens auf die allgemeinen Einstellungsbestimmungen hätte zurückgegriffen werden müssen.

14 Insoweit hat das Gericht zutreffend festgestellt (Randnr. 39 des Urteils), daß die Frage des Bestehens einer bestimmten "Funktion" im Gegensatz zu einer "Planstelle" in die Zuständigkeit des Organs für die Organisation der Dienststellen fällt, während die Frage des Bestehens einer freien Planstelle von der Frage abhängt, ob in der gesamten Anzahl im Haushaltsplan vorgesehener Dauerplanstellen eine Stelle nicht besetzt ist.

15 Hieraus folgt, wie das Gericht zu Recht festgestellt hat (dieselbe Randnr. des Urteils), daß, da der Haushaltsplan nicht die Funktionen festlegt, auf die diese gesamte Anzahl von Planstellen zu verteilen ist, das Bestehen einer freien Planstelle im Sinne des Statuts in Lissabon nicht allein daraus geschlossen werden kann, daß die Funktion eines Büroleiters in Lissabon infolge der Neuzuweisung des früheren Büroleiters mit seiner Planstelle vorübergehend nicht wahrgenommen wurde.

16 Zu der späteren Einstellung eines Bediensteten auf Zeit hat das Gericht festgestellt (Randnr. 40), daß dieser Bedienstete auf Zeit auf der Grundlage des Artikels 2 Buchstabe a der Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten der Europäischen Gemeinschaften ernannt wurde, d. h. zur Besetzung einer Planstelle, die in dem dem Einzelplan des Haushaltsplans für jedes Organ beigefügten Stellenplan aufgeführt und von den für die Feststellung des Haushaltsplans zuständigen Organen auf Zeit eingerichtet worden ist.

17 Hieraus folgt, wie das Gericht ausgeführt hat (dieselbe Randnr.), daß es also nicht möglich ist, aus der Ernennung eines Bediensteten auf Zeit auf der Grundlage des Artikels 2 Buchstabe a der Beschäftigungsbedingungen ° anders als bei einer Ernennung gemäß Artikel 2 Buchstabe b der Beschäftigungsbedingungen, der die Bediensteten betrifft, die auf Zeit zur Besetzung einer Dauerplanstelle eingestellt werden ° auf das vorherige Bestehen einer Dauerplanstelle zu schließen.

18 Da das Gericht in diesem Zusammenhang keinen Rechtsfehler begangen hat, ist der erste Teil des Rechtsmittelgrundes als unbegründet zurückzuweisen.

Zum zweiten Teil des Rechtsmittelgrundes

Zur Zulässigkeit

19 Die Kommission macht geltend, soweit der Rechtsmittelführer die Entscheidung der Kommission, nach Beendigung des Rotationsverfahrens dem Büro in Lissabon eine Zeitstelle der Besoldungsgruppe A 3 zuzuweisen, angreifen wolle, bringe er ein neues Angriffsmittel vor, das, da es den vor dem Gericht verhandelten Streitgegenstand verändere, gemäß Artikel 113 § 2 der Verfahrensordnung für unzulässig erklärt werden müsse.

20 Der Rechtsmittelführer erklärt, daß er mit dem zweiten Teil seines Rechtsmittelgrundes beim Gerichtshof die Prüfung beantrage, ob das Gericht, indem es bei den Bediensteten auf Zeit danach unterschieden habe, ob sie eine Dauerplanstelle oder eine auf Zeit eingerichtete Planstelle besetzen sollten, gegen Artikel 9 der Beschäftigungsbedingungen verstossen habe.

21 Hierzu ist festzustellen, daß das Rechtsmittel nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes nur zulässig ist, soweit dem Gericht in der Rechtsmittelschrift vorgeworfen wird, unter Verletzung von Rechtsvorschriften entschieden zu haben, die es zu beachten hatte (Urteil vom 1. Oktober 1991 in der Rechtssache C-283/90 P, Vidrányi/Kommission, Slg. 1991, I-4339, Randnr. 13).

22 Da Artikel 9 der Beschäftigungsbedingungen zu den Rechtsvorschriften gehört, die das Gericht zu beachten hat, und dem Gericht in der Rechtsmittelschrift gerade vorgeworfen wird, diesen Artikel verletzt zu haben, ist dieser Teil des Rechtsmittelgrundes für zulässig zu erklären.

Zur Begründetheit

23 Gemäß Artikel 9 der Beschäftigungsbedingungen "[darf das] Beschäftigungsverhältnis eines Bediensteten auf Zeit... nur nach den Vorschriften dieses Titels und nur zur Besetzung einer freien Planstelle begründet werden, die in dem dem Einzelplan des Haushaltsplans für jedes Organ beigefügten Stellenplan aufgeführt ist".

24 Im vorliegenden Fall bestand keine freie Dauerplanstelle, da die Person, die die Funktion eines Büroleiters in Lissabon wahrgenommen hatte, wie das Gericht in Randnummer 36 des angefochtenen Urteils ausgeführt hat, aufgrund des Rotationsverfahrens mit ihrer Planstelle nach Tokio umgesetzt worden war.

25 Wie schon festgestellt worden ist, können die Artikel 4, 29 und 45 des Statuts wegen des Fehlens einer freien Dauerplanstelle im Sinne dieser Bestimmungen keine Anwendung finden.

26 Wie das Gericht bemerkt hat, wurde ein Bediensteter auf Zeit zur Besetzung einer Planstelle ernannt, die in dem dem Einzelplan des Haushaltsplans für jedes Organ beigefügten Stellenplan aufgeführt und von den für die Feststellung des Haushaltsplans zuständigen Organen auf Zeit eingerichtet worden war.

27 Diese Einstellung konnte also nur auf der Grundlage des Artikels 2 Buchstabe a der Beschäftigungsbedingungen erfolgen. Indem das Gericht festgestellt hat, daß aus der Einstellung eines Zeitbediensteten auf der Grundlage des Artikels 2 Buchstabe a der Beschäftigungsbedingungen anders als bei einer Einstellung eines Zeitbediensteten auf der Grundlage des Artikels 2 Buchstabe b der Beschäftigungsbedingungen nicht auf das vorherige Bestehen einer Dauerplanstelle geschlossen werden kann, hat es Artikel 9 der Beschäftigungsbedingungen keineswegs verletzt. Diese Bestimmung sieht nämlich lediglich vor, daß ein Bediensteter auf Zeit nur zur Besetzung einer im Haushaltsplan vorgesehenen freien Planstelle eingestellt werden darf. Sie verbietet es nicht, daß die im Haushaltsplan ausgewiesenen Stellen in Dauerplanstellen und auf Zeit eingerichtete Planstellen aufgeteilt werden.

28 Da das Gericht in dieser Hinsicht keinen Rechtsfehler begangen hat, ist der zweite Teil des Rechtsmittelgrundes für unbegründet zu erklären.

29 Nach allem ist das Rechtsmittel insgesamt zurückzuweisen.

Kostenentscheidung:

Kosten

30 Nach Artikel 70 der Verfahrensordnung tragen in den Streitsachen zwischen den Gemeinschaften und deren Bediensteten die Organe ihre Kosten selbst. Gemäß Artikel 122 der Verfahrensordnung findet Artikel 70 jedoch keine Anwendung bei Rechtsmitteln, die von Beamten oder sonstigen Bediensteten der Organe eingelegt werden. Da der Rechtsmittelführer mit seinem Rechtsmittel unterlegen ist, sind ihm also gemäß Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung die Kosten aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1) Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.

2) Der Rechtsmittelführer trägt die Kosten des Verfahrens.

Ende der Entscheidung

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