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Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 12.07.2001
Aktenzeichen: C-399/98
Rechtsgebiete: Richtlinie 93/37/EWG


Vorschriften:

Richtlinie 93/37/EWG
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Da das Vorliegen eines öffentlichen Bauauftrags" eine Voraussetzung für die Anwendung der Richtlinie 93/37 zur Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge darstellt, ist ihr Artikel 1 Buchstabe a so auszulegen, dass die praktische Wirksamkeit der Richtlinie gewährleistet ist. Die Richtlinie soll Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs auf dem Gebiet der öffentlichen Bauaufträge beseitigen, um diese Märkte einem echten Wettbewerb zu öffnen. Damit ein solcher Wettbewerb entstehen kann, ist es erforderlich, dass beabsichtigte Auftragsvergaben in der gesamten Gemeinschaft bekannt gemacht werden. Es ist nämlich die Öffnung dieses Bereichs für den gemeinschaftlichen Wettbewerb mittels der in der Richtlinie vorgesehenen Verfahren, die die Gefahr von Bevorzugungen durch die öffentliche Verwaltung ausschließt.

( vgl. Randnr. 52 )

2. Die Richtlinie 93/37 zur Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge legt selbst fest, was unter einem öffentlichen Auftraggeber" (Artikel 1 Buchstabe b), einem Bauvorhaben" (Artikel 1 Buchstabe a und Anhang II) und einem Bauwerk" (Artikel 1 Buchstabe c) zu verstehen ist.

Diese vom Gemeinschaftsgesetzgeber gegebenen Definitionen bestätigen die Bedeutung, die diesen Begriffen für den Normzweck der Richtlinie zukommt. Sie spielen deshalb eine ausschlaggebende Rolle bei der Beurteilung der Frage, ob ein öffentlicher Bauauftrag" im Sinne der Richtlinie vorliegt.

Dies bedeutet, dass Fälle, in denen die Ausführung oder gleichzeitig die Ausführung und die Planung von Bauvorhaben oder die Errichtung eines Bauwerks für einen öffentlichen Auftraggeber im Sinne der Richtlinie in Frage stehen, in Bezug auf die übrigen Tatbestandsmerkmale des Artikels 1 Buchstabe a der Richtlinie so zu beurteilen sind, dass die praktische Wirksamkeit der Richtlinie nicht beeinträchtigt wird, und zwar insbesondere dann, wenn diese Fälle Besonderheiten aufweisen, die sich aus den auf sie anwendbaren nationalen Rechtsvorschriften ergeben.

( vgl. Randnrn. 53-55 )

3. Dass sich nationale Rechtsvorschriften über die unmittelbare Erstellung von Erschließungsanlagen in einen städtebaurechtlichen Regelungszusammenhang mit besonderen Merkmalen und einem spezifischen, gegenüber der Richtlinie 93/37 zur Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge unterschiedlichen Zweck einfügen, genügt nicht, um die unmittelbare Erstellung der Anlagen dem Anwendungsbereich der Richtlinie zu entziehen, wenn deren Tatbestandsmerkmale erfuellt sind.

( vgl. Randnr. 66 )

4. Dass die Gemeindeverwaltung ihren Vertragspartner im Rahmen eines Erschließungsvertrags nicht wählen kann, weil dieser nach dem Gesetz der Eigentümer der zu bebauenden Grundstücke ist, kann allein der zwischen der Gemeindeverwaltung und dem Bauherrn eingegangenen Rechtsbeziehung nicht ihren vertraglichen Charakter nehmen, denn es ist der zwischen ihnen geschlossene Erschließungsvertrag, der die vom Bauträger in jedem Einzelfall zu errichtenden Erschließungsanlagen und die entsprechenden Bedingungen einschließlich der gemeindlichen Genehmigung der Pläne für die Anlagen festlegt.

( vgl. Randnr. 71 )

5. Der entgeltliche Charakter des Vertrages im Sinne von Artikel 1 Buchstabe a der Richtlinie 93/37 zur Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge bezieht sich auf die Gegenleistung der öffentlichen Verwaltung für die Ausführung von Bauvorhaben, die Gegenstand des in Artikel 1 Buchstabe a der Richtlinie genannten Vertrages sind und die der öffentlichen Verwaltung zur Verfügung gestellt werden.

( vgl. Randnr. 77 )

6. Gemäß Artikel 1 Buchstabe a der Richtlinie 93/37 zur Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge braucht der Vertragspartner des öffentlichen Auftraggebers, um als Unternehmer eingestuft zu werden, nicht in der Lage zu sein, die Leistung unmittelbar mit eigenen Mitteln zu erbringen; es genügt, dass er die Ausführung der fraglichen Leistung veranlassen kann und hierfür die erforderlichen Garantien bietet.

( vgl. Randnr. 90 )

7. Um im Zusammenhang mit der Erstellung einer Erschließungsanlage die Richtlinie 93/37 zur Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge einzuhalten, ist es nicht erforderlich, dass die Gemeinde, die eine Gebietskörperschaft im Sinne von Artikel 1 Buchstabe b der Richtlinie darstellt, selbst die in der Richtlinie vorgesehenen Verfahren durchführt. Die praktische Wirksamkeit der Richtlinie wäre auch dann gewahrt, wenn nach nationalem Recht die Gemeindeverwaltung den Bauträger und Genehmigungsinhaber in den mit ihm geschlossenen Vereinbarungen dazu verpflichten könnte, für die Erstellung der fraglichen Anlagen die in der Richtlinie festgelegten Verfahren anzuwenden, um so die Verpflichtungen der Gemeindeverwaltung gemäß der Richtlinie zu erfuellen. In diesem Fall ist der Bauträger aufgrund seiner Vereinbarung mit der Gemeinde, die ihn als Gegenleistung für die Erstellung einer Erschließungsanlage von der Entrichtung des Erschließungsbeitrags befreit, als von der Gemeinde ausdrücklich zur Erstellung der Anlage ermächtigt anzusehen. Eine solche Anwendung der Bekanntmachungsvorschriften der Richtlinie durch andere Personen als den öffentlichen Auftraggeber sieht Artikel 3 Absatz 4 der Richtlinie im Übrigen für öffentliche Bauvorhaben, die Gegenstand einer Konzession sind, ausdrücklich vor.

( vgl. Randnrn. 57, 100 )

8. Die Richtlinie 93/37 zur Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge steht nationalen städtebaurechtlichen Vorschriften entgegen, wonach ein Bauherr, der sich auf eine Baugenehmigung oder einen genehmigten Erschließungsplan stützen kann, eine Erschließungsanlage, deren Wert den in der Richtlinie festgesetzten Schwellenwert erreicht oder übersteigt, unmittelbar erstellen und die Kosten hierfür ganz oder teilweise von dem wegen der Baugenehmigung geschuldeten Beitrag abziehen kann, ohne dass die in der Richtlinie festgelegten Verfahren eingehalten werden.

( vgl. Randnr. 103 und Tenor )

9. Benennt das vorlegende Gericht weder die gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften, deren Auslegung es begehrt, noch die genauen Aspekte der fraglichen nationalen Rechtsvorschriften, deren Anwendung im Ausgangsrechtsstreit gemeinschaftsrechtlich problematisch sein könnte, so lässt sich das konkrete gemeinschaftsrechtliche Auslegungsproblem, das sich im Ausgangsrechtsstreit stellen könnte, nicht abgrenzen; das Vorabentscheidungsersuchen ist daher insoweit unzulässig.

( vgl. Randnrn. 105-107 )


Urteil des Gerichtshofes (Sechste Kammer) vom 12. Juli 2001. - Ordine degli Architetti delle province di Milano e Lodi, Piero De Amicis, Consiglio Nazionale degli Architetti und Leopoldo Freyrie gegen Comune di Milano, Streithelferinnen: Pirelli SpA, Milano Centrale Servizi SpA und Fondazione Teatro alla Scala. - Ersuchen um Vorabentscheidung: Tribunale amministrativo regionale per la Lombardia - Italienn. - Öffentliche Bauaufträge - Richtlinie 93/37/EWG - Nationale Rechtsvorschriften, wonach der durch eine Baugenehmigung und einen genehmigten Erschließungsplan Berechtigte Erschließungsanlagen unter Abzug der Kosten von einem Beitrag unmittelbar errichten darf - Nationale Rechtsvorschriften, wonachBehörden mit einem Einzelnen unmittelbar den Inhalt ihn betreffender Verwaltungsakte aushandeln dürfen. - Rechtssache C-399/98.

Parteien:

In der Rechtssache C-399/98

betreffend ein dem Gerichtshof nach Artikel 177 EG-Vertrag (jetzt Artikel 234 EG) vom Tribunale amministrativo regionale per la Lombardia (Italien) in dem bei diesem anhängigen Rechtsstreit

Ordine degli Architetti delle Province di Milano e Lodi,

Piero De Amicis,

Consiglio Nazionale degli Architetti,

Leopoldo Freyrie

gegen

Comune di Milano,

Streithelferinnen:

Pirelli SpA,

Milano Centrale Servizi SpA,

Fondazione Teatro alla Scala, früher Ente Autonomo Teatro alla Scala,

vorgelegtes Ersuchen um Vorabentscheidung über die Auslegung der Richtlinie 93/37/EWG des Rates vom 14. Juni 1993 zur Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge (ABl. L 199, S. 54)

erlässt

DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten C. Gulmann, der Richter V. Skouris (Berichterstatter), J.-P. Puissochet und R. Schintgen sowie der Richterin F. Macken,

Generalanwalt: P. Léger

Kanzler: L. Hewlett, Verwaltungsrätin

unter Berücksichtigung der schriftlichen Erklärungen

- des Ordine degli Architetti delle Province di Milano e Lodi und von P. De Amicis, vertreten durch P. Mantini, avvocato,

- des Consiglio Nazionale degli Architetti und von L. Freyrie, vertreten durch A. Tizzano, avvocato,

- der Stadt Mailand, vertreten durch F. A. Roversi Monaco, G. Pittalis, S. De Tuglie, L. G. Radicati di Brozolo, avvocati, und A. Kronshagen, avocat,

- der Pirelli SpA, vertreten durch G. Sala, A. Pappalardo und G. Greco, avvocati,

- der Milano Centrale Servizi SpA, vertreten durch G. Sala, A. Pappalardo und L. Decio, avvocati,

- der Fondazione Teatro alla Scala, vertreten durch P. Barile, S. Grassi und V. D. Gesmundo, avvocati,

- der italienischen Regierung, vertreten durch U. Leanza als Bevollmächtigten zunächst im Beistand von P. G. Ferri und sodann von M. Fiorilli, avvocati dello Stato,

- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch P. Stancanelli und M. Molin als Bevollmächtigte,

aufgrund des Sitzungsberichts,

nach Anhörung der mündlichen Ausführungen des Ordine degli Architetti delle Province di Milano e Lodi, vertreten durch P. Mantini, des Consiglio Nazionale degli Architetti, vertreten durch F. Sciaudone, avvocato, der Stadt Mailand, vertreten durch L. Radicati di Brozolo, der Pirelli SpA, vertreten durch G. Sala, A. Pappalardo und G. Greco, der Milano Centrale Servizi SpA, vertreten durch L. Decio, der Fondazione Teatro alla Scala, vertreten durch V. D. Gesmundo, der italienischen Regierung, vertreten durch M. Fiorilli, und der Kommission, vertreten durch P. Stancanelli, in der Sitzung vom 12. Oktober 2000,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 7. Dezember 2000,

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

1 Das Tribunale amministrativo regionale per la Lombardia hat mit Beschluss vom 11. Juni 1998, beim Gerichtshof eingegangen am 9. November 1998, gemäß Artikel 177 EG-Vertrag (jetzt Artikel 234 EG) zwei Fragen nach der Auslegung der Richtlinie 93/37/EWG des Rates vom 14. Juni 1993 zur Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge (ABl. L 199, S. 54, im Folgenden: Richtlinie) zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2 Diese Fragen stellen sich im Zusammenhang mit zwei Klagen gegen die Stadt Mailand, von denen die eine vom Ordine degli Architetti delle Province di Milano e Lodi (Architektenkammer der Provinzen Mailand und Lodi, im Folgenden: Ordine degli Architetti) und von den Architekten P. de Amicis und die andere vom Consiglio Nazionale degli Architetti (Nationaler Architektenrat, im Folgenden: CNA) und vom Architekten L. Freyrie erhoben wurde. Den Unternehmen Pirelli SpA (im Folgenden: Pirelli) und Milano Centrale Servizi SpA (im Folgenden: MCS) sowie der Fondazione Teatro alla Scala, früher Ente Autonomo Teatro alla Scala (im Folgenden: FTS), wurde der Streit verkündet.

Rechtlicher Rahmen

Gemeinschaftsrecht

3 Die Richtlinie wurde auf der Grundlage der Artikel 57 Absatz 2 (nach Änderung jetzt Artikel 47 Absatz 2 EG), 66 (jetzt Artikel 55 EG) und 100a EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 95 EG) erlassen.

4 Laut ihrer zweiten Begründungserwägung erfordert die gleichzeitige Verwirklichung der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs auf dem Gebiet der öffentlichen Bauaufträge, die in den Mitgliedstaaten für Rechnung des Staates, der Gebietskörperschaften sowie sonstiger juristischer Personen des öffentlichen Rechts vergeben werden,... neben der Aufhebung der Beschränkungen eine Koordinierung der einzelstaatlichen Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge".

5 In ihrer zehnten Begründungserwägung heißt es: Damit auf dem Gebiet des öffentlichen Auftragwesens ein echter Wettbewerb entsteht, ist es erforderlich, dass die beabsichtigten Auftragsvergaben der öffentlichen Auftraggeber der Mitgliedstaaten in der gesamten Gemeinschaft bekannt gemacht werden."

6 Artikel 1 Buchstaben a, b und c der Richtlinie bestimmt:

Im Sinne dieser Richtlinie

a) gelten als öffentliche Bauaufträge: die zwischen einem Unternehmer und einem unter Buchstabe b) näher bezeichneten öffentlichen Auftraggeber geschlossenen schriftlichen entgeltlichen Verträge über entweder die Ausführung oder gleichzeitig die Ausführung und die Planung von Bauvorhaben im Zusammenhang mit einer der in Anhang II genannten Tätigkeiten oder eines Bauwerks im Sinne des Buchstabens c) oder die Erbringung einer Bauleistung durch Dritte, gleichgültig mit welchen Mitteln, gemäß den vom öffentlichen Auftraggeber genannten Erfordernissen;

b) gelten als öffentliche Auftraggeber: der Staat, Gebietskörperschaften, Einrichtungen des öffentlichen Rechts und Verbände, die aus einer oder mehreren dieser Körperschaften oder Einrichtungen bestehen.

...

c) ist ein Bauwerk das Ergebnis einer Gesamtheit von Tief- oder Hochbauarbeiten, das seinem Wesen nach eine wirtschaftliche oder technische Funktion erfuellen soll."

7 Die in Anhang II genannten Tätigkeiten", die Artikel 1 Buchstabe a der Richtlinie erwähnt, sind Tätigkeiten des Baugewerbes gemäß Klasse 50 des Allgemeinen Verzeichnisses der wirtschaftlichen Tätigkeiten in der Europäischen Gemeinschaft (NACE). Darunter fällt ausdrücklich die Tätigkeitsgruppe des Hausbaugewerbes.

8 Artikel 3 Absatz 4 der Richtlinie bestimmt:

Die Mitgliedstaaten tragen dafür Sorge, dass Konzessionäre, die nicht selbst öffentliche Auftraggeber sind, bei den von ihnen an Dritte vergebenen Aufträgen die in Artikel 11 Absätze 4, 6, 7 und 9 bis 13 und in Artikel 16 enthaltenen Bekanntmachungsvorschriften anwenden, wenn der Auftragswert 5 000 000 [Euro] oder mehr beträgt."

9 Die Artikel 4 und 5 der Richtlinie nennen die Arten von Aufträgen, für die die Richtlinie nicht gilt. Dies sind die Bauaufträge, die unter die Richtlinie 90/531/EWG des Rates vom 17. September 1990 betreffend die Auftragsvergabe durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie im Telekommunikationssektor (ABl. L 297, S. 1) fallen, für geheim erklärte Bauaufträge, wenn ihre Ausführung besondere Sicherheitsmaßnahmen erfordert oder der Schutz wesentlicher Interessen des Mitgliedstaats es gebietet, und öffentliche Aufträge, die anderen Verfahrensregeln unterliegen und nach bestimmten internationalen Abkommen oder nach einem besonderen Verfahren einer internationalen Organisation vergeben werden.

10 Die Richtlinie gilt nach ihrem Artikel 6 Absatz 1 für öffentliche Bauaufträge, deren geschätzter Auftragswert ohne Mehrwertsteuer 5 Millionen Euro oder mehr beträgt.

11 Was die Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge angeht, so führt Artikel 7 Absätze 2 und 3 der Richtlinie die Fälle auf, in denen die öffentlichen Auftraggeber das Verhandlungsverfahren anwenden dürfen, das Artikel 1 Buchstabe g der Richtlinie als ein Verfahren definiert, bei dem die öffentlichen Auftraggeber ausgewählte Unternehmen ansprechen und mit einem oder mehreren dieser Unternehmen über die Auftragsbedingungen verhandeln".

12 Gemäß Artikel 7 Absatz 2 muss dem Verhandlungsverfahren in drei Fällen eine Vergabebekanntmachung vorausgehen. Artikel 7 Absatz 3 führt hingegen fünf Fälle auf, in denen dem Verhandlungsverfahren keine Vergabebekanntmachung vorausgehen muss, nämlich erstens, wenn sich ein offenes oder nicht offenes Verfahren als vergebens erweist, zweitens, wenn die Leistung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nur von einem bestimmten Unternehmer erbracht werden kann, drittens bei zwingenden, dringlichen Gründen im Zusammenhang mit für die Auftraggeber unvorhersehbaren Ereignissen, viertens bei zusätzlichen Bauarbeiten für einen bereits vergebenen Auftrag und fünftens bei Wiederholung gleichartiger Bauleistungen, nachdem im offenen oder nicht offenen Verfahren schon ein erster Auftrag vergeben worden war.

13 In allen anderen Fällen vergibt der öffentliche Auftraggeber gemäß Artikel 7 Absatz 4 der Richtlinie seine Bauaufträge im offenen oder nicht offenen Verfahren.

14 Nach Artikel 11 Absatz 2 teilen öffentliche Auftraggeber, die einen Bauauftrag im Wege eines offenen, eines nicht offenen oder - in den Fällen des Artikels 7 Absatz 2 - eines Verhandlungsverfahrens vergeben wollen, ihre Absicht in einer Bekanntmachung mit.

15 Die Bekanntmachung ist gemäß Artikel 11 Absatz 9 in vollem Umfang im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften zu veröffentlichen.

Nationales Recht

Italienisches Städtbaurecht

16 Laut den Akten wird die Bautätigkeit nach italienischem Recht von der öffentlichen Verwaltung überwacht. Gemäß Artikel 1 des Gesetzes Nr. 10 vom 27. Januar 1977 über Bauland (Legge n° 10, norme per la edificabilità dei suoli, GURI Nr. 27 vom 29. Januar 1977, im Folgenden: Gesetz Nr. 10/77) ist jede Tätigkeit, die das Gemeindegebiet städtebaulich und baulich verändert, mit einer Beteiligung an den daraus entstehenden Kosten verbunden; für die Ausführung der Arbeiten ist eine Genehmigung des Bürgermeisters erforderlich".

17 Nach Artikel 3 mit der Überschrift Beitrag bei Erteilung der Baugenehmigung" des Gesetzes Nr. 10/77 ist bei Erteilung der Genehmigung ein Beitrag zu entrichten, dessen Höhe sich nach den Erschließungs- und Baukosten richtet" (im Folgenden: Erschließungsbeitrag).

18 Der Erschließungsbeitrag wird bei Erteilung der Genehmigung an die Gemeinde gezahlt. Nach Artikel 11 Absatz 1 des Gesetzes Nr. 10/77 kann sich aber der Genehmigungsinhaber... verpflichten, die Erschließungsanlagen nach Modalitäten und mit Garantien, die die Gemeinde festsetzt, unmittelbar zu erstellen, und die Kosten hierfür ganz oder teilweise vom geschuldeten Betrag abziehen".

19 Gemäß Artikel 4 Absatz 1 des Gesetzes Nr. 847 vom 29. September 1964 über die Ermächtigung der Gemeinden und Gemeindeverbände zur Darlehensaufnahme für den Grundstückserwerb gemäß dem Gesetz Nr. 167 vom 18. April 1962 (Legge n° 847, autorizzazione ai Comuni e loro consorzi a contrarre mutui per l'acquisizione delle aree ai sensi della legge 18 aprile 1962, n° 167), geändert durch Artikel 44 des Gesetzes Nr. 865 vom 22. Januar 1971 und Artikel 17 des Gesetzes Nr. 67 vom 11. März 1988 (im Folgenden: Gesetz Nr. 847/64), sind primäre Erschließungsanlagen die Gemeindestraßen, Erholungs- und Parkflächen, Wasserversorgung und -entsorgung, Strom- und Gasversorgung, öffentliche Beleuchtungsanlagen und Grünflächen.

20 Sekundäre Erschließungsanlagen sind nach Artikel 4 Absatz 2 des Gesetzes Nr. 847/64 Kinderhorte und Kindergärten, Pflichtschulen sowie Anlagen und Gebäude für weiterführende Schulen, Stadtteilmärkte, Außenstellen der Stadtverwaltung, Kirchen und andere Kultstätten, Stadtteil-Sportanlagen, Sozialzentren sowie kulturelle und Gesundheitseinrichtungen und Stadtteil-Grünanlagen.

21 Eine ähnliche Regelung wie Artikel 11 Absatz 1 des Gesetzes Nr. 10/77, aber nur für primäre Erschließungsarbeiten, enthielt bereits Artikel 31 Absatz 4 des Gesetzes Nr. 1150 vom 17. August 1942 über Städtebau (Legge urbanistica, GURI Nr. 244 vom 17. August 1942) in der Fassung des Rahmengesetzes Nr. 765 vom 6. August 1967 (im Folgenden: Gesetz Nr. 1150/42), wonach die Baugenehmigung... in sämtlichen Fällen nur erteilt werden [kann], wenn primäre Erschließungsanlagen vorhanden sind oder die Gemeinde ihre Erstellung in den nächsten drei Jahren plant oder wenn sich Privatpersonen verpflichten, die Erschließungsanlagen gleichzeitig mit dem genehmigten Bauwerk zu erstellen".

22 Speziell für die koordinierte Errichtung eines Komplexes von Bauwerken auf der Grundlage eines Erschließungsplans - wie im Ausgangssachverhalt - bestimmt Artikel 28 Absatz 5 des Gesetzes Nr. 1150/42:

Die Gemeinde erteilt die Genehmigung erst nach Abschluss eines Vertrages, den der Eigentümer registrieren lassen muss und der vorsieht:

1.... die unentgeltliche Übereignung der für die sekundären Erschließungsanlagen benötigten Flächen im Rahmen von Nummer 2;

2. die Verpflichtung des Eigentümers zur Übernahme der Kosten für die primären Erschließungsanlagen und einen Teil der sekundären Erschließungsanlagen des Erschließungsgebiets oder für den Anschluss des Gebietes an das öffentliche Versorgungsnetz; dieser Teil bestimmt sich nach der Größe und den Merkmalen der geplanten Bebauung des Erschließungsgebiets;

3. die Frist für die Erstellung der in Nummer 2 genannten Anlagen, die zehn Jahre nicht überschreiten darf."

23 Nach Absatz 7 dieses Artikels beträgt die Frist für die dem Eigentümer obliegende Erstellung der Erschließungsanlagen zehn Jahre".

24 Was die regionalen Rechtsvorschriften anbelangt, so sieht Artikel 8 des Regionalgesetzes Nr. 60 der Lombardei vom 5. Dezember 1977 (Bolletino Ufficiale della Regione Lombardia Nr. 49 vom 12. Dezember 1977, Beilage 2, im Folgenden: Regionalgesetz Nr. 60/77 der Lombardei) vor, dass Privatpersonen in ihrem Antrag auf Erteilung einer einfachen Baugenehmigung beantragen können, ihnen die unmittelbare Herstellung einer oder mehrerer primärer oder sekundärer Erschließungsanlagen zu genehmigen und die Kosten hierfür ganz oder teilweise vom Erschließungsbeitrag abzuziehen"; der Bürgermeister genehmigt dies, wenn die unmittelbare Erstellung nach seiner Auffassung im öffentlichen Interesse liegt".

25 Die Errichtung in einem Erschließungsplan vorgesehener Erschließungsanlagen unterliegt dagegen Artikel 12 des Regionalgesetzes Nr. 60/77 der Lombardei in der Fassung des Regionalgesetzes Nr. 31 vom 30. Juli 1986 (Bolletino Ufficiale della Regione Lombardia Nr. 31 vom 4. August 1986, Beilage 2, im Folgenden: Regionalgesetz Nr. 31/86 der Lombardei), dessen Absatz 1 bestimmt:

[D]er Vertrag, von dessen Abschluss die Erteilung der Baugenehmigungen für die in Erschließungsplänen ausgewiesene Maßnahmen abhängt, muss vorsehen:

a)...;

b) die Erstellung aller primären Erschließungsanlagen und eines Teils der sekundären Erschließungsanlagen oder der für den Anschluss des Gebietes an das öffentliche Versorgungsnetz erforderlichen Anlagen durch die Eigentümer...; sind die für die Erstellung der Anlagen aufgewandten Kosten niedriger als die nach diesem Gesetz jeweils für die primäre und sekundäre Erschließung vorgesehenen Kosten, so ist der Unterschiedsbetrag zu entrichten; die Gemeinde kann in jedem Fall anstelle der unmittelbaren Erstellung der Anlagen die Entrichtung eines Beitrags verlangen, der den tatsächlichen Erschließungkosten und der Größe und den Merkmalen der geplanten Bebauung entspricht, der aber jedenfalls nicht unter den durch den Gemeinderatsbeschluß gemäß Artikel 3 dieses Gesetzes festgesetzten Kosten liegen darf."

26 Artikel 22 Buchstabe b des Regionalgesetzes Nr. 51 der Lombardei vom 15. April 1975 enthält überdies eine Liste sekundärer Erschließungsanlagen, in der auch die kulturellen Einrichtungen aufgeführt sind.

Italienisches Verwaltungsverfahrensrecht

27 Gemäß Artikel 11 des Gesetzes Nr. 241 vom 17. August 1990 über neue Verwaltungsverfahrensvorschriften und das Akteneinsichtsrecht (Legge Nr. 241, nuove norme in materia di procedimento amministrativo e di diritto di accesso ai documenti amministrativi, GURI Nr. 192 vom 18. August 1992, im Folgenden: Gesetz Nr. 241/90) kann die Verwaltung unbeschadet der Rechte Dritter und ausschließlich im öffentlichen Interesse mit den Beteiligten Verträge schließen, um den Inhalt einer abschließenden Ermessensentscheidung festzulegen oder diese in den gesetzlich vorgesehenen Fällen durch solche Verträge zu ersetzen".

Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

28 Laut Vorlagebeschluss wurde das Ausgangsverfahren, das zum vorliegenden Vorabentscheidungsersuchen geführt hat, durch zwei Anfechtungsklagen gegen die Beschlüsse Nrn. 82/96 und 6/98 des Stadtrats von Mailand (im Folgenden: angefochtene Beschlüsse) eingeleitet.

29 Mit dem Beschluss Nr. 82/96 vom 12. September 1996 billigte der Stadtrat von Mailand den Plan für das verschiedene Maßnahmen umfassende Bauprojekt Scala 2001".

30 Das Projekt sah folgende Baumaßnahmen vor:

- die Restaurierung und den Umbau des historischen Gebäudes des Teatro alla Scala mit einer Fläche von etwa 30 000 m2;

- den Umbau der städtischen Gebäude des Ansaldo-Komplexes;

- den Bau eines neuen Theaters im Bicocca-Viertel (gemeinhin als Teatro alla Bicocca und offiziell als Teatro degli Arcimboldi bezeichnet) mit etwa 2 300 Plätzen auf einer Fläche von 25 000 m2 (zuzüglich 2 000 m2 Parkfläche), in dem zunächst während der erforderlichen Bauzeit für Restaurierung und Umbau des Teatro alla Scala dessen Theaterbetrieb fortgeführt werden sollte; anschließend sollte das Gebäude allen erforderlichen Tätigkeiten für die Aufführung von Theatervorstellungen und für sonstige Kulturveranstaltungen dienen.

31 Wie aus den Akten hervorgeht, wurde damals im Bicocca-Viertel ein privates Großbauvorhaben, das sogenannte Bicocca-Projekt", verwirklicht, in dessen Rahmen dieses frühere Industriegebiet städtebaulich umgestaltet und große Gebäudekomplexe umgebaut wurden; Pirelli war zusammen mit anderen Privatunternehmen Grundeigentümerin und Bauträgerin des Projekts. Zur Zeit der dem Ausgangsverfahren zugrunde liegenden Vorgänge stand das 1990 begonnene private Projekt kurz vor der Vollendung. Im Rahmen der städtebaulichen Maßnahmen, die die Stadt Mailand für die betroffenen Flächen geplant hatte, hatte sie bereits die Errichtung einer der Allgemeinheit dienenden Anlage mit Mehrzweckcharakter" vorgesehen. Wie sie beschlossen hatte, sollte das im Rahmen des Projekts Scala 2001" neu zu errichtende Theater in diese Anlage einbezogen werden.

32 Mit dem Beschluss Nr. 82/96 nahm der Stadtrat von Mailand außerdem verschiedene Verpflichtungen für die Durchführung der Arbeiten, die Fristen und die Finanzierung des Projekts Scala 2001" an, indem er einen besonderen Vertrag der Stadt Mailand mit Pirelli, mit der Ente Autonomo Teatro alla Scala und mit MCS als Beauftragtem der Bauträger des Bicocca-Projekts billigte. In diesem am 18. Oktober 1996 unterzeichneten Vertrag waren u. a. für den Teil Bicocca" des Projekts Scala 2001" folgende Durchführungsmodalitäten festgelegt:

- Pirelli sollte die Kosten für die Koordinierung der Vorplanung, der endgültigen Planung und der Ausführungsplanung sowie der Durchführung der Restaurierung des Teatro alla Scala, des Umbaus des Ansaldo-Komplexes und der Errichtung des Teatro alla Bicocca übernehmen, wobei die konkrete Koordinierungstätigkeit MCS übertragen werden sollte;

- MCS als Beauftragte der Träger des Bauprojekts sollte im davon betroffenen Gebiet auf einem eigens dafür vorgesehenen Grundstück, das die Bauträger der Stadt Mailand kostenlos zu übereignen hatten, das Teatro alla Bicocca (mit Park- und Nebenanlagen) als sekundäre Erschließungsanlage errichten und die Kosten hierfür von den der Stadt Mailand nach nationalem und regionalem Recht geschuldeten Erschließungsbeiträgen abziehen. Diese Verpflichtung von MSC war auf die Errichtung des äußeren Baukörpers" des Gebäudes mit Vorkehrungen für alle Installationen beschränkt. MSC hatte das Gebäude bis Ende Ende 1998 zu übergeben;

- die gesamte Innenausstattung des Teatro alla Bicocca oblag der Stadt Mailand, die dafür einen öffentlichen Bauauftrag ausschreiben sollte.

33 Der Ordine degli Architetti und Herr De Amicis erhoben beim Tribunale amministrativo regionale per la Lombardia Klage auf Nichtigerklärung des Beschlusses Nr. 82/96.

34 Nachdem die neue Stadtverwaltung, die das Teatro alla Bicocca für ein größeres Publikum als das Teatro alla Scala auslegen wollte, Anfang 1998 neue Grundentscheidungen getroffen hatte, fasste der Stadtrat von Mailand am 16. und 17. Februar 1998 den Beschluss Nr. 6/98, mit dem er u. a.

- den Vorentwurf für den Bau des neuen Theaters im Bicocca-Viertel genehmigte;

- bestätigte, dass das Bauwerk teilweise von den Bauträgern gemäß ihren vertraglichen Verpflichtungen im Zusammenhang mit dem Erschließungsplan" mit einem Kostenaufwand von 25 Milliarden ITL unmittelbar erstellt und teilweise im Wege einer Ausschreibung der Stadt Mailand errichtet werden sollte;

- den Vertrag vom 18. Oktober 1996 hinsichtlich der Fristen für die Durchführung bestimmter geplanter Maßnahmen änderte; dabei wurde der Zeitpunkt für die Fertigstellung des Teatro alla Bicocca auf den 31. Dezember 2000 festgesetzt.

35 Der CNA und Herr Freyrie erhoben beim Tribunale amministrativo regionale per la Lombardia Klage auf Nichtigerklärung des Beschlusses Nr. 6/98.

36 Mit ihren beiden Anfechtungsklagen, die das vorlegende Gericht verbunden hat, machen die Kläger geltend, die angefochtenen Beschlüsse seien nach italienischem Städtebau- und Vergaberecht sowie nach Gemeinschaftsrecht ungültig. Zum Gemeinschaftsrecht führen sie aus, das Teatro alla Bicocca falle unter den Begriff eines öffentlichen Bauwerks, so dass der Stadtrat ein gemeinschaftliches Ausschreibungsverfahren hätte durchführen müssen; stattdessen habe er den Auftrag mit den angefochtenen Beschlüssen unter Schädigung der berufsständischen Interessen des Ordine degli Architetti und der klagenden Architekten willkürlich vergeben.

37 Das Tribunale amministrativo regionale per la Lombardia führt im Vorlagebeschluss aus, die Stadt Mailand habe das italienische nationale und regionale Städtebaurecht fehlerfrei angewandt. Da es aber für fraglich hält, ob diese Rechtsvorschriften, wonach eine Erschließungsanlage auch oberhalb des Schwellenwerts der Richtlinie ohne vorherige Ausschreibung errichtet werden dürfe, nicht unangewendet bleiben müssten, hat es das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Verstoßen die nationalen und regionalen Rechtsvorschriften, wonach ein (durch eine Baugenehmigung oder einen genehmigten Erschließungsplan berechtigter) Bauherr Erschließungsanlagen selbst erstellen und die Kosten hierfür ganz oder teilweise vom geschuldeten Erschließungsbeitrag abziehen darf (Artikel 11 des Gesetzes Nr. 10/77, Artikel 28 und 31 des Gesetzes Nr. 1150 vom 17. August 1942 und Artikel 8 und 12 des Regionalgesetzes Nr. 60 der Lombardei vom 5. Dezember 1977), gegen die Richtlinie 93/37/EWG oder den den Mitgliedstaaten durch die Gemeinschaftsrechtsordnung vorgeschriebenen strikten Grundsatz, dass öffentliche Aufträge im Wert von 5 Millionen ECU oder mehr stets im Ausschreibungsverfahren zu vergeben sind?

2. Können (gemäß Artikel 11 des Gesetzes Nr. 241 vom 7. August 1990 generell zulässige) Vereinbarungen zwischen einem öffentlichen Auftraggeber und einem Einzelnen auf Gebieten, die dadurch gekennzeichnet sind, dass die Verwaltung einen Einzelnen auswählt und mit ihm die Erbringung bestimmter Leistungen vereinbart, in Fällen, in denen diese Leistungen den in den einschlägigen Richtlinien vorgesehenen Schwellenwert überschreiten, trotz der erwähnten grundsätzlichen Pflicht zur Durchführung von Ausschreibungen als mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar angesehen werden?

Zur ersten Vorlagefrage

Zur Zulässigkeit

38 Die Stadt Mailand und die FTS bestreiten, dass zwischen der ersten Frage und dem Streitgegenstand des Ausgangsverfahrens ein Zusammenhang bestehe.

39 Da Kläger des Ausgangsverfahrens Architekten und deren Berufsvertretungen seien, habe das vorlegende Gericht ihre Klagen nur zugelassen, soweit sie die Vergabe der Planungsarbeiten für das Teatro alla Bicocca beträfen, nicht aber hinsichtlich der Ausführung der Bauarbeiten. Eine solche Planungsarbeit sei eine Dienstleistung. Mit der ersten Frage werde aber eine Auslegung der Richtlinie 93/37 begehrt, die öffentliche Bauaufträge regele, nicht hingegen öffentliche Dienstleistungsaufträge, für die die Richtlinie 92/50/EWG des Rates vom 18. Juni 1992 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge gelte (ABl. L 209, S. 1).

40 Da die fraglichen Planungsarbeiten der Stadt Mailand einfach zur Verfügung gestellt worden seien, gehörten ihre Kosten außerdem nicht zu den Baukosten des Teatro alla Bicocca, dessen unmittelbare Errichtung unter Abzug der Kosten" vom Erschließungsbeitrag angeblich Interessen der Architekten beeinträchtigt habe.

41 Nach ständiger Rechtsprechung ist es im Rahmen der durch Artikel 177 EG-Vertrag geschaffenen Zusammenarbeit zwischen dem Gerichtshof und den nationalen Gerichten allein Sache des mit dem Rechtsstreit befassten nationalen Gerichts, in dessen Verantwortungsbereich die zu erlassende gerichtliche Entscheidung fällt, im Hinblick auf die Besonderheiten der Rechtssache sowohl die Erforderlichkeit einer Vorabentscheidung zum Erlass seines Urteils als auch die Erheblichkeit der dem Gerichtshof vorgelegten Fragen zu beurteilen (vgl. u. a. Urteil in der Rechtssache C-379/98 vom 13. März 2001, PreussenElektra, Slg. 2001, I-2099, Randnr. 38). Der Gerichtshof kann die Entscheidung über die Vorlagefrage eines nationalen Gerichts nur ablehnen, wenn die erbetene Auslegung des Gemeinschaftsrechts offensichtlich in keinem Zusammenhang mit der Realität oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht, wenn das Problem hypothetischer Natur ist oder wenn er nicht über die tatsächlichen oder rechtlichen Angaben verfügt, die für eine sachdienliche Beantwortung der ihm vorgelegten Fragen erforderlich sind (vgl. u. a. Urteil PreussenElektra, Randnr. 39).

42 Ausweislich des Vorlagebeschlusses fechten die Kläger des Ausgangsverfahrens die fraglichen Beschlüsse im vorliegenden Fall an, weil diese die unmittelbare Errichtung eines öffentlichen Bauwerks, nämlich des Teatro alla Bicocca, ohne Durchführung eines gemeinschaftlichen Ausschreibungsverfahrens zuließen und damit ihre Interessen schädigten. Dem Vorlagebeschluss ist weiter zu entnehmen, dass ihre Klagen für zulässig erklärt wurden.

43 Es steht außer Zweifel, dass, hätte für die Errichtung des Teatro alla Bicocca ein gemeinschaftliches Ausschreibungsverfahren durchgeführt werden müssen, dieses auch die Seite der Planungsarbeiten hätte erfassen können. Dass dies im Rahmen der Richtlinie möglich ist, bestätigt auch der Wortlaut ihres Artikels 1 Buchstabe a, wonach öffentliche Bauaufträge" im Sinne der Richtlinie Verträge entweder über die Ausführung oder gleichzeitig die Ausführung und die Planung von Bauvorhaben sind.

44 Das Argument, die erste Frage habe keinen Bezug zum Streitgegenstand des Ausgangsverfahrens, weil sie die Auslegung der Richtlinie betreffe, ist deshalb zurückzuweisen.

45 Demnach ändert auch das Argument, die Planungsarbeiten für das Teatro alla Bicocca seien unentgeltlich geleistet worden, nichts an der Relevanz der ersten Frage.

46 Diese Frage ist daher zu beantworten.

Zur Beantwortung der Vorlagefrage

47 Die erste Vorlagefrage geht dahin, ob die im Ausgangsverfahren einschlägigen nationalen und regionalen Vorschriften, wonach eine Erschließungsanlage unmittelbar errichtet werden darf und die Kosten dafür vom geschuldeten Beitrag abgezogen werden dürfen, mit der Richtlinie vereinbar sind.

48 Vorab ist daran zu erinnern, dass der Gerichtshof in einem nach Artikel 177 EG-Vertrag eingeleiteten Verfahren nicht zur Entscheidung über die Vereinbarkeit einer nationalen Maßnahme mit dem Gemeinschaftsrecht befugt ist. Er kann jedoch dem vorlegenden Gericht alle Hinweise zur Auslegung des Gemeinschaftsrechts geben, die es diesem ermöglichen, die Frage der Vereinbarkeit bei der Entscheidung des bei ihm anhängigen Verfahrens zu beurteilen (vgl. u. a. Urteil vom 30. April 1998 in den Rechtssachen C-37/96 und C-38/96, Sodiprem u. a., Slg. 1998, I-2039, Randnr. 22).

49 Die erste Frage ist deshalb dahin aufzufassen, dass das vorlegende Gericht mit ihr wissen möchte, ob die Richtlinie nationalen städtebaurechtlichen Vorschriften entgegensteht, wonach ein Bauherr, der sich auf eine Baugenehmigung oder einen genehmigten Erschließungsplan stützen kann, eine Erschließungsanlage, deren Wert den in der Richtlinie festgesetzten Schwellenwert erreicht oder höher ist, unmittelbar erstellen und die Kosten hierfür ganz oder teilweise von dem wegen der Baugenehmigung geschuldeten Beitrag abziehen kann.

50 Um die so umformulierte Frage zu beantworten, ist zu prüfen, ob die unmittelbare Erstellung einer Erschließungsanlage wie die des Ausgangsverfahrens einen öffentlichen Bauauftrag im Sinne von Artikel 1 Buchstabe a der Richtlinie bildet.

51 Nach der in dieser Bestimmung gegebenen Definition muss ein öffentlicher Bauauftrag folgende Merkmale aufweisen: Es muss sich um einen schriftlichen entgeltlichen Vertrag zwischen einem Unternehmer und einem öffentlichen Auftraggeber im Sinne von Artikel 1 Buchstabe b der Richtlinie insbesondere über die Ausführung entweder eines Bauwerks oder eines Bauvorhabens einer bestimmten Art handeln, die die Richtlinie definiert.

52 Da das Vorliegen eines öffentlichen Bauauftrags" eine Voraussetzung für die Anwendung der Richtlinie darstellt, ist Artikel 1 Buchstabe a so auszulegen, dass die praktische Wirksamkeit der Richtlinie gewährleistet ist. Wie aus ihren Begründungserwägungen, insbesondere der zweiten und der dritten, hervorgeht, soll die Richtlinie Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs auf dem Gebiet der öffentlichen Bauaufträge beseitigen, um diese Märkte einem echten Wettbewerb zu öffnen. Damit ein solcher Wettbewerb entstehen kann, ist es laut der zehnten Begründungserwägung erforderlich, dass beabsichtigte Auftragsvergaben in der gesamten Gemeinschaft bekannt gemacht werden.

53 Die Richtlinie legt außerdem selbst fest, was unter einem öffentlichen Auftraggeber" (Artikel 1 Buchstabe b), einem Bauvorhaben" (Artikel 1 Buchstabe a und Anhang II) und einem Bauwerk" (Artikel 1 Buchstabe c) zu verstehen ist.

54 Diese vom Gemeinschaftsgesetzgeber gegebenen Definitionen bestätigen die Bedeutung, die diesen Begriffen für den Normzweck der Richtlinie zukommt. Sie spielen deshalb eine ausschlaggebende Rolle bei der Beurteilung der Frage, ob ein öffentlicher Bauauftrag" im Sinne der Richtlinie vorliegt.

55 Dies bedeutet, dass Fälle, in denen die Ausführung oder gleichzeitig die Ausführung und die Planung von Bauvorhaben oder die Errichtung eines Bauwerks für einen öffentlichen Auftraggeber im Sinne der Richtlinie in Frage stehen, in Bezug auf die übrigen Tatbestandsmerkmale des Artikels 1 Buchstabe a der Richtlinie so zu beurteilen sind, dass die praktische Wirksamkeit der Richtlinie nicht beeinträchtigt wird, und zwar insbesondere dann, wenn diese Fälle Besonderheiten aufweisen, die sich aus den auf sie anwendbaren nationalen Rechtsvorschriften ergeben.

56 Im Licht dieser Erwägungen ist zu prüfen, ob die unmittelbare Erstellung einer Erschließungsanlage wie des äußeren Baukörpers eines Theaters unter den Voraussetzungen, die die italienischen städtebaurechtlichen Bestimmungen vorsehen, ein öffentlicher Bauauftrag" ist.

Zum Tatbestandsmerkmal öffentlicher Auftraggeber"

57 Die im Ausgangsverfahren betroffene Kommune ist unstreitig eine Gebietskörperschaft im Sinne von Artikel 1 Buchstabe b der Richtlinie und fällt daher unter die in dieser Vorschrift enthaltene Definition des öffentlichen Auftraggebers.

Zum Tatbestandsmerkmal der Ausführung eines Bauvorhabens oder der Errichtung eines Bauwerks im Sinne von Artikel 1 Buchstabe a der Richtlinie

58 Gemäß Artikel 1 Buchstabe a der Richtlinie können öffentliche Bauaufträge betreffen

- die Ausführung oder gleichzeitig die Ausführung und die Planung von Bauvorhaben im Zusammenhang mit einer der in Anhang II genannten Tätigkeiten;

- die Ausführung oder gleichzeitig die Ausführung und die Planung eines Bauwerks im Sinne von Artikel 1 Buchstabe c, d. h. eines Bauwerks, das Ergebnis einer Gesamtheit von Tief- oder Hochbauarbeiten ist und das seinem Wesen nach eine wirtschaftliche oder technische Funktion erfuellen soll;

- die Erbringung einer Bauleistung, gleichgültig mit welchen Mitteln, gemäß den vom öffentlichen Auftraggeber genannten Erfordernissen.

59 Die in Artikel 4 des Gesetzes Nr. 847/64 aufgeführten Erschließungsanlagen werden durch Tief- oder Hochbauarbeiten geschaffen und fallen damit unter die in Anhang II genannten Tätigkeiten oder aber sind Bauwerke, die ihrem Wesen nach eine wirtschaftliche und technische Funktion erfuellen sollen. Sie erfuellen damit zumindest die unter dem ersten und dem dritten Gedankenstrich der vorstehenden Randnummer genannten Kriterien.

60 Was speziell die Errichtung des äußeren Baukörpers eines Theaters anbelangt, wie sie im Ausgangsverfahren in Rede steht, so ist sie eine Tätigkeit der Gruppe 501 Rohbaugewerbe" gemäß Anhang II der Richtlinie.

61 Die Errichtung eines Bauwerks wie die Fertigung des äußeren Baukörpers eines Theaters fällt damit unter die Bauvorhaben im Sinne von Artikel 1 Buchstabe a der Richtlinie.

62 Wie sich aus den vorstehenden Randnummern 57 bis 61 ergibt, sind die beiden wesentlichen Tatbestandsmerkmale für das Vorliegen eines öffentlichen Bauauftrags", die sich auf den öffentlichen Auftraggeber und auf die fraglichen Bauvorhaben oder -werke beziehen, in einem Fall wie dem des Ausgangsverfahrens gegeben.

Zum Tatbestandsmerkmal des Vorliegens eines Vertrages

63 Die Stadt Mailand, Pirelli, MCS und die FTS machen geltend, dieses Tatbestandsmerkmal sei nicht erfuellt, weil die unmittelbare Errichtung von Erschließungsanlagen in nationalen und regionalen städtebaurechtlichen Bestimmungen, die sich nach ihrem Gegenstand, ihrem Zweck und ihren Merkmalen sowie nach den durch sie geschützten Interessen vom gemeinschaftlichen Vergaberecht unterschieden, als Regelfall vorgesehen sei.

64 Die Kommune könne sich auch nicht aussuchen, wem sie die Ausführung des Bauvorhabens übertrage, denn diese obliege kraft Gesetzes dem Eigentümer des Baugrunds.

65 Die Beklagte und die Streithelferinnen des Ausgangsverfahrens führen schließlich aus, dass selbst dann, wenn die unmittelbare Erstellung zur Erfuellung der im Erschließungsvertrag eingegangenen Verpflichtungen erbracht werde, das Tatbestandsmerkmal eines Vertrages nicht gegeben sei. Der Erschließungsvertrag sei nämlich ein öffentlich-rechtlicher Vertrag, der die Ausübung hoheitlicher Gewalt einschließe und nicht der Privatautonomie unterliege, weshalb von einem Vertrag" im Sinne der Richtlinie nicht gesprochen werden könne. Die Gemeinde behalte ihre hoheitlichen Befugnisse der Bauleitplanung einschließlich der Befugnis, die städtebaulichen Pläne je nach Entwicklung der Lage zu ändern oder zurückzunehmen oder diesen Erfordernissen besser genügende neue Beurteilungskriterien zu erlassen" (Urteil Nr. 6941 der Corte di Cassazione [Vereinigte Kammern] vom 25. Juli 1994). Aus dem gleichen Grund liege auch nicht der Tatbestand eines vertraglichen Kausalgeschäfts" vor, wie er einen geschäftlichen Vertrag kennzeichne.

66 Dass sich die nationalen Rechtsvorschriften über die unmittelbare Erstellung von Erschließungsanlagen in einen städtebaurechtlichen Regelungszusammenhang mit besonderen Merkmalen und einem spezifischen, gegenüber der Richtlinie unterschiedlichen Zweck einfügen, genügt jedoch nicht, um die unmittelbare Erstellung der Anlagen dem Anwendungsbereich der Richtlinie zu entziehen, wenn deren Tatbestandsmerkmale erfuellt sind.

67 Wie das vorlegende Gericht ausführt, sind die in Artikel 4 des Gesetzes Nr. 847/64 genannten Bauvorhaben ohne weiteres als öffentliche Bauvorhaben einzustufen, da sie nach ihren funktionellen Eigenschaften über bloße Einzelwohnstätten hinausgehende Erschließungszwecke erfuellen sollen und der Herrschaft der zuständigen Behörden unterliegen, die rechtliche Befugnisse besitzen, mit denen sie die Verfügbarkeit der Anlagen sicherstellen können, um allen örtlichen Nutzern den Zugang zu gewährleisten.

68 Diese Gesichtspunkte sind deshalb bedeutsam, weil sie die öffentliche Zweckbestimmung bestätigen, denen die auszuführenden Bauvorhaben von Anfang an gewidmet sind.

69 Aus dem Vorlagebeschluss ergibt sich zwar, dass Artikel 28 Absatz 5 des Gesetzes Nr. 1150/42 die Möglichkeit vorsieht, im Rahmen eines Bauvorhabens sekundäre Erschließungsanlagen unmittelbar zu erstellen, und dass nach Artikel 12 des Regionalgesetzes Nr. 60/77 der Lombardei, geändert durch Artikel 3 des Regionalgesetzes Nr. 31/86 der Lombardei, die unmittelbare Erstellung die Regel ist. Diese Vorschriften schließen aber das in Artikel 1 Buchstabe a der Richtlinie enthaltene Tatbestandsmerkmal des Vorliegens eines Vertrages nicht aus.

70 Denn zum einen behält die Gemeindeverwaltung nach den genannten regionalen Rechtsvorschriften der Lombardei die Möglichkeit, an Stelle der unmittelbaren Erstellung der Anlagen die Zahlung eines Betrages zu verlangen, der sich nach den tatsächlichen Kosten, der Bedeutung und den Merkmalen der Bauwerke richtet. Zum anderen ist bei unmittelbarer Errichtung der Erschließungsanlagen zwischen der Gemeindeverwaltung und dem Eigentümer oder den Eigentümern der zu bebauenden Grundstücke in jedem Fall ein Erschließungsvertrag zu schließen.

71 Zwar kann die Gemeindeverwaltung ihren Vertragspartner nicht wählen, weil dieser nach dem Gesetz der Eigentümer der zu bebauenden Grundstücke ist. Dies allein kann aber der zwischen der Gemeindeverwaltung und dem Bauherrn eingegangenen Rechtsbeziehung nicht ihren vertraglichen Charakter nehmen, denn es ist der zwischen ihnen geschlossene Erschließungsvertrag, der die vom Bauträger in jedem Einzelfall zu errichtenden Erschließungsanlagen und die entsprechenden Bedingungen einschließlich der gemeindlichen Genehmigung der Pläne für die Anlagen festlegt. Ebenso beruht auf den vom Bauträger mit dem Vertrag eingegangenen Verpflichtungen die rechtliche Befugnis der Gemeinde, die Verfügbarkeit der darin bezeichneten Anlagen im Interesse ihrer öffentlichen Zweckbestimmung sicherzustellen.

72 Diese Feststellung wird im Ausgangsverfahren auch dadurch bestätigt, dass das Teatro alla Bicocca laut den angefochtenen Beschlüssen teils im Wege unmittelbarer Erstellung durch die Bauträger gemäß ihren vertraglichen Verpflichtungen im Zusammenhang mit dem Erschließungsplan" und teils über eine Ausschreibung der Stadt Mailand erbaut werden sollte.

73 Dass der Erschließungsvertrag dem öffentlichen Recht unterliegt und die Ausübung hoheitlicher Gewalt einschließt, steht entgegen der Auffassung der Beklagten und der Streithelferinnen des Ausgangsverfahrens dem Vorliegen einer Vertragsbeziehung im Sinne von Artikel 1 Buchstabe a der Richtlinie nicht entgegen, sondern spricht sogar dafür. In mehreren Mitgliedstaaten ist nämlich ein Vertrag zwischen einem öffentlichen Auftraggeber und einem Unternehmen ein verwaltungsrechtlicher Vertrag, der als solcher dem öffentlichen Recht unterliegt.

74 Demnach genügen die Regelungen, die der Erschließungsvertrag und die in seinem Rahmen geschlossenen Vereinbarungen enthalten, für das Vorliegen einer Vertragsbeziehung, wie sie Artikel 1 Buchstabe a der Richtlinie verlangt.

75 Diese Auslegung steht im Übrigen in Einklang mit dem Hauptzweck der Richtlinie, der, wie oben in Randnummer 52 ausgeführt, darin besteht, öffentliche Bauaufträge dem Wettbewerb zugänglich zu machen. Es ist nämlich die Öffnung dieses Bereichs für den gemeinschaftlichen Wettbewerb mittels der in der Richtlinie vorgesehenen Verfahren, die die Gefahr von Bevorzugungen durch die öffentliche Verwaltung ausschließt. Dass die öffentliche Verwaltung nicht die Möglichkeit hat, ihren Vertragspartner auszuwählen, kann deshalb allein nicht genügen, um die Nichtanwendung der Richtlinie zu rechtfertigen, denn dies entzöge die Errichtung eines Bauwerks, auf die die Richtlinie andernfalls anwendbar wäre, dem gemeinschaftlichen Wettbewerb.

Zum Tatbestandsmerkmal eines entgeltlichen Vertrages

76 Die Beklagte und die Streithelferinnen des Ausgangsverfahrens machen weiter geltend, jedenfalls liege kein gegenseitiger Vertrag vor, denn die Gemeinde habe keine Gegenleistung zu erbringen. Die Zahlung des Erschließungsbeitrags oder die unmittelbare Erstellung von Erschließungsanlagen bilde nämlich nicht das Pendant zum Anspruch des Bauträgers auf Erteilung der Baugenehmigung, und die Erschließung von Grundstücken, die im Zuge der sich wandelnden Bodennutzung stattfinde, hänge nicht von dem daraus entstehenden Gewinn oder von den Vorteilen ab, die der Inhaber der Baugenehmigung daraus ziehe.

77 Der entgeltliche Charakter des Vertrages bezieht sich auf die Gegenleistung der öffentlichen Verwaltung für die Ausführung von Bauvorhaben, die Gegenstand des in Artikel 1 Buchstabe a der Richtlinie genannten Vertrages sind und die der öffentlichen Verwaltung zur Verfügung gestellt werden.

78 Die Frage, ob der bei unmittelbarer Erstellung einer Erschließungsanlage geschlossene Vertrag für die Gemeindeverwaltung entgeltlich ist, stellt sich in einem Fall wie dem des Ausgangsverfahrens wegen der Besonderheiten des anwendbaren italienischen Städtebaurechts unter einem speziellen Blickwinkel.

79 So haben nach Artikel 28 Absatz 5 Nummer 2 des Gesetzes Nr. 1150/42 und Artikel 12 Buchstabe b des Regionalgesetzes Nr. 60/77 der Lombardei, geändert durch Artikel 3 des Regionalgesetzes Nr. 31/86 der Lombardei, die Eigentümer der zu bebauenden Grundstücke die Kosten für die primären Erschließungsanlagen und einen Anteil der Kosten für die sekundären Erschließungsanlagen des Bauvorhabens oder für die Anlagen zu tragen, die für den Anschluss des Baugebiets an das öffentliche Versorgungsnetz erforderlich sind.

80 Ferner kann sich gemäß Artikel 11 Absatz 1 des Gesetzes Nr. 10/77 der Genehmigungsinhaber... verpflichten, die Erschließungsanlagen... unmittelbar zu erstellen, und die Kosten hierfür ganz oder teilweise vom geschuldeten Betrag" des nach Artikel 3 des Gesetzes bei Erteilung der Baugenehmigung anfallenden Erschließungsbeitrags abziehen.

81 Der in Artikel 11 Absatz 1 des Gesetzes Nr. 10/77 verwendete Ausdruck abziehen" lässt den Schluss zu, dass die Gemeindeverwaltung mit der Erlaubnis einer unmittelbaren Erstellung der Erschließungsanlagen darauf verzichtet, den als Beitrag gemäß Artikel 3 dieses Gesetzes geschuldeten Geldbetrag einzuziehen.

82 Die Beklagte, die Streithelferinnen des Ausgangsverfahrens und die italienische Regierung machen jedoch geltend, diese Auslegung sei insbesondere deshalb unzutreffend, weil die Entrichtung des Erschließungsbeitrags die Alternative zur unmittelbaren Erstellung der Anlagen bilde und deshalb nicht angenommen werden könne, dass die Gemeinde einen in jedem Fall entstehenden Zahlunganspruch habe und bei unmittelbarer Erstellung auf seine Erfuellung verzichte. Die unmittelbare Erstellung der Anlagen habe den sinnvollen Zweck, dass der Eigentümer und Bauherr von der Baugenehmigung freien Gebrauch machen könne, indem er von der Verpflichtung zur Entrichtung des mit der Erteilung der Baugenehmigung anfallenden Erschließungsbeitrags freigestellt werde. Der Ausdruck abziehen" betreffe somit diese befreiende Wirkung der Erstellung der Anlagen und nicht eine Gegenleistung oder sonstige Vergünstigung, die die Gemeinde den Bauherren gewähre.

83 Da diese Einwände die Auslegung des italienischen Städtebaurechts und seiner Konzeption des Verhältnisses zwischen Erschließungsbeitragsschuld und unmittelbarer Erstellung der Anlagen betreffen, unterliegen sie der Beurteilung durch das vorlegende Gericht.

84 Dieses stellt entgegen der Argumentation der Beklagten und der Streithelferinnen des Ausgangsverfahrens im Vorlagebeschluss fest, dass der aus einer Baugenehmigung oder einem genehmigten Erschließungsplan berechtigte Bauherr, der Erschließungsanlagen erstelle, keine unentgeltliche Leistung erbringe, da er, nur nicht durch Zahlung, in gleicher Höhe eine gegenüber der Gemeinde bestehende Schuld begleiche, nämlich den Erschließungsbeitrag, ohne dass die Alternativform der Verpflichtung - Barzahlung oder unmittelbare Erstellung der Anlagen - eine Differenzierung je nach gewähltem (oder vom Gesetzgeber vorgegebenem) Erfuellungsmodus zulasse.

85 Diese Auslegung der nationalen Rechtsvorschriften entspricht dem oben in Randnummer 52 genannten Zweck der Richtlinie und ist deshalb geeignet, deren praktische Wirksamkeit zu gewährleisten.

86 Demnach ist anzunehmen, dass ein entgeltlicher Vertrag vorliegt.

Zum Tatbestandsmerkmal eines schriftlichen Vertrages

87 Insoweit genügt der Hinweis, dass das Vorliegen dieses Tatbestandmerkmals nicht bestritten wurde und dass der Erschließungsvertrag zwischen der Gemeinde und dem oder den Eigentümern und Bauherren tatsächlich schriftlich geschlossen wird.

Zum Tatbestandsmerkmal der Unternehmereigenschaft

88 Nach Meinung der Beklagten und der Streithelferinnen des Ausgangsverfahrens sowie der italienischen Regierung ist diese Voraussetzung nicht erfuellt, da der Bauträger nicht als Unternehmer oder Bauunternehmer, sondern nur wegen seines Eigentums am Baugrund Beteiligter sei. Er brauche, abgesehen von den der Gemeinde zu stellenden ausreichenden Garantien, für die im Erschließungsvertrag eingegangenen Verpflichtungen keine besonderen technischen oder vermögensrechtlichen Voraussetzungen zu erfuellen.

89 Aus den Antworten auf eine Frage des Gerichtshofes gehe weiter hervor, dass die Auswahl der mit der Planung und Ausführung der Anlagen beauftragten Unternehmer ausschließlich dem durch die Baugenehmigung berechtigten Bauherrn obliege. Dieser führe das Bauvorhaben im eigenen Namen und nicht für die Gemeinde aus, der gegenüber er sich zur Übereignung der fertigen Anlagen verpflichtet habe.

90 Gemäß Artikel 1 Buchstabe a der Richtlinie braucht der Vertragspartner des öffentlichen Auftraggebers, um als Unternehmer eingestuft zu werden, nicht in der Lage zu sein, die Leistung unmittelbar mit eigenen Mitteln zu erbringen; es genügt, dass er die Ausführung der fraglichen Leistung veranlassen kann und hierfür die erforderlichen Garantien bietet.

91 So kann der öffentliche Auftraggeber nach Artikel 20 der Richtlinie in den Verdingungsunterlagen... den Bieter auffordern, ihm in seinem Angebot den Teil des Auftrags anzugeben, den er gegebenenfalls im Wege von Unteraufträgen an Dritte zu vergeben gedenkt".

92 Im gleichen Sinne hat der Gerichtshof zur Richtlinie 92/50 entschieden, dass diese es einem Dienstleistungserbringer gestattet, für den Nachweis, dass er die wirtschaftlichen, finanziellen und technischen Voraussetzungen für die Teilnahme an einem Verfahren zur Vergabe eines öffentlichen Dienstleistungsauftrags erfuellt, auf die Leistungsfähigkeit anderer Einrichtungen zu verweisen, welcher Rechtsnatur seine Verbindungen zu ihnen auch sein mögen, sofern er beweisen kann, dass er tatsächlich über die Mittel dieser Einrichtungen, die zur Ausführung des Auftrags erforderlich sind, verfügt (Urteil vom 2. Dezember 1999 in der Rechtssache C-176/98, Holst Italia, Slg. 1999, I-8607)

93 Wie aus den Akten hervorgeht, ist der Bauträger, dem die Baugenehmigung erteilt wurde, in einem Fall wie dem des Ausgangsverfahrens aufgrund des mit der Gemeindeverwaltung geschlossenen Erschließungsvertrags verpflichtet, der Gemeinde ausreichende Garantien für die Erstellung der ihr später zu übereignenden Anlagen zu bieten, und wählt den Unternehmer aus, der die in den Verträgen mit der Gemeindeverwaltung festgelegten Anlagen errichtet. So verhält es sich im vorliegenden Fall, da sich MCS an den Vereinbarungen zwischen der Stadt Mailand und Pirelli beteiligte.

94 Das Vorliegen des fraglichen Tatbestandsmerkmals wird im vorliegenden Fall weder dadurch ausgeschlossen, dass der Bauträger die Anlagen nicht mit eigenen Mitteln errichten kann, noch dadurch, dass er als Inhaber der Baugenehmigung und nicht die Gemeindeverwaltung den mit der Errichtung der Anlagen beauftragten Unternehmer auswählt.

95 Dass die Erschließungsanlagen vom Inhaber der Baugenehmigung im eigenen Namen errichtet werden, bevor er sie der Gemeinde übereignet, kann der Gemeinde im Übrigen nicht ihre Stellung als öffentlicher Auftraggeber für die Errichtung einer solchen Anlage nehmen.

96 Die Voraussetzung der Unternehmereigenschaft ist deshalb ebenfalls als erfuellt anzusehen.

97 Demnach bildet die unmittelbare Erstellung einer Erschließungsanlage unter den im italienischen Städtebaurecht festgelegten Voraussetzungen einen öffentlichen Bauauftrag" im Sinne von Artikel 1 Buchstabe a der Richtlinie.

98 Daher ist die Richtlinie anwendbar, wenn der geschätzte Wert einer solchen Anlage ohne Mehrwertsteuer den in Artikel 6 Absatz 1 der Richtlinie festgesetzten Schwellenwert erreicht oder überschreitet.

99 Daraus folgt, dass die Gemeindeverwaltung zur Einhaltung der in der Richtlinie vorgesehenen Verfahren verpflichtet ist, wenn sie einen solchen öffentlichen Bauauftrag vergibt.

100 Dies heißt nicht, dass es bei der Erstellung einer Erschließungsanlage zur Einhaltung der Richtlinie auch erforderlich wäre, dass die Gemeindeverwaltung die in der Richtlinie vorgesehenen Verfahren selbst durchführt. Die praktische Wirksamkeit der Richtlinie wäre auch dann gewahrt, wenn nach nationalem Recht die Gemeindeverwaltung den Bauträger und Genehmigungsinhaber in den mit ihm geschlossenen Vereinbarungen dazu verpflichten könnte, für die Erstellung der fraglichen Anlagen die in der Richtlinie festgelegten Verfahren anzuwenden, um so die Verpflichtungen der Gemeindeverwaltung gemäß der Richtlinie zu erfuellen. In diesem Fall ist der Bauträger aufgrund seiner Vereinbarung mit der Gemeinde, die ihn als Gegenleistung für die Erstellung einer Erschließungsanlage von der Entrichtung des Erschließungsbeitrags befreit, als von der Gemeinde ausdrücklich zur Erstellung der Anlage ermächtigt anzusehen. Eine solche Anwendung der Bekanntmachungsvorschriften der Richtlinie durch andere Personen als den öffentlichen Auftraggeber sieht Artikel 3 Absatz 4 der Richtlinie im Übrigen für öffentliche Bauvorhaben, die Gegenstand einer Konzession sind, ausdrücklich vor.

101 Was die Verfahren der Richtlinie angeht, so folgt aus Artikel 7 Absatz 4 in Verbindung mit Artikel 11 Absätze 2 und 9 der Richtlinie, dass öffentliche Auftraggeber, die einen öffentlichen Bauauftrag zu vergeben beabsichtigen, diese Absicht durch Mitteilung im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften bekannt machen, sofern nicht einer der in Artikel 7 Absatz 3 der Richtlinie abschließend aufgeführten Fälle vorliegt, in denen sie das Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung anwenden dürfen.

102 Im vorliegenden Fall ergibt sich aus den Akten nichts dafür, dass die unmittelbare Erstellung einer Erschließungsanlage unter den im italienischen Städtebaurecht festgelegten Voraussetzungen unter einen der Fälle des Artikels 7 Absatz 3 der Richtlinie fallen könnte.

103 Demnach ist auf die erste Frage zu antworten, dass die Richtlinie nationalen städtebaurechtlichen Vorschriften entgegensteht, wonach ein Bauherr, der sich auf eine Baugenehmigung oder einen genehmigten Erschließungsplan stützen kann, eine Erschließungsanlage, deren Wert den in der Richtlinie festgesetzten Schwellenwert erreicht oder übersteigt, unmittelbar erstellen und die Kosten hierfür ganz oder teilweise von dem wegen der Baugenehmigung geschuldeten Beitrag abziehen kann, ohne dass die in der Richtlinie festgelegten Verfahren eingehalten werden.

Zur zweiten Vorlagefrage

104 Der CNA macht geltend, diese Frage sei unbeachtlich. Da im Ausgangsrechtsstreit keine der Voraussetzungen des Artikels 11 des Gesetzes Nr. 241/90 erfuellt sei und Vereinbarungen über die Vergabe öffentlicher Aufträge ohne Einhaltung der Verfahren der Richtlinie zweifelsfrei die Rechte von Unternehmern oder Angehörigen freier Berufe schädigten, die die Erteilung des fraglichen Auftrags begehrten, sei Artikel 11 des Gesetzes Nr. 241/90 im Ausgangsverfahren nicht anwendbar.

105 Ohne dass hierzu Stellung genommen werden müsste, ist festzustellen, dass das vorlegende Gericht weder die gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften, deren Auslegung es begehrt, noch die genauen Aspekte der fraglichen italienischen Rechtsvorschriften benennt, deren Anwendung im Ausgangsrechtsstreit gemeinschaftsrechtlich problematisch sein könnte.

106 Mangels dieser Hinweise lässt sich das konkrete gemeinschaftsrechtliche Auslegungsproblem, das sich im Ausgangsrechtsstreit stellen könnte, nicht abgrenzen.

107 Die zweite Frage ist daher unzulässig.

Kostenentscheidung:

Kosten

108 Die Auslagen der italienischen Regierung und der Kommission, die vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)

auf die ihm vom Tribunale amministrativo regionale per la Lombardia mit Beschluß 11. Juni 1998 vorgelegten Fragen für Recht erkannt:

Die Richtlinie 93/37/EWG des Rates vom 14. Juni 1993 zur Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge steht nationalen städtebaurechtlichen Vorschriften entgegen, wonach ein Bauherr, der sich auf eine Baugenehmigung oder einen genehmigten Erschließungsplan stützen kann, eine Erschließungsanlage, deren Wert den in der Richtlinie festgesetzten Schwellenwert erreicht oder übersteigt, unmittelbar erstellen und die Kosten hierfür ganz oder teilweise von dem wegen der Baugenehmigung geschuldeten Beitrag abziehen kann, ohne dass die in der Richtlinie festgelegten Verfahren eingehalten werden.

Ende der Entscheidung

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