Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 29.11.2007
Aktenzeichen: C-404/05
Rechtsgebiete: EG


Vorschriften:

EG Art. 55
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Erste Kammer)

29. November 2007

"Landwirtschaftliche Erzeugnisse des ökologischen Landbaus - Private Kontrollstellen - Erfordernis einer Niederlassung oder dauerhaften Infrastruktur im Mitgliedstaat der Erbringung der Leistung - Rechtfertigungsgründe - Teilnahme an der Ausübung öffentlicher Gewalt - Art. 55 EG - Verbraucherschutz"

Parteien:

In der Rechtssache C-404/05

betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Art. 226 EG, eingereicht am 17. November 2005,

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch E. Traversa und G. Braun als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Klägerin,

gegen

Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch M. Lumma und C. Schulze-Bahr als Bevollmächtigte,

Beklagte,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten P. Jann sowie der Richter A. Tizzano, A. Borg Barthet, M. Ilesic und E. Levits (Berichterstatter),

Generalanwältin: E. Sharpston,

Kanzler: R. Grass,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 12. Juli 2007

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

1 Mit ihrer Klage beantragt die Kommission der Europäischen Gemeinschaften, festzustellen, dass die Bundesrepublik Deutschland mit der Forderung, dass private Kontrollstellen für Erzeugnisse des ökologischen Landbaus (im Folgenden: private Kontrollstellen), die in einem anderen Mitgliedstaat ansässig und zugelassen sind, in Deutschland einen Geschäftssitz oder eine andere dauerhafte Infrastruktur unterhalten müssen, damit sie dort ihre Tätigkeit ausüben können, gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 49 EG verstößt.

Rechtlicher Rahmen

Gemeinschaftsrecht

2 Die Verordnung (EWG) Nr. 2092/91 des Rates vom 24. Juni 1991 über den ökologischen Landbau und die entsprechende Kennzeichnung der landwirtschaftlichen Erzeugnisse und Lebensmittel (ABl. L 198, S. 1) in der durch die Verordnung (EG) Nr. 1804/1999 des Rates vom 19. Juli 1999 (ABl. L 222, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden: Verordnung Nr. 2092/91) setzt Mindestvorschriften für den ökologischen Landbau, die Verfahren zu seiner Kontrolle und die Bescheinigung der aus ihm hervorgegangenen Erzeugnisse fest. Nach der Verordnung können die Erzeugnisse, die den darin festgelegten Anforderungen entsprechen, insbesondere durch Etikettierung den Vermerk "Ökologische Agrarwirtschaft - EG-Kontrollsystem" oder "Biologische Landwirtschaft - EG-Kontrollsystem" erhalten.

3 Die Art. 1, 2 und 4 der Verordnung Nr. 2092/91 listen die erfassten Erzeugnisse des ökologischen Landbaus und ihre Kennzeichnungen auf und definieren verschiedene Begriffe. Nach Art. 3 gilt die Verordnung unbeschadet der sonstigen Rechtsvorschriften der Gemeinschaft oder der damit im Einklang stehenden nationalen Vorschriften. Art. 5 legt die Voraussetzungen fest, unter denen bei der Kennzeichnung oder Werbung auf den ökologischen Landbau Bezug genommen werden darf, während Art. 6 die Erzeugungsvorschriften erläutert, die der Begriff "ökologischer Landbau" einschließt.

4 Art. 8 der Verordnung Nr. 2092/91 lautet:

"(1) Jedes Unternehmen, das mit dem Ziel der Vermarktung Erzeugnisse gemäß Artikel 1 erzeugt, aufbereitet oder aus einem Drittland einführt, ist verpflichtet,

a) diese Tätigkeit bei der zuständigen Behörde des Mitgliedstaats, in dem diese Tätigkeit ausgeübt wird, zu melden; die Meldung muss die in Anhang IV genannten Angaben enthalten;

b) seine Tätigkeit dem Kontrollverfahren gemäß Artikel 9 zu unterstellen.

(2) Die Mitgliedstaaten bestimmen eine für die Entgegennahme solcher Meldungen zuständige Behörde oder Stelle.

Die Mitgliedstaaten können die Mitteilung ergänzender Angaben vorsehen, die ihnen für eine wirksame Kontrolle der betreffenden Unternehmen geboten erscheinen.

(3) Die zuständige Behörde stellt sicher, dass den betreffenden Personen eine auf den neuesten Stand gebrachte Liste mit Namen und Adressen der den Kontrollmaßnahmen unterworfenen Unternehmen zur Verfügung gestellt wird."

5 Art. 9 der Verordnung Nr. 2092/91 bestimmt:

"(1) Die Mitgliedstaaten schaffen ein Kontrollverfahren, das von einer oder mehreren hierfür bestimmten Kontrollbehörden und/oder von zugelassenen privaten Kontrollstellen durchzuführen ist und dem die Unternehmen, die Erzeugnisse gemäß Artikel 1 erzeugen, aufbereiten oder aus Drittländern einführen, unterstellt werden.

(2) Die Mitgliedstaaten ergreifen die erforderlichen Maßnahmen, damit einem Unternehmen, das die Bestimmungen dieser Verordnung einhält und seinen Beitrag zu den Kosten der Kontrollmaßnahmen entrichtet, sichergehen kann, in das Kontrollsystem einbezogen zu werden.

(3) Das Kontrollverfahren umfasst mindestens die in Anhang III aufgeführten Kontrollanforderungen und Vorkehrungen.

(4) Im Falle der Durchführung der Kontrollregelung durch private Kontrollstellen bestimmen die Mitgliedstaaten eine Behörde zur Zulassung und Überwachung dieser Stellen.

(5) Die Zulassung einer privaten Kontrollstelle durch die Mitgliedstaaten geschieht nach Maßgabe folgender Kriterien:

a) Standardkontrollprogramm der Stelle mit ausführlicher Beschreibung der Kontrollmaßnahmen und Vorkehrungen, die die Stelle den von ihr kontrollierten Unternehmen zur Auflage macht;

b) von der Stelle für den Fall von Unregelmäßigkeiten und/oder Verstößen erwogene Sanktionen;

c) geeignete personelle, administrative und technische Ausstattung sowie Erfahrung bei der Kontrolle und Zuverlässigkeit;

d) Objektivität der Kontrollstelle gegenüber den ihrer Kontrolle unterstehenden Unternehmen.

(6) Nach Zulassung einer Kontrollstelle hat die zuständige Behörde folgende Aufgaben:

a) Gewährleistung der Objektivität der von dieser Stelle durchgeführten Kontrollen;

b) Überprüfung der Wirksamkeit der Kontrolle;

c) Erfassung der festgestellten Unregelmäßigkeiten und/oder Verstöße und verhängten Sanktionen;

d) Entzug der Zulassung einer Kontrollstelle, falls sie die Anforderungen der Buchstaben a) und b) oder die Kriterien des Absatzes 5 nicht mehr oder die Anforderungen der Absätze 7, 8, 9 und 11 nicht erfüllt.

(6a) Vor dem 1. Januar 1996 erteilen die Mitgliedstaaten jeder gemäß den Bestimmungen dieses Artikels anerkannten oder benannten Kontrollstelle oder -behörde eine Codenummer. Sie informieren darüber die anderen Mitgliedstaaten und die Kommission, die diese Codenummern in der in Artikel 15 Unterabsatz 3 genannten Liste veröffentlichen wird.

(7) Die Kontrollbehörde und die zugelassenen Kontrollstellen nach Absatz 1

a) gewährleisten, dass in den von ihnen kontrollierten Unternehmen mindestens die in Anhang III aufgeführten Kontrollmaßnahmen durchgeführt und die entsprechenden Vorkehrungen getroffen werden;

b) geben keinen anderen Personen als der für das Unternehmen verantwortlichen Person und den zuständigen staatlichen Stellen Einblick in die Informationen und Daten, von denen sie bei ihrer Kontrolltätigkeit Kenntnis erhalten.

(8) Die Kontrollbehörde und die Kontrollstellen nach Absatz 1 müssen

a) gewähren der zuständigen Behörde zu Inspektionszwecken Zugang zu ihren Diensträumen und Einrichtungen und sind in dem Maße auskunfts- und unterstützungspflichtig, wie dies der zuständigen Behörde zur Erfüllung ihrer Aufgaben nach dieser Verordnung geboten erscheint;

b) übermitteln der zuständigen Behörde des Mitgliedstaats alljährlich spätestens am 31. Januar ein Verzeichnis der Unternehmen, die am 31. Dezember des Vorjahres ihrer Kontrolle unterstanden haben und legen ihr alljährlich einen zusammenfassenden Bericht vor.

(9) Die Kontrollbehörde und die Kontrollstellen nach Absatz 1 müssen

a) bei Feststellung einer Unregelmäßigkeit hinsichtlich der Durchführung der Artikel 5, 6 und 7 bzw. der Maßnahmen des Anhangs III die Hinweise auf den ökologischen Landbau nach Artikel 2 von der gesamten von der Unregelmäßigkeit betroffenen Partie oder Erzeugung entfernen lassen;

b) bei Feststellung eines offenkundigen Verstoßes oder eines Verstoßes mit Langzeitwirkung dem betreffenden Unternehmen die mit Hinweisen auf den ökologischen Landbau verbundene Vermarktung von Erzeugnissen für die Dauer einer mit der zuständigen Behörde des Mitgliedstaats zu vereinbarenden Frist untersagen.

...

(11) Ab dem 1. Januar 1998 müssen die zugelassenen Kontrollstellen unbeschadet der Absätze 5 und 6 die Bedingungen der Norm EN 45011 erfüllen.

..."

6 Art. 10 der Verordnung Nr. 2092/91 sieht vor, dass ein Vermerk und/oder ein Emblem gemäß Anhang V der Verordnung auf dem Etikett der Erzeugnisse, die einem Kontrollverfahren nach Art. 9 der Verordnung unterzogen wurden, angebracht werden; dazu werden den Kontrollstellen in Art. 10 Abs. 3 Sanktionspflichten auferlegt, die denjenigen nach Art. 9 Abs. 9 entsprechen.

7 Art. 10a ("Allgemeine Maßnahmen zur Anwendung") der Verordnung Nr. 2092/91 lautet:

"(1) Stellt ein Mitgliedstaat bei einem aus einem anderen Mitgliedstaat stammenden Erzeugnis, das einen Vermerk nach Artikel 2 und/oder Anhang V trägt, Unregelmäßigkeiten oder Verstöße bei der Durchführung dieser Verordnung fest, so unterrichtet er hierüber den Mitgliedstaat, der die Kontrollbehörde benannt oder die Kontrollstelle zugelassen hat, und die Kommission.

(2) Die Mitgliedstaaten treffen die gebotenen Maßnahmen, um der missbräuchlichen Verwendung des Vermerks nach Artikel 2 und/oder Anhang V vorzubeugen."

8 In Anhang III der Verordnung Nr. 2092/91 werden Mindestkontrollanforderungen und im Rahmen des Kontrollverfahrens nach den Art. 8 und 9 der Verordnung vorgesehene Vorkehrungen festgelegt.

9 Im Einzelnen sehen die allgemeinen Vorschriften dieses Anhangs in Nr. 9 Abs. 2 und Nr. 10 vor, dass die privaten Kontrollstellen einem kontrollierten Unternehmen zur Auflage machen können, ein Erzeugnis, das unter dem Verdacht steht, die Standards der Verordnung nicht zu erfüllen, vorläufig nicht mit dem Hinweis auf ökologischen Landbau zu vermarkten, und dass diese Stellen Zugang zu den Anlagen und der Buchführung des Unternehmens haben.

Nationales Recht

10 Das Gesetz zur Durchführung der Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaft auf dem Gebiet des ökologischen Landbaus in der Fassung vom 10. Juli 2002 (BGBl. 2002 I S. 2558, im Folgenden: ÖLG) bringt die Bestimmungen der Verordnung Nr. 2092/91 zur Anwendung.

11 § 3 Abs. 1 ÖLG bestimmt, dass das Kontrollverfahren nach Art. 9 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 3 und Anhang III der Verordnung Nr. 2092/91 von privaten Kontrollstellen durchgeführt werden kann, soweit die Aufgabenwahrnehmung nicht mit der Durchführung eines Verwaltungsverfahrens verbunden ist.

12 Nach § 4 Abs. 1 Nr. 4 ÖLG setzt die Ausübung einer Kontrolltätigkeit durch private Kontrollstellen im deutschen Hoheitsgebiet die Erteilung einer Zulassung voraus, die wiederum vom Bestehen einer Niederlassung in Deutschland abhängig ist. Das ÖLG sieht kein Verfahren zur Anerkennung von Zulassungen vor, die privaten Kontrollstellen in anderen Mitgliedstaaten erteilt wurden.

Das Vorverfahren

13 Nachdem die Kommission die Behörden der Bundesrepublik Deutschland mit einem Mahnschreiben vom 8. November 2000 darauf hingewiesen hatte, dass die Forderung an in einem anderen Mitgliedstaat zugelassene private Kontrollstellen, in Deutschland einen Geschäftssitz oder eine andere dauerhafte Infrastruktur zu unterhalten, mit Art. 49 EG unvereinbar sei, forderte sie die Bundesrepublik Deutschland, deren Antwort vom 19. Februar 2001 ihr nicht befriedigend erschien, mit einer mit Gründen versehenen Stellungnahme vom 23. Oktober 2002 auf, ihren Verpflichtungen binnen zwei Monaten nach Übermittlung der Stellungnahme nachzukommen.

14 In ihrer Antwort vom 13. Februar 2003 sandte die Bundesrepublik Deutschland der Kommission den Text des ÖLG und hielt an ihrer Ansicht fest, dass eine Niederlassung einer privaten Kontrollstelle im Gebiet des Mitgliedstaats, in dem sie die Kontrolltätigkeit ausüben wolle, aus Gründen der effektiven Durchsetzung der Verbraucherschutz- und Wettbewerbsinteressen zwingend erforderlich sei.

15 Da die Kommission der Ansicht war, dass die Bundesrepublik Deutschland der mit Gründen versehenen Stellungnahme nicht nachgekommen sei, hat sie die vorliegende Klage erhoben.

Zur Klage

Vorbringen der Parteien

16 Nach Ansicht der Kommission stellt § 4 Abs. 1 Nr. 4 ÖLG für eine in einem anderen Mitgliedstaat zugelassene private Kontrollstelle, die aber in Deutschland keine Niederlassung unterhalte, eine Beschränkung der Freiheit dar, dort ihre Kontrolltätigkeit auszuüben.

17 Das durch die Verordnung Nr. 2092/91 eingeführte System der Zulassung und Überwachung privater Kontrollstellen setze nur voraus, dass diese Stellen im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats, der die Zulassung erteile, über eine Niederlassung verfügten, nicht aber, dass sie in jedem Mitgliedstaat niedergelassen seien, in dem sie eine Kontrolltätigkeit ausüben wollten.

18 Da die Verordnung Nr. 2092/91 den betreffenden Bereich nicht vollständig harmonisiere, müsse bei der Beurteilung der Frage, ob die streitige deutsche Regelung die genannte Freiheit behindere, der freie Dienstleistungsverkehr nach Art. 49 EG berücksichtigt werden.

19 Im Übrigen habe der Rat der Europäischen Union bei der Verabschiedung der Verordnung Nr. 2092/91 nicht auf Art. 66 EWG-Vertrag (später Art. 66 EG-Vertrag, jetzt Art. 55 EG) in Verbindung mit Art. 55 EWG-Vertrag (später Art. 55 EG-Vertrag, jetzt Art. 45 EG) zurückgegriffen, so dass die Kontrolle und die Kennzeichnung von Erzeugnissen des ökologischen Landbaus keine Tätigkeit darstellten, die aus dem Anwendungsbereich von Art. 49 EG herausgenommen sei.

20 Art. 45 Abs. 1 EG betreffe zudem nur die Tätigkeiten, die als solche eine unmittelbare und spezifische Teilnahme an der Ausübung öffentlicher Gewalt darstellten. Danach nähmen die privaten Kontrollstellen, selbst unter der Annahme, dass die Tätigkeit der Kontrolle von Erzeugnissen des ökologischen Landbaus letztlich in den Bereich der öffentlichen Gewalt falle, nicht unmittelbar und spezifisch an deren Ausübung teil.

21 Bereits Art. 9 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2092/91 zeige, dass diese Kontrolltätigkeit nicht zu den Aufgaben gehöre, die unter die Ausübung öffentlicher Gewalt fielen, da er den Mitgliedstaaten erlaube, ein Kontrollverfahren einzurichten, das von privaten Kontrollstellen durchgeführt werde. Folglich handle es sich sicherlich nicht um eine zentrale staatliche Aufgabe, die eine unmittelbare und spezifische Teilnahme an der Ausübung öffentlicher Gewalt erfordere.

22 Der Umstand, dass die deutschen privaten Kontrollstellen, die die in der Verordnung Nr. 2092/91 vorgesehenen Kontrollen durchführten, auch andere Tätigkeiten ausübten, die in den Bereich der öffentlichen Gewalt fallen könnten, sei gemeinschaftsrechtlich irrelevant.

23 Die Kommission ist schließlich der Ansicht, dass das Ziel des Verbraucherschutzes das Erfordernis einer Niederlassung in Deutschland, das den in einem anderen Mitgliedstaat zugelassenen privaten Kontrollstellen auferlegt werde, nicht rechtfertigen könne. Ein solches Erfordernis sei nämlich nicht unerlässlich, um die Objektivität der Kontrollen zu überprüfen und den Verbraucherschutz zu gewährleisten. Die zuständige Behörde im Mitgliedstaat der Zulassung verfüge nach der Verordnung Nr. 2092/91 über die erforderlichen Befugnisse zur Durchführung der dazu notwendigen Überprüfungen und zur Verhängung der gebotenen Sanktionen für den Fall, dass die Kontrollmaßstäbe nicht eingehalten worden seien. Ein verkürztes Genehmigungsverfahren, das die von der zuständigen Behörde des Mitgliedstaats der Zulassung durchgeführten Prüfungen berücksichtige, würde es den deutschen Behörden erlauben, sich zu vergewissern, dass die privaten Kontrollstellen, die im deutschen Hoheitsgebiet Kontrollen durchführen wollten, tatsächlich die in der Verordnung festgelegten Voraussetzungen hinsichtlich der personellen und administrativen Ausstattung erfüllten. Außerdem ermögliche das Verfahren der Kommunikation zwischen den Verwaltungen der Mitgliedstaaten diesen, die Maßnahmen zu ergreifen, die im Fall der Feststellung von Unregelmäßigkeiten bei den in einem anderen Mitgliedstaat vorgenommenen Kontrollen erforderlich seien.

24 Die Bundesrepublik Deutschland macht geltend, dass die Verordnung Nr. 2092/91 den betreffenden Bereich abschließend harmonisiere. Somit folge aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass es nicht mehr möglich sei, die Grundfreiheiten des EG-Vertrags in diesem Bereich geltend zu machen. Dabei beruft sich die Bundesrepublik Deutschland auf die Urteile vom 13. Dezember 1983, Apple and Pear Development Council (222/82, Slg. 1983, 4083), vom 20. September 1988, Moormann (190/87, Slg. 1988, 4689, Randnr. 10), vom 12. Oktober 1993, Vanacker und Lesage (C-37/92, Slg. 1993, I-4947, Randnr. 9), und vom 13. Dezember 2001, DaimlerChrysler (C-324/99, Slg. 2001, I-9897, Randnr. 43).

25 Da jedoch die Frage der Anerkennung von in einem anderen Mitgliedstaat erteilten Zulassungen durch die Verordnung Nr. 2092/91 nicht geregelt werde, sei jeder Mitgliedstaat berechtigt, von jeder privaten Kontrollstelle, die ihre Dienstleistungen in seinem Hoheitsgebiet anbieten wolle, die Einhaltung der in der Verordnung festgelegten Zulassungsvoraussetzungen zu verlangen. Darüber hinaus würde die jedem Mitgliedstaat eingeräumte Freiheit zur Ausgestaltung seines Kontrollsystems eingeschränkt, wenn ein Mitgliedstaat verpflichtet wäre, den in einem anderen Mitgliedstaat zugelassenen privaten Kontrollstellen ohne weitere Bedingung zu gestatten, ihre Tätigkeit in seinem Hoheitsgebiet auszuüben.

26 Außerdem trägt die Bundesrepublik Deutschland vor, dass erstens die Tätigkeit der privaten Kontrollstellen unter die Ausübung öffentlicher Gewalt im Sinne von Art. 55 EG in Verbindung mit Art. 45 Abs. 1 EG falle und zweitens § 4 Abs. 1 Nr. 4 ÖLG aus Gründen des Verbraucherschutzes gerechtfertigt sei.

27 Was zum einen die in Art. 55 EG in Verbindung mit Art. 45 Abs. 1 EG vorgesehene Ausnahme betreffe, ergebe sich die maßgebliche Rolle, die den privaten Kontrollstellen im System der Kontrolle von Erzeugnissen des ökologischen Landbaus zugewiesen sei, erstens daraus, dass die Mitgliedstaaten die Kontrollaufgabe nach Art. 9 der Verordnung Nr. 2092/91 einer Behörde übertragen könnten, und zweitens aus den spezifischen Befugnissen, die die Ausübung dieser Tätigkeit mit sich bringe und die die Rechte der kontrollierten Unternehmen beeinträchtigen könnten. Der Umstand, dass die Stellen die von ihnen getroffenen Entscheidungen nicht selbst durchführen könnten, sei nicht entscheidungserheblich. Der verbindliche Charakter ihrer Entscheidungen, die nur auf gerichtlichem Weg angreifbar seien, sei dagegen ein Gesichtspunkt, der für eine unmittelbare und spezifische Teilnahme an der Ausübung öffentlicher Gewalt spreche, was sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs, insbesondere aus den Urteilen vom 21. Juni 1974, Reyners (2/74, Slg. 1974, 631, Randnr. 43), und vom 13. Juli 1993, Thijssen (C-42/92, Slg. 1993, I-4047, Randnr. 8), ergebe.

28 Was zum anderen die Rechtfertigung von § 4 Abs. 1 Nr. 4 ÖLG angehe, sei die Pflicht zur Unterhaltung einer Niederlassung in Deutschland aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses, nämlich zum Zweck des Verbraucherschutzes, erforderlich. Die Verpflichtung sei in Bezug auf dieses Ziel auch verhältnismäßig.

29 Die Verpflichtung sei folglich unerlässlich, um eine angemessene Überwachung der Tätigkeit der privaten Kontrollstellen durch die zuständigen Behörden zu ermöglichen. Es sei nämlich notwendig, dass diese Überwachung durch die zuständigen Behörden des Mitgliedstaats durchgeführt werde, in dem die Stellen tätig seien, und dass diese dort zu diesem Zweck über eine Niederlassung oder eine dauerhafte Infrastruktur verfügten.

Würdigung durch den Gerichtshof

30 In den Mitgliedstaaten, die sich für ein System entschieden haben, in dem die Kontrolle von Erzeugnissen des ökologischen Landbaus durch zugelassene private Kontrollstellen vorgenommen wird, regelt die Verordnung Nr. 2092/91 das Verfahren und die Voraussetzungen der Zulassung dieser Stellen, die Art und Weise, in der sie die Kontrollen durchzuführen haben, und das Überwachungsverfahren, dem sie im Mitgliedstaat ihrer Zulassung unterliegen. Die Verordnung enthält allerdings keine Bestimmungen über die Erbringung von Kontrollleistungen durch private Kontrollstellen in einem anderen Mitgliedstaat als dem ihrer Zulassung.

31 Auf einem Gebiet, das auf Gemeinschaftsebene nicht vollständig harmonisiert ist, bleiben die Mitgliedstaaten zwar grundsätzlich befugt, die Bedingungen für die Ausübung der Tätigkeiten auf diesem Gebiet festzulegen, sie müssen jedoch ihre Befugnisse unter Beachtung der durch den Vertrag garantierten Grundfreiheiten ausüben (vgl. Urteil vom 26. Januar 2006, Kommission/Spanien, C-514/03, Slg. 2006, I-963, Randnr. 23, und vom 14. Dezember 2006, Kommission/Österreich, C-257/05, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 18).

32 Im vorliegenden Fall stellt sich die Frage, ob die durch § 4 Abs. 1 Nr. 4 ÖLG auferlegte Bedingung, dass private Kontrollstellen, die bereits in einem anderen Mitgliedstaat zugelassen sind und somit dort eine Niederlassung unterhalten, über eine Niederlassung im deutschen Hoheitsgebiet verfügen müssen, mit Art. 49 EG vereinbar ist.

33 Nach ständiger Rechtsprechung sind als Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs alle Maßnahmen anzusehen, die die Ausübung dieser Freiheit unterbinden, behindern oder weniger attraktiv machen (vgl. Urteil vom 3. Oktober 2006, Fidium Finanz, C-452/04, Slg. 2006, I-9521, Randnr. 46 und die dort angeführte Rechtsprechung).

34 Danach läuft das in der streitigen Bestimmung vorgesehene Erfordernis einer Niederlassung dem freien Dienstleistungsverkehr direkt zuwider, da es die Erbringung der betreffenden Dienstleistungen in Deutschland durch private Kontrollstellen, die nur in anderen Mitgliedstaaten niedergelassen sind, unmöglich macht (vgl. entsprechend Urteil vom 9. März 2000, Kommission/Belgien, C-355/98, Slg. 2000, I-1221, Randnr. 27 und die dort angeführte Rechtsprechung).

35 Folglich ist zu prüfen, ob die streitige Bestimmung aufgrund der im EG-Vertrag vorgesehenen Ausnahmen oder aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein kann.

36 Die Bundesrepublik Deutschland macht geltend, dass die Tätigkeit der privaten Kontrollstellen eine unmittelbare und spezifische Teilnahme an der Ausübung öffentlicher Gewalt im Sinne von Art. 55 EG in Verbindung mit Art. 45 Abs. 1 EG darstelle, hilfsweise, dass die streitige Bestimmung durch das Ziel des Verbraucherschutzes gerechtfertigt sei.

37 Im Zusammenhang mit der ersten Argumentationslinie ist darauf zu verweisen, dass Art. 55 EG in Verbindung mit Art. 45 Abs. 1 EG als Ausnahme vom Grundprinzip der Dienstleistungsfreiheit so auszulegen ist, dass sich seine Tragweite auf das beschränkt, was zur Wahrung der Interessen, deren Schutz diese Bestimmung den Mitgliedstaaten erlaubt, unbedingt erforderlich ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 30. März 2006, Servizi Ausiliari Dottori Commercialisti, C-451/03, Slg. 2006, I-2941, Randnr. 45 und die dort angeführte Rechtsprechung).

38 Somit muss sich die in diesen Artikeln vorgesehene Ausnahmeregelung nach ständiger Rechtsprechung auf Tätigkeiten beschränken, die als solche eine unmittelbare und spezifische Teilnahme an der Ausübung öffentlicher Gewalt darstellen (vgl. Urteil Servizi Ausiliari Dottori Commercialisti, Randnr. 46 und die dort angeführte Rechtsprechung); dies schließt aus, dass rein helfende und vorbereitende Aufgaben für eine Einrichtung, die durch den Erlass der abschließenden Entscheidung tatsächlich öffentliche Gewalt ausübt, als Teilnahme an der Ausübung öffentlicher Gewalt im Sinne dieser Ausnahmeregelung angesehen werden (Urteil Thijssen, Randnr. 22).

39 Aus der Verordnung Nr. 2092/91 ergibt sich, dass die Tätigkeit privater Kontrollstellen und die Einzelheiten ihrer Ausübung wie folgt beschrieben werden können.

40 Erstens setzen die privaten Kontrollstellen nach Art. 9 Abs. 3 der Verordnung Nr. 2092/91 die in deren Anhang III aufgeführten Kontrollanforderungen und Vorkehrungen um.

41 Zweitens ziehen diese Stellen nach Art. 9 Abs. 9 Buchst. a und b der Verordnung die Konsequenzen aus den von ihnen durchgeführten Kontrollen, indem sie gegebenenfalls die Verwendung von Hinweisen auf den ökologischen Landbau für die von den kontrollierten Unternehmen vermarkteten Erzeugnisse erlauben bzw. im Fall eines offenkundigen Verstoßes oder eines Verstoßes mit Langzeitwirkung die Vermarktung der Erzeugnisse des betreffenden Unternehmens mit Hinweisen auf den ökologischen Landbau für die Dauer einer im Voraus mit der zuständigen Behörde festgelegten Frist untersagen.

42 Drittens müssen die privaten Kontrollstellen nach Art. 9 Abs. 6 Buchst. c und Abs. 8 Buchst. a und b der Verordnung Nr. 2092/91 der mit ihrer Zulassung und Überwachung beauftragten Behörde über ihre Tätigkeit berichten, indem sie sie über festgestellte Unregelmäßigkeiten und Verstöße sowie über verhängte Sanktionen informieren, ihr jede erforderliche Auskunft erteilen und ihr alljährlich ein Verzeichnis der Unternehmen, die ihrer Kontrolle unterstanden haben, und einen Tätigkeitsbericht übermitteln. Außerdem sieht Art. 9 Abs. 8 Buchst. a vor, dass die privaten Kontrollstellen der zuständigen Behörde zu Inspektionszwecken Zugang zu ihren Diensträumen und Einrichtungen gewähren und in dem Maß auskunfts- und unterstützungspflichtig sind, wie dies der zuständigen Behörde zur Erfüllung ihrer Aufgaben geboten erscheint.

43 Daraus ergibt sich zwar, dass die Tätigkeit der privaten Kontrollstellen nicht darauf beschränkt ist, einfache Kontrollen der Konformität von Erzeugnissen des ökologischen Landbaus zu organisieren, sondern auch die Ausübung von Befugnissen in Bezug auf die aus diesen Kontrollen zu ziehenden Konsequenzen umfasst, doch ist hervorzuheben, dass die Verordnung Nr. 2092/91 die Kontrolle dieser Stellen durch die zuständige Behörde vorsieht. So unterstellt Art. 9 Abs. 4 der Verordnung die privaten Kontrollstellen der Überwachung durch die zuständige Behörde. Art. 9 Abs. 6 regelt u. a. die Einzelheiten dieser Überwachung und sieht insbesondere vor, dass die Behörde neben ihrer Zuständigkeit für die Erteilung und den Entzug der Zulassung die Objektivität gewährleistet und die Wirksamkeit der von den privaten Kontrollstellen durchgeführten Kontrollen überprüft. Darüber hinaus verpflichtet Art. 9 Abs. 8 Buchst. a der Verordnung die Stellen, der zuständigen Behörde zu Inspektionszwecken Zugang zu ihren Diensträumen und Einrichtungen zu gewähren.

44 Es zeigt sich also, dass die privaten Kontrollstellen ihre Tätigkeit unter aktiver Überwachung durch die zuständige Behörde ausüben, die letztlich die Verantwortung für die Kontrollen und Entscheidungen dieser Stellen trägt, wie die in der vorstehenden Randnummer genannten Pflichten dieser Behörde belegen. Diese Schlussfolgerung wird im Übrigen durch § 3 Abs. 1 ÖLG bekräftigt, wonach die Wahrnehmung von Kontrollaufgaben im Sinne der Verordnung Nr. 2092/91 durch private Kontrollstellen nicht mit der Durchführung eines Verwaltungsverfahrens verbunden sein kann. Daraus ergibt sich, dass die helfende und vorbereitende Rolle, die den privaten Kontrollstellen durch die Verordnung gegenüber der Überwachungsbehörde übertragen wurde, nicht als unmittelbare und spezifische Teilnahme an der Ausübung öffentlicher Gewalt im Sinne von Art. 55 EG in Verbindung mit Art. 45 Abs. 1 EG angesehen werden kann.

45 Die Bundesrepublik Deutschland trägt jedoch vor, dass den privaten Kontrollstellen in Deutschland von der Verordnung abweichende Befugnisse übertragen worden seien. So seien sie befugt, Verwaltungsakte zu erlassen, deren verbindlicher Charakter demjenigen der von Verwaltungsbehörden getroffenen Entscheidungen entspreche.

46 Wie bereits in Randnr. 37 des vorliegenden Urteils festgestellt, ist in dieser Hinsicht zum einen zu betonen, dass die in Art. 55 EG in Verbindung mit Art. 45 Abs. 1 EG vorgesehene Ausnahme so auszulegen ist, dass sich ihre Tragweite auf das beschränkt, was zur Wahrung der Interessen, deren Schutz diese Bestimmung den Mitgliedstaaten erlaubt, unbedingt erforderlich ist.

47 Zum anderen steht zwar die Verordnung Nr. 2092/91 dem nicht entgegen, dass die Mitgliedstaaten die privaten Kontrollstellen zur Erfüllung ihrer Kontrolltätigkeit mit hoheitlichen Befugnissen ausstatten oder sie mit anderen Tätigkeiten betrauen, die als solche eine unmittelbare und spezifische Teilnahme an der Ausübung öffentlicher Gewalt darstellen, doch ist nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs eine Ausweitung der in den Art. 45 EG und 55 EG gestatteten Ausnahme auf einen Beruf als Ganzen nicht zu billigen, wenn die Tätigkeiten, die gegebenenfalls mit der Ausübung öffentlicher Gewalt verbunden sind, einen abtrennbaren Teil der betreffenden Berufstätigkeit insgesamt darstellen (vgl. zu Art. 45 EG Urteil Reyners, Randnr. 47).

48 Wie in Randnr. 44 des vorliegenden Urteils festgestellt worden ist, stellt die Tätigkeit der privaten Kontrollstellen, wie sie in der Verordnung Nr. 2092/91 festgelegt ist, als solche keine unmittelbare und spezifische Teilnahme an der Ausübung öffentlicher Gewalt dar, so dass jede andere, zusätzliche Tätigkeit, die eine solche Teilnahme bildet, davon zwangsläufig abtrennbar ist.

49 Im Rahmen ihrer hilfsweise vorgetragenen zweiten Argumentationslinie, der Rechtfertigung von § 4 Abs. 1 Nr. 4 ÖLG durch Gründe des Verbraucherschutzes, macht die Bundesrepublik Deutschland insbesondere geltend, dass das Erfordernis einer Niederlassung oder einer dauerhaften Infrastruktur im deutschen Hoheitsgebiet unerlässlich sei, damit die zuständigen deutschen Behörden gewährleisten könnten, dass die Stellen, die dort Kontrollleistungen erbrächten, tatsächlich über die notwendige Infrastruktur und das notwendige Personal verfügten, und damit sie die in der Verordnung Nr. 2092/91 vorgesehenen Inspektionen vor Ort vornehmen könnten.

50 Der Verbraucherschutz kann nach ständiger Rechtsprechung Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs rechtfertigen (vgl. in diesem Sinne u. a. Urteile vom 9. Juli 1997, De Agostini und TV-Shop, C-34/95 bis C-36/95, Slg. 1997, I-3843, Randnr. 53, vom 6. November 2003, Gambelli u. a., C-243/01, Slg. 2003, I-13031, Randnr. 67, und vom 6. März 2007, Placanica u. a., C-338/04, C-359/04 und C-360/04, Slg. 2007, I-0000, Randnr. 46).

51 Es muss jedoch sichergestellt werden, dass die hierfür getroffenen Maßnahmen nicht über das hinausgehen, was objektiv erforderlich ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. März 2004, Kommission/Frankreich, C-496/01, Slg. 2004, I-2351, Randnr. 68). 52 Die Bedingung, dass in einem anderen Mitgliedstaat zugelassene private Kontrollstellen im deutschen Hoheitsgebiet eine Niederlassung unterhalten müssen, damit sie dort ihre Tätigkeit ausüben können, geht über das hinaus, was zur Erreichung des Ziels des Verbraucherschutzes objektiv erforderlich ist.

53 Die Verordnung Nr. 2092/91 setzt nämlich Mindestanforderungen für die Überwachung dieser Stellen fest. Diese Anforderungen gelten in allen Mitgliedstaaten, so dass garantiert ist, dass eine in einem Mitgliedstaat zugelassene private Kontrollstelle, die in Deutschland Kontrollleistungen erbringt, insbesondere den verschiedenen Anforderungen der Verordnung genügt, und dass somit der Verbraucherschutz gewährleistet ist.

54 Folglich schließt § 4 Abs. 1 Nr. 4 ÖLG, wonach in einem anderen Mitgliedstaat zugelassene private Kontrollstellen in Deutschland eine Niederlassung haben müssen, um den deutschen Behörden ihre Überwachung zu ermöglichen, eine Berücksichtigung der bereits im Mitgliedstaat der Zulassung bestehenden Verpflichtungen und Überwachungsmaßnahmen aus.

55 Es wäre den deutschen Behörden aber möglich, die Garantien, die nach der Verordnung Nr. 2092/91 und im Interesse des Verbraucherschutzes erforderlich sind, durch weniger einschränkende Maßnahmen zu erhalten.

56 So könnten die Behörden von einer in einem anderen Mitgliedstaat zugelassenen privaten Kontrollstelle vor der Aufnahme ihrer Tätigkeit den Nachweis verlangen, dass sie im Niederlassungsstaat tatsächlich zugelassen ist und über die notwendige Infrastruktur sowie das notwendige Personal für die Leistungen verfügt, die sie im deutschen Hoheitsgebiet erbringen möchte. Diese Umstände könnten von den zuständigen mit der Überwachung der Tätigkeit der betreffenden Stelle betrauten Behörden des Niederlassungsmitgliedstaats bestätigt werden.

57 Sollte bei den in Deutschland von dieser Stelle durchgeführten Kontrollen eine Unregelmäßigkeit festgestellt werden, so sieht die Verordnung Nr. 2092/91 in Art. 10a ein Verfahren des Informationsaustauschs zwischen den Mitgliedstaaten vor, durch das die deutschen Behörden die Behörden, die diese Stelle überwachen, auf die Unregelmäßigkeit aufmerksam machen könnten, damit diese die gebotenen Maßnahmen, z. B. eine Inspektion der Anlagen der Stelle, ergreifen und, falls erforderlich, die Zulassung entziehen.

58 Demnach ist festzustellen, dass § 4 Abs. 1 Nr. 4 ÖLG in Bezug auf das Ziel des Verbraucherschutzes, auf das sich die Bundesrepublik Deutschland beruft, nicht verhältnismäßig ist.

59 Nach alledem hat die Bundesrepublik Deutschland mit der Forderung, dass in einem anderen Mitgliedstaat zugelassene private Kontrollstellen im deutschen Hoheitsgebiet eine Niederlassung unterhalten müssen, damit sie dort Kontrollleistungen erbringen können, gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 49 EG verstoßen.

Kostenentscheidung:

Kosten

60 Nach Art. 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kommission die Verurteilung der Bundesrepublik Deutschland beantragt hat und diese mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr die Kosten aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Erste Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

1. Die Bundesrepublik Deutschland hat mit der Forderung, dass in einem anderen Mitgliedstaat zugelassene private Kontrollstellen für Erzeugnisse des ökologischen Landbaus im deutschen Hoheitsgebiet eine Niederlassung unterhalten müssen, damit sie dort Kontrollleistungen erbringen können, gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 49 EG verstoßen.

2. Die Bundesrepublik Deutschland trägt die Kosten.

Ende der Entscheidung

Zurück